Im Fokus von Netzwerk Wien 1900 stehen neben Klimts familiärem Umfeld, die Kolleg:innen des Meisters, seine Auftraggeber:innen sowie die wichtigsten Zeitgenoss:innen. Überdies sind jene Wirkungsstätten dokumentiert, die als Wiege des »Wien 1900« verstanden werden. Auch den für Klimt impulsgebenden Orten im In- und Ausland wird hier Raum geboten.
Wirkungsstätten
Um 1900 herrschte europaweit Aufbruchstimmung, die in der Kunst- und Kulturszene zur Loslösung von konservativen Traditionen führte. In Wien wurden zahlreiche Institutionen, Künstler- und Fotograf:innenvereinigungen, Galerien und Salons gegründet. Diese galten als Wiege der Moderne und im Sinne des Gesamtkunstwerks ging es um die ästhetische Durchdringung aller Lebensbereiche. So etablierten sich auch Kaffeehäuser, Kabaretts und Modesalons zu Wirkungsstätten der bildenden Kunst.
28 Wirkungsstätten
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Wiener Secession, um 1900
© Klimt-Foundation, Wien


Acht Künstlerinnen

Katalog der Ausstellung 8 Künstlerinnen und ihre Gäste im Salon Pisko 1904
© Bibliothek des Belvedere, Wien

Verzeichnis der ausstellenden Künstlerinnen auf der Ausstellung 8 Künstlerinnen und ihre Gäste
© Bibliothek des Belvedere, Wien
Um 1900 bildete sich in der Wiener Kunstszene eine neue, informelle Vereinigung von acht namhaften Künstlerinnen. Bis in die 1910er Jahre stellte diese Künstlerinnengruppe wiederholt im Salon Pisko ihre Werke aus. Die Gruppe der Acht Künstlerinnen gilt heute als Vorreiterin für spätere Künstlerinnenverbände, wie der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs.
Um die Jahrhundertwende bildete sich in Wien – medial relativ unbemerkt – eine neue und unabhängige agierende Ausstellungsgruppe von österreichischen Malerinnen, Grafikerinnen und Bildhauerinnen, die aus dem Frauennetzwerk des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (VSKW) hervorging. Neben Olga Wisinger-Florian, die bereits in der Vergangenheit mehrmals zu Ausstellungen ins Künstlerhaus oder in die Wiener Secession eingeladen wurde, zählten auch Marie Egner, Eugenie Breithut-Munk, Marianne von Eschenburg, Susanne Granitsch, Marie Müller, Bertha von Tarnóczy sowie die Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries zu den Gründungsmitgliedern der »Acht Künstlerinnen«.
Ausstellungen im Salon Pisko
Ab 1901 organisierte die Gruppe der Acht Künstlerinnen fast jährlich eine eigene Ausstellung, die oftmals auch als Wohltätigkeitsveranstaltung genutzt wurde, in den Räumlichkeiten des Salon Pisko in der Wiener Innenstadt. Im Rahmen dieser Veranstaltungen, die immer den Titel »8 Künstlerinnen und ihre Gäste« trugen, präsentierten ebenso laufend andere kunstschaffende Frauen aus dem In- und Ausland der breiten Öffentlichkeit ihre Werke.
Diversen Medienberichten zufolge wurden die zahlreichen Ausstellungsbesucher, die für den Eintritt eine Krone bezahlten, persönlich von den Künstlerinnen in Empfang genommen und durch die Ausstellung geführt. Die Frauen-Zeit berichtete im Februar 1909 wie folgt:
»In liebenswürdigster Weise machen die Künstlerinnen selbst die Honneurs, geben Auskunft über alles, so daß [!] ein inniger Kontakt zwischen ihnen und den Besuchern stattfindet.«
Auch zahlreiche Angehörige der führenden Wiener Aristokratie, wie Erzherzog Ludwig Victor, Erzherzog Rainer, Fürstin Pauline von Metternich-Sandor und Erzherzogin Marie Valerie, durften die Künstlerinnen wiederholt als ihre Gäste begrüßen.
Mediales Echo und »Verschwinden«
Die Acht Künstlerinnen erhielten mit ihren selbstorganisierten Ausstellungen durchaus positive Resonanz: Die Linzer-Tagespost honorierte 1902 vor allem das Bestreben der Künstlerinnen, nicht mehr als Mitläufer bei den Veranstaltungen ihrer männlichen Kunstgenossen fungieren zu wollen und die Arbeiter-Zeitung schrieb in der Ausgabe vom 5. Jänner 1902:
»Es hat ihnen viele Mühe gekostet, sich ein Plätzchen im Wiener Ausstellungswesen zu erobern; jetzt haben sie es aber inne und werden es nicht so bald verlieren.«
Trotz des anwachsenden Erfolges finden sich in der österreichischen Presselandschaft der frühen 1910er Jahre bald keine Berichte mehr über die Künstlerinnengruppe und ihren Veranstaltungen. Die genauen Umstände ihres »Verschwindens« aus der Wiener Kunstszene sind nicht bekannt. 1910 war allerdings die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs als vergleichbare Interessensgemeinschaft gegründet worden.
Literatur und Quellen
- Julie M. Johnson: The Memory Factory. The Forgotten Women Artists of Vienna 1900, West Lafayette 2012, S. 260-293.
- Wiener Hausfrauen-Zeitung, 02.02.1902, S. 44.
- Frauenleben, 01.02.1901, S. 12-13.
- Sport und Salon. Illustrirte Zeitschrift für die vornehme Welt, 09.03.1912, S. 5.
- Wiener Salonblatt, 02.02.1906, S. 5.
- Linzer Tages-Post, 16.02.1902, S. 1.
- Arbeiter-Zeitung, 05.01.1902, S. 7.
- Neues Wiener Tagblatt, 27.01.1901, S. 7.
- Neues Wiener Tagblatt, 18.01.1902, S. 6.
- Neues Wiener Tagblatt, 31.01.1904, S. 5.
- Neue Freie Presse, 21.01.1902, S. 7.
- Neue Freie Presse, 06.01.1903, S. 12.
- Die Frauen-Zeit. (Beiblatt Die Zeit), 02.01.1909, S. 15.
- Franziska Alberti: Aus Kunst und Natur. Acht Künstlerinnen und ihre Gäste, in: Neues Frauenleben, Heft 2 (1909), S. 52-54.
- Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, 16.01.1902, S. 5.
- Stella Rollig, Sabine Fellner (Hg.): Stadt der Frauen / City of Women. Künstlerinnen in Wien 1900–1938 / Female Artists in Vienna 1900–1938, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 25.01.2019–19.05.2019, München - New York - Wien 2019.
- Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 17. Jg., Heft 12 (1902), S. 282-283.

Artaria Buch- und Kunsthandlung

Filiale der Buch- und Kunsthandlung Artaria & Co am Kohlmarkt 9, in: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau- und Raumkunst, 8. Jg. (1902).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Plan der Stadt Wien, herausgegeben vom Artaria und Compagnie, 1890
© Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung

Siegfried Bing (Hg.): Le Japon Artistique, Heft 1 (1888).
© Klimt-Foundation, Wien
Artaria & Co. gilt als älteste Kunsthandlung Österreichs und eine der ältesten Firmen Wiens. Neben dem Vertrieb und Verlag von künstlerischen und musikalischen Schriften und Reproduktionen war das Unternehmen besonders bekannt für seine hochwertigen Landkarten.
Die Geschichte des Kunsthandels und Verlags Artaria & Co. nahm mit den italienischen Brüdern Cesare, Domenico und Giovanni Artaria um 1750 ihren Anfang. Als reisende Kunsthändler waren die Brüder in ganz Mitteleuropa tätig; in Mainz gründeten sie schließlich einen Verlag. Die nächste Generation, bestehend aus Francesco und Carlo, ließ sich in Wien nieder. 1770 registrierten sie ihre Firma unter dem Namen Artaria & Company und erhielten das Recht Handel außerhalb von Märkten zu treiben. Ab den 1780er Jahren verfügte die Firma über ein Druckprivileg, das es ihr erlaubte kartographische Werke und Musikalien zu produzieren.
Nach mehrmaligem Umzug siedelte sich die Firma 1789 im Haus »Zum englischen Gruß« am Kohlmarkt 9 in der Wiener Innenstadt an. 1900 bis 1902 wurde das Gebäude, das allgemein auch als »Artaria Haus« bezeichnet wurde, durch den Architekten Max Fabiani aus dem Umfeld Otto Wagners im frühen Wiener Jugendstil radikal erneuert und die Räumlichkeiten im Zuge dessen für Ausstellungszwecke adaptiert.
Karten-, Kunst- und Musikverlag
Der Verlag teilte sich in drei Sparten. Neben der kartographischen Tätigkeit etablierte sich Artaria auch als renommierter Verlag für Musik und Kunst. Mit dem Verfahren des Kupferstiches und später der neuen Technik der (Farb-)Lithographie druckte das Unternehmen nicht nur Noten von berühmten Musikern wie Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven, Schubert und Rossini. Die Kunstabteilung verlegte zudem Stiche bedeutender Grafiker wie Jakob Schmutzer sowie das erste Mappenwerk der neu gegründeten Kupferstich Akademie (1775/76).
Am bekanntesten war Artaria jedoch nach wie vor für seine Atlanten. Zu den wichtigsten Exemplaren aus dem Verlag zählen der Atlas für Commercielle Lehranstalten (1892) und der Atlas für Handelsschulen (1896).
Klimt und Artaria
Mehrere Korrespondenzen belegen, dass Gustav Klimt ein regelmäßiger Kunde der Kunsthandlung Artaria war. Dies hing sicherlich auch damit zusammen, dass sich Klimts Bank – das Bank- und Wechselhaus M. Gerstbauer – im selben Gebäude wie die Kunsthandlung am Kohlmarkt 9 befand und er diese Adresse daher regelmäßig frequentiert haben muss.
Zumeist bezog er über den Verlag Kunstbücher, darunter Monografien und Magazine. Viele der im Verlag Artaria erworbenen Werke dienten als Inspirationsquelle für Klimts Kunst. So bestellte er Botho Graefs Die antiken Vasen von der Akropolis, Friedrich Willhelm von Bissings Werk Denkmäler Ägyptischer Skulptur und Siegfried Bings Le Japon Artistique, eine Zeitschrift über japanische Kunst. Klimts Werke beinhalten sowohl Motive aus der ägyptischen wie japanischen Kunst sowie der Epoche der Antike. Viele dieser Sujets dürfte der Künstler seiner Lektüre entnommen haben.
Klimts Bestellungen bei Artaria

Inserat für die im Artaria Verlag erschienene Zeitschrift »Kunst und Kunsthandwerk« im Katalog der I. Secessionsausstellung, in: Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): Katalog der I. Kunstausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Ausst.-Kat., Blumensäle der k. k. Gartenbaugesellschaft (Wien), 26.03.1898–20.06.1898, Wien 1898.
© Bibliothek des Belvedere, Wien
Das Ausmaß von Klimts Bestellungen beim Verlag zeigt seine offene Rechnung aus dem Jahr 1914. Mit einem ausständigen Betrag von 2666 Kronen (ca. 15.280 Euro) musste der Maler eine erhebliche Menge an Büchern über Artaria bezogen haben.
Die Auflösung des Verlags
Ende des 19. Jahrhunderts schränkte man zunächst den Verlag von Kunststichen ein. 1894 wurde der Musikverlag an Josef Weinberger veräußert. 1920 übernahm G. Freytag & Berndt als Tochterunternehmen die noch übrig gebliebene kartographische Abteilung von Artaria & Co. Der neue Name lautete: Freytag-Berndt und Artaria K.G., Kartographische Anstalt. 1922 ging die Kunstabteilung des Verlags eine Interessengemeinschaft mit dem Kunsthändler Gustav Nebehay ein; die Kunsthandlung Artaria & Co wurde dennoch kurz darauf 1931 aufgelöst.
Literatur und Quellen
- Wien Geschichte Wiki. Artaria. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Verlag_Artaria (18.05.2020).
- Wien Geschichte Wiki. Berndt & Freytag. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Freytag_%26_Berndt (18.05.2020).
- Wiener Zeitung. www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/mehr-kultur/166025-Ein-Plaedoyer-fuer-das-Klimt-Atelier.html (18.05.2020).
- Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte. Band I. Entwicklung des Verlagsbuchhandels in Österreich bis 1918. verlagsgeschichte.murrayhall.com/ (18.05.2020).
- Österreichisches Musiklexikon online. Artaria. www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_A/Artaria.xml (18.05.2020).
- Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 1 (1898), S. 26.
- Bestellschein von Gustav Klimt in Wien an die Buchhandlung Artaria & Co in Wien (20.09.1907). H.I.N. 76.134/2, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Bestellschein von Gustav Klimt in Wien an die Buchhandlung Artaria & Co. in Wien (16.11.1906). H.I.N. 76.134/1, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Wien an die Kunsthandlung Artaria & Co. in Wien (22.02.1906). H.I.N. 76.135, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Brief von Gustav Klimt in Bad Gastein an die Kunsthandlung Artaria & Co. in Wien (13.07.1914). H.I.N. 76.372, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Korrespondenzkarte von Gustav Klimt in Litzlberg am Attersee an die Kunsthandlung Artaria & Co. in Wien (29.07.1904). H.I.N. 76.136, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Subskriptionsschein von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an die Buchhandlung Artaria & Co in Wien (vermutlich um 1906). H.I.N. 76.134/3, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Subskriptionsschein von Gustav Klimt in Wien an die Kunsthandlung Artaria & Co in Wien (um 1912). H.I.N. 17.6442, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.

Café Central

Café Central, um 1898
© Wien Museum

Eröffnungsanzeige des Café Central, in: Kikeriki. Humoristisches Volksblatt, 30.04.1876.
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Wilhelm Gause: Arkadenhof im Café Central, 1899
© Wien Museum
Das berühmte Kaffeehaus Café Central liegt in der Wiener Innenstadt an der Ecke Herrengasse und Strauchgasse im sogenannten Ferstelpalais. Es zählte um die Jahrhundertwende zu einem der wichtigsten Treffpunkte der Künstler und Literaten der Moderne.
Im Jahr 1855 wurde Heinrich Ferstel – der Architekt der Votivkirche und der Universität – von der k. k. privilegierten österreichischen Nationalbank mit dem Neubau des Gebäudekomplexes zwischen Herrengasse und Freyung beauftragt. Die Baufläche war ausgesprochen unregelmäßig, doch der historistische Bau konnte 1860 fertiggestellt werden. In dem Bauwerk fanden neben der Bank ein Börsensaal, ein Basar und ein Kaffeehaus Platz.
Die Fassaden zur Herren- und Strauchgasse wurden im Quaderbau ausgeführt und der Innenraum ist durch aufwendige Pfeiler, Stiegen, Balustraden und Steinmetzarbeiten geprägt. Die Wandflächen wurden in unterschiedlichen Steinarten sowie mit Holzvertäfelungen, Ledertapeten, Stuccolustro und ornamentaler Bemalung gestaltet. Einen prominenten Platz nimmt zudem der sogenannte Donaunixenbrunnen im sechseckigen Basarhof der Passage ein.
Unterhalb des Börsensaals – die Börse übersiedelte 1872 an den Schottenring – eröffnete 1876 das Café Central. Die Eröffnungsanzeige lautete:
»Dieses Kaffeehaus wurde von mir in den durch ihre architektonischen Schönheiten bekannten Parterre-Lokalitäten auf das Eleganteste eingerichtet und da der genannte Prachtbau zu den Sehenswürdigkeiten Wiens zählt, nunmehr ein Locale [!] geschaffen, das sich das schönste Café der Residenz nennen darf. Zahlreiche in- und ausländische politische, illustrirte [!] und Fach-Journale, sowie vier Billards neuester Construction [!] und zwei separirte [!] Spielzimmer stehen zur Verfügung. Um gütigen Zuspruch bittet hochachtungsvollst W. Prückel, Cafétier im Café National.«
Das Kaffeehaus avancierte zu einem beliebten Treffpunkt für Literaten und Künstler. Einen besonderen Anziehungspunkt bildeten die beworbenen, in 22 Sprachen aufliegenden Zeitungen und Zeitschriften, die Schachspiele und Billardtische. Als 1897 das nahe gelegene Café Griensteidl geschlossen wurde, übersiedelten einige Stammgäste in das Café Central. So zum Beispiel Anhänger des literarischen Kreises Jung-Wien, wie Peter Altenberg, Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus und Egon Friedell. Zu den bedeutendsten »Centralisten« zählten auch Adolf Loos, Oskar Kokoschka, Otto Soyka, Stefan Zweig und Sigmund Freud. Obwohl einige Besucher ab 1899 ihren Stammplatz in das neu eröffnete Café Museum verlegten, war das Central einer der wichtigsten Kristallisationspunkte des geistigen Lebens in Wien um 1900. Alfred Polgar bezeichnete die Klientel als »Leute mit heftiger Menschenfeindlichkeit« und die Atmosphäre als »eine Weltanschauung«.
Im September des Jahres 1900 übernahmen die Gebrüder Pach das Kaffeehaus, die schon als Betreiber des Schweizerhauses und der Sophiensäle langjährige Erfahrung sammeln konnten. Im Café Central führten sie moderne Neuerungen wie »elegante, mit allen nöthigen [!] Behelfen ausgestattete Correspondenztische[!]« und ein noch umfangreicheres Zeitungssortiment ein. Das Café florierte weiter und war auch in der Zwischenkriegszeit gut besucht.
1925 zog die bereits 1878 umbenannte Österreichisch-ungarische Bank aus dem Ferstelpalais aus. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Bombenangriffe stark beschädigt. Nach der Schließung 1947 verfiel das Bauwerk sukzessive, konnte jedoch 1975 vor dem Abbruch gerettet und renoviert werden. Seit den 1980ern wird hier wieder ein Café Central betrieben, das allerdings weniger als Literaten- und Künstlertreffpunkt gilt, als aufgrund seiner geschichtlichen Bedeutung ein Touristenmagnet ist.
Literatur und Quellen
- Wien Geschichte Wiki. Cafe Central. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Caf%c3%a9_Central (09.04.2020).
- Wien Geschichte Wiki. Palais Ferstl. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Ferstelpalais (09.04.2020).
- Alfred Polgar: Theorie des ›Café Central‹, in: An den Rand geschrieben, Berlin 1927.
- Kikeriki. Humoristisches Volksblatt, 30.04.1876, S. 6.
- N. N.: Gebrüder Pach im "Café Central", in: Jörgel Briefe, 15.09.1900, S. 8.
- Reingard Witzmann (Hg.): Das Wiener Kaffeehaus. Von den Anfängen bis zur Zwischenkriegszeit, Ausst.-Kat., Historisches Museum der Stadt Wien (Neues Rathaus, Feststiege 1, Wien), 12.06.1980–26.10.1980, Wien 1980.

Café Museum

Café Museum Außenansicht, 1899
© ALBERTINA, Wien

Werbung für das Café Museum, in: Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): XX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs Secession Wien. März April Mai 1904, Ausst.-Kat., Secession (Wien), 26.03.1904–12.06.1904, Wien 1904.
© Bibliothek des Belvedere, Wien

Blick in das Billardzimmer des Café Museum von Adolf Loos, um 1911
© Wien Museum

Wilhelm Gause: Café Museum, Gibson-Zimmer, 1899
© Wien Museum

Wiener Secession, um 1898, in: Wiener Bauindustrie-Zeitung und Wiener Bauten-Album, 17. Jg., Band 1 (1899/1900).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt mit den beteiligten Künstlern der XIV. Secessionsausstellung, April 1902, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien

Café Museum Innenansicht, Blick durch den linken Flügel nach der Umgestaltung durch Josef Zotti, fotografiert von Bruno Reiffenstein, 1931
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
In einem der ältesten Gebäude der Ringstraßenzone gelegen, wurde das von Adolf Loos innovativ gestaltete Café Museum regelmäßig von der Wiener Kunst- und Kulturszene frequentiert. Auch Gustav Klimt verkehrte im sogenannten »Secessionisten-Tschecherl«.
Die Anfänge
Ursprünglich war das von Ludwig Frisch geführte Café mit dem Beinamen »Zum Museum« gegenüber dem Kunsthistorischen Museum situiert (Babenbergerstraße 5, Wien-Innere Stadt). Seit dem Jahr 1899 ist das Café Museum – der Name wurde in abgewandelter Form beibehalten – an der Ecke Operngasse 7/ Friedrichstraße 6 (Wien-Innere Stadt) in unmittelbarer Nähe zum Gebäude der Wiener Secession untergebracht. Der Ausstattungsauftrag erging ursprünglich an den Otto Wagner-Schüler und späteren Architekten der Urania, Max Fabiani. Dieser übertrug die Gestaltung jedoch auf Adolf Loos.
Die Loos'sche Zurückhaltung
Die Einrichtung des Café Museum versinnbildlichte die Prämisse von Loos, sich sowohl vom Historismus als auch von den zeitgenössischen Ausformulierungen der Wiener Secession zu distanzieren. Loos kreierte für das Café Museum ein Gesamtkonzept, das die Materialsichtigkeit hervorhob und sich zugleich in Praktikabilität übte. Inspirierend für die Ausstattung dieses Etablissements waren die Wiener Kaffeehäuser der Ringstraße mit Möbeln aus der Biedermeier Epoche. Loos schätzte die Formensprache dieser Zeit, wie auch die des englischen Chippendale-Stils. Darüber hinaus ließ er die während seines mehrjährigen USA-Aufenthaltes gewonnenen Eindrücke in die Gestaltung miteinfließen. Bereits dieses Ensemble festigte seine Position als Antagonist von Josef Hoffmann, dessen Architektur und zur Secession generell, auch wenn das humoristische Wochenblatt Kikeriki sarkastisch berichtete:
»Der modern secessionistischen Richtung, der wir sonst wenig Erfreuliches verdanken, ist hier mit Rücksicht auf den Wiener Geschmack glücklich Rechnung getragen, jedermann wird sich hier anheimelnd gemütlich fühlen.«
»Eine Sehenswürdigkeit Wiens ist das neu eröffnete Café Museum«
In diesem aus zwei weitläufigen, gewölbten Raumfluchten gebildeten Kaffeehaus befand sich dem Eingang gegenüber eine abgerundete Sitzkassa aus dunklem Mahagoni-Holz. Dieses Material war auch für die Billardtische vorgesehen, die sich im Raum links der Kassa befanden. Weitere Sitzreihen waren entlang der Wand- und Fensterreihen untergebracht. Die unterschiedliche Länge der beiden Raumflügel kaschierte Loos durch eine verspiegelte Holzwand mit einer Bilderserie über Jagd und Pferderennen, wobei der Raum einem modernen Männerclub glich und die Vorliebe Loos‘ für die angelsächsische Kultur widerspiegelte. Daran schloss das sogenannte »Gibsonzimmer« an. Der moderne Sport von Frauen und Männern in aktueller Sportbekleidung als Bilderserie des amerikanischen Illustrators Charles Dana Gibson charakterisierte dieses Zimmer. Das Sitzmobiliar stammte von der Prag Rudniker Korbwarenfabrikation.
Der Raum rechts der Kassa war mit klassischen Kaffeehaus-Ensembles ausgestattet. Loos optimierte für die gesamte Bestuhlung gängige Serienmodelle, die von der Bugholzfirma Jacob & Josef Kohn angefertigt wurden. Das dabei verwendete Buchenholz wurde in einem Rotton gebeizt. Diese Farbgebung sorgte in Kombination mit den Wänden, die mit mattgrünen Velourtapeten mit löschpapierartiger Körnung versehen waren, für ein kontrastreiches Erscheinungsbild. Messingleisten rahmten nahezu alle Wände. Weitere Einfassungen aus diesem Metall schützten die Beine der Billard- sowie Marmortische. Zusätzlich schuf Loos für das Café Museum ein innovatives, elektrisches Beleuchtungssystem aus Messing, das zeitgleich auch als Hutablage fungierte.
Das Café Museum und die Wiener Secession
Obwohl die Ausstattung dieser Lokalität von einem Kritiker der Wiener Secession entworfen wurde, avancierte dieses Café kurz nach seiner Eröffnung zu einem wichtigen Versammlungsort ihrer Mitglieder und anderer Kunstschaffender, wohl auch ob der örtlichen Nähe. Zu den Stammgästen zählten etwa Peter Altenberg, Albert Paris Gütersloh, Oskar Kokoschka, Karl Kraus, Egon Schiele oder Franz Werfel. Carl Moll und seine Stieftochter Alma Schindler waren ebenso gern gesehene Gäste, wie Marie und Hugo Henneberg oder auch Friedrich Viktor Spitzer. Josef Hoffmann, Kolo Moser, Joseph Maria Olbrich, Alfred Roller, Otto Wagner und Gustav Klimt war ein eigener Stammtisch vorbehalten, wie sich der deutsche Maler Walter Klemm, der sich an der »Kunstschau Wien 1908« beteiligte, erinnerte. Zudem überlieferte er, dass auch Amiet, Hodler, Munch und weitere ausländische Gäste der Secession dort frequentierten. Aus der Korrespondenz von Fritz Waerndorfer mit Hermann Bahr geht hervor, dass sie hier 1903 das Konzept für ihr Buchprojekt Gegen Klimt besprachen, in dem sie die Kritik an den Fakultätsbildern als Ausdruck einer unzeitgemäßen Gesinnung brandmarkten. Loos selbst war ebenfalls Stammgast und versammelte an seinem Tisch die Studierenden der nahe gelegenen Technischen Hochschule und der Akademie der bildenden Künste.
Der Kunstkritiker Ludwig Hevesi, ebenso Verfechter der Wiener Secession, erläuterte im Mai 1899: »Als aufrichtiger Nichtsezessionist gibt sich Adolf Loos in seinem ›Café Museum‹. […] er hat seine Sache gut gemacht. Etwas nihilistisch zwar, sehr nihilistisch, aber appetitlich, logisch, praktisch. Und ungewohnt, was auch ein Verdienst ist.« Des Weiteren erläuterte Hevesi, dass sich Loos »nicht als Feind der Sezession ausgebe, aber als etwas anderes [!], denn modern sind schließlich beide.« Fortan war dieses Etablissement auch unter dem Namen »Café Nihilismus« bekannt.
Die Neugestaltungen des Café Museum
Im Jahr 1931 wurde das originale Interieur durch die Ausstattung des Josef Hoffmann-Schülers und Chefdesigners der Prag Rudniker Korbwarenfabrikation, Josef Zotti, ersetzt. Er löste den schlichten von Loos propagierten Stil durch den Einbau von roten gebogenen Kunstlederbänken auf und ersetzte die Bugholzstühle durch anderes Sitzmobiliar. Bereits rund zwei Jahrzehnte zuvor wurde er mit der Fertigung einer Korbbalustrade um die Straßensitzplätze des Cafés beauftragt.
Lange Zeit blieb die Inneneinrichtung von Zotti erhalten, bis zu Beginn der 2000er-Jahre eine Generalsanierung veranlasst wurde. Das puristische Raumkonzept von Loos wurde rekonstruiert, was jedoch zu herber Kritik führte, sodass die Einrichtung dieses Etablissements seit 2010 wieder auf das Design von Zotti referiert.
Literatur und Quellen
- Ludwig Hevesi: Aus dem Wiener Kunstleben, in: Mittheilungen des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Monatsschrift für Kunst und Gewerbe, 2. Jg., Heft 5 (1899), S. 196-197.
- Ludwig Hevesi: Kunst auf der Straße. 30. Mai 1899, in: Acht Jahre Sezession (März 1897–Juni 1905). Kritik – Polemik – Chronik, Wien 1906, S. 170-175.
- Wien Geschichte Wiki. Cafe Museum. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Caf%C3%A9_Museum (15.04.2020).
- Eva B. Ottillinger: Möbelgeschichten, ein Katalog, in: Eva B. Ottillinger (Hg.): Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne. Künstler, Auftraggeber, Produzenten, Ausst.-Kat., Hofmobiliendepot - Möbel Museum Wien (Wien), 21.03.2018–07.10.2018, Wien - Köln - Weimar 2018, S. 76-78.
- Michaela Schlögel: Klimt mit allen fünf Sinnen, Wien 2012, S. 88.
- Elana Shapira: Style & Seduction. Jewish Patrons, Architecture and Design in Fin de Siècle Vienna, Waltham 2016.
- Anthony Beaumont, Susanne Rode-Breymann (Hg.): Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten. 1898–1902, 2. Auflage, Frankfurt am Main 2011, S. 604.
- Kikeriki. Humoristisches Volksblatt, 23.04.1899, S. 5.

Camera-Club

Camera-Club, Clubatelier, in: Wiener Camera-Club (Hg.): Wiener Photographische Blätter, 1. Jg., Nummer 10 (1894).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Im Club der Amateur-Photographen in Wien (ab 1893 Camera-Club) schlossen sich Großbürger und Aristokraten zusammen, die Fotografie als Freizeitbeschäftigung betrieben und durch ihre Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, technischen und ästhetischen Fragen die Neuorientierung der Fotografie maßgeblich beeinflussten.
Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Fotografie einen europaweiten Aufschwung, der in Wien 1861 zur Gründung der Photographischen Gesellschaft führte, die in der österreichisch-ungarischen Monarchie vor allem als Lobby für Gewerbetreibende agierte. Oftmals von den Berufsfotografen als Konkurrenz angesehen, wollten sich die Amateurfotografen innerhalb der Photographischen Gesellschaft organisieren. Der Mangel an ästhetischem Diskurs und interne Machtkämpfe führten allerdings am 31. März 1887 zur Gründung eines eigenen Vereins, dem Club der Amateur-Photographen in Wien. Ziele waren die ästhetische Erneuerung der Fotografie, ihre Anerkennung als Kunstform und die technische Weiterentwicklung.
Durch die Erfindung des Trockenverfahrens vereinfachte sich die Fotografie Ende der 1870er Jahre und verbreitete sich neben den Anwendungsbereichen in Wissenschaft und Kunst auch im Alltag als kostspielige Freizeitbeschäftigung der bürgerlichen Oberschicht und Aristokratie. In den elitären Kreisen wuchs das Interesse im privaten Umfeld oder auf Reisen zu fotografieren und die Amateurfotografie entwickelte sich zum Gesellschaftssport, vergleichbar mit den damals beliebten Fahrrad- oder Eislaufvereinen.
Die Mitglieder des Clubs der Amateur-Photographen waren Wissenschaftler, Industrielle und Privatpersonen, meist gebildet, kosmopolitisch und am zeitgenössischen Kunstdiskurs interessiert, distanzierten sich aber von laienhaften »Knipsern«. Zudem wurden technische Spezialisten und Adelige zu außerordentlichen Ehrenmitgliedern erklärt, um die Vernetzung und den Austausch zu befruchten. Zentrales Merkmal des auch »Millionärsclub« genannten Vereins war die Exklusivität – so sicherten ein aufwendiges Aufnahmeverfahren und der teure Mitgliedsbeitrag die soziale Selektion.
Vereinsleben und Vereinszeitschriften
Um das gesellige Vereinsleben zu fördern, mietete der Klub ein Vereinslokal, in dem u.a. ein Salon, ein Vortragssaal, ein Atelier, eine Dunkelkammer, eine Fotosammlung und eine Fachbibliothek zur Verfügung standen. Das Heim diente mit wöchentlichen Klubabenden als Diskussionsforum mit Vorträgen, Praxisübungen und Diaabenden. Zudem gab es Exkursionen und »Clubecken« für verschiedene Interessen.
Als Vereinsorgan wurde seit Anfang 1887 die Photographische Rundschau herausgegeben, die v.a. die auswärtigen Mitglieder über die Vereinstätigkeiten informierte. Es enthielt darüberhinaus Fachartikel, übersetzte Beiträge aus internationalen Zeitschriften und aufwendige Bildbeilagen. Von 1894 bis 1899 gab es die Wiener Photographischen Blätter in modernem Format und Layout, die 1899 vom Photographischen Centralblatt und 1905 vom Jahrbuch des Camera-Klubs in Wien abgelöst wurden.
Anfangs standen eher Wissenschaft, Technik, Handwerk und Experimentierfreude im Vordergrund, die ersten Ausstellungen gestaltete man ähnlich überladen wie zeitgenössische Industrie- und Gewerbeausstellungen. Mikroaufnahmen von Hugo Hinterberger und Momentstudien von Charles Scolik zählten zu den Neuerungen der 1890er Jahre. Der Verein nannte sich 1893 in Camera-Club um, widmete sich vermehrt ästhetischen Themen und organisierte reduziertere Ausstellungen, deren Objektauswahl eine Jury durchführte.
Seit 1896 beeinflusste das Gummidruckverfahren die Ästhetikdiskussion und Entwicklung des Piktorialismus: Fotografen konnten durch ihren individuellen Eingriff malerisch wirkende Abzüge gestalten, die als Unikate der reproduzierbaren Fotografie gegenüberstanden und die Amateurfotografie »in eine künstlerische Sphäre erhoben«. Die bedeutendsten Vertreter waren Hugo Henneberg, Hans Watzek und Heinrich Kühn – auch als »Trifolium« bekannt – sowie Friedrich Viktor Spitzer. Sie etablierten die Fotografie als gleichwertiges Medium neben der bildenden Kunst und zeigten 1902 ausgewählte Werke in der »VIII. Ausstellung« der Wiener Secession.
Henneberg und Spitzer standen den Künstlern der Secession und Wiener Werkstätte durch persönliche Freundschaften und als Auftraggeber besonders nahe und lebten in der Künstlerkolonie auf der Hohen Warte in Nachbarschaft von Carl Moll und Kolo Moser. In ihren von Josef Hoffmann geplanten Villen ließen sich Henneberg und Spitzer Fotoatelier und Dunkelkammer einbauen. Das enge Verhältnis zur geistigen und künstlerischen Elite sowie zum großbürgerlichen Kreis dokumentierte Carl Molls Stieftochter Alma Mahler-Werfel in ihren Tagebüchern und auch zahlreiche Porträtfotos von Persönlichkeiten wie Gustav Klimt, Ferdinand Hodler, Gustav Mahler, Jan Toorop und Emil Zuckerkandl ließen auf das Umfeld schließen.
Die Mitglieder des Camera-Clubs publizierten ihre progressiven Fotos und Ideen nicht nur in Zeitschriften, sondern stellten auch in der renommierten Galerie H. O. Miethke, im Hagenbund, dem k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (heute: MAK) und sogar in der New York Gallery of the Photo-Secession aus. Die Entwicklung der Fotografie vollzog sich parallel zur Kunst der Moderne und die wechselseitige Beeinflussung führte vor allem in der Malerei zu kompositorisch ähnlichen Bildschöpfungen.
Bereits seit den 1890ern erfolgte aufgrund neuer Vereinsgründungen ein Mitgliederrückgang, jedoch spätestens mit dem ersten Weltkrieg führten die zunehmende Demokratisierung der Amateurszene und die Veränderung des gesellschaftlichen Gefüges zum Niedergang und 1937 zur Löschung des Camera-Clubs.
Literatur und Quellen
- N. N.: Vereins- und Personal-Nachrichten. Club der Amateure, in: Photographische Correspondenz, 23. Jg., Nummer 308 (1886), S. 303-304.
- N. N.: Amateurclub, in: Photographische Correspondenz, 24. Jg., Nummer 316 (1887), S. 46-47.
- Uwe Schögl: Moriz Nähr and the Vienna Secession. Interrelationship between Photography and Painting, in: PhotoResearcher, Nummer 31 (2019), S. 122-133.
- Astrid Mahler: Liebhaberei der Millionäre. Der Wiener Camera-Club um 1900. Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich. Band 18, Wien 2019.
- V. S.: Wiener Camera-Club, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 4 (1898), S. 25-27.
- Anthony Beaumont (Hg.): Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten. 1898–1902, Frankfurt am Main 1997.
- N. N.: Unser Club, in: Wiener Camera-Club (Hg.): Wiener Photographische Blätter, 1. Jg., Nummer 10 (1894), S. 208-213.

Galerie H. O. Miethke

Revers einer Fotografie von Miethke & Wawra
© Klimt-Foundation, Wien

Galerie H. O. Miethke am Neuen Markt 13, Ecke Plankengasse 6, vor 1896
© Wien Museum

Galerie H. O. Miethke im Palais Nákó, Dorotheergasse 11, um 1906, in: Galerie H. O. Miethke (Hg.): Old and modern pictures. Tableaux anciens et modernes, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 00.07.1906–00.00.1906, Wien 1906.
© Bibliothek des Belvedere, Wien

Hugo Miethke in der Galerie H. O. Miethke, Dorotheergasse 11, um 1900
© Dorotheum Wien, Auktionskatalog 04.11.2019

Einblick in die Galerie Miethke, undatiert, in: Galerie H. O. Miethke (Hg.): Old and modern pictures. Tableaux anciens et modernes, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 00.07.1906–00.00.1906, Wien 1906.
© Klimt-Foundation, Wien

Geschäftsanzeige, in: Galerie H. O. Miethke (Hg.): Öffentliche Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Rudolf von Alt in der Galerie H. O. Miethke, Wien, I. Graben 17, Aukt.-Kat., Wien 1906.
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Einblick in die Galerie H. O. Miethke am Graben 17, 1905, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 18 (1906).
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz Nähr: Die Medizin, vermutlich um 1907, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
Die Galerie Miethke entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Kunsthandlungen Österreich-Ungarns und wirkte vor allem mit ihren Ausstellungen nach der Jahrhundertwende bahnbrechend als Zentrum der österreichischen und europäischen Moderne.
Carl Josef Wawra wurde von seinem Vater, dem Maler und Kunsthändler Josef Eduard Wawra und in mehreren Wiener Antiquariaten ausgebildet. Gemeinsam mit dem aus Potsdam stammenden Hugo Othmar Miethke gründete er am 15. Oktober 1861 die Firma Miethke & Wawra als offene Gesellschaft. Das Unternehmen der beiden gleichberechtigten Gesellschafter wurde 1863 im Wiener Handelsregister als Buch- und Antiquariatshandel eingetragen. Zunächst als Antiquariat und Kunstverlag mit einem Geschäftslokal in der Singerstraße 30 und einer »Photographisch-Artistischen Anstalt« auf der Landstraßer Hauptstraße 95 betrieben, verlegte die Firma Fotos, Reproduktionen und druckgrafische Werke. Miethke und Wawra entwickelten sich in den 1860ern rasch zu Begründern von Kunstauktionen in Wien, wobei der aufblühende Kunsthandel in der Donaumetropole den kontinuierlichen Aufstieg von Miethke & Wawra vom Auktionshandel zur Galerie begünstigte. Die Geschäftsmänner etablierten zudem internationale Kontakte zu wichtigen Kunsthändlern wie Ambroise Vollard, Paul Durand-Ruel und Charles Sedelmayer in Paris sowie zu Paul Cassirer in Berlin. Während 1873 die Weltausstellung im Wiener Prater stattfand, konnten Miethke & Wawra Ausstellungsräume des Künstlerhauses mieten und das bei Hans Makart beauftragte Monumentalgemälde Venedig huldigt Katharina Cornaro (1872/73, Belvedere, Wien) in einer aufsehenerregenden Inszenierung präsentieren. Im Folgejahr trennten sich die Wege der Kunsthändler.
Gründung der Galerie H. O. Miethke
Hugo Othmar Miethke gründete Anfang 1874 die Galerie H. O. Miethke mit Firmensitz am Neuen Markt 13, Ecke Plankengasse 6 und spezialisierte sich auf den »Verlag von und Handel mit Malerei«. Er handelte mit Alten Meistern, versteigerte Künstlernachlässe von Hans Makart, Emil Jakob Schindler und Rudolf von Alt und arbeitete zeitweise auch wieder mit Carl Josef Wawra zusammen, dessen Schwerpunkt im Grafikbereich lag. Im Altmeisterhandel zählten sowohl öffentliche Sammlungen und Museen, als auch bedeutende Sammler wie Gustav Figdor und Graf Johann Pálffy zum Kundenkreis. Zudem baute Miethke die Vertretung zeitgenössischer Künstler weiter aus.
Im Jahr 1895 kaufte er das Palais der Adelsfamilie Nákó in der Dorotheergasse 11 (heute: Palais Eskeles) und ließ das klassizistische Gebäude umbauen. Im Erdgeschoß fanden der Verlag und ein mit weißem Marmorboden und einer Glasdecke gestalteter, lichtdurchfluteter Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst Platz. Der erste Stock blieb weitgehend unverändert und bildete mit dekorierten und vergoldeten Holzdecken einen passenden Rahmen für die Präsentation der Alten Meister. Im zweiten Stockwerk richtete sich der Galerist seine private Wohnung ein. Nach der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten am 29. Mai 1896 entwickelte sich die Galerie zu einer der bedeutendsten Kunsthandlungen der Monarchie, in der nebeneinander alte und moderne, aber auch österreichische und internationale Kunst vertreten war.
Besitzerwechsel der Galerie H. O. Miethke
Da sich Hugo Othmar Miethke im Alter aus dem Geschäft zurückziehen wollte, war ein Verkauf der Galerie an den Galeristen und »passionirten [!] Kunstliebhaber« Hans Weidenbusch aus Wiesbaden bereits um 1900 angebahnt. Er gedachte »nicht nur wie bisher Bilder alter Meister zur Ausstellung zu bringen, sondern auch die moderne Richtung in weitestem Maße zu pflegen«. Laut Handelsregister erfolgte der Verkauf an Weidenbuch erst am 31. Mai 1904, der kurz darauf unerwartet starb.
Am 22. November 1904 übernahm Paul Bacher die Galerie als neuer Besitzer. Er war Juwelier, seit 1894 mit Emma Paulick, der Tochter des renommierten k. k. Hoftischlermeisters Friedrich Georg Paulick verheiratet und mit Gustav Klimt befreundet. Bacher engagierte für die »artistische Leitung« Carl Moll, »dessen Verwaltungstalent, Inszenierungskunst und temperamentvolle Beredsamkeit einen nicht hoch genug zu schätzenden Gewinn für das Unternehmen« von Adalbert Seligmann in der Neuen Freien Presse attestiert wurde. Molls Rolle in der Galerie Miethke sowie unter anderem die Idee, dass Secessionsmitglieder auch dort ihre Kunst präsentieren könnten, führte in der Wiener Secession zu Unstimmigkeiten, die bereits bestehende vereinsinterne Konflikte verstärkten. Die »Affäre Moll« endete 1905 mit seinem Austritt aus der Secession und wurde medial aufgeheizt, da beide Seiten Stellungnahmen in Tageszeitungen und Kunstmagazinen veröffentlichten. Dabei argumentierte die Vereinigung Molls Funktion bei Miethke und dessen daraus resultierenden Austritt als Ursache für den kurz darauf erfolgten Austritt der sogenannten Klimt-Gruppe. Laut Moll traten die Mitglieder um Klimt allerdings erst »viele Wochen später aus ganz anderen, rein künstlerischen Gründen« aus. Weiters gab er in Die Werkstatt der Kunst zu Wort:
»Die Kollegen Klimt, Prof. Hoffmann und Prof. Moser bestimmten mich, Herrn Bacher als künstlerischer Ratgeber für die ersten Jahre zur Seite zu treten, und ich übernahm infolgedessen die Ausstellungsleitung der Galerie Miethke ganz unabhängig von der Kunsthandlung, welche Herr Bacher leitet.«
Moll initiierte die Modernisierung des Ausstellungssaales in der Dorotheergasse, der durch eine Oberlichte zwar hell, aber mit dunklen Holzvertäfelungen und Stofftapeten ausgestattet war. Die Umgestaltung zu einem puristischen Raum mit weißem Mörtelputz, schwarzen Fenster- und Türrahmen und einem Fries aus schwarzen Eisenknöpfen zum Hängen der Bilder übernahm Kolo Moser, der auch ein neues Firmenlogo entwarf. Mit ähnlicher Ausstattung und den charakteristischen Eisenknöpfen gestaltete Moser gemeinsam mit Josef Hoffmann zudem die Räume des neuen Ausstellungslokals, das im Dezember 1905 am Graben 17 mit einer Ausstellung der Wiener Werkstätte eröffnete. Durch das innovative Corporate Design, die neutralen Ausstellungsräume im Sinne eines White Cube und ihrem Avantgardeprogramm stand die Galerie Miethke nun in direkter Konkurrenz zur Secession.
Über Vermittlung von Adolf Hölzel wurde im Frühjahr 1905 der Kunstschriftsteller und Journalist Arthur Roessler als »geschäftlichen Leiter« engagiert, der jedoch bereits kaum ein Jahr später kündigte. Roesslers Nachfolger war ab Juli 1906 der langjährige Sekretär des Wiener Kunstgewerbevereins Emil Maria Steininger, der ebenfalls nur für ein Jahr als Direktor fungierte.
Hugo Haberfelds Rolle in der Galerie H. O. Miethke
Da Paul Bacher am 5. Mai 1907 starb, wurde seine Witwe Emma Bacher zur neuen Galerieeigentümerin. Kurz davor übernahm der Kunsthistoriker Dr. Hugo Haberfeld die Rolle des Direktors. Er arbeitete als Kunstkritiker u.a. für Die Zeit und Kunst und Künstler und hatte bis dahin einige Vorworte für Ausstellungskataloge der Galerie verfasst. Haberfeld zählte zu den frühen Auftraggebern von Adolf Loos, der um 1902 die Einrichtung seiner Wohnung entwarf und wurde zu einer tragenden Figur der Galerie. Er konnte sich ab 1907 als künstlerischer Leiter neben Moll etablieren, allerdings entwickelten sich bald Spannungen und ein Konkurrenzkampf. Auch weil Emma Bacher weniger Kapital in den Altmeisterankauf investieren wollte, stellte ihr Moll das Ultimatum, sich zwischen ihm und Haberfeld zu entscheiden und löste sich schließlich im Juli 1912 von der Galerie.
Haberfeld führte als alleiniger Leiter Präsentationen von Privatsammlungen ein – darunter jene von Ludwig Hevesi und Richard Muther – und handelte parallel mit Alten Meistern sowie zeitgenössischen Positionen. Darunter waren sowohl junge Maler wie Egon Schiele, dem 1911 eine Einzelschau gewidmet war, ehemalige Secessionisten sowie Künstler der Wiener Werkstätte als auch bahnbrechende Künstler der europäischen Moderne wie Aubrey Beardsley, Claude Monet, Édouard Manet, Paul Gauguin, Vincent van Gogh und Pablo Picasso vertreten. Zwischen 1913 und 1914 leitete die Galerie die städtische Kunsthalle im böhmischen Karlsbad und organisierte in Zusammenarbeit mit dem Pariser Kunsthaus Bernheim-Jeune eine Ausstellung.
Gustav Klimts Vertretung in der Galerie H. O. Miethke
Gustav Klimt etablierte sich ab 1905 nach seinem Austritt aus der Secession zum Aushängeschild der Galerie H. O. Miethke, die den Künstler vertrat und seine Ausstellungsbeteiligungen, Öffentlichkeits- und Pressearbeit, Verkäufe, die Herausgabe mehrerer Lieferungen der Mappe Das Werk Gustav Klimts sowie die Reproduktionsgenehmigungen von Klimt-Werken abwickelte. Klimts Einzelausstellung, in der er im Sommer 1907 erstmals in Österreich seine drei umstrittenen Fakultätsbilder Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Die Medizin (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) und Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) gemeinsam und in vollendetem Zustand präsentierte, sorgte für Aufsehen. Die Galerie übernahm im Zuge der »Kunstschau Wien 1908« und der »Internationalen Kunstschau Wien 1909« auch organisatorische Agenden für Klimt in seiner Funktion als Präsident des Ausstellungskomitees, da alle Anfragen an die Galerie zu richten waren. Weiters überliefern 81 erhaltene Karteikarten der Firma Verkäufe seiner Werke, wobei darunter Namen wie Ast, Bloch-Bauer, Waerndorfer, Zuckerkandl oder auch Wittgenstein zu finden sind.
1915 folgte eine Übersiedlung in die Augustinerstraße 6 und 1917 verkaufte Emma Bacher – seit 1911 durch ihre Heirat mit Richard Teschner nun Emma Teschner – das Unternehmen an Hugo Haberfeld. Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs konnte er nicht mehr an vorherige Erfolge anknüpfen und flüchtete als Jude während der NS-Zeit mit seiner Familie nach Frankreich. Die Galerie wurde 1940 aus dem Handelsregister gestrichen.
Literatur und Quellen
- Österreichisches Biographisches Lexikon. Carl Josef Wawra. www.biographien.ac.at/oebl/oebl_W/Wawra_Carl-Josef_1839_1905.xml (26.08.2020).
- Tobias G. Natter (Hg.): Die Galerie Miethke. Eine Kunsthandlung im Zentrum der Moderne, Ausst.-Kat., Jüdisches Museum Wien (Wien), 19.11.2003–08.02.2004, Wien 2003.
- Berta Zuckerkandl: Aus dem Leben eines berühmten Kunsthändlers. Interview mit Herrn Miethke, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 29.01.1905, S. 3-5.
- -n-.: Kunstsalon H. O. Miethke, in: Neue Freie Presse, 30.05.1896, S. 7.
- --nn.: Die Galerie Miethke in Wien, in: Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, N.F., 7. Jg., Heft 31 (1895/96), Spalte 503-507.
- V.: Karl Josef Wawra, in: Oesterreichisch-ungarische Buchhändler-Correspondenz, 46. Jg., Nummer 23 (1905), S. 333.
- N.N.: Verkauf des Kunstverlages H. O. Miethke, in: Neue Freie Presse, 28.12.1899, S. 6.
- Josef August Lux: Moderne Kunstausstellung, in: Arbeiter-Zeitung, 13.12.1905, S. 1-2.
- Adalbert Franz Seligmann: Waldmüller-Ausstellung, in: Neue Freie Presse, 20.11.1904, S. 12-13.
- N. N.: Die Spaltung in der Wiener Sezession, in: Die Werkstatt der Kunst. Organ für die Interessen der bildenden Künstler, 4. Jg., Heft 39 (1905), S. 530-531.
- Horst-Herbert Kossatz: Der Austritt der Klimt-Gruppe. Eine Pressenachschau, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 20. Jg., Heft 141 (1975), S. 23-26.
- Berta Zuckerkandl: Ein Haus für die Künstlerschaft, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 23.04.1919, S. 3.
- Christian Huemer: Carl Moll als Ausstellungsmacher und Kunsthändler, in: Cornelia Cabuk, Christian Huemer, Stella Rollig (Hg.): Carl Moll. Monografie und Werkverzeichnis, Wien 2020, S. 70-91.
- N. N.: Ein neuer Kunstsalon, in: Die Zeit, 03.12.1905, S. 3-4.
- A. F. S.: Zweckkunst, in: Neue Freie Presse, 07.12.1905, S. 1-3.
- N. N.: Kunstschau 1908, in: Neue Freie Presse, 11.03.1908, S. 12.
- N. N.: Galerie Miethke, in: Die Zeit, 03.05.1907, S. 3.
- Ansichtskarte von Carl Moll in Madrid an Emma Bacher in Wien, mitunterschrieben von Gustav Klimt, LGM 31/13 (30.10.1909), Sammlung Villa Paulick, courtesy Klimt-Foundation, Wien.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Bad Gastein, 1. Karte (Morgen) (29.06.1912). RL 2865, Leopold Privatsammlung.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv. Handelsregister Ges 4/106, Signatur 2.3.3.B75.4.106, Miethke & Wawra. www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml (17.11.2022).
- Brief von Carl Moll an Ludwig Abels (vermutlich um 1930). Autogr. 1530/24-1, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
- Neues Wiener Tagblatt (Abendausgabe), 02.10.1912, S. 5.

Gartenbaugesellschaft

Gebäude der k. k. Gartenbaugesellschaft am Parkring, um 1900
© Klimt-Foundation, Wien

Blumensäle der k. k. Gartenbaugesellschaft am Parkring 12, 1904
© Wien Museum
1864 eröffnete die Gartenbaugesellschaft ein eigenes Ausstellungsgebäude an der Wiener Ringstraße, das schon bald zu einem beliebten Veranstaltungsort avancierte. Von März bis Juni 1898 fand in den Räumlichkeiten auch die erste Ausstellung der neugegründeten Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession statt.
1863/64 errichtete die Wiener Gartenbaugesellschaft nach Plänen von August Weber, Architekt des Künstlerhauses, ein eigenes Ausstellungsgebäude im Stil der Renaissance gegenüber dem kurz zuvor eröffneten Stadtpark an der Wiener Ringstraße. Der Gebäudekomplex bestand aus einem unterkellerten Hauptgebäude, zwei Seitenflügeln, einem Terrassenbau sowie einer weitläufigen Gartenanlage mit Gewächshäusern. Das Areal und die Räumlichkeiten umfassten 3.650 Quadratklaster (umgerechnet 13.100 m2). Vor allem das einstöckige Hauptgebäude zeichnete sich durch seine Funktionalität aus: Jene Räumlichkeiten – die sogenannten »Blumensäle« – sollten zunächst nur für hauseigene Pflanzenausstellungen genutzt werden; jedoch wurden diese schon bald auch an andere Institutionen für Ausstellungen und temporäre Veranstaltungen, wie Konzerte, Kongresse, Soiréen und Tanzabende, vermietet. 1898 fand in der Gartenbaugesellschaft unter anderem auch die erste Ausstellung der neu gegründeten Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession statt.
Niedergang einer Veranstaltungsstätte
Obwohl das Gartenbaugebäude seit über 50 Jahren sehr gut frequentiert war und zu einem beliebten Wiener Etablissement avancierte, gab es 1911 laut einem Zeitungsbericht der Neuen Freien Presse erste Überlegungen und Bestrebungen Teile der Liegenschaft zu verkaufen und das Gebäude – unter anderem aufgrund von Bauschäden – abzutragen. Dies ist vermutlich auf die finanziellen Probleme der seit 1837 bestehenden Gesellschaft zurückzuführen, die schon seit der Grundstücksübernahme bestanden. Nach dem Ersten Weltkrieg befand sich im Gartenbaugebäude ein Kino; in dessen Kellerräumlichkeiten noch einige Jahre ein Blumengroßmarkt. Um 1960 erfolgte die komplette Schleifung des Gebäudes. Heute befindet sich an dessen Stelle ein moderner, mehrstöckiger Gebäudekomplex und das sogenannte »Gartenbaukino«.
Literatur und Quellen
- Österreichische Gartenbaugesellschaft (ÖGG). www.oegg.or.at/ueber-die-oegg/neue-geschichte-der-oegg/testseite-geschichte/ (15.03.2020).
- Neues Wiener Journal (Abendausgabe), 05.04.1898, S. 15.
- Neue Freie Presse, 25.01.1911, S. 9.
- Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 2, Wien 1993, S. 467-468.
- Peter Panholzer: Die Blumensäle am Parkring. Zur Geschichte der Gartenbaugesellschaft und ihrer Ausstellungsgebäude, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 13. Jg., Heft 100 (1968), S. 16-23.

Gesellschaft für vervielfältigende Kunst

Signet der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst
© Universitätsbibliothek Heidelberg
1871 erfolgte in Wien die Gründung der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, die sich die Erhaltung und Förderung druckgrafischer Techniken und Fähigkeiten zum Ziel setzte. 1896 wurde Gustav Klimt in das »Curatorium« der Gesellschaft gewählt.
Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst konstituierte sich 1871 in Wien. Diese ging aus dem im Jahr 1830 gegründeten Älteren Wiener Kunstverein – auch bekannt als Verein zur Beförderung der bildenden Künste – hervor, dessen Ziel es war »durch Ankäufe gelungener Werke lebender vaterländischer Künstler die Thätigkeit dieser letzteren anzuregen und die Theilnahme für die bildende Kunst im Publicum zu verbreiten.« Die neue Gesellschaft war von dieser Bilderankauf-Verpflichtung bewusst zurückgetreten und legte stattdessen ihren Fokus ausschließlich auf die Pflege der vervielfältigenden Kunst. Vom Verein wurde auch ein »Curatorium« eingesetzt, dem unter anderem der Architekt Heinrich Ferstel, der Maler Ferdinand Laufberger und der Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger im Gründungsjahr angehörten. Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst blieb über sechs Jahrzehnte bestehen und löste sich erst 1935 auf.

Werbung für eine Mitgliedschaft bei der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, in: Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): XX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs Secession Wien. März April Mai 1904, Ausst.-Kat., Secession (Wien), 26.03.1904–12.06.1904, Wien 1904.
© Bibliothek des Belvedere, Wien
Publikationen
Die Gesellschaft veröffentlichte zunächst Albumhefte und Galeriewerke. Bereits ein Jahr nach der Gründung publizierte sie die Mittheilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Ihre Kunstzeitschrift Die graphischen Künste erschien erstmals 1879, die zahlreiche Reproduktionen von Kupferstichen, Radierungen, Holzschnitten und Farbdrucken enthielt.
Gustav Klimt und die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst
Ab 1894 publizierte die Gesellschaft ein theatergeschichtliches Werk mit dem Titel Die Theater Wiens, das sechs Bände umfassen sollte. Laut einem Bericht aus Den graphischen Künsten von 1895 entstand dieses unter der Prämisse »ein möglichst getreues Bild der Entwicklung des Wiener Bühnenlebens von dessen Anfängen bis auf die neueste Zeit« wiederzugeben. Die Gesellschaft engagierte für die Publikation namhafte Künstler wie Gustav Klimt und Franz Matsch. Diese sollten für das Theaterwerk Porträts berühmter SchauspielerInnen anfertigen. Gustav Klimt, der laut einem Sitzungsbericht von 1896 auch in das »Curatorium« der Gesellschaft berufen wurde, entschied sich für ein Gemälde des Schauspielers Josef Lewinsky, dem er am 19. Mai 1894 folgende Nachricht zukommen ließ:
Brief von Gustav Klimt an Josef Lewinsky

Gustav Klimt: Porträt Josef Lewinsky als Carlos in Clavigo, 1895, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien
»Euer Hochwo[h]lgeboren! Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst gibt ein großes Werk über die Wiener Theater und in erster Linie über das alte Burgtheater heraus […]. Es war mir der Auftrag zu theil geworden, einen der Künstler des alten Burgtheaters zu malen […]. Ich habe mir erlaubt, das Porträt Euer Hochwohlgeboren zu wählen […]«
Die Farbreproduktion von Porträt Josef Lewinsky als Carlos in Clavigo (1895, Belvedere, Wien) wurde im zweiten Band des Theaterwerks – Das k. k. Hofburgtheater seit seiner Begründung – publiziert.
Reproduktionsgenehmigung
1895 veröffentlichte die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in ihrer Zeitschrift Die graphischen Künste auch eine Reproduktion von Ernst Klimts Werk Hanswurst auf der Jahrmarkbühne (1886–1888, Burgtheater, Wien). Jenes Werk wurde für die Publikation von dem Künstler Wilhelm Woernle als Radierung kopiert. Gustav Klimt gewährte der Gesellschaft zuvor offiziell eine Vervielfältigung des Gemäldes seines verstorbenen Bruders in diversen Techniken. Laut der heute nur als Transkript überlieferten schriftlichen Reproduktionsgenehmigung erhielt Klimt im Gegenzug dafür als Vergütung 200 Gulden (ca. 2.850 Euro).
Literatur und Quellen
- Hansjörg Krug: Gustav Klimt selbstredend, in: Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012, S. 461-504.
- Joseph Meyer: Meyers großes Konversations-Lexikon, Band 7, Leipzig 1907, S. 721-722.
- Mittheilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Heft 1 (1872), S. 3-6.
- Mittheilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Heft 3 (1896), S. 9.
- Die Presse, 18.04.1894, S. 9.
- Die Presse, 14.04.1871, S. 14.
- Brief von Gustav Klimt in Wien an Josef Lewinsky (19.05.1894). H.I.N. 38.571, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
- Die Graphischen Künste, N.F., Band 1 (1936), S. 1.
- Die Graphischen Künste, 1. Jg., Heft 2 (1879), S. 1-4.
- Die Graphischen Künste, 18. Jg., Heft 4+5 (1895), S. 97.
- Die Graphischen Künste, 17. Jg., Heft 2 (1894), S. 44 (Umschlag).
- Revers der Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst von Gustav Klimt (27.04.1895).
- Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst (Hg.): Die Theater Wiens, Band II, Wien 1894.

Hagengesellschaft

Mitglieder der Hagengesellschaft vor dem Café Sperl fotografiert von Moriz Nähr, um 1895
© Klimt-Foundation, Wien

Rudolf Bacher und Ernst Stöhr: Widmung der Hagengesellschaft, 29.11.1888
© ALBERTINA, Wien
Die Hagengesellschaft wurde 1880 gegründet und gilt als Keimzelle der Wiener Secession und des Hagenbundes. Zu der Wiener Gruppe zählten Maler, Bildhauer, aber auch Musiker, Schriftsteller, Forscher und Beamte, die sich vor allem im Café Sperl und im Bierlokal Zum blauen Freihaus trafen.
Anlässlich der hundertjährigen Feier des Regierungsantritts von Kaiser Joseph II. veranstalteten Wiener Studenten am 30. November 1880 einen Fackelzug, nach dessen Ende einige Kunststudenten zum Feiern weiterzogen und spontan beschlossen, sich fortan wöchentlich zu treffen. Die Zusammenkünfte fanden anfangs jeden Samstagnachmittag in unmittelbarer Nähe der k. k. Akademie der bildenden Künste statt: Zuerst im Café Schiller, später im Café Sperl. Abends gingen sie meistens noch in das nebenan gelegene Bierlokal Zum blauen Freihaus des kunstsinnigen Wirten Joseph Haagen.
Diese lose Vereinigung aus Malern, Bildhauern, Musikern, Schriftstellern, Forschern und Beamten war kein offizieller Verein mit Beschränkungen oder Statuten. Die Namensgebung leitete sich aus dem Nachnamen des Lokalbesitzers Haagen ab, wobei das zweite A des Namens bald wegfiel. Da die Gesellschaft in den 1880ern vor allem aus jungen Malern und Bildhauern bestand, verglich Ludwig Hevesi die Gruppe mit der Pariser Bohème des Montmartre, als er im September 1905 schrieb:
»Die kleinen malerischen Privatsachen der Kameradschaft in Atelier und Kneipe sind es, die ungebundene Stegreiflaune des Pinsels und Stiftes am Kaffeehaustisch, im Hinterzimmer des Gasthauses, im ›Kabaret‹ eines Wiener Montmartre.«
Über den Zeitraum der Gründung 1880 bis in die 1940er Jahre sind insgesamt rund 90 Personen namentlich identifizierbar. Zu der Kerngruppe zählten 20–25 Mitglieder, die bekanntesten davon sind Rudolf Bacher, Adolf Boehm, Josef Engelhart, Franz Hohenberger, Eduard Kasparides, Friedrich König, Johann Viktor Krämer, Maximilian Lenz, Alfred Roller, Ernst Stöhr und Leopold Stolba. Nur wenige Mitglieder waren Fotografen, darunter war Moriz Nähr der wohl prominenteste. Auch Max Widter und Johann Victor Krämer fotografierten die Gruppe öfters in lockeren, zwanglosen Posen und in Kostümierung. Wie auf einigen Gruppenfotos festgehalten, verband die Mitglieder vor allem der gemeinsame Humor und es gab häufig Anlässe zum Feiern, wie zum Beispiel der Besuch von Kostümbällen und der legendären Gschnas- und Schützenfeste im Künstlerhaus.

Gschnasfest-Gruppe der Hagengesellschaft fotografiert von Moriz Nähr, um 1895
© Klimt-Foundation, Wien

Johann Victor Krämer: Im Café Sperl, 1888, Wien Museum
© Wien Museum
Bald traf sich die Hagengesellschaft auch wochentags zum Kartenspielen, Komponieren, Musizieren oder Zeichnen. Das gegenseitige Zeichnen avancierte zum Hauptzeitvertreib: Oft veranstalteten sie Zeichenwettbewerbe mit humoristischen Themen und der Wirt des Sperl – Adolf Kratochwilla – sammelte die vielen dabei entstandenen Karikaturen in Ledermappen. 1905 ging ein Konvolut von rund 800 Zeichnungen unter dem Titel Ernstes und Heiteres aus den Mappen der Hagengesellschaft an die Albertina, die im gleichen Jahr einige Werke ausstellte.
Gründung der Secession und des Hagenbundes
Viele Künstler traten seit den frühen 1890ern der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (heute: Künstlerhaus) bei. Die jungen Künstler stießen innerhalb der Genossenschaft zunehmend auf Schwierigkeiten, vor allem die Ausstellungspolitik sowie der Umgang mit neuen Ideen und ausländischen Impulsen führten zu Konflikten. Es formte sich eine Gruppe von Künstlern der Genossenschaft, der Hagengesellschaft und des sogenannten Siebener-Clubs, die sich im Hotel Victoria trafen. Die Gründung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Secession erfolgte 1897. Bekannte Gründungsmitglieder waren unter anderem Gustav Klimt, Kolo Moser, Carl Moll, Rudolf Bacher, Josef Engelhart, Johann Viktor Krämer, Alfred Roller und Ernst Stöhr. Die strengen Aufnahmekriterien der Secession führten wiederum zu Spannungen unter den freundschaftlich verbundenen Künstlern. Einige Künstler um Eduard Kasparides und Rudolf Konopa gründeten daher 1899 den Künstlerbund Hagen der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, der zwischen Künstlerhaus und Secession stand. Die Spannungen zwischen den nunmehr unterschiedlichen Vereinigungen angehörigen Künstlern legten sich bald und die Hagengesellschaft traf sich noch viele Jahre. Bis in die 1940er Jahre gab es eine jährliche Weihnachtsfeier im Café Sperl.
Literatur und Quellen
- Ludwig Hevesi: Die Albums der Wiener Hagengesellschaft. Albertina, in: Acht Jahre Sezession (März 1897–Juni 1905). Kritik – Polemik – Chronik, Wien 1906, S. 509-512.
- Marian Bisanz-Prakken: Die Hagengesellschaft. Eine unbekannte Vorgeschichte der Secession, in: Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Heiliger Frühling. Gustav Klimt und die Anfänge der Wiener Secession 1895–1905, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 16.10.1998–10.01.1999, Wien 1999, S. 35-57.
- Elisabeth Dutz: The Hagengesellschaft: Bohemia in Vienna, in: PhotoResearcher, Nummer 31 (2019), S. 112-133.
- L. A.: Das Blaue Freihaus. Ein Stammlokal der Wiener Künstler, in: Neues Wiener Tagblatt, 22.05.1903, S. 3-4.
- Adalbert Franz Seligmann: Die Hagen-Gesellschaft, in: Neue Freie Presse, 03.01.1931, S. 1-3.
- Uwe Schögl, Hans-Peter Wipplinger (Hg.): Moriz Nähr. Fotograf der Wiener Moderne / Photographer of Viennese Modernism, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.08.2018–29.10.2018, Wien - Köln 2018.
- Elisabeth Dutz: Moriz Nähr. Die Biografie, in: Uwe Schögl, Sandra Tretter und Peter Weinhäupl für die Klimt-Foundation (Hg.): Moriz Nähr (1859–1945). Fotograf für Habsburg, Klimt und Wittgenstein. Catalogue Raisonné, Wien (2021). www.moriz-naehr.com (22.05.2022).

Kabarett Fledermaus

F. Engelman: Werbung für »Die Fledermaus«, um 1911
© KHM-Museumsverband

Josef Hoffmann: Postkarte "Barraum, Cabaret Fledermaus" der Wiener Werkstätte, 1907
© Klimt-Foundation, Wien

Josef Hoffmann: Postkarte "Cabaret Fledermaus" der Wiener Werkstätte, 1907
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Freundinnen I (Schwestern), 1907, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien
Das von Josef Hoffmann unter der Mitwirkung vieler Künstler:innen gestaltete Etablissement Kabarett Fledermaus zählte neben dem Palais Stoclet und dem Sanatorium Purkersdorf zu den Inkunabeln des Gesamtkunstwerkes. Klimt besuchte diesen Ort der künstlerisch-experimentellen Entfaltungsfreiheit regelmäßig.
Die Gründungsgeschichte
Das Kabarett Fledermaus war im Souterrain eines Wohn- und Geschäftshauses (Ecke Kärntnerstraße 33/Johannesgasse 1, Wien-Innere Stadt) situiert. Namensgebend für diesen »Theaterraum für die darstellenden Künste« war, neben der Operette Die Fledermaus (1874) von Johann Strauss, auch dieses Tier der Nacht, Sinnbild des Verborgenen und Unbekannten. Vorbilder gab es vielerlei, wie das Pariser Cabaret Le Chat Noir oder das Münchner Etablissement Die Elf Scharfrichter. Der Schauspieler Emil Richter-Roland gebar vermutlich die Idee zu diesem Wiener Souterrain-Kabarett, er soll zu Beginn die Errichtung finanziert haben. Sehr früh kam es allerdings zur Eingliederung des kapitalstarken Unternehmers und Mitbegründers der Wiener Werkstätte, Fritz Waerndorfer. Dieser übernahm bis Juni 1909 auch die Aufgabe des Direktors. Josef Hoffmann zeichnete für das Konzept dieses Gesamtkunstwerkes verantwortlich.
»In Wien wird das Kabarett kunstgewerblich genial«
Wie aus der Programmschrift der Fledermaus hervorgeht, war die oberste Prämisse, sich von den gängigen Nachtlokalen Wiens zu unterscheiden. Es sollte ein breitgefächertes Spektrum an darstellender Kunst – von Schattenspielen über Tanz und Dichterlesungen bis hin zu experimentellen Darbietungen – dem Publikum offeriert werden. Verlegt und veröffentlicht wurde dieses programmatische Schriftstück von der Wiener Werkstätte selbst. Der Autor ist nicht bekannt, vieles deutet allerdings auf Peter Altenberg als Verfasser hin.
Die Eröffnung des Kabarett Fledermaus fand am 19. Oktober 1907 statt. Die Arbeiterzeitung berichtete anerkennend:
»Das Cabaret Fledermaus ist gestern Abends dreihundert Außerwählten [!] enthüllt worden. Was Herr Professor Hoffmann im Unterirdischen der Kärntnerstraße geschaffen, gehört zu seinen architektonischen Meisterstücken. Kein zweiter macht ihm diesen wirklich deliziösen Raum nach […].«
»Sitzung dann Fledermaus« Klimts Kabarettbesuche
Klimt wähnte sich unter den ersten 300 Gästen, die am Eröffnungsabend teilnahmen. Am 14. Jänner 1908 besuchte er das Kabarett ein zweites Mal und erlebte gemeinsam mit u.a. Hugo von Hofmannsthal, Josef Hoffmann, Bertold Löffler, Kolo Moser und Otto Wagner das Tanzdebüt der Schwestern Wiesenthal – Grete, Elsa und Bertha – in der Fledermaus. Das Engagement der tanzenden Schwestern hatte Waerndorfer auf Anraten von Hofmannsthal ermöglicht. Die folgenden Performances der Wiesenthal Damen waren bahnbrechend und sehr erfolgreich. Im Folgejahr war Klimt am 27. Februar mit Hermann und Therese Flöge (geb. Paulick) sowie weiteren Bekannten und Anfang März desselben Jahres nochmals mit seinem Mäzen Ferdinand Bloch Gast in diesem Etablissement.
Klimt und die Kunst der Fledermaus
In erwähntem Programm wird Gustav Klimt als »dekorativer« Mitarbeiter geführt. Inwieweit er an der Konzeption des Kabarett Fledermaus direkt beteiligt war, ist nicht belegt, er hatte aber zweifellos wesentlichen Anteil an der Formulierung der Ästhetik. Dass das innenarchitektonische Design des Kabaretts auf Klimt gewirkt haben mochte, legt das Gemälde Freundinnen I (Die Schwestern) (1907, Klimt-Foundation, Wien), das er im Sommer 1907 am Attersee vollendet hatte, nahe. Das Schachbrettmuster des Bodens findet sich als kleinteiliges Ornament in diesem Doppelporträt wieder, auch der buntfarbige Tupfendekor am rechten, oberen Bildrand scheint auf die polychrome Fliesengestaltung des Barraums zu referenzieren. Zwei feine Damen, gekleidet in Winterkostümen, lassen an Besucherinnen oder die dem Tanz verpflichteten Wiesenthal Schwestern denken.
Vice versa hielt auch die Formensprache Klimts Einzug in die Schöpfungen der Künstler dieses Lokals respektive der Wiener Werkstätte. Ein Fritz Waerndorfer gewidmeter Kostümentwurf für die Tänzerin Miss Olga George von Kolo Moser aus dem Jahr 1908 verdeutlicht diese gegenseitige Inspiration. Mannigfaltige Ornamentik ziert den Körper der Frau und erinnert an Ausformulierungen, die Klimt in seinen Gemälden dieser Zeit, etwa in Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie New York, New York), zur Anwendung brachte. Vegetabile Formen schmücken den linken Unterarm der Tänzerin und lassen Spiralen erahnen. Die gold-bräunlichen Ranken dieses Moserschen Bildgefüges erscheinen zudem als Reminiszenzen auf die Formgebung in Klimts Werk Wasserschlangen I (Pergament) (1904, überarbeitet: vor 1907, Belvedere, Wien).
Die »bunte Greuelgrotte« als beeindruckendes Gesamtkunstwerk
Die Kabarettanlage gliederte sich in mehrere, unterschiedlich gestaltete Bereiche. Von der Straße führte eine Treppe hinab zum imposanten, polychrom gestalteten Barraum. Von dort gelangten die Gäste in den schlichten aus weißem Putz und grauem Marmor bestehenden Theaterraum. Als Dekor dienten hier simple Reliefstreifen mit einem weißen Ornament aus Weintrauben. Darüber hinaus gab es eine über einen Stiegenaufgang zu erreichende Zwischenebene mit Logen und weiteren Sitzgelegenheiten. Ähnlich dem Brüsseler Palais Stoclet und dem Sanatorium Purkersdorf schuf Hoffmann auch mit diesem Kleinod ein Gesamtkunstwerk. Zu ikonischer Bedeutung gelangten ebenso einzelne Elemente, etwa Hoffmanns »Fledermausmöbel«, die von der Bugholzmöbelfirma Jacob & Josef Kohn ausgeführt worden waren.
Bertold Löffler und Michael Powolny, Gründer der Wiener Keramik, gestalteten in Zusammenarbeit mit vielen, namentlich leider kaum bekannten Künstlerinnen und Künstlern die rund 7.000 polychromen Majolikafliesen des Barraums. Diese Vielfarbigkeit stand in Kontrast zum schlichten schwarz-weiß gefliesten Boden. Auf Ludwig Hevesi wirkte dieser Raum wie eine
»bunte […] Greuelgrotte, bunt wie die Buntheit, und phantastisch wie die Phantasie«.
Weitere wichtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren, u.a. für die Kostümentwürfe, Eduard Josef Wimmer-Wisgrill und Josef von Divéky, Marya Delvard, Mela Mars und die Wiesenthal Schwestern für den Tanz. Hermann Bahr, Dr. Franz Blei, Dr. Hans Heinz Evers fungierten als literarische Mitarbeiter. Oskar Kokoschka und Carl Otto Czeschka waren ebenfalls prominent beteiligt, wie auch Egon Friedell und Alfred Polgar, die Stücke für die Kleinkunstbühne des Kabaretts verfassten.
Der Niedergang der Fledermaus
Die exorbitanten Kosten führten schließlich dazu, dass sich Waerndorfer und die Wiener Werkstätte im Juni 1909 zurückzogen. Hugo Stein aus Berlin übernahm die Direktion. Unter dessen Ägide kam es zu einer Reduktion des vielschichtigen Vorstellungsspektrums. Darüber hinaus wurde das Interieur der Wiener Werkstätte teilweise entfernt und durch günstigeres Mobiliar ersetzt. Schließlich musste das Kabarett Fledermaus im April 1913 aufgrund der prekären finanziellen Situation endgültig schließen und blieb der Nachwelt nicht erhalten.
2019 veranlasste die Abteilung Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien die Rekonstruktion des legendären Barraums. Dieser wurde 2019 in der Barbican Art Gallery London sowie kurz darauf in der Österreichischen Galerie Belvedere dem Publikum präsentiert.
Literatur und Quellen
- Ludwig Hevesi: Kabarett Fledermaus, in: Fremden-Blatt, 18.10.1907, S. 12.
- Barbara Lesák: Hundert Jahre Kabarett Fledermaus. Eine Kleinkunstbühne im Kontext der europäischen Theateravantgarde im frühen 20. Jahrhundert, in: Thomas Trabisch, Michael Buhrs, Barbara Lesák (Hg.): Kabarett Fledermaus 1907-1913. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Literatur, Musik, Tanz, Ausst.-Kat., Museum Villa Stuck (München), 18.10.2007–27.01.2008; Theatermuseum (Wien), 18.02.2008–08.06.2008, Wien 2007, S. 9-15.
- Gerd Pichler: Das Kabarett Fledermaus. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte, in: Thomas Trabisch, Michael Buhrs, Barbara Lesák (Hg.): Kabarett Fledermaus 1907-1913. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Literatur, Musik, Tanz, Ausst.-Kat., Museum Villa Stuck (München), 18.10.2007–27.01.2008; Theatermuseum (Wien), 18.02.2008–08.06.2008, Wien 2007, S. 51-87.
- Herta Neiß: Die wirtschaftlichen Hintergründe des Kabarett Fledermaus, in: Thomas Trabisch, Michael Buhrs, Barbara Lesák (Hg.): Kabarett Fledermaus 1907-1913. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Literatur, Musik, Tanz, Ausst.-Kat., Museum Villa Stuck (München), 18.10.2007–27.01.2008; Theatermuseum (Wien), 18.02.2008–08.06.2008, Wien 2007, S. 89-97.
- Claudia Feigl: Die Chronologie der »Fledermaus«, in: Thomas Trabisch, Michael Buhrs, Barbara Lesák (Hg.): Kabarett Fledermaus 1907-1913. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Literatur, Musik, Tanz, Ausst.-Kat., Museum Villa Stuck (München), 18.10.2007–27.01.2008; Theatermuseum (Wien), 18.02.2008–08.06.2008, Wien 2007, S. 89-97.
- Ernst Ploil: Economics, in: Christian Witt-Döring, Janis Staggs (Hg.): Wiener Werkstätte 1903-1932. The Luxury of Beauty, New York 2017, S. 20-31.
- N. N.: Theater und Kunst. Das Cabaret Fledermaus, in: Arbeiter-Zeitung, 20.10.1907, S. 8.
- Ludwig Hevesi: Kabarett Fledermaus, in: Altkunst – Neukunst, Wien 1909, S. 240-245.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Paris, 1. Karte (Morgen) (27.02.1909).
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Paris, 1. Karte (Morgen) (05.03.1909).
- Alexander Klee: Ein kollektives Gesamtkunstwerk, in: Florence Ostende (Hg.): Into the Night. Die Avantgarde im Nachtcafé, Ausst.-Kat., Barbican Art Gallery (London), 04.10.2019–19.01.2020; Unteres Belvedere (Wien), 14.02.2020–01.06.2020, München 2019, S. 56-63.
- Cosima Rainer (Hg.): Kabarett Fledermaus @ Bar du Bois. Aktualisierung eines Experiments der Wiener Moderne, Ausst.-Kat., Heiligenkreuzer Hof (Universitätsgalerie der Angewandten, Wien), 12.03.2020–24.10.2021, Wien - Berlin - Boston 2021.
- Elana Shapira: Der »andere« Wiener Visionär. Metamorphose im Kabarett Fledermaus, in: Cosima Rainer (Hg.): Kabarett Fledermaus @ Bar du Bois. Aktualisierung eines Experiments der Wiener Moderne, Ausst.-Kat., Heiligenkreuzer Hof (Universitätsgalerie der Angewandten, Wien), 12.03.2020–24.10.2021, Wien - Berlin - Boston 2021, S. 54-65.

k. k. Kunstgewerbeschule

k. k. Kunstgewerbeschule, um 1880
© Wien Museum

Rudolf Eitelberger fotografiert von Ludwig Angerer, um 1880–1885
© Wien Museum

Blick in die Klasse von Anton Kenner, Abteilung für Lehramtskandidaten, k. k. Kunstgewerbeschule, 1900–1903, Kunstsammlung und Archiv, Universität für Angewandte Kunst Wien
© Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien
Die k. k. Kunstgewerbeschule (heute: Universität für angewandte Kunst Wien) wurde 1867 gegründet und war damals an das k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie (heute: MAK) angeschlossen. Ihr Ziel war die Ausbildung junger Kunstschaffender, basierend auf dem Studium von Sammlungsobjekten des Museums. Von 1875 bis 1883 genoss Gustav Klimt dort seine künstlerische Ausbildung.
Die k. k. Kunstgewerbeschule wurde 1867 auf das Bestreben Rudolf Eitelbergers, des ersten Professors für Kunstgeschichte an der Universität Wien, hin gegründet. Die Schule war damals an das bereits 1863 nach dem Vorbild des Londoner South Kensington Museums (heute: Victoria & Albert Museum) ins Leben gerufene k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie angegliedert. Im Zeitalter der fortschreitenden Industrialisierung sollte das Kunstgewerbe entsprechend reformiert sowie alte Handwerkstechniken des Historismus dokumentiert und zu Lehrzwecken herangezogen werden. Eitelberger übernahm die Leitung des Museums, das sich ab 1871 in einem von Heinrich Ferstel errichteten Neubau am Stubenring 5 befand. Als erster Direktor der Kunstgewerbeschule wurde der Architekt und Miterbauer der Hofoper Josef von Störck berufen.
Nach englischem Vorbild sollten die Sammlungsobjekte des Museums Künstlern, Handwerkern und Industriellen als Inspirationsquellen für ihr Schaffen dienen. Die Kunstgewerbeschule bot darüber hinaus - in Verbindung mit dem Museum - eine zeitgemäße Weiter- und Ausbildungsstätte für junge Kunstschaffende.
Vorerst bezog die Bildungsstätte, zunächst noch Oberste Schule für das Kunstgewerbe genannt, das Palais Brenner, eine ehemalige Gewehrfabrik in der Währinger Straße 11–13, Ecke Schwarzspanierstraße 17.
Ab 1872 befand sich die Schule in einem Aufbau auf dem erst kurz zuvor errichteten Museums für Kunst und Industrie. Fünf Jahre danach übersiedelte sie in ihr eigenes Gebäude, den direkt an das Museum angrenzenden, ebenfalls durch Heinrich Ferstel errichteten Neubau am Stubenring 3.
Ziel der k. k Kunstgewerbeschule des k. k. österreichischen Museums für Kunst und Industrie war die Ausbildung von jungen Künstlern und Kunsthandwerkern. Eine Besonderheit war, dass Frauen von Anfang an in der Kunstgewerbeschule zugelassen waren. Ihre Ausbildungsmöglichkeiten beschränkten sich allerdings auf bestimmte Fachrichtungen.
Die Ausbildung bestand vorwiegen aus dem Studium der historischen Sammlungsobjekte. Das Schulsystem war dabei aufgegliedert in eine Vorbereitungsschule und eine sogenannte Fachschule, welche wiederum in die drei Bereiche Baukunst, Bildhauerei sowie Zeichnen und Malen geteilt war. 1900 erfolgte die administrative Trennung der Schule vom Museum.
Ende des 19. Jahrhunderts ernannte man Felician von Myrbach, ein Gründungsmitglied der Wiener Secession, zum Direktor der Schule. Dadurch wurden vermehrt Künstler aus den Reihen der Secessionisten als Lehrpersonal berufen, darunter Kolo Moser, Josef Hoffmann, Adolf Böhm und Alfred Roller. Die Kunstgewerbeschule wurde zur Wiege des österreichischen Jugendstils. Die Unterrichtsmethoden verlagerten sich vom Kopieren nach historischen Vorbildern zusehends hin zur Naturbeobachtung und freien Gestaltung. Dies ließ die Kunstgewerbeschule zur Ausbildungsstätte für moderne Kunst avancieren. Von 1909 bis 1934 fungierte abermals ein Künstler der Wiener Moderne, Alfred Roller, als Direktor.
Zu den bekanntesten Absolventen der k. k. Kunstgewerbeschule gehören neben Gustav Klimt auch Oskar Kokoschka, Kolo Moser, Ernst und Georg Klimt, Franz Matsch und Josef Hoffmann.

Frequentations-Zeugnis der k. k. Kunstgewerbeschule in Wien für Gustav Klimt, ausgefüllt und unterschrieben von Ferdinand Laufberger, 24.07.1879, Albertina
© ALBERTINA, Wien
Gustav Klimt an der k. k. Kunstgewerbeschule
1875 wurde Gustav Klimt an der Kunstgewerbeschule aufgenommen. Er besuchte, wie mehrere Zeugnisse belegen, zunächst die Vorbereitungsschule mit dem Ziel Zeichenlehrer zu werden. Gemeinsam mit Franz Matsch und Ernst Klimt genoss er eine fundierte akademische Ausbildung, die primär auf Kopieren von antiken Gipsabgüssen beruhte.
Die Lehrer Klimts, vor allem Michael Rieser, der damals die Vorbereitungsschule leitete, der Direktor des Museums für Kunst und Industrie Rudolf Eitelberger sowie Ferdinand Laufberger, der die Obhut über die Fachschule für Zeichnen und Malen innehatte, erkannten bald das Potenzial der drei jungen Maler. Statt sie nach ihrer dreijährigen Ausbildung zur Abschlussprüfung für das Lehramt zuzulassen, erhielten die Brüder Klimt und Matsch ein Stipendium. Dadurch wurde es ihnen ermöglicht, die Fachschule bei Laufberger zu besuchen, um sich dort zu akademischen Malern ausbilden zu lassen. Immer wieder zog das Lehrpersonal ihre Studenten, die sich zu einer Ateliergemeinschaft zusammengeschlossen hatten, zu diversen Hilfsarbeiten an größeren Aufträgen heran. Außerdem wurde den drei jungen Malern ein Atelier innerhalb des Schulgebäudes am Stubenring 3 für ihre diversen, teilweise auch schulunabhängigen Aufträge zur Verfügung gestellt.
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Museum und Kunstgewerbeschule war es außerdem möglich, die Auftragswerke der Brüder Klimt und Franz Matsch dort öffentlich auszustellen. Eitelberger setzte sich mehrfach dafür ein die Auftragswerke der sogenannten »Künstler-Compagnie« in den Räumlichkeiten des Museums zu zeigen. So wurde beispielsweise 1883 der Hauptvorhang, den die jungen Künstler im Auftrag für das Stadttheater in Reichenberg (heute: Liberec) geschaffen hatten, im k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie für kurze Zeit dem Wiener Publikum präsentiert.
Literatur und Quellen
- Sandra Tretter, Hans-Peter Wipplinger (Hg.): Gustav Klimt. Jahrhundertkünstler, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 22.06.2018–04.11.2018, Wien 2018.
- Herbert Giese: Franz von Matsch – Leben und Werk. 1861–1942. Dissertation, Wien 1976.
- N. N.: Die Kunstgewerbeschule des k.k. österreichischen Museums für Kunst und Industrie, Wien 1868.
- Die Angewandte. Geschichte der Angewandten Von der k. k. Kunstgewerbeschule zur heutigen Angewandten. www.dieangewandte.at/universitaet/profil/geschichte (12.01.2022).
- Wien Geschichte Wiki. Kunstgewerbeschule. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kunstgewerbeschule (12.01.2022).
- Wien Geschichte Wiki. Universität für angewandte Kunst. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Universit%C3%A4t_f%C3%BCr_angewandte_Kunst (30.03.2020).
- Brief von Franz Matsch in Wien an den Magistrat der Stadt Reichenberg, mitunterschrieben von Gustav und Ernst Klimt (vor dem 14.08.1883). VI. – Gd, 202, Signatur 709/4, Karton 188_6, SOkA Liberec, Archiv města Liberec (AML).

Kunstsalon Pisko

Gustav Pisko im Kunstalon Pisko
© APA-PictureDesk

Logo des Gemäldesalons G. Pisko, in: Gemäldesalon G. Pisko (Hg.): Collectiv-Ausstellung Lesser Ury. Berlin, Ausst.-Kat., Gemäldesalon G. Pisko (Wien), 12.11.1902–00.00.1902, Wien 1902.
© Bibliothek des Belvedere, Wien

Sterbeanzeige Gustav Pisko, in: Neue Freie Presse, 04.03.1911.
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Der Kunstsalon Pisko wurde ab 1896 als Kunstsalon, Gemäldehandlung, Auktionshaus und Kunstverlag von Gustav Pisko und ab 1911 von Clementine Pisko geführt und zählte neben der Galerie Miethke zu den wichtigsten Kunstumschlagplätzen in Wien um 1900.
Der Kunsthändler Gustav Pisko wurde am 21. Oktober 1866 im damals ungarischen Malacky (heute: Slowakei) geboren und arbeitete als Sekretär des Salzburger Kunstvereines sowie im Münchener Glaspalast. In Wien bewarb er seinen »Gemälde-Salon« in der Schwindgasse 11 bereits ab 1896 mit Zeitungsanzeigen. Die Firma G. Pisko wurde laut Wiener Amtsblatt am 10. September 1898 im Register für Einzelfirmen mit Gustav Pisko als Firmeninhaber »zum Betriebe des Bilderhandels« an der vornehmen Adresse Parkring 2 in Wien 1 eingetragen.
Das Programm des Kunstsalons und Kunstauktionshauses wechselte monatlich, so veranstaltete zum Beispiel Tina Blau-Lang 1899 ihre erste Kollektivausstellung bei Pisko. Auch die Acht Künstlerinnen – darunter Marie Egner – sowie Olga Wisinger-Florian stellten mehrfach in dem Gemäldesalon aus. Einige Besuche des Kaisers wurden in den Tageszeitungen erwähnt, wie am 21. Dezember 1901, als Gustav Pisko und der Maler Ludwig Hans Fischer den Kaiser persönlich durch die Räume führten. Im Jahr 1907 übersiedelte der Kunstsalon Pisko an die neue, nahe gelegene Adresse am Schwarzenbergplatz, in die Lothringerstraße 14. Im gleichen Jahr fand die Auktion »Gemälde und Plastiken von Mitgliedern des Hagenbundes« statt und Gustav Pisko gab gemeinsam mit dem Kunstschriftsteller Arthur Roessler eine Monografie über Ferdinand Georg Waldmüller in Form eines zweibändigen, auf 500 Exemplare limitierten Prachtwerks heraus.
1909 stellte die Neukunstgruppe bei Pisko aus, wo der junge Egon Schiele Arthur Roessler kennenlernte.
Gustav Pisko heiratete 1903 seine Nichte Clementine (geb. Töpfer), die Tochter seiner Schwester Mathilde (geb. Pisko) und Gustav Töpfer. Nach seinem Tod am 3. März 1911 führte seine Witwe Clementine Pisko die Firma weiter. Es folgten Ausstellungen des Österreichischen Künstlerbundes (1912/1913), eine Einzelausstellung von Max Oppenheimer (1913), Porträtfotografiepräsentationen von Pauline Hamilton und viele Nachlassauktionen bekannter Kunstsammler. 1914 trat Clementines Bruder Rudolf Töpfer als offener Gesellschafter ein und es sollte sogar ein Wettbewerb samt Ausstellung im Kunstsalon Pisko veranstaltet werden: Ein Preisausschreiben für Maler, bei dem man 3.000 Kronen für das beste Werk gewinnen konnte. Die Jury bestand aus Gustav Klimt, Rudolf Junk, Josef Hoffmann und Karl Reininghaus.
1917 schied Rudolf Töpfer als Gesellschafter des Kunstsalons aus und Gustav Piskos Bruder, der Journalist und Redakteur Dr. Alexander Pisko, wurde zum provisorischen Kurator bestellt. Die Löschung des Kunstsalons aus dem Handelsregister erfolgte am 28. Juli 1925.
Literatur und Quellen
- Neue Freie Presse, 12.11.1896, S. 13.
- Illustrirtes Wiener Extrablatt, 22.12.1901.
- N. N.: Der Kaiser im Salon Pisko, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt, 22.12.1901, S. 4.
- Gustav Pisko, Arthur Roessler (Hg.): Ferdinand Georg Waldmüller. Sein Leben, sein Werk und seine Schriften, Wien 1907.
- Friedrich Stern: Englische Maler. Bei Pisko, in: Neues Wiener Tagblatt, 25.02.1909, S. 12.
- Kunstnachrichten. Beiblatt der Kunstwelt, 11. Jg., Nummer 11/12 (1913), S. 85-86.
- Geni. Gustav Pisko. www.geni.com/people/Gustav-Pisko/6000000025738047061 (09.11.2021).
- Neue Freie Presse, 04.04.1896.
- Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 41. Jg., Band 1 (1899), S. 384.
- N. N.: Kleine Ckronik, in: Neue Freie Presse, 08.07.1903, S. 5.
- Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 45. Jg., Band 1 (1903), S. 388.
- Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 53. Jg., Band 1 (1911), S. 470.
- Neue Freie Presse, 04.03.1911, S. 28.
- Salzburger Chronik, 04.03.1911, S. 6.
- Wiener Zeitung, 03.05.1911, S. 536.
- Wiener Zeitung, 22.10.1913, S. 484.
- Wiener Zeitung, 27.04.1916, S. 27.
- Wiener Zeitung, 19.09.1917, S. 19.
- Neue Freie Presse, 07.07.1914, S. 18.
- Geburtsbuch 1905 (Tomus ), Israelitische Kultusgemeinde, Wien, fol. 352.
- Trauungsbuch 1904/06 (Tomus O), Israelitische Kultusgemeinde, Wien, fol. 285.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv. Handelsregister A 29/83, Signatur 2.3.3.B76.29.83, G. Pisko. www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml (11.02.2022).
- Wikitree. Gustav Pisko. www.wikitree.com/wiki/Pisko-17 (11.02.2022).
- N. N.: Amtsblatt. Beilage zu Nr. 38 der Allgemeinen österreichischen Gerichts-Zeitung. Firma-Protokollirungen, in: Allgemeine österreichischen Gerichts-Zeitung, 17.09.1898, S. 1.
- Freies Blatt. Organ zur Abwehr des Antisemitismus, 03.05.1896, S. 11.

Künstlerhaus

Wiener Künstlerhaus fotografiert von Leopold Theodor Neumann, um 1875
© Wien Museum
Die 1861 gegründete Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens konnte 1868 in das eigens errichtete »Künstlerhaus« am Karlsplatz einziehen, das sowohl als Vereinslokal als auch Ausstellungsort fungierte, und ist heute die älteste, noch bestehende Künstlervereinigung Österreichs.
Am 31. Jänner 1861 entstand die Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens als Standesvertretung der Wiener Maler, Bildhauer und Architekten durch Fusion des Albrecht-Dürer-Vereins und des Vereins Eintracht. Im April wurden die Statuten der zu gründenden Genossenschaft von beiden Vereinen angenommen, am 7. November 1861 fand die konstituierende Generalversammlung statt. Die Genossenschaft übernahm durch die Fusion auch die Mitgliedschaft der Eintracht in der Allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft – einer Dachorganisation aller deutschsprachigen Künstlervereinigungen. Sie residierte vorerst im Lokal des Dürer-Vereins, dem Gasthof Zum blauen Strauß (Gumpendorfer Straße 25), planten jedoch den Bau eines eigenen Vereinshauses.
Da die Genossenschaft als einzige Künstlervertretung der Monarchie angesehen wurde, betrauten sie die Staatsbehörden mit Aufgaben wie der Organisation von Staatsausstellungen und österreichischen Kunstabteilungen an den Weltausstellungen sowie Verhandlungen über Urheberschutz, Entsendung von Sachverständigen, usw. Als Standesvertretung aller bildenden Künstler Wiens entstanden innerhalb der Genossenschaft spezialisierte Gruppen und Tochterorganisationen wie zum Beispiel die Gesellschaft junger Architekten, der Architekten-Club, der Aquarellisten-Club und der Club der Plastiker. Daneben gab es weitere rein gesellschaftliche Organisationen wie eine Schützengilde aber auch Clubs für Kegeln, Billard, Tarock oder Radfahren.
Vereinshaus
Das »Künstlerhaus« war das erste von Künstlern selbst errichtete Ausstellungs- und Vereinshaus des gesamten deutschsprachigen Raums. Im Zuge des Ringstraßenausbaus war der Baugrund nahe des Wienflusses eine Schenkung des Kaisers, die Finanzierung des Baus erfolgte nach einem Stifter- und Gründersystem. Die Grundsteinlegung war am 21. August 1865 und das Gebäude wurde nach Plänen August Webers zwischen Akademiestraße und Bösendorferstraße, mit der Front gegen den Wienfluss, im Stil einer italienischen Renaissancevilla erbaut. Das Haus eröffnete in Anwesenheit Kaiser Franz Josephs I. am 1. September 1868 mit der Vernissage der »III. Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung« der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft.
Das Künstlerhaus diente vor allem als Ausstellungsgebäude, neben der Interessensvertretung seiner Mitglieder organisierte die Genossenschaft jedoch auch Künstlerfeste und die berühmten »Gschnasfeste«. Zudem wurden die Räumlichkeiten von Anfang an von Kunsthändlern und Galeristen wie Miethke & Wawra, Peter Kaeser oder Charles Sedelmeyer für prestigereiche Versteigerungen angemietet. Besonders während der Gründerzeit wurde das Künstlerhaus immer häufiger zum Schauplatz spektakulärer, profitorientierter Ausstellungen, die Zeitgenossen teilweise abwertend mit Jahrmarktattraktionen verglichen.

Karikatur von Unterrichtsminister Richard Bienerth mit der Secession, dem Hagenbund und dem Künstlerhaus, in: Figaro, 14.10.1905.
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Secession und Hagenbund
Die Rolle als Vermittlungsinstanz zwischen Publikum und Kunstschaffenden sowie die nationalen und internationalen Kundenkontakte der Genossenschaft waren wichtige ökonomische Aspekte für die Mitgliedschaft. Seit den frühen 1890ern traten einige junge Künstler wie Carl Moll, Gustav Klimt, Kolo Moser und Josef Hoffman bei. Klimt wurde 1891 Genossenschaftsmitglied und kam über das Künstlerhaus an wichtige Aufträge, wie die des Sammlers Nicolaus Dumba. Moll trat bereits 1890 ein und arbeitete ab 1894 im Vorstand, als er die Organisation der Ausstellung der Münchner Secession und der Freien Vereinigung Düsseldorfer Künstler in die Wege leitete. Diese wegweisende Ausstellung eröffnete im Dezember 1894 und unter den deutschen Secessionisten präsentierte auch Franz von Stuck seine Werke in Wien.
Moll war eine der treibenden Kräfte der Erneuerung im Künstlerhaus. Die Ausstellungspolitik sowie unterschiedliche Ansichten zu modernen Ideen führten innerhalb der konservativen Institution jedoch zu Spannungen. Es formte sich eine Gruppe von Künstlern der Genossenschaft, der bereits bestehenden Hagengesellschaft und des sogenannten Siebener-Clubs, – darunter Rudolf Bacher, Wilhelm Bernatzik, Josef Engelhart, Gustav Klimt, Carl Moll, Kolo Moser, Anton Nowak und Alfred Roller – die 1897 die Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession gründeten. Dabei zählten Klimt, Moser, Moll, Hoffmann und Joseph Maria Olbrich zu den bekanntesten Gründungsmitgliedern, die vor allem den »Schaubudencharakter« der oft überladenen Künstlerhausausstellungen kritisierten und moderne Kunst nach neuen Prinzipien schaffen wollten.
Auch die »Affäre« um Josef Engelharts naturalistischen Frauenakt Die Kirschpflückerin (1893, im Zweiten Weltkrieg zerstört) wird öfters als Grund für die Abspaltung genannt. Die Jury der Genossenschaft wies das Gemälde zunächst »aus Rücksichten der Konvention« und aufgrund sittlicher Bedenklichkeit zurück, stellte es nach Engelharts Einspruch dennoch 1894 im Künstlerhaus aus und der Maler bezeichnete die Vorgänge später als »leise[n] Beginn einer Bewegung« die »zur Gründung der Secession führte«.
Durch die Secession verlor das Künstlerhaus seine Funktion als alleinige Interessensvertretung der Wiener Künstler. Da einigen Mitgliedern der Hagengesellschaft die Aufnahme in die Secession verwehrt wurde, gründeten sie 1899 wiederum den Hagenbund als Tochtergesellschaft der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens und traten 1900 endgültig aus dieser aus.
Kriegs- und Nachkriegszeit
Das Künstlerhaus verlor weiter an Bedeutung und trat 1912 anlässlich einer Statutenänderung aus der Allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft aus. Nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 wurde das Vereinshaus der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuze zur Nutzung als Rekonvaleszentenheim zur Verfügung gestellt, bis Ende 1918 schließlich die letzten Soldaten abzogen.
In den 1920er Jahren öffnete sich das Künstlerhaus zunehmend den modernen künstlerischen Entwicklungen in Österreich. 1939 wurde die Secession in die nunmehr Gesellschaft bildender Künstler Wiens, Künstlerhaus genannte Vereinigung integriert. Das Gebäude nutzte die Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs als Getreidelager.
Die einst führende Rolle des Künstlerhaus blieb auch nach Kriegsende neben den zahlreichen neu entstandenen Künstlervereinigungen geschwächt.
Literatur und Quellen
- K.: Das Künstlerhaus in Wien. Von Architekt August Weber, in: Allgemeine Bauzeitung, 1881, S. 67-68.
- Oskar Pausch: Gründung und Baugeschichte der Wiener Secession. Mit Erstedition des Protokollbuches von Alfred Roller, Wien 2006.
- Christian Huemer: Jahrmarktbude oder Musentempel? Das Wiener Künstlerhaus und der Kunsthandel, in: Peter Bogner, Richard Kurdiovsky, Johannes Stoll (Hg.): Das Wiener Künstlerhaus. Kunst und Institution, Wien 2015, S. 267–275.
- Wien Geschichte Wiki. Künstlerhaus. www.geschichtewiki.wien.gv.at/K%C3%BCnstlerhaus (14.04.2020).
- Künstlerhaus. Geschichte. www.k-haus.at/de/kuenstlerhaus/geschichte/ (14.04.2020).
- Wladimir Aichelburg: Das Wiener Künstlerhaus. 125 Jahre in Bilddokumenten, Wien 1986.
- Wladimir Aichelburg: Das Wiener Künstlerhaus 1861–2001, Band 1, Wien 2003.
- Rudolf von Eitelberger: Öffentliche Kunstpflege, in: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873, Leipzig 1875, S. 273.
- Patrick Fiska, Holger Englerth: Ohne Klimt. Klimt und das Künstlerhaus, in: Peter Bogner, Richard Kurdiovsky, Johannes Stoll (Hg.): Das Wiener Künstlerhaus. Kunst und Institution, Wien 2015, S. 277-283.

Moderne Galerie Wien

Ankäufe der Secession für die Moderne Galerie, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 3. Jg., Heft 3 (1900).
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Im Mai 1903 eröffnete in Wien die Moderne Galerie. Diese staatliche Kulturinstitution entstand unter anderem auf Initiative der Wiener Secession, die seit ihrer Gründung stets die Errichtung einer öffentlichen Galerie für zeitgenössische Kunst forderte.
Die Wiener Secession befürwortete und forcierte seit ihrem Bestehen die Gründung einer zeitgenössischen Galerie. Bereits in ihren Vereinsstatuten hielt sie fest, dass sie für eine »dereinstige moderne Galerie« Ankäufe tätigen wollte, die durch den Reingewinn ihrer Ausstellungen finanziert werden sollten. Da die Frage zur Errichtung einer modernen Galerie politisch und medial um 1900 verstärkt diskutiert wurde, wandte sich die Vereinigung diesbezüglich mit einer Denkschrift an den Minister für Cultus und Unterricht und veröffentlichte diese 1901 in ihrer Zeitschrift Ver Sacrum. Die Secessionisten appellierten darin, die moderne Kunst zu fördern und verwiesen gleichzeitig auf die Notwendigkeit eine eigenständige, zeitgenössische Kulturinstitution zu schaffen:
»Nicht die Hinzufügung eines Depots für moderne Bilder zu den bestehenden Sammlungen alter Bilder hatten wir dabei im Sinne, sondern die Schaffung eines Institutes, das unserem Volke Gelegenheit bieten sollte, das gewaltige, die Kunst unserer Tage bewegende Drängen und Ringen nach neuen Idealen nachfühlend mitzuerleben.«
1902 erfolgte schließlich auf politischer Ebene eine Übereinkunft und der Beschluss eine neue Galerie für zeitgenössische Kunst zu gründen und diese zu finanzieren.
Denkschrift an den Minister für Cultus und Unterricht publiziert im Ver Sacrum

k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht (Hg.): Katalog der Modernen Galerie in Wien, Ausst.-Kat., Moderne Galerie (Unteres Belvedere, Wien), 07.05.1903, Wien 1903.
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Nach dem Regen (Garten mit Hühnern in St. Agatha), 1898, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien
Eröffnung der Modernen Galerie (1903)
Die Moderne Galerie eröffnete im Mai 1903 im Unteren Belvedere im 3. Wiener Gemeindebezirk, wo sich zuvor die Ambraser Kunstsammlung befand, die in das neue Hofmuseum (heute: Kunsthistorisches Museum, Wien) übersiedelt wurde. Der Standort sollte nur als Provisorium dienen, bis die Moderne Galerie ihre eigenen Ausstellungsräumlichkeiten beziehen konnte, die im neu zu erbauenden städtischen Museum angedacht waren. Die Sammlung selbst umfasste zu Beginn ungefähr 200 Werke von namhaften Künstlern aus dem In- und Ausland, wie Ferdinand Waldmüller, Rudolf Alt, Hans Makart, Max Klinger und Giovanni Segantini. Dieses Sammlungsinventar wurde bereits seit einigen Jahren vom Ministerium für Cultus und Unterricht und der Wiener Secession zusammengetragen sowie durch mehrere Schenkungen ergänzt. Anlässlich der Eröffnung erschienen zahlreiche Ausstellungsrezensionen, mit Lob für die neue Kulturinstitution und deren Ziele, aber auch vereinzelt mit Kritik für die Secessionisten. So schrieb am 1. Mai 1903 Das Vaterland:
»Nicht der Mode aber soll die moderne Galerie dienen, sondern das Beste der gegenwärtigen Zeit soll darin Platz finden, und das findet sich doch gewiß [!] nicht allein im Lager der Secession. […] Sind ihre Werke so vortrefflich, so mustergültig wie sie immer behaupten, so kann es nur von Vortheil [!] für sie sein, wenn sie neben Bildern gestellt werden, die im Sinne der traditionellen Kunst gemalt sind.«
Zu diesem Zeitpunkt besaß die Moderne Galerie bereits drei Gemälde von Gustav Klimt. Porträt Josef Lewinsky als Carlos in Clavigo (1895, Belvedere, Wien), Nach dem Regen (Garten mit Hühnern in St. Agatha) (1898, Belvedere, Wien) und Am Attersee (1900, Leopold Museum, Wien) wurden zwischen 1900 und 1902 erworben. 1908 erwarb das Ministerium für Cultus und Unterricht schließlich auch das Gemälde Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Belvedere, Wien) auf der »Kunstschau Wien«.
Von der Modernen Galerie zur Österreichischen Galerie Belvedere
1911 wurde die Moderne Galerie in k. k. Österreichische Staatsgalerie umbenannt. Der ursprüngliche Sammlungsauftrag behielt aber seine Gültigkeit. Neue zeitgenössische Kunstwerke wurden in den nächsten Jahren unter anderem mit Hilfe von bedeutenden Kunstmäzenen, wie Nicolaus Dumba, Victor Zuckerkandl oder auch Ferdinand Bloch-Bauer – allesamt Förderer Gustav Klimts – weiterhin angekauft oder der Galerie als Schenkung oder Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Einige Jahre nach dem Zusammenbruch der Monarchie erfolgte eine institutionelle Reorganisation und die Umbenennung in Österreichische Galerie. 1938 schloss jedoch die seit 1903 bestehende Institution für zeitgenössische Kunst. Darüber hinaus musste während des Zweiten Weltkrieges das gesamte Inventar des Museums evakuiert werden. Darunter befanden sich auch Klimt-Gemälde, die zuvor beschlagnahmt oder veräußert worden waren. Einige davon verbrannten kurz vor Kriegsende auf Schloss Immendorf.
Das Museum eröffnete offiziell erst wieder 1953. Die Kulturinstitution wird seit 2000 unter den Namen Österreichische Galerie Belvedere geführt und besitzt heute die weltweit größte Gemäldesammlung von Gustav Klimt. 2006 restituierte das Museum fünf Werke des Künstlers an die rechtmäßigen Erben.
Literatur und Quellen
- Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 4, Wien 1995, S. 282.
- Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 2, Wien 1993, S. 450-451.
- Lexikon der österreichischen Provenienzforschung. www.lexikon-provenienzforschung.org/österreichische-galerie (27.04.2020).
- k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht (Hg.): Katalog der Modernen Galerie in Wien, Ausst.-Kat., Moderne Galerie (Unteres Belvedere, Wien), 07.05.1903, Wien 1903.
- Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 4. Jg., Heft 20 (1901).
- Ludwig Hevesi: Die moderne Galerie in Wien, in: Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, N.F., 14. Jg., Heft 29 (1902/03), Spalte 457-462.
- Neues Wiener Journal, 05.05.1903, S. 4-5.
- Illustrirtes Wiener Extrablatt, 05.05.1903.
- Illustrirtes Wiener Extrablatt, 11.01.1902, S. 2.
- Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 01.05.1903, S. 1-2.
- Wiener Zeitung, 06.05.1903, S. 5-6.
- Neues Wiener Tagblatt, 07.08.1908, S. 11.
- Neues Wiener Journal, 10.01.1902, S. 2.
- Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 10.04.1903, S. 5-6.

Modesalon »Schwestern Flöge«

Haus »Casa Piccola« in der Wiener Mariahilfer Straße, Ansicht um 1930
© Klimt-Foundation, Wien

Geschäftsschild für den Modesalon »Schwestern Flöge«, 1904
© MAK

Probierräume im Modesalon »Schwestern Flöge«, 1904
© MAK

Emilie Flöge und Gustav Klimt im Garten der Villa Oleander, Sommer 1910, Sammlung Villa Paulick, courtesy Klimt-Foundation, Wien
© Klimt-Foundation, Wien
Der Modesalon »Schwestern Flöge« – ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte – nahm um die Jahrhundertwende eine einzigartige Stellung ein. Drei emanzipierte Frauen, die in engem Kontakt zu Gustav Klimt standen, leiteten dieses Unternehmen und gestalteten damit die Wiener Modewelt.
Die Corporate Identity des Modesalons »Schwestern Flöge«
Am 1. Juli 1904 eröffneten die Schwestern Emilie, Pauline und Helene den Modesalon »Schwestern Flöge« im ersten Stock des Gebäudes Casa Piccola in der Wiener Mariahilfer Straße 1b. Auch die private Wohnung der Familie befand sich nunmehr in diesem Haus, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts revitalisiert wurde. Die Bezeichnung ist auf den ursprünglichen Café-Inhaber Dominik Casapiccola zurückzuführen.
Die im Jahr 1903 gegründete Wiener Werkstätte erhielt den Auftrag für die Gestaltung des neuen Modesalons. Josef Hoffmann und Kolo Moser kreierten für dieses Geschäftslokal eine von Schlichtheit und geometrischem Design geprägte Ausstattung. Sie zeichneten außerdem für diverse Drucksorten, die Wandtapeten sowie Stoffetiketten verantwortlich und schufen damit im Sinne des Gesamtkunstwerkes die Corporate Identity dieses Unternehmens. Einblicke in die Räumlichkeiten wurden 1904 in der Wiener Kunstzeitschrift Hohe Warte und ein Jahr später in Deutsche Kunst und Dekoration publiziert.
Der Unternehmensgeist der Flöge Schwestern
So wenig über die Anfänge des Modesalons und die Finanzierung bekannt ist, so klar war von Anbeginn die Arbeitsaufteilung im Unternehmen. Emilie hatte die Leitung des Salons in künstlerischen und modischen Belangen inne. Helene Klimt (geb. Flöge), die Witwe von Ernst Klimt, übernahm die Betreuung der Kundinnen. Pauline zeichnete für die Werkstatt und die Buchhaltung verantwortlich. Nach ihrem Tod im Jahr 1917 übernahm Helene Donner (geb. Klimt), die Tochter von Helene und Ernst, diese Aufgabenbereiche.
Die Kundinnen des Salons waren kunstaffine und modebewusste Damen der gehobenen Wiener Gesellschaft. Viele von ihnen standen durch ihre Rolle als Mäzenin und Porträtierte in unmittelbarer Verbindung zu Klimt und der Wiener Werkstätte. Sonja Knips, Hermine Gallia und Eugenia Primavesi, Clarisse Rothschild und Vertreterinnen der Familie Lederer ließen sich von den Flöge Schwestern einkleiden und ausstatten.
Die Mode der Schwestern Flöge
Primäre Inspirationsquelle für die Kreationen war die deutsche Reformmode des 19. Jahrhunderts, die es sich zum Ziel setzte, Frauen Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Die Bandbreite der Flöge-Designs ging jedoch darüber hinaus und reichte von hellen Sommerkleidern mit weiten Röcken, auffallendem Dekor und geschnürten Taillen bis zu vielfältigen Interpretationen des »Reformkleides«. Flöge trug am Attersee ebenfalls gerne ihre Eigenkreationen, wobei sie in diesem Umfeld weite, kaftanartige Gewänder bevorzugte, die durch Stoffe in unterschiedlichen Farben und mit ausdrucksstarken Mustern bestachen. Berühmtheit erlangte ihr wiederum schlichtes schwarz-weiß gestreiftes »Fledermauskleid«. Flöges Modebewusstsein stand nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch bei öffentlichen Auftritten außer Frage, so trug sie zur Eröffnung der »Kunstschau Wien« im Jahr 1908 ein schwarz-weiß gestreiftes, weit geschnittenes Kleid mit auffälligen Volants, das den aufkommenden Neoempirestil erkennen ließ.
Klimts Modeaffinität
Auch Gustav Klimt unterstützte die Corporate Identity des Modesalons, indem er den Entwurf für das Signet beisteuerte. Darüber hinaus fotografierte er Emilie in mehreren ihrer Entwürfe im Sommer des Jahres 1906. Zehn dieser Aufnahmen wurden folglich in der Zeitschrift Deutsche Kunst und Dekoration veröffentlicht. Dass für Flöge die Nähe zu Klimt wiederum auch über seinen Tod hinaus essenziell und inspirativ war, zeigte sich an der Tatsache, dass sie im Modesalon ein eigenes »Klimt-Zimmer« als Erinnerung an diesen für sie so wichtigen Wegbegleiter einrichten ließ.
Generell war Klimt der Mode nicht abgeneigt, wie einer Korrespondenz zwischen Flöge und ihm zu entnehmen ist. Beobachtend schrieb er während seines Paris-Aufenthaltes im Jahr 1909:
»[…] hier kann man alles wagen an Tracht und fällt nicht auf. Hier gieng’s Dir gut.«
Klimt selbst trug häufig Anzüge, zeigte sich aber sowohl in seinen Wiener Ateliers als auch am Attersee in einem besonderen Kleidungsstück: einem indigoblauen, kaftanartigen Malerkittel. Der Künstler begann diese Gewandung in seinen unterschiedlichen Varianten, die an den Musterungen des Schulterbesatzes zu erkennen sind, vermutlich zeitgleich mit der Gründung des Modesalons zu tragen. Das Design selbst ist ebenfalls im Umkreis von Emilie Flöge zu vermuten.
Die Relikte des Modesalons »Schwestern Flöge«
Ab den 1920er-Jahren verzeichnete der Modesalon »Schwestern Flöge« einen Geschäftsrückgang. 1936 verstarb schließlich Helene Klimt. 1938 mussten Emilie und ihre Nichte Helene das Geschäft schließen und ihre Wohnung auflösen. Sie übersiedelten samt Geschäftsarchiv und Klimt-Memorabilien in die Wohnung in der Ungargasse 39 (Wien-Landstraße). Die Jahre des Zweiten Weltkrieges verbrachten sie großteils am Attersee. In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 fiel die Wiener Wohnung einem verheerenden Brand zum Opfer. Flöges Besitz, die Archivalien des Modesalons und Etliches aus dem Nachlass von Klimt wurden unwiderruflich zerstört.
Literatur und Quellen
- Wolfgang Georg Fischer: Gustav Klimt und Emilie Flöge. Genie und Talent, Freundschaft und Besessenheit, Wien 1987.
- Angela Völker: Die Modeschöpferin Emilie Flöge 1904 bis 1913, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst, Wien 2016, S. 57-67.
- Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an Hermann Muthesius (27.07.1906). D 102-6645.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Paris an Emilie Flöge in Wien, 2. Karte (21.10.1909). RL 2765, Leopold Privatsammlung.
- Sandra Tretter: Botschaften und Erinnerungsstücke einer gemeinsamen Lebenszeit, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst, Wien 2016, S. 9-25.
- Sonja Niederacher: Emilie Flöge, Geschäftsfrau, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst, Wien 2016, S. 27-41.

Photographische Gesellschaft

Das Comité der Photographischen Gesellschaft in Wien fotografiert von Victor Angerer (Detail), in: Photographische Correspondenz, 14. Jg., Nummer 164 (1877).
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Die 1861 gegründete Photographische Gesellschaft in Wien widmete sich neben der Interessensvertretung von Fotografen der Forschung, Entwicklung und öffentlichen Verbreitung von Fotografie. Ab 1864 publizierte der Verein die Zeitschrift Photographische Correspondenz und beteiligte sich 1888 an der Gründung der k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren.
Die Fotografie erlebte um 1850 in ganz Europa einen Aufschwung, besonders in England und Frankreich kommerzialisierte sich das Gewerbe, was mit der Gründung von Vereinen wie der Royal Photographic Society und der Société francaise de photographie einherging. Auch in Wien lag es im Interesse der Handelskammer, dass sich die gewerbetreibenden Fotografen nach ausländischem Vorbild organisieren sollten. Mitglieder der losen Gemeinschaft der »Fürstenhofrunde«, des Niederösterreichischen Gewerbevereins und des Polytechnischen Instituts gründeten am 22. März 1861 die Photographische Gesellschaft in Wien mit dem Zweck der »Vervollkommnung, Ausbreitung und möglichste[n] Förderung der Photographie«. Zu den wohl bekanntesten Gründungsmitgliedern gehörten August Artaria, Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer, Ludwig Angerer, Emil Hornig und Joseph Petzval, die Anton Georg Martin zum ersten Vorstand wählten.
Der Verein zählte anfangs rund hundert Mitglieder, die sowohl aus dem Amateur- als auch professionellen Bereich kamen: Wissenschaftler, Physiker, Chemiker, Berufsfotografen, Kunsthändler, Optiker, Pharmazeuten, Künstler, Reproduktionstechniker und Verleger, die teilweise auch Mitglieder in anderen Vereinen – zum Beispiel dem Alterthumsverein, der Genossenschaft bildender Künstler Wiens, dem Verein Österreichischer Buchhändler oder dem Alpenverein – waren und dort wiederum neue Impulse zur Fotografie verbreiteten. Die Photographische Gesellschaft stand auch staatlichen Einrichtungen wie der Hof- und Staatsdruckerei und dem Militärgeographischen Institut nahe und machte renommierte Fachleute wie die Brüder Lumière zu Ehrenmitgliedern um den internationalen Austausch zu fördern. Neben regelmäßigen Versammlungen, Vorträgen und Ausstellungen leistete die Vereinigung auch einen wichtigen Beitrag zur Erforschung und Entwicklung fotografischer Techniken, baute eine Fachbibliothek auf, gab ab 1864 die Zeitschrift Photographische Correspondenz heraus, versuchte Fragen des Urheberrechts in der Fotografie zu klären und honorierte besondere Leistungen mit Auszeichnungen und Preisen wie der Voigtländer-Medaille.
Obwohl die Mitglieder in den Anfangsjahren aus der gesamten Monarchie stammten, etablierten sich in den 1880ern Fotovereine in Prag und Budapest und auch die künstlerisch und technisch experimentierfreudigeren Amateurvereine wurden besonders ab den 1890ern populärer. Die eher generalistische Interessensvertretung der Photographischen Gesellschaft verlor Mitglieder an andere Vereine, teilweise gab es auch Doppelmitgliedschaften, jedoch hielten sich vor allem die Berufsfotografen neuen ästhetischen Ansätzen gegenüber eher verschlossen. Die Gesellschaft beteiligte sich nicht an den bereits in den frühen 1870er Jahren einsetzenden Diskursen zu Ästhetik, sozialen und wohltätigen Überlegungen, sondern fokussierte auf die »Pflege der wissenschaftlichen und technischen Seite der Photographie«. Sie statteten 1885 ein Labor mit modernsten photographischen Geräten aus, das an Josef Maria Eder – einem Dozenten für Fotochemie an der Technischen Hochschule Wien und Mitglied der Photographischen Gesellschaft – übergeben wurde.
Da der wissenschaftlich-technisch geprägte Aufschwung und die rasche Weiterentwicklung der Reproduktionstechniken nach mehr Fachkräften verlangten, kam von Eder die Idee einer staatlichen Ausbildungsstätte: 1888 eröffnete die k. k. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren (heute: Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt) als erste Fotografiefachschule Europas, die international zum Vorzeigeinstitut wurde.
Um die Jahrhundertwende war die Photographische Gesellschaft zwar auf über hundert Mitglieder angewachsen, jedoch stammten diese größtenteils aus Wien. Der Verein verlor an Internationalität und durch die Gründung neuer, konkurrierender Vereine zusätzlich seinen Alleinvertretungsanspruch. Seit 1889 gab es den Club der Amateur-Photographen (ab 1893 Camera-Club), doch besonders die 1905 gegründete Genossenschaft für Fachphotographen, die als Vertretung der gewerblichen Lichtbildner fungierte und sich für die Ausbildungsregelung, eine kartellartige Wettbewerbsbeschränkung und den Schutz vor Amateuren sowie eine Kranken- und Unterstützungskasse einsetzte, schwächte die Photographische Gesellschaft. Sie zählte bis zum ersten Weltkrieg zu den bedeutendsten Fotografenvereinigungen Europas. Der Zerfall des Habsburgerreiches, die Weltwirtschaftskriese und spätestens die Zeit des Nationalsozialismus führten zum Niedergang der Photographischen Gesellschaft.
Literatur und Quellen
- N. N.: Statuten der Photographischen Gesellschaft in Wien, in: Zeitschrift für Fotografie und Stereoskopie. Organ der fotografischen Gesellschaft Wien, Band 5 (1862).
- Photographische Gesellschaft. www.photographische-gesellschaft.at (18.09.2020).
- O. Prelinger: Ein Rückblick auf 50 Jahre, in: Photographische Correspondenz, 48. Jg., Nummer 605 (1911).
- Michael Ponstingl: Die Explosion der Bilderwelt. Die Photographische Gesellschaft in Wien 1861–1945. Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich. Band 6, Wien 2011.

Sanatorium Purkersdorf

Sanatorium Purkersdorf, Außenansicht, um 1904
© Klimt-Foundation, Wien

Einblick in die XVIII. Secessionsausstellung, November 1903 - Januar 1904
© Klimt-Foundation, Wien

Sanatorium Purkersdorf, Innenansicht, um 1904
© Klimt-Foundation, Wien

Richard Luksch: Weibliche Fayencefigur, 1905
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Der Beethovenfries (Die feindlichen Gewalten), 1901/02, Österreichische Galerie Belvedere, Dauerleihgabe in der Secession, Wien
© Belvedere, Wien

Gustav Klimt vor dem Sanatorium Westend in Purkersdorf, vermutlich 1905, MAK - Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte
© MAK
Das von Josef Hoffmann konzipierte und von der Wiener Werkstätte ausgeführte Sanatorium Westend in Purkersdorf ist eines der progressivsten Projekte dieses universell tätigen Architekten. In der puristischen Umsetzung der Idee des Gesamtkunstwerks zeigten sich in diesem noblen Zweckbau erstmals jene baukünstlerischen Grundzüge, die im kurz danach errichteten Brüsseler Palais Stoclet ihre Vollendung fanden.
Die Gründungsgeschichte des Sanatoriums
Victor Zuckerkandl, Leiter der Gleiwitzer Eisendindustrie-AG, Mäzen, Kunstsammler und Schwager von Berta Zuckerkandl, erwarb im Jahr 1903 jene Liegenschaft in Purkersdorf an der westlichen Wiener Stadtgrenze, auf der zuvor der Mediziner Dr. Anton Loew eine Kur- und Heilwasseranstalt unterhielt. Zuckerkandl ließ die vorhandene Architektur erweitern und durch moderne Neubauten ergänzen. Darüber hinaus wurde auch der weitläufige Park mit ansprechenden Freizeitanlagen, wie etwa Tennisplätzen und einem Kneippkanal für Kaltwasserkuren, ausgestattet, um den Gästen eine ganzheitliche Erholung bieten zu können. Den Auftrag dazu erteilte Zuckerkandl Josef Hoffmann, vermutlich auf Empfehlung seiner Schwägerin. Die Umsetzung dieses Bauvorhabens erfolgte zwischen 1904 und 1906, wobei die ersten Entwurfszeichnungen auf das Jahr 1903 zurückzuführen sind.
Ein »Mittelding zwischen modernem Hotel und moderner Heilstätte«
Nicht als reiner Ziegelbau, wie ursprünglich angedacht, sondern in Verbindung mit der damals neuartigen und Industriebauten vorbehaltenen Eisenbetontechnik wurde das Sanatorium, das mehr einem gehobenen Hotel als einer Nervenklinik oder Heilanstalt glich, errichtet. Elementar für die Konstruktion war die Firma Eduard Ast & Co, die verantwortlich zeichnete für die Statik und die tatsächliche Ausführung. Dieses Unternehmen verfügte bereits über ausreichend Erfahrung im Bau von Wasserheilanstalten. In Purkersdorf konnte die von Ast genutzte Bautechnik vor allem im großen Speisesaal mit der Verwendung einer Plattenbalkendecke, die dem Raum Luft und Volumen gab, ihre volle Wirkung entfalten. Ast und Hoffmann respektive die Wiener Werkstätte gingen auch weiterhin eine kongeniale Symbiose ein. 1905 entwarf Hoffmann das Firmensignet von Eduard Ast & Co. Wenige Jahre später errichtete er für den namensgebenden Firmengründer das Haus Ast in der Villenkolonie auf der Hohen Warte.
Hoffmanns architektonisches Konzept für den Sanatoriumsbau beruhte darauf, dem Anspruch der gehobenen, vorrangig Wiener Klientel durch simple Eleganz und Zweckdienlichkeit gerecht zu werden. Überdies sollte Hoffmanns reduzierte, puristische Architektur einen Ruhepol für die angegriffene Psyche der Heilsuchenden bieten.
Das aus kubischen Formen komponierte Kurhaus mit dem lichtdurchfluteten Speisesaal fungierte als Hauptgebäude, gesäumt von mehreren Pavillons. Ganz im Sinne des Gesamtkunstwerkes gestaltete Hoffmann gemeinsam mit Kolo Moser auch die Innenräume und Ausstattungsgegenstände. Zudem war dieser Kompagnon für die Konzeption der Patientenräume und Sitzgruppen hauptverantwortlich. Im Eingangsbereich standen Mosers heute als Designikonen geschätzten weißen Lehnstühle mit schwarzweißem Schachbrettmuster als Sitzfläche, die bereits Bestandteil der »XVIII. Ausstellung der Wiener Secession«, der »Klimt-Kollektive«, im Jahr 1903 waren. Sie flankierten in dieser Schau Klimts Gemälde Porträt Hermine Gallia (1903/04, The National Gallery, London) und verkörperten den Grundgedanken von Kolo Mosers elementarem, reduzierten Ausstellungsdesign. Weiters verwendete Moser in dieser Schau Ornamentbänder als dekoratives Element, die einen zusätzlichen Rahmen um Klimts Werke bildeten. Auch dieses raumgestalterische Detail wurde ein Jahr später in Hoffmanns Sanatoriumsarchitektur integriert.
Die Beteiligung weiterer Künstler an diesem Gesamtkunstwerk war unerlässlich, so schuf der Bildhauer Richard Luksch für den östlichen Eingangsbereich zwei Reliefs mit figürlichen Darstellungen aus frei aufgetragenem Mörtel, verziert mit Steinen. Zudem waren zwei lebensgroße, weibliche Fayencefiguren als Bekrönung des westlichen Haupteinganges vorgesehen. Die in eleganten Drehbewegungen dargestellten Frauen erinnern in ihrer Gestaltung an Gustav Klimts Gorgonen aus dem Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien). Luksch war ebenso an der berühmten »Beethovenausstellung« der Wiener Secession beteiligt, weswegen eine Beeinflussung durchaus denkbar erscheint. Kurze Zeit nach ihrer Montage an ihrem vorgesehenen Standort wurden diese Skulpturen demontiert und in der Galerie Miethke zum Verkauf angeboten. Schließlich erwarb sie Adolphe Stoclet für sein berühmtes Palais in Brüssel, ein Werk, welches die kongeniale Zusammenarbeit von Hoffmann, Klimt und der Wiener Werkstätte auch heute noch eindrücklich verdeutlicht.
Die Gäste des Sanatoriums
Zu den Gästen dieser Anlage, die Badekuren, physikalische Therapien, die Heilung von Nervenkrankheiten und die Behandlung von Rekonvaleszenzfällen bot, zählten etwa Hoffmann und Moser selbst, Arthur Schnitzler, Gustav Mahler und Hugo von Hoffmannsthal. Auch Klimt war das Sanatorium Westend bekannt, wie eine Fotografie aus 1905 und ein Tagebucheintrag von Schnitzler von 01. Juni 1913, in dem er von einem Ausflug nach Purkersdorf berichtet, verdeutlicht.
Victor Zuckerkandl und Klimt
Zuckerkandl besaß nicht nur eine bedeutende Asiatika Sammlung, für die er in Purkersdorf ein Museum, einen Japanischen Pavillon errichten ließ, sondern war auch einer der bedeutendsten Klimt-Sammler. Neben der Pallas Athene (1898, Wien Museum, Wien) besaß er zumindest sieben Landschaftsbilder. So erwarb er 1908 Blühender Mohn (1907, Belvedere, Wien) und 1911 Rosen unter Bäumen (um 1904, Privatbesitz) aus der Galerie Miethke. Zudem gehörten ihm Allee vor Schloss Kammer am Attersee (1912, Belvedere Wien), Malcesine am Gardasee (1913, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen), Kirche in Cassone (1913, Privatbesitz), Forsthaus in Weissenbach am Attersee II (1914, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection) und Litzlberg am Attersee (um 1915, Privatbesitz). Darüber hinaus beauftragte er bei Klimt das Porträt seiner Ehefrau, Porträt Paula Zuckerkandl (1912, Verbleib unbekannt).
Der Verfall des Sanatorium Westend
Zuckerkandl übersiedelte mit seiner Frau Paula (geb. Freund) aus beruflichen Gründen im Jahr 1916 nach Berlin-Grunewald. Die Sommermonate verbrachten sie weiterhin in Purkersdorf. Die Verwandten und rechtmäßigen Erben des kinderlos gebliebenen Ehepaares verblieben bis zum Zwangsverkauf 1938 ebenfalls auf dem Gelände des Sanatoriums in der sogenannten Villa Paula. Dieses und weitere Gebäude wurden von Leopold Bauer errichtet. Der Wechsel des ausführenden Architekten war den exorbitanten Kosten für den Sanatoriumsumbau und daraus resultierenden Differenzen geschuldet.
1926 führte Bauer weitere Adaptionen durch, die den Gesamteindruck erheblich veränderten. Nach Zuckerkandls Ableben im Jahr 1927 wurde das Sanatorium unter einer Erbengemeinschaft aufgeteilt, zu der am Ende Amalie Redlich, Fritz Zuckerkandl, Nora Stiasny und Hermine Müller-Hofmann zählten. Der Weiterbetrieb der Kuranstalt wurde dadurch zwar gesichert, in den folgenden Jahren erlebte das Sanatorium jedoch massive Einbrüche, die nach dem »Anschluss« Österreichs in einer Schließung mündeten. Die Kuranstalt sowie die Privatgebäude der Familie Zuckerkandl wurden zuerst an die Kontrollbank zwangsverkauft, der bewegliche Besitz beschlagnahmt. Während des NS- Regimes war die jüdische Familie Zuckerkandl als Opfer der Shoa durch Ermordung und Beraubung besonders betroffen. Der Nationalsozialist und Augenarzt Dr. Hans Gnad erwarb schließlich die gesamte Anlage. Das Sanatorium fungierte fortan als Lazarett und fiel nach Ende des Krieges Zerstörungen und Plünderungen zum Opfer.
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage wiederbelebt, man führte sie abwechselnd als Krankenhaus und Seniorenresidenz. 1984 wurde der Betrieb jedoch eingestellt, die gesamte Liegenschaft war dem Verfall preisgegeben. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends erfolgte eine grundlegende Sanierung, deren Zielsetzung es war, die Grundstruktur dieses zweckdienlichen Gesamtkunstwerkes von Josef Hoffmann wiederherzustellen. Seit 2003 wird diese ehemalige Inkunabel Hoffmanns und der Wiener Werkstätte als Seniorenpflegeresidenz Hoffmann Park geführt.
Literatur und Quellen
- Berta Zuckerkandl: Josef Hoffmann, in: Die Kunst. Monatshefte für freie und angewandte Kunst, Band 10 (1903/04), S. 1-29.
- Ludwig Hevesi: Neubauten von Josef Hoffmann, in: Altkunst – Neukunst, Wien 1909, S. 214-221.
- Sophie Lillie: Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 919-924, S. 1367-1373.
- Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 100-110.
- Karin Thun-Hohenstein: Josef Hoffmann – Sanatorium Purkersdorf (1904–1905). Diplomarbeit, Wien 2012.
- Eduard F. Sekler: Josef Hoffmann. Das architektonische Werk. Monographie und Werkverzeichnis, Salzburg - Wien 1982.
- Kunst.buwog.at, BMBWK (Hg.): Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf bei Wien, Wien 2003.
- Gottfried Mayer: Das Sanatorium Westend im Fin de Siècle – Bewohner und Gäste, in: Kunst.buwog.at, BMBWK (Hg.): Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf bei Wien, Wien 2003, S. 36-39.
- Otto Kapfinger: Anatomie der Läuterung. Konstruktion als gestaltbildender Faktor beim Sanatorium Purkersdorf, in: Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Rainald Franz, Christian Witt-Dörring (Hg.): Josef Hoffmann. 1870–1956. Fortschritt durch Schönheit, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 15.12.2021–19.06.2022, Basel 2021, S. 109-117.
- Tagebucheintrag von Arthur Schnitzler vom 01.06.1913 (01.06.1913).

Siebener-Club

Inserat für Wiener Künstler-Postkarten, Buch- und Kunstverlag Philipp & Kramer, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 8 (1898).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Der Siebener-Club, dessen Mitglieder um Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich und Koloman Moser sich seit den frühen 1890er Jahren zum regelmäßigen künstlerischen Austausch trafen, gilt als Keimzelle der Wiener Secession und des Hagenbundes.
Im Wien der 1890er Jahre existierten einige Künstlervereinigungen und lose Gruppen wie die Hagengesellschaft. Vermutlich bereits um 1890, spätestens jedoch 1892 formierte sich auch der Siebener-Club, dessen sieben Gründungsmitglieder – Josef Hoffmann, Josef Maria Olbrich, Koloman Moser, Joseph Urban, Adolf Karpellus, Leo Kainradl und Ludwig Koch – namensgebend wirkten. Der informelle Kreis junger Künstler traf sich regelmäßig im Bierlokal Zum blauen Freihaus des kunstsinnigen Wirten Joseph Calasan Haagen, in Adolf Kratochwillas nebenan gelegenem Café Sperl oder im Gasthaus Zum goldenen Kegel.
Einzelne Mitglieder des Siebener-Clubs traten auch der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens bei und beteiligten sich als Kollektiv an den berühmten »Gschnasfesten«. So auch am 4. März 1895 an dem Fest »Fin de siècle«, wo eine Gruppe von 46 Personen unter dem Motto »Pegasusbrüder im Aluminiumbräu« vertreten war, darunter Max Fabiani und Otto Wagner. Die Ballspende war der Ausstellungskatalog Secession der Wilden und Freie Vereinigung der Zahmen als Parodie der 1894 im Künstlerhaus gezeigten Ausstellungen der Münchner Secession und der Freien Vereinigung Düsseldorfer Künstler. Moser, Koch und Eugen von Blaas gestalteten Illustrationen für den Katalog, die sie namentlich und mit dem gemeinsamen Kürzel »C7« signierten. Durch die zusätzliche Verwendung des Signets neben ihrem Namen oder Monogramm, signalisierten die Künstler ihre Zugehörigkeit zum Club.
Im Folgejahr bestand die Gruppe für das »Hubertusfest« am 17. Februar 1896 aus 36 Personen, darunter auch Mosers Schwestern Charlotte und Leopoldine und der Wirt des Café Sperl Adolf Kratochwilla. Das Wiener Journal berichtete:
»Der ›Siebener-Club‹, eine gesellige Vereinigung von Malern, Architekten und Bildhauern, übernahm die künstlerische Ausgestaltung der Mittelaxe [!] des Künstlerhauses – fünf Räume organisch gegliedert.«
Die Künstler gestalteten erneut Zeichnungen für die Ballspende, diesmal ein zum Motto passendes Buch mit dem Titel Waidmannsheil. Teutscher Lehrprinz des edlen Waidwerks.
Weitere Illustrationen Aus der Mappe des Siebner-Club erschienen 1896 als Beilage im zweiten Jahrgang der Zeitschrift Der Architekt. Hans Fraungruber zählte zu den Gästen des Siebener-Clubs und gab für den Wiener Lehrerverein die Zeitschrift Für die Jugend des Volkes sowie die Reihe Thierfreundliche Jugend heraus, die die C7-Mitglieder ab 1895 illustrierten. Zudem erhielt Fraungruber einige Korrespondenzkarten der »Siebener«, die untereinander einen regen Schriftverkehr pflegten und die Karten meistens mit Zeichnungen schmückten. Vor allem Moser nahm hierbei formale und kompositorische Gestaltungsprinzipien der Zeitschrift Ver Sacrum vorweg. Einige dieser Zeichnungen erschienen 1897 im Verlag Philipp und Kramer als Serie I-V Aus einer Künstler-Correspondenz in der Reihe Wiener Künstler-Postkarten.
Der Siebener-Club war kein bloßer Künstlerstammtisch, sondern eine Gruppe, die sich selbstbewusst in der Wiener Kunstszene präsentierte. Einige Mitglieder traten um 1896 der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens bei und wurden mit Künstlern wie Gustav Klimt, Carl Moll, Joseph Maria Olbrich, Otto Wagner und Mitgliedern der Hagengesellschaft zur Keimzelle der Wiener Moderne. Sie sollten sich wesentlich an der Reform der Kunst und der Neugründung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (1897) und des Hagenbundes (1899) beteiligen. Die Auflösung des Siebener-Clubs wurde am 29. Mai 1900 in der Wiener Zeitung nachträglich von Moser bekannt gegeben:
»Der Gefertigte, als letzter Obmann, zeigt an, daß [!] der Verein ›Siebener Club‹ sich im November 1896 aufgelöst hat. Koloman Moser.«
Literatur und Quellen
- N. N.: Ballchronik. Weidmannsheil! Das Hubertusfest der Wiener Künstlergenossenschaft, in: Neues Wiener Journal, 18.02.1896, S. 7-8.
- Wiener Zeitung, 29.05.1900, S. 16.
- Hans Ankwicz von Kleehoven: Die Anfänge der Wiener Secession, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 5. Jg., Heft 6-7 (1960), S. 6-10.
- Marian Bisanz-Prakken: Tendenzen der Neunziger Jahre bis zur Gründung der Secession, in: Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Heiliger Frühling. Gustav Klimt und die Anfänge der Wiener Secession 1895–1905, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 16.10.1998–10.01.1999, Wien 1999, S. 59-71.
- Gerd Pichler: Der Siebener-Club, in: Rudolf Leopold, Gerd Pichler (Hg.): Koloman Moser 1868−1918, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 25.05.2007–10.09.2007, München 2007, S. 38-47.

Wiener Secession

Hotel Victoria, Favoritenstraße 11, 1040 Wien
© Wien Museum

Johann Victor Krämer: Präsident Klimt, 01.03.1898, Albertina, Wien
© ALBERTINA, Wien

Alfred Roller: Brief verfasst von Alfred Roller an den Ausschuss der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, unterzeichnet von Gustav Klimt, Carl Moll, Rudolf Bacher, Ernst Stöhr, Johann Victor Krämer, Joseph Maria Olbrich, u.a., 24.05.1897, Künstlerhaus-Archiv, Wien
© WStLA
Die Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession wurde 1897 von Künstlern um Gustav Klimt gegründet und hatte ihre Blütezeit als Impulsgeber der Wiener Moderne bis zum Austritt der Klimt-Gruppe 1905. Die Zeitschrift Ver Sacrum diente als offizielles Organ und im eigens errichteten Gebäude fanden ab 1898 Ausstellungen statt.
Die Kunstwelt Europas war seit den frühen 1890er Jahren geprägt von Reformbestrebungen, die sich besonders in England, Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland vollzogen. Der Wunsch nach Erneuerung der Kunst führte zu Secessionsgründungen in Düsseldorf und München und die aufsprießenden Ideen der Moderne verbreiteten sich über Kunstzeitschriften wie The Studio, Pan und Jugend.
Gründung der Wiener Secession
Innerhalb der traditionsreichen Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (kurz Künstlerhaus) gab es bereits Mitte der 1890er Jahre Spannungen, die spätestens im Herbst 1896 zur Bildung einer Keimzelle von bildenden Künstlern führten. Darunter waren auch Künstler, die den losen, stammtischartigen Verbindungen der sogenannten Hagengesellschaft und des Siebener-Clubs angehörten und sich im Hotel Victoria trafen. Laut Ludwig Hevesis Geleitwort zu Berta Zuckerkandls 1908 publiziertem Band Zeitkunst wurde die Idee der Secessionsgründung im Salon Zuckerkandl geboren, wo Gustav Klimt, Carl Moll, Alfred Roller, Hermann Bahr u.a. häufige Gäste waren. Sie wollten ihre Ziele unabhängig und als eigene Vereinigung verfolgen und setzten nach einigen Besprechungen ein »vorbereitendes Comité« ein, in das Klimt, Rudolf Bacher, Wilhelm Bernatzik, Josef Engelhart, Moll, Kolo Moser, Anton Nowak und Roller entsandt wurden. Das Komitee erhielt den Auftrag, einen Bauplatz für das Ausstellungsgebäude zu suchen, Vereinsstatuten und eine Geschäftsordnung für die Veranstaltung von Ausstellungen zu entwerfen, die Finanzierung zu sichern und generell alle Voraussetzungen für die Gründung zu schaffen.
Die Konstituierung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession erfolgte schließlich am 3. April 1897 und zu den bekanntesten Gründungsmitgliedern zählten neben Klimt auch Josef Hoffmann und Joseph Maria Olbrich. Die Secessionisten wählten Klimt zum ersten Präsidenten, Moll zum Vizepräsidenten und den bereits 85-jährigen Rudolf von Alt zum Ehrenpräsidenten, zudem gab es einen Arbeitsausschuss zur Planung des Ausstellungshauses.
Die Secessionisten setzten die Genossenschaft am 5. April die über die Konstitution, Beweggründe und Ziele ihrer Vereinigung in Kenntnis und informierten gleichzeitig die Tageszeitungen über die Gründung. Missverständnisse und Konflikte führten am 22. Mai bei der außerordentlichen Generalversammlung des Künstlerhauses zu einer heftigen Auseinandersetzung. Es folgte der Austritt einiger Mitglieder um Klimt, den diese in ihrem Austrittsschreiben am 24. Mai 1897 bekannt gaben und somit endgültig mit der Genossenschaft brachen.
Dieser Abspaltung waren zahlreiche Konflikte vorausgegangen. Kritisiert wurden dabei vor allem die Ausstellungspolitik, die fehlende Internationalität und zu starke Marktorientierung der teilweise überladenen Künstlerhausausstellungen sowie die aufwendigen Festivitäten. Auch die »Affäre« um Josef Engelharts naturalistischen Frauenakt Die Kirschpflückerin (1893, im Zweiten Weltkrieg zerstört), die zurückgewiesen und erst nach Engelharts Einspruch 1894 im Künstlerhaus ausgestellt wurde, wird öfters als Grund genannt.
Die Secession wendete sich gegen die konservativen historisierenden Strömungen an den Kunstakademien und sah sich als Interessensvertretung moderner Künstler. Bis Juli 1898 gehörten der Vereinigung rund 50 ordentliche Mitglieder an, die sich nun konkurrierend zum Künstlerhaus präsentierten. Sie traten vor allem für die »Neubelebung des Wiener Kunsttreibens«, die Vermittlung internationaler Kunst und die Freiheit des künstlerischen Schaffens ein. Im Fokus stand dabei das Gesamtkunstwerk, bei dem das Kunsthandwerk neben den Kunstgattungen Malerei, Bildhauerei und Architektur eine gleichberechtigte Rolle erhalten sollte.
Die Secession hielt ihre Tätigkeiten, Ausstellungshöhepunkte, Rechnungsberichte, Statuten, Geschäftsordnungen und Mitgliederverzeichnisse in Jahresberichten fest. Die Präsidentenwahl erfolgte jährlich und die Vereinigung organisierte sich aufgrund der umfangreichen Agenden neben einem Arbeitsausschuss, dem die Ausstellungsorganisation oblag, in einzelnen Komitees: dem »Presscomité«, dem »Redactions-Comité« für die Vereinszeitschrift Ver Sacrum und dem »Decorations-Comité« für die Raumgestaltung der Ausstellungen. Zudem war die Secession bemüht eine Corporate Identity zu finden, was sich unter anderem in der Durchgestaltung von Briefpapier, Plakaten, Ausstellungskatalogen und der Vereinszeitschrift äußerte.

Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 5/6 (1898).
© Klimt-Foundation, Wien
Ver Sacrum
Die Interessensvertretung moderner Künstler beschloss in der Generalversammlung am 21. Juli 1897, ihre programmatischen Ideen im Vereinsorgan Ver Sacrum zu veröffentlichen. Dazu wurde im August 1897 ein Vertrag mit dem Verlag Gerlach & Schenk abgeschlossen. Wie die Neue Freie Presse am 19. November 1897 berichtete, war das Ziel der illustrierten Kunstzeitschrift nicht nur:
»den Künstlern Gelegenheit zur Bethätigung [!] außerhalb der Ausstellung [zu] geben, sondern auch dem österreichischen wie dem Publicum des Auslandes intimere Kenntniß [!] von unserem Kunstleben [zu] vermitteln.«
Das erste Heft wurde im Jänner 1898 veröffentlicht, für dessen Redaktion Alfred Roller zuständig war. Im literarischen Beirat waren Hermann Bahr und Max Burckhard. Letzterer verfasste im ersten Heft ein Eröffnungsessay, in dem er die Namenswahl der Vereinigung mit dem römischen Brauch der »secessio plebis« – dem Ausmarsch des einfachen Volkes, einer Machtdemonstration zur Umsetzung politischer Forderungen gegenüber den Patriziern – erklärte. Weiters erläuterte er den Zeitschriftentitel Ver Sacrum: Der »Heilige Frühling« verweist ebenfalls auf eine römische Tradition, bei der die im Frühling Geborenen, sobald sie herangewachsen waren, »in die Fremde ziehen mussten, um ein neues Gemeinwesen zu gründen aus eigener Kraft, mit eigenen Zielen.«. Im Einleitungsartikel Weshalb wir eine Zeitschrift herausgeben postulierte die Vereinigung zudem ihren:
»[…] Aufruf an den Kunstsinn der Bevölkerung […], zur Anregung, Förderung und Verbreitung künstlerischen Lebens und künstlerischer Selbständigkeit.«

Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 1 (1898).
© Klimt-Foundation, Wien

Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 5. Jg., Heft 11 (1902).
© Klimt-Foundation, Wien
Das Ver Sacrum erschien zwischen 1898 und 1903 in sechs Jahrgängen, wobei die Hefte anfangs monatlich herausgegeben wurden. Der Untertitel Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs änderte sich ab 1899 mit dem neuen Verlag E. A. Seemann zu Zeitschrift der Vereinigung bildender Künstler Österreichs. Den dritten Jahrgang übernahm die Vereinigung ab 1900 im Selbstverlag. Im Zuge dessen wurde der Untertitel in Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs umbenannt und die Zeitschrift erschien nun zweimal monatlich.
Das Ver Sacrum avancierte nicht nur aufgrund der programmatischen Inhalte zu einem der bedeutendsten Kunstmagazine der Zeit. Das Konzept des Gesamtkunstwerks setzte sich auch in der neuartigen Verbindung von Literatur, bildender Kunst und Musik fort. Die Hefte umfassten meist Reproduktionen von Kunstwerken, Ausstellungseinblicken, Originalgrafiken und Buchschmuck. Dabei spiegelte das innovative Arrangement von Bild- und Textelementen der kunsttheoretischen Artikel, Gedichte, Beiträge über Künstler, Ausstellungen und Literatur die Formensprache des Jugendstils und der aufblühenden Wiener Flächenkunst. Die grafische Gestaltung wirkte bahnbrechend für die österreichische Buchkunst.

Joseph Maria Olbrich: Erste Skizze zum Haus der Wiener Secession, 1897, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek

Secession mit Naschmarkt und Akademie der bildenden Künste
© Klimt-Foundation, Wien
»Das Haus der Secession«
Die Planung eines eigenen Ausstellungsgebäudes begann bereits vor der offiziellen Secessionsgründung, als der Architekt Joseph Maria Olbrich die Einreichpläne für das Bauvorhaben vorbereitete, die dem Wiener Gemeinderat im März 1897 vorgelegt wurden. Nach längeren Verhandlungen bezüglich des Bauplatzes genehmigte die Gemeinde am 17. November 1897 das Grundstück hinter der Akademie der bildenden Künste an der Linken Wienzeile (heute Friedrichstraße) nahe des Naschmarkts. Am 27. April 1898 erfolgte die Grundsteinlegung und unter der Leitung von Olbrich beteiligten sich auch Adolf Böhm, Josef Hoffmann, Kolo Moser und Othmar Schimkowitz an der Gestaltung des bis November 1898 fertiggestellten Hauses.
Der Kunsttempel mit der Kuppel aus vergoldeten Lorbeerblättern – auch bekannt als »goldenes Krauthappl« – zählt zu den Schlüsselbauten der Wiener Moderne. Ludwig Hevesi berichtete in Acht Jahre Sezession über den Leitspruch der Secession an der weißen Fassade:
»Auch goldene Schriftzeichen sind da, zum Buchstabieren und Deuten. Die Schrift über der Türe: ›DER ZEIT IHRE KVNST. DER KVNST IHRE FREIHEIT‹ […] Die Künstler wählten diese Überschrift aus einer Anzahl Varianten, die ich auf ihren Wunsch formuliert hatte.«
In der Jänner-Ausgabe 1899 des Ver Sacrum erklärten die Secessionisten den Zweck des Ausstellungspavillons: »[…] mit den einfachsten Mitteln einen brauchbaren Rahmen für die Thätigkeit einer modernen Künstlervereinigung abzugeben.«. Die Ausstellungsräume sollten in einer Ebene liegen, geräumig sein, durch Heiz- und Lüftungsanlagen angenehm temperiert und im Hauptsaal über ein Glasdach gleichmäßig ausgeleuchtet werden. Über die ganze Fläche des Hauptsaals verschiebbare Trennungswände erlaubten die flexible Raumteilung der Ausstellungssäle, die für die Ausstellungen individuell angepasst werden konnten. Zimmer mit Seitenlicht waren für Raumkunstausstellungen vorgesehen und das »Kunstheim« beherbergte weiters einen Empfangsraum, ein Sitzungszimmer, Dienerwohnungen, Depots und Räume für den administrativen Betrieb und die Redaktion der Vereinszeitschrift.

Empfangsraum der I. Kunst-Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs in den Blumensälen der k. k. Gartenbaugesellschaft, 1898, in: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau- und Raumkunst, 4. Jg. (1898).
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Plakatentwurf für die I. Secessionsausstellung, unzensierte Version, 1898, Klimt-Foundation, Wien
© Klimt-Foundation, Wien
Ausstellungen
Da die Secession zu Beginn noch kein eigenes Ausstellungsgebäude zur Verfügung hatte, fand die »I. Kunst-Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs« in den angemieteten und adaptierten Blumensälen der k. k. Gartenbaugesellschaft am Parkring statt. Die Ausstellungsarchitektur gestalteten Hoffmann und Olbrich unter Mithilfe des »Decorations-Comités« und die erste Ausstellung eröffnete am 25. März 1898. Im selbst verlegten Ausstellungskatalog hieß es im Vorwort, die Secession machte:
»zum ersten Male in Wien den Versuch, dem Publicum eine Elite-Ausstellung specifisch moderner Kunstwerke zu bieten. Die Absicht, kleine gewählte Ausstellungen zu veranstalten, war einer der leitenden Gedanken bei Begründung unserer neuen Vereinigung.«
Die Secession wollte »ein Bild der modernen Kunst des Auslandes« bieten und auch das »künstlerische Arrangement« der Ausstellung sollte »für Wien bahnbrechend wirken«. Zwar sorgte die Zensur des Ausstellungsplakats – in dem der nackte Theseus gegen Minotaurus kämpft – für einen kleinen Skandal, am Vormittag des 5. Aprils 1898 besuchte jedoch sogar Kaiser Franz Joseph I. die Ausstellung. Er sprach seine Anerkennung für die interessante Präsentation aus, in der neben Österreichern auch internationale Künstler wie Auguste Rodin, Fernand Khnopff, Giovanni Segantin und Constantin Meunier vertreten waren. Die Zeitungsberichte über den Kaiserbesuch räumten der Secession ihren wichtigen Stellenwert neben dem Künstlerhaus ein. Die Ausstellung war zudem ein großer finanzieller Erfolg durch die staatlichen Kunstankäufe des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht und einige Privatankäufe.
Die »II. Ausstellung« konnte im November 1898 bereits im eigenen Haus eröffnet werden, das ausschließlich der Präsentation von Kunstwerken dienen sollte. Die Secession wollte sich mit ihrem Programm und der reduzierten Ausstellungsarchitektur von der Genossenschaft abheben, die für ihre aufwendigen Feste bekannt war und oft überladene Ausstellungen mit »Schaubudencharakter« ausrichtete. Hermann Bahr kritisierte zudem die Profitorientiertheit des Künstlerhauses und schrieb im Ver Sacrum: »Geschäft oder Kunst […] das ist die Frage unserer Secession« und nutzte die ideologische Opposition zwischen Kunst und Kommerz geschickt zur öffentlichen Positionierung.
Die »III. Ausstellung« mit Max Klingers Monumentalgemälde Christus im Olymp war 1899 besonders aufsehenerregend, für mehr Skandale sorgten jedoch die in der Secession ausgestellten Fakultätsbilder Gustav Klimts: Philosophie (1900), Medizin (1901) und Jurisprudenz (1903). Zu den wichtigsten Ausstellungen zählten die »VI. Ausstellung« (1900) mit japanischer Kunst, die »VIII. Ausstellung« (1900), die europäisches Kunstgewerbe zeigte, eine Gedächtnisausstellung für Giovanni Segantini (1901), die Beteiligung an der »Deutschnationalen Kunstausstellung« in Düsseldorf (1902) und die »XIV. Ausstellung« (1902), für die Klimt den Beethovenfries schuf. Besonders erwähnenswert waren auch die »Kollektiv-Ausstellung Gustav Klimt« (1903/1904) und die »XIX. Ausstellung« (1904) mit den richtungsweisenden Werken Ferdinand Hodlers.

Julius Scherb (?): Einblick in die Gedächtnisausstellung 1928, Juni 1928 - August 1928, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Plakat der Gustav Klimt-Gedächtnisausstellung, 1943, Privatbesitz
© Klimt-Foundation, Wien
Austritt der Klimt-Gruppe
Nach der Gründung der Wiener Werkstätte durch Hoffmann, Moll und den Unternehmer Fritz Waerndorfer im Jahr 1903 führten vor allem die Diskussion über die Teilnahme an der Weltausstellung in St. Louis (1904) zu Differenzen innerhalb der Vereinigung. Auch die Idee, dass Secessionsmitglieder ihre Kunst in der Galerie Miethke präsentieren könnten bzw. Carl Molls Rolle in der Secession und zugleich als »künstlerischer Ratgeber« der von Paul Bacher erworbenen Galerie Miethke führten zu Interessenskonflikten. Zudem bildeten sich zwei künstlerische Lager, die »Stilisten« um Klimt sowie die, auch naturalistischer Flügel genannten »Impressionisten« um Engelhart, Rudolf Bacher und Ferdinand König. Dabei handelte es sich weniger um Anhänger klar abgrenzbarer Kunstrichtungen, als um Personengruppen, die sich spalteten.
Nachdem Carl Moll aufgrund seiner Funktion in der Galerie Miethke austrat, löste sich 1905 schließlich auch die sogenannte »Klimt-Gruppe« mit Moser, Hoffmann, Wagner, Roller, Bernatzik und weiteren Künstlern aus der Vereinigung. Zahlreiche Zeitungen und Kunstzeitschriften berichteten von einer Session der Secession und auch einige ausländische und »correspondierende« Mitglieder wie Ferdinand Hodler folgten dem Austritt. Die Secession verlor ohne die treibende künstlerische Kraft von Klimt rasch an Bedeutung.
Kriegszeit und Wiederaufbau
Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde das Gebäude der Secession bis 1917 als »Reservespital des Roten Kreuzes Secession« genutzt. Zehn Jahre nach Klimts Tod organisierten u.a. Anton Hanak, Josef Hoffmann, Berta Zuckerkandl und Carl Moll eine Klimt Gedächtnis-Ausstellung, die im Sommer 1928 mit über 75 Werken in den Räumlichkeiten der Secession stattfand. Im Herbst 1939 wurde die Secession in die nunmehr Gesellschaft bildender Künstler Wiens, Künstlerhaus genannte Vereinigung integriert. Möglicherweise um an erfolgreichere Zeiten anzuknüpfen, vereinnahmte die Institution das Gedächtnis an Klimt und der Wiener Reichsstatthalter veranstaltete 1943 zu dessen 80. Geburtstagsjubiläum eine große Gedächtnisausstellung im »Ausstellungshaus Friedrichstraße«. Das Gebäude diente während des Krieges zudem als Getreidespeicher und Reifenlager und wurde 1945 durch einen Bombenangriff und Brand bis auf die Grundmauern zerstört. Nach Kriegsende wurde die Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession neu gegründet und das Gebäude wiederaufgebaut.
Literatur und Quellen
- N. N.: Vereinigung bildender Künstler Österreichs, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 06.04.1897, S. 6.
- F.M.M.: Wiener Brief, in: Innsbrucker Nachrichten, 07.04.1897, S. 4-5.
- Hermann Bahr: Unsere Secession, in: Die Zeit, 29.05.1897, S. 139-140.
- N. N.: Der Pavillon der Secessionisten, in: Neue Freie Presse, 19.11.1897, S. 5.
- N. N.: Der Kaiser in der Secessionisten-Ausstellung, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 05.04.1898, S. 3.
- N. N.: Staatliche Kunstankäufe, in: Wiener Zeitung, 04.06.1898, S. 4.
- N. N.: Staatliche Kunstankäufe, in: Wiener Zeitung, 01.06.1898, S. 7.
- N. N.: Staatliche Kunstankäufe, in: Wiener Zeitung, 15.06.1898, S. 3.
- Richard Muther: Wiener Ausstellungen, in: Die Zeit, 24.03.1900, S. 185.
- Hermann Bahr: Secession, Wien 1900.
- Ludwig Hevesi: Acht Jahre Sezession (März 1897–Juni 1905). Kritik – Polemik – Chronik, Wien 1906.
- Robert Weissenberger: Die Wiener Secession, Wien 1971.
- Oskar Pausch: Gründung und Baugeschichte der Wiener Secession, Wien 2006.
- Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Heiliger Frühling. Gustav Klimt und die Anfänge der Wiener Secession 1895–1905, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 16.10.1998–10.01.1999, Wien 1999.
- Christian Huemer: Jahrmarktbude oder Musentempel? Das Wiener Künstlerhaus und der Kunsthandel, in: Peter Bogner, Richard Kurdiovsky, Johannes Stoll (Hg.): Das Wiener Künstlerhaus. Kunst und Institution, Wien 2015, S. 267–275.
- Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 1 (1898), S. 1-2, S. 10-15.
- Ludwig Hevesi: Zum Geleit, in: Berta Zuckerkandl (Hg.): Zeitkunst. Wien 1901–1907, Wien 1908.
- Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 40. Jg., Band 1 (1898), S. 260.
- Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): Erster Jahresbericht der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession, Wien 1899.
- Friedrich Achleitner (Hg.): Secession. Die Architektur, Wien 2003.
- Oskar Pausch: Kolo Moser und die Gründung der Secession, in: Rudolf Leopold, Gerd Pichler (Hg.): Koloman Moser 1868−1918, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 25.05.2007–10.09.2007, München 2007, S. 58-61.
- N. N.: Der Bruch in der Wiener Sezession, in: Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, N.F., 16. Jg., Heft 29 (1904/05), Spalte 454-455.
- N. N.: Die Spaltung in der Wiener Sezession, in: Die Werkstatt der Kunst. Organ für die Interessen der bildenden Künstler, 4. Jg., Heft 39 (1905), S. 530-531.
- Ludwig Hevesi: Der Bruch in der Sezession, in: Kunst und Kunsthandwerk. Monatsschrift des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, 8. Jg., Heft 7-8 (1905), S. 424-429.
- Gustav Schoenaich: Die Münchener Secession in Wien, in: Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 10. Jg., Heft 8 (1894/95), S. 119-120.
- Brief verfasst von Alfred Roller an den Ausschuss der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, unterzeichnet von Gustav Klimt, Carl Moll, Rudolf Bacher, Ernst Stöhr, Johann Victor Krämer, Joseph Maria Olbrich, u.a., Austrittsgesuch (24.05.1897). Mappe Gustav Klimt, Künstlerhaus-Archiv, Wien.
- Brief von Alfred Roller in Wien an Gustav Klimt in Wien (19.04.1898). GKA46.
- Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): Ver Sacrum. Zeitschrift der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 2. Jg., Heft 1 (1899), S. 6-7.
- Horst-Herbert Kossatz: Der Austritt der Klimt-Gruppe. Eine Pressenachschau, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 20. Jg., Heft 141 (1975), S. 23-26.
- Bernhard Denscher: Zensurfall Klimt. Austrian Posters. Beiträge zur Geschichte der visuellen Kommunikation. www.austrianposters.at/2018/04/14/zensurfall-gustav-klimt/ (01.09.2022).

Berliner Secession

Ludwig von Hofmann: Plakat der Deutschen Kunstausstellung in der Berliner Secession, 1899, Albertina, Wien
© ALBERTINA, Wien

Ausstellungsgebäude der Berliner Secession in der Kantstraße 12, um 1899, in: Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 14. Jg. (1898/99).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Einblick in die III. Ausstellung der Berliner Secession, 1901, in: Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 16. Jg. (1900/01).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Thomas Theodor Heine: Plakat der 26. Ausstellung der Berliner Secession, 1913, Albertina, Wien
© ALBERTINA, Wien

Julius Klinger: Plakat der Wiener Kunstschau in der Berliner Secession, 1916,
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Als Protestbewegung gegen die vorherrschende künstlerische Tradition und Ausstellungspraxis schloss sich die Berliner Secession als moderne, liberale Künstlervereinigung unter Walter Leistikow und Max Liebermann zusammen.
Die offizielle Gründung der Künstlervereinigung Berliner Secession erfolgte Anfang 1899 nach dem Vorbild der Münchener Secession. Als Protestbewegung positionierte sie sich gegen das konventionelle, historisierende Kunstverständnis. Bereits vor der Gründung hatte es Spannungen in der Berliner Kunstszene gegeben. Als konservative Mitglieder des Vereins Berliner Künstler 1892 die Schließung der Edvard Munch Sonderausstellung erzwangen, initiierten Walter Leistikow, Franz Skarbina und Max Liebermann die Bildung einer ersten freien Künstlergruppe, die sich Die Elf nannte. In den Folgejahren sollten sich noch mehrere solcher kleiner Kunstgruppen bilden und so die Berliner Künstlergemeinschaft zunehmend spalten.
Bereits 1898 gab es erste Gespräche über die Gründung einer Berliner Secession, da vermehrt Werke von progressiven, modernen Künstlern durch die Ausstellungsjury abgelehnt worden waren. Ein im Herbst 1898 verfasstes Verzeichnis über potentielle Mitglieder wurde lange als Geburtsstunde der Berliner Secession angesehen, ist jedoch eher als erster konkreter Vorschlag zu werten denn als Gründungsdokument.
Erst im Jänner des nächsten Jahres verlautbarten die Zeitungen die offizielle Gründung der Vereinigung Berliner Secession, deren erster Präsident Max Liebermann wurde. Durch den Gewinn der Kunsthändler Bruno und Paul Cassirer als Mitglieder, Sekretär und Geschäftsführer schuf man sich eine solide wirtschaftliche Basis. Zahlreiche Österreichische Künstler, darunter auch Gustav Klimt, Eugen Jettel, Emil Orlik, Carl Moll und Arthur Strasser wurden zu korrespondierende Mitgliedern ernannt.
Als klar wurde, dass man der jungen Vereinigung die Teilnahme an der »Großen Berliner Kunstschau« verwehren würde, löste sich diese endgültig vom Verein Berliner Künstler. Bereits im Mai konnte die erste Ausstellung der Berliner Secession im neu errichteten Ausstellungsgebäude, damals noch in der Kantstraße, stattfinden.
Bereits in den folgenden Sommer- und Winterausstellungen wurden Werke von internationalen Künstlern wie Pissarro, Renoir, Segantini und Whistler sowie Kandinsky, Manet, Monet und Munch präsentiert. Die Öffnung der Berliner Secession für alle künstlerischen Stile und Richtungen sowie ausländische Kunst machte Berlin neben München zur internationalen Kunstmetropole. Diese Öffnung in Verbindung mit dem Interessenskonflikt um die persönliche Vertretung einiger Secessionsmitglieder durch den Kunsthändler Paul Cassirer führte aber 1902 zum Austritt einer Reihe von konservativeren Mitgliedern. Im Mai folgte die erste Ausstellung der »gereinigten« Vereinigung außerhalb Berlins.
Krisenzeit und Abspaltungen
Ein langwieriges Problem der Secession waren jedoch die Doppelmitgliedschaften ihrer Mitglieder. Viele Künstler der Vereinigung gehörten nämlich zeitgleich immer noch dem Verein Berliner Künstler an. Immer wieder wurde die Satzung angepasst im Versuch diese Zweigleisigkeit zu unterbinden, jedoch vergebens. Das Gefühl einer Ungerechtigkeit, nicht zuletzt auch durch den bereits erwähnten Konflikt um Paul Cassirer führte 1910 zu einer erneuten Abspaltung. Unter Max Pechstein kam es zu Gründung der Neuen Secession. Die Konflikte innerhalb der Berliner Secession blieben jedoch bestehen. Nach zahlreichen Umschichtungen auf Vorstandsebene, unter anderem dem Rücktritt Liebermanns als Präsident, an dessen Stelle Lovis Corinth trat, kam es 1914 zur endgültigen Spaltung der Vereinigung. Liebermann, Slevogt und Cassirer traten aus der Berliner Secession aus, um die Freie Secession zu gründen. Nach dem Zusammenbruch der neuen Vereinigung 1925 traten jedoch viele Künstler wieder in die Berliner Secession ein.
Nachdem sich die Berliner Secession 1933 aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage beinahe aufgelöst hatte, folgte bedingt durch die politischen Lage unter dem NS-Regime der Ausschluss von allen jüdischen Mitgliedern. Ohne einen passenden Ausstellungs- oder Versammlungsort fand die Berliner Secession 1937 ein Ende.
Klimt und die Berliner Secession
Klimts Verbindungen zur Berliner Secession äußerte sich einerseits durch seine Verbundenheit zu deutschen Künstlerkollegen wie Max Liebermann und Hermann Muthesius sowie den Kunsthändlern Cassirer. Andererseits nahm er als korrespondierendes Mitglied von 1905 bis 1916 an insgesamt fünf Ausstellungen der Berliner Secession teil.
1905 zeigte die Berliner Secession anlässlich der Eröffnung ihres neuen Ausstellungsgebäudes am Kurfürstendamm die »II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes«. Gustav Klimt, der ein Mitglied des Bundes war, konnte in einem eigenen Saal insgesamt 13 seiner Werke dem Berliner Publikum präsentieren. Für die Vorbereitungen dieser Schau reiste Klimt sogar persönlich nach Berlin.
1907 zeigte er im Rahmen der »XIV. Ausstellung der Berliner Secession« Zeichnungen im Kunstsalon Paul Cassirer, 1909 war auf der XVIII. Ausstellung das Porträt Fritza Riedler (1906, Belvedere, Wien) zu sehen.
1916 - mitten im Ersten Weltkrieg - lud die Berliner Secession die Künstler der Kunstschau ein, ihre Werke am Kurfürstendamm auszustellen. Unter dem Titel »Wiener Kunstschau in der Berliner Secession« waren 70 Werke Österreichischer Künstler und Künstlerinnen zu sehen, darunter Egon Schiele, Koloman Moser, Anton Faistauer und Carl Moll. Unter den fünf Gemälden die Klimt an die Ausstellung schickte, befand sich auch seine stark umgearbeitete Allegorie Tod und Leben (Tod und Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13 und 1916/17, Leopold Museum, Wien).
Literatur und Quellen
- Deutscher Künstlerbund. www.kuenstlerbund.de/deutsch/historie/deutscher-kuenstlerbund/deutscher-kuenstlerbund.html (27.04.2020).
- Pinakothek. www.pinakothek.de/kunst/gustav-klimt/die-musik (27.04.2020).
- Michael Michael: Gustav Klimt, Tod und Leben, 1910/11, umgearbeitet 1915/16 (LM Inv. Nr. 630). Dossier LM Inv. Nr. 630, Wien 2016.
- Anke Matelowski: Die Berliner Secession 1899–1937. Chronik, Kontext, Schicksal, Wädenswil am Zürichsee 2017.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien (19.05.1905).
- Korrespondenzkarte von Gustav Klimt, verfasst von fremder Hand an Maria Cyrenius (16.11.1915).

Münchener Secession

Franz von Stuck: Plakat der I. Internationalen Kunst-Ausstellung der Münchener Secession, 1893, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst
© Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst

Franz von Stuck: Plakat der VII. Internationalen Kunstausstellung in königlichen Glaspalast zu München, 1897, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst
© Münchner Stadtmuseum, Sammlung Reklamekunst
Die Münchener Secession steht für die Abkehr von der konservativen, im Historismus verankerten Kunstauffassung. Mit ihrem Freiheitsbestreben läutete sie stilistisch und im Kunstbetrieb eine neue Ära ein, und sollte damit auch Wegbereiterin der Wiener und Berliner Secession werden.
Am 4. April 1892 kam es zum Bruch innerhalb der alteingesessenen Münchener Künstlergenossenschaft. 96 Mitglieder traten aus dieser aus um den Verein bildender Künstler Münchens e.V. - bald auch als Secession bezeichnet - zu gründen. Damit war die Münchener Secession die erste Vereinigung dieses Namens. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten bedeutende Künstler der Jahrhundertwende, unter anderem Fritz von Uhde, Lovis Corinth, Hugo von Habermann Max Liebermann sowie Franz von Stuck. Letzterer gehörte von 1892 bis 1914 dem Vereinsausschuss an und war für den Großteil der Ausstellungsorganisation verantwortlich.
Das Ziel der neuen Künstlerorganisation war eine Gegenbewegung zum herrschenden, konservativen Kunstbetrieb einzuleiten. Sie förderte den Zusammenschluss von gleichgesinnten Künstlern, die an einer modernen Kunstauffassung abseits der akademischen Normen interessiert waren. Die dominierende Kunstpolitik des Prinzregenten Luitpold forcierte nationale Inhalte sowie die Historienmalerei und verschloss sich den neuen internationalen Kunstrichtungen des Impressionismus, Expressionismus und Symbolismus. Durch ihre Zusammenarbeit erhofften sich die Münchener Secessionisten, einen Wendepunkt einläuten zu können und damit auch eine wirtschaftliche Besserstellung ihrer Mitglieder im Ausstellungsbetrieb zu erwirken.
Das über viele Jahre gültige Profilbild der Vereinigung war Franz von Stucks Pallas Athene (1898, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt), die als Schutzgöttin der Künste und Wissenschaften gilt. Bereits auf dem ersten Ausstellungsplakat sorgte die Darstellung für den Wiedererkennungswert der Vereinigung. Die Wiener Secession sollte in Folge für ihre erste Ausstellung ebenfalls das Sujet der Pallas Athene nach einem Entwurf von Gustav Klimt wählen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten geeignete Ausstellungsräumlichkeiten zu finden, konnte am 16. Juli 1893 in einem eigens errichteten Gebäude in der Prinzregentenstraße die »I. Internationale Kunst-Ausstellung« eröffnet werden. 297 Künstler zeigten über 876 Werke. Mit über 4000 Besuchern am ersten Ausstellungssonntag erfreuten sich die Secessionisten einer großen Resonanz.
Die Öffnung gegenüber dem Ausland brachte Künstler aus ganz Europa und deren Werke nach München und festigte so den Status der Stadt als internationale Kunstmetropole. Unter ihnen befanden sich namenhafte Vertreter des Impressionismus und Symbolismus wie Gustave Courbet, Fernand Khnopff, Jan Toroop, Giovanni Segantini, Auguste Rodin und Walter Crane.
München als Vorbild der Secessions-Bewegung
Schon bald folgten europaweit Künstler dem Beispiel der Münchener Secession. Zuerst kam es in Deutschland mit Darmstadt und Dresden zur Abspaltung weiterer Secessionen. Bereits 1894 holte Carl Moll, der damals mit Klimt, Bernatzik, Engelhart und Krämer zu den fortschrittlichen Kräften des Wiener Künstlerhauses zählte, die Münchener Secession gemeinsam mit der Düsseldorfer Secession zur Gastausstellung nach Wien. Keine drei Jahre später kam es zur Gründung der Wiener Secession unter den eben erwähnten Künstlern. 1899 entstand die Berliner Secession und auch in Rom sollte es zur Gründung einer Secession kommen, die jedoch nicht lange Bestand hatte. Ähnliche Vereinigungen bildeten sich außerdem weltweit in Amerika und Japan.
Im deutschsprachigen Raum kam es daher 1903 zur Gründung des Deutschen Künstlerbundes, der als Dachorganisation der mannigfaltigen Reformvereinigungen fungieren sollte. 1904 fand dessen erste Ausstellung in den Räumlichkeiten der Münchener Sezession statt. Als Mitglied dieses Bundes nahm Klimt neben der ersten Ausstellung in München auch noch an weiteren Schauen in Berlin, Leipzig und Mannheim teil.
1905 entschloss man seitens der Münchener Secession eine zeitgenössische Kunstsammlung – die heutige Secessionsgalerie – einzurichten um eine zeitgenössische, durch Künstler kuratierte Dauerausstellung zu schaffen. Ein ähnliches Bestreben gab es auch in Wien mit der Initiation der Modernen Galerie [heute: Belvedere, Wien].
Mit der Machtübernahme des NS-Regims und der damit einhergehenden »Säuberung« der Kulturszene von entarteter Kunst, wurde 1938 auch die Münchener Secession aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Tätigkeiten der Vereinigung, die bis heute besteht, wieder aufgenommen.
Literatur und Quellen
- Münchener Secession. muenchenersecession.de/secession/ (08.11.2022).
- Münchner Feuilleton. muenchner-feuilleton.de/2017/05/06/muenchner-secession-die-abtruennigen/ (27.04.2020).
- N. N.: Die Geschichte der Münchener Secession. Eine Chronologie, in: Jochen Meister (Hg.): Münchner Secession. Geschichte und Gegenwart, Münch 2007, S. 8-27.
- Michael Buhrs: Die Münchner Secession 1892-1914, Wolfratshausen 2008.
- Cornelia Cabuk: Carl Moll. Monografie und Werkverzeichnis, in: Stella Rollig (Hg.): Belvedere Werkverzeichnisse, Band 11, Wien 2020.
- Adolf Hölzel: Über Formen und Massenvertheilung im Bilde, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 4. Jg., Heft 15 (1901), S. 246-254.

Wiener Werkstätte

Einblick in den Ausstellungsraum der Wiener Werkstätte, 1904/05, MAK - Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte
© MAK
Josef Hoffmann, Kolo Moser und Fritz Waerndorfer gründeten 1903 die Wiener Werkstätte. Architekten, Künstler und Handwerker entwarfen und fertigten in engem Kontakt zum Auftraggeber künstlerisch hochwertige »Gesamtkunstwerke« für alle Bereiche des alltäglichen Bedarfs: Architektur, Möbel, Porzellan, Glas, Textilien, Mode, Schmuck und Kunsthandwerk jeglicher Art.
Internationale Impulse in Wien
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts propagierten John Ruskin, William Morris und Charles Robert Ashbee ihre Ideen zu Kunst und Handwerk unter den Prinzipien der Zweckgerechtigkeit und soliden handwerklichen Grundlage in der britischen Arts-and-Crafts-Bewegung. Um 1900 fanden diese neuen Impulse zur Erneuerung der Kunst europaweit und auch in Wien Niederschlag. Die junge Wiener Secession legte den Schwerpunkt der »VIII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs« auf europäisches Kunstgewerbe, es beteiligten sich u.a. Ashbees Guild of Handicraft, die Pariser Maison Moderne, Henry Van de Velde und die schottische Künstlergruppe The Four mit dem Künstlerehepaar Mackintosh. Als damaliger Vizepräsident der Secession bat Josef Hoffmann den kunstaffinen Industriellen Fritz Waerndorfer, der fließend Englisch sprach und mit den neuesten britischen Designtrends vertraut war, nach Glasgow zu reisen um Charles Rennie Mackintosh für die Ausstellungsbeteiligung zu gewinnen.
Gründung und Ziele der Wiener Werkstätte
Inspiriert durch die neuen Eindrücke und mehrere Englandreisen wollten Hoffmann, Kolo Moser und Waerndorfer der industriellen Massenproduktion und dem erstarrten Historismus mit zeitgenössischen kunsthandwerklichen Qualitätsprodukten entgegenwirken und gründeten im Mai 1903 die Wiener Werkstätte als »Productivgenossenschaft von Kunsthandwerkern in Wien«. Mit Waerndorfer als »Kassier« und Hoffmann und Moser als künstlerischen Direktoren erhielt die Wiener Werkstätte vorerst ein Büro und Atelier in einer kleinen Wohnung in der Heumühlgasse 6. Noch im selben Jahr übersiedelten sie in die Neustiftgasse 32-34, worüber Joseph August Lux in der Deutschen Kunst und Dekoration berichtete:
»In einem weitläufigen Neubau in der Neustiftgasse hat diese Vereinigung von Kunsthandwerkern ihr Heim aufgeschlagen; drei weitläufige Stockwerke bergen den Komplex der ›Wiener Werkstätte‹, und zwar eigene Werkstätten für Metallarbeit, Gold und Silberarbeit, Buchbinderei, Lederarbeit, Tischlerei, Lackiererei, die Maschinenräume, die Bau-Bureaux, die Zeichensäle, den Ausstellungssaal.«
Am Anfang dominierten die Entwürfe von Hoffmann und Moser. Der englische Einfluss, aber auch die Orientierung an dem um die Jahrhundertwende populären japanischen Kunst- und Formempfinden waren unübersehbar: Schwarz-Weiß-Kontrast, quadratische Ornamentik und geometrische Formen prägten die Erzeugnisse, die meist mit dem charakteristischen Monogramm der Wiener Werkstätte und den Signets der einzelnen Mitarbeiter gekennzeichnet wurden. Neben der Aufwertung des Handwerks war die vorrangige Zielsetzung die »Zweckmäßigkeit« der Produkte, welche die Wiener Werkstätte in ihrem 1905 herausgegebenen Arbeitsprogramm formulierte:
»Wir wollen einen innigen Kontakt zwischen Publikum, Entwerfer und Handwerker schaffen. Wir gehen vom Zweck aus, die Gebrauchsfähigkeit ist uns erste Bedingung […] Es soll die Arbeit des Kunsthandwerkers mit demselben Maß gemessen werden wie die des Malers und Bildhauers.«
Zur kaufkräftigen Kundschaft zählten Industrielle und Persönlichkeiten des jüdischen Großbürgertums, darunter befanden sich die Familien Wittgenstein, Zuckerkandl, Gallia und Ast.
Aufträge, Großprojekte und Verkaufsangebot
Die Wiener Werkstätte fertigte jedoch nicht nur Einrichtungs- und Alltagsgegenstände, sondern erhielt auch architektonische Aufträge wie das Sanatorium Purkersdorf (1904-1906), die Ausstattung des Modesalons »Schwestern Flöge« (1904) und das Palais Stoclet (1905-1911) in Brüssel. Letzteres gilt als Hauptwerk der Wiener Werkstätte und symbolisiert am deutlichsten die Utopie des Gesamtkunstwerks. Hoffman entwarf das Bauwerk, Gustav Klimt lieferte seinen berühmten Mosaikfries Der Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) und Künstler wie Carl Otto Czeschka oder Ludwig Heinrich Jungnickel wirkten an der Ausstattung mit.
1907 übernahm die Wiener Werkstätte die Ausstattung des legendären Etablissements Kabarett Fledermaus und gestaltete dabei das Mobiliar, die Majolika-Auskleidung aber auch Plakate und Programmhefte. Der Werkstättenbetrieb verfügte nun zudem über einen eigenen Verlag, der sowohl Gebrauchsgrafiken wie Bilderbögen, Tisch- und Menükarten und Weinflaschenetiketten umsetzte, als auch beispielsweise Oskar Kokoschkas Dichtung Die träumenden Knaben herausbrachte. Weiters wurde eine Postkartenserie mit rund tausend Einzelnummern produziert, an denen sich Künstler wie Egon Schiele, Rudolf Kalvach oder auch Richard Teschner beteiligten.
1907 eröffnete die Wiener Werkstätte ein Verkaufslokal in Wien (Am Graben 15) und bildete eine Verkaufsgemeinschaft mit der von Michael Powolny und Bertold Löffler gegründeten Keramikwerkstätte Wiener Keramik. Im gleichen Jahr zog sich Kolo Moser aus der Wiener Werkstätte zurück.
1909 eröffnete eine Verkaufsfiliale in Karlsbad und der Bau der Villa Ast auf der Hohen Warte in Wien (1909–1911) wurde begonnen. Durch die Einrichtung der Modeabteilung unter der Leitung von Eduard Josef Wimmer um 1910 wurde das Angebot um Kleidung, Accessoires, Schmuck, aber auch um neuartige Druckstoffe erweitert.
Konkurs, Firmenumstrukturierung und neuer Aufschwung
Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten wurde 1913 die Produktion der Wiener Werkstätte eingestellt, Konkurs angemeldet und Fritz Waerndorfer trat aus dem Unternehmen aus. 1914 folgte die Liquidation und Umwandlung der Firma in eine Betriebsgesellschaft unter der neuen Geschäftsführung des Bankiers, Industriellen und Mäzens Otto Primavesi; auch Moriz Gallia trug zur Refinanzierung bei. Gemeinsam mit seiner Frau Eugenia »Mäda« Primavesi beauftragte Otto Primavesi die Wiener Werkstätte mit dem Bau seines Landhauses in Winkelsdorf (1913/14), in dem zahlreiche Feste mit befreundeten Künstlern wie Gustav Klimt und Anton Hanak stattfanden. Auch Ottos Cousin Robert Primavesi fungierte als Auftraggeber mit der Villa Skywa-Primavesi (1913–1915).
Die anfänglich streng geometrischen Zierformen wurden sukzessive durch ornamentale Dekorationen ergänzt, doch besonders ab 1915 sorgte Dagobert Peche als künstlerischer Leiter für den vermehrten Einsatz von figuralem, pflanzlichem und ornamentalem Dekor und trug wesentlich zum Stilwandel vom Jugendstil zum Art déco bei. Er erweiterte die Produktion um Tapeten, bedruckte Stoffe, Rahmen, Goldschmiedekunst, Stickerei und Spitzenklöppelei. Das Angebot der Wiener Werkstätte umfasste ab 1915 sogar Glasdekoration, Keramikherstellung und Glasschliff und setzte weltweit neue Impulse für das Kunstgewerbe. Das Unternehmen kooperierte zudem mit Glasverlegern wie E. Bakalowits, J. & L. Lobmeyr und Textilproduzenten wie J. Backhausen. In der Tegetthoffstraße 7 wurde eine neue Zentrale eingerichtet, eine Niederlassung in Berlin und eine Filiale in Marienbad sowie zusätzliche Verkaufslokale in der Wiener Kärntnerstraße 32 und 41 folgten. Dagobert Peche übernahm 1917 die Leitung der neuen Filiale in Zürich.
Die Wiener Werkstätte in den 1920er Jahren
Es kam 1920 zu einer erneuten Umstrukturierung und Firmierung als Wiener Werkstätte Gesellschaft m.b.H.und Otto Primavesis Schwager Egon Butschek sollte zu dieser Zeit in der Funktion des Generaldirektors das Unternehmen sanieren. Die Kunden stammten mittlerweile häufig aus dem Ausland und es eröffneten 1922 weitere Geschäftslokale in Velden am Wörthersee und in New York unter der Leitung von Joseph Urban. Zu den prominentesten Projekten der 1920er Jahre zählten die Villa Ast (1923–24) in Velden und das Haus Sonja Knips in Wien (1924–1925).
Otto Primavesi schied 1925 aus dem Unternehmen aus und seine Frau Eugenia blieb Gesellschafterin und künstlerische Beraterin. Die Wiener Werkstätte musste aufgrund der anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten den Ausgleich beantragen und der Industrielle und Eugenia Primavesis Verwandter Kuno Grohmann wurde 1927 zum neuen Geschäftsführer. Das 25jährige Bestehen wurde mit einem von Mathilde Flögl herausgegebenen Verkaufskatalog und der Festschrift Die Wiener Werkstätte 1903-1928. Modernes Kunstgewerbe und sein Weg gefeiert und 1929 eröffnete eine weitere Verkaufsstelle in Berlin.
Niedergang und Höhepunkte
Leider führten das Festhalten an der elitären Linie, die unprofessionelle Betriebsführung und die durch die Weltwirtschaftskrise geschwächte Käuferschicht 1932 entgültig zur Schließung des Unternehmens. Die verbliebenen Warenbestände kamen im Auktionshaus für Altertümer Glückselig zur Versteigerung, 1939 erfolgte die Löschung der Firma im Handelsregister.
Die Wiener Werkstätte revolutionierte mit ihrer zukunftsweisenden Formensprache und dem interdisziplinären Anspruch auf ästhetische Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche das Kunsthandwerk des beginnenden 20. Jahrhunderts und trug maßgeblich zu dessen Erneuerung bei. Bereits um 1900 berief Direktor Felician von Myrbach die prägenden Künstler Josef Hoffmann, Alfred Roller, Kolo Moser und Carl Otto Czeschka als Lehrer an die Wiener Kunstgewerbeschule. Dort setzten sie neue Impulse und engagierten viele Studierende noch während ihrer Studienzeit oder knapp nach Abschluss als Mitarbeiter:innen der Wiener Werkstätte. Die ausgefeilten Entwürfe fanden nicht nur durch die internationalen Verkaufsstellen, sondern auch durch zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland und die umfangreiche Berichterstattung in Zeitschriften wie der Deutschen Kunst und Dekoration weltweite Verbreitung. Besonders hervorzuheben waren die Präsentationen in der Galerie Miethke in Wien 1905, auf der »Imperial-Royal Austria Exhibition« in London 1906, auf der »Kunstschau Wien« im Jahre 1908 und auf der »Internationalen Kunstausstellung Rom 1911«. Die Wiener Werkstätte erlangte in kurzer Zeit große Bekanntheit und etablierte sich zur Marke mit eigenständigem Stil, die nachhaltig die Designgeschichte beeinflusste.
Literatur und Quellen
- Peter Vergo: Fritz Waerndorfer as Collector, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 26. Jg., Heft 177 (1981), S. 33-38.
- Gabriele Fahr-Becker: Wiener Werkstätte. 1903-1932 (Reprint 2003), Köln 1994.
- Heinrich R. Scheffer: Die Wiener Werkstätte und ihre Exlibris Künstler. www.exlibris-austria.at/03_artikel/03_01_wrwerk.html (09.11.2021).
- Christian Witt-Döring, Janis Staggs (Hg.): Wiener Werkstätte 1903-1932. The Luxury of Beauty, New York 2017.
- Ursula Graf, Stefan Üner: Ausgewählte Firmengeschichten, in: Eva B. Ottillinger (Hg.): Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne. Künstler, Auftraggeber, Produzenten, Ausst.-Kat., Hofmobiliendepot - Möbel Museum Wien (Wien), 21.03.2018–07.10.2018, Wien - Köln - Weimar 2018, S. 135-156.
- Werner J. Schweiger: Wiener Werkstätte. Kunst und Handwerk 1903–1932, Wien 1982, S. 271.
- Christian Witt-Dörring: Das Palais Stoclet – ein Gesamtkunstwerk. Eine Schicksalsgemeinschaft von Auftraggeber und Wiener Werkstätte 1905-1911, in: Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Rainald Franz, Christian Witt-Dörring (Hg.): Josef Hoffmann. 1870–1956. Fortschritt durch Schönheit, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 15.12.2021–19.06.2022, Basel 2021, S. 145-148.
- Joseph August Lux: Wiener Werkstätte. Josef Hoffmann. Koloman Moser, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 15 (1904/05), S. 1-14.
- Peter Noever (Hg.): Der Preis der Schönheit. 100 Jahre Wiener Werkstätte, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 10.12.2003–07.03.2004, Ostfildern-Ruit 2003.
- Christoph Thun-Hohenstein, Anne-Katrin Rossberg, Elisabeth Schmuttermeier (Hg.): Die Frauen der Wiener Werkstätte, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 21.04.2021–03.10.2021, Wien - Basel 2020.
- N. N.: Die Wiener Werkstätte im Ausgleich. Ein Wiener Schicksal, in: Die Stunde, 12.05.1926, S. 5.
- Siegfried Geyer: Der Leidensweg der Wiener Werkstätte, in: Die Bühne. Wochenschrift für Theater, Film, Mode, Kunst, Gesellschaft, Sport, 3. Jg., Heft 81 (1926), S. 6-9.
- N.N.: Auflösung der "Wiener Werkstätte", in: Wiener Zeitung, 28.08.1932, S. 7.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv. Handelsregister C 17/7, Signatur 2.3.3.B78.17.7, Wiener Werkstätte. www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml (13.10.2022).
- Wiener Zeitung, 23.05.1903, S. 600.
- Josef August Lux: Moderne Kunstausstellung, in: Arbeiter-Zeitung, 13.12.1905, S. 1-2.

Vergnügungsetablissement und Meierei Tivoli

Jakob Alt: Rutschbahn am Tivoli, 1832
© Wien Museum
Das als Meierei und Vergnügungsetablissement der gehobenen Wiener Gesellschaft bekannte Wiener Tivoli war ein wichtiger Rückzugsort in der Tagesroutine von Gustav Klimt. Fotografien von Moriz Nähr und eine Vielzahl an Ansichtskarten dokumentieren seine Aufenthalte.
Eine Rutschbahn und andere Vergnügungen
Im Jahr 1830 errichteten die Berliner Rutschbahn-Unternehmer, Friedrich Gericke und Ernst Wagner, das Vergnügungsetablissement Tivoli östlich des Schlossparkes Schönbrunn (Tivolistraße 79 / Ecke Hohenbergstraße 58, Wien-Meidling). Die auf diesem Areal bereits vorhandene klassizistische Landvilla beeindruckte durch ihre Aussichtsplattform, die einen imposanten Blick über Wien und das Umland bot. Sensation und Publikumsmagnet war anfangs eine viergleisige, in die weitläufige Gartenanlage integrierte Rutschbahn. Die Eröffnung des Tivoli wurde am 05. September 1830 durch das Kaiserpaar vollzogen.
Anfangs bot das Vergnügungsetablissement auch musikalische Darbietungen, Tanzabende und Hahnenkämpfe. Es erwies sich jedoch rasch als wenig rentabel. Mehrere Besitzerwechsel, etwa mit Johann Junge nur wenige Jahre nach der Eröffnung, folgten. 1844 etablierte Franz Lechner die Meierei Klein-Tivoli mit ihren Milcherzeugnissen aus Eigenproduktion. Im Jahr 1873 pachtete schließlich der Tiroler Johann Wallner das Areal. Fünfzehn Jahre später erwarb er es. Wallner führte beträchtliche bauliche Adaptionen durch. Bedeutend war vor allem die Erweiterung um einen beeindruckenden Holzpavillon südlich der vorhandenen Einkehrmöglichkeit, der ursprünglich für die »Wiener Weltausstellung« (1873) oder die »Internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen« (1892) konzipiert und errichtet worden war. So erhielt das Areal, das nun knapp 5.000 Gästen Platz bot, das für Klimt als Besucher gewohnte Aussehen.

Anton Sodoma: Ansichtskarte von Anton Sodoma in Wien an Ferdinand Sodoma in Krieglach, mitunterschrieben von Wenzel Sodoma und Gustav Klimt, 15.08.1895, Markus Weissenböck
© Markus Weissenböck, Salzburg

Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Litzlberg am Attersee, 08.07.1907, Privatbesitz
© Leopold Museum, Wien

Moriz Nähr (?): Gustav Klimt quert die Tivolibrücke, um 1914, Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz Nähr (?): Gustav Klimt mit der »Frühstücksgesellschaft« in Wallner's Meierei Tivoli, vermutlich um 1914, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien
»Besten Gruss [!] vom Tivoli.« Klimts Aufenthalte
Die Meierei spielte in Klimts Leben bereits ab 1895 eine Rolle, worauf eine Gruß vom Tivoli in Wien-Ansichtskarte von Anton Sodoma, die Klimt ebenfalls unterschrieb, schließen lässt. Klimt selbst verfasste mehr als 75 Ansichtskarten und Briefe an Emilie Flöge und Bekannte von diesem Rückzugsort. Aufnahmen seines Lieblingsfotografen und Wegbegleiters, Moriz Nähr, zeigen ihn nicht nur mit mehreren Personen bei der Zeitungslektüre im Gastgarten sitzend, sondern auch auf dem Weg dorthin, die Tivolibrücke querend.
»Klimt war Frühaufsteher und bewegungshungrig, wanderte frühmorgens […] ins Café Tivoli, dessen altwienerisches Milieu neben Schönbrunn ihm, dem modernsten Künstler, am meisten zusagte. Als illustrer Stammgast wurde er dort gehegt und gepflegt; ein opulentes Frühstück, bei dem eine große Portion Schlagobers die Hauptrolle spielte, mußte ihn für den ganzen Tag stärken.«,
erzählte Carl Moll 1943. Der Hagenbund-Maler Sigmund Walter Hampel erinnerte sich:
»Er [Klimt] wusste genau, wann auf dem Tivoli Schweine abgestochen wurden, und fehlte nie, wenn es am Abend nach solchen Schlachttagen frische Würste […] gab.«
Es ist anzunehmen, dass Klimt, ausgehend von der Wohnung in der Westbahnstraße 36 (Wien-Neubau), entweder stadtauswärts bis zur heutigen Grünbergstraße ging oder fallweise mit der neuen Stadtbahn bis zur Station Schönbrunn fuhr. Von dort bot sich die Möglichkeit dem Straßenverlauf bis zur Tivolibrücke zu folgen, oder aber über das Meidlinger Tor, vorbei am Neptunbrunnen über die Tivolibrücke zu spazieren. Die während dieser Stadtwanderungen gewonnenen Eindrücke hielt er gerne schriftlich fest:
»[…] Morgens Schönbrunn schweres Duften nach Regen und Linden, ein wenig trübseelig [!].«
Für den Jugendstilkünstler war das Tivoli ein idealer, temporärer Rückzugsort, den er zu jeder Jahreszeit gerne aufsuchte. Vom Ausblick über Wien schrieb Klimt:
»Eigentlich sollte ich mir zu[m] Frühstück Briefpapier mitnehmen – ich hätte hier heroben viel mehr Zeit und Ruhe als in der Werkstatt.«
Auch spontane Ganztagesausflüge zum Tivoli boten sich an:
»Liebe Emilie! Wir sind heute nicht bei [Otto] Wagner. […] so bin ich am Tivoli (Rasttag.).«
Klimt fand dort Geselligkeit im Kreise seiner »Kegelgesellschaft« und »Frühstücksgesellschaft«. Zu den Mitgliedern dieser Runden zählten etwa der Rechtsanwalt Dr. Friedrich Hetzer sowie dessen Familie, die Maler Max Oppenheimer und Remigius Geyling, Moriz Nähr und vermutlich auch Egon Schiele. Mitunter wurden Klimt diese Zusammenkünfte zu umfangreich und lärmend, weswegen er den Rückweg antrat. Klimt durchquerte den Schönbrunner Schlosspark, beginnend auf Höhe der Gloriette und ging vorbei an Tiergarten und Palmenhaus bis hin zum Hietzinger Tor. Ab 1911 absolvierte er von dort einen kurzen Spaziergang in sein Atelier in der Feldmühlgasse 11 (ehemals 9, Wien-Hietzing).
Der Verfall des Tivoli
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts verlor dieses Vergnügungsetablissement stetig an Bedeutung. Auf kriegsbedingte Schließungen folgten Umbauten bis hin zum Abriss des Holzpavillons. Ab 1967 wurde die Anlage permanent geschlossen. Im Jahr 1980 zerstörte ein Brand die baulichen Überreste, die 1991 schließlich abgetragen wurden. Heutzutage befindet sich auf dem Areal des ehemaligen Vergnügungsetablissements Tivoli eine Seniorenresidenz.
Literatur und Quellen
- Sandra Tretter, Peter Weinhäupl: Gustav Klimt und sein »Werkstattgarten«, in: Irmi Soravia (Hg.): Hietzing, Wien 2019, S. 135-146.
- Peter Weinhäupl: Klimts Wege von Neubau nach Hietzing – eine innerstädtische Stadt-Land-Flucht, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, Felizitas Schreier, Georg Becker (Hg.): Gustav Klimt. Atelier Feldmühlgasse 1911–1918, Wien 2014, S. 85-97.
- Andreas Berthold, Ingrid Mader: Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli in Wien-Meidling: Geschichte und Rekonstruktion, in: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie, Wien 2009, S. 176-189.
- Günther Berger, Meidlinger Kulturverein (Hg.): Das Tivoli in Meidling, Wien 1989.
- Emil Pirchan: Gustav Klimt. Ein Künstler aus Wien, Wien - Leipzig 1942, S. 74-75.
- Ansichtskarte von Anton Sodoma in Wien an Ferdinand Sodoma in Krieglach, mitunterschrieben von Wenzel Sodoma und Gustav Klimt (15.08.1895).
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Kammer am Attersee, 1. Karte (Morgen) (07.07.1909). RL 2732, Leopold Privatsammlung.
- Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Paris, 1. Karte (Morgen) (10.03.1909).
- Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Wien (undatiert). Autogr. 959/55-5, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
- Carl Moll?: Der intime Klimt. Erzählungen des Malers Walter Hampel, in: Neues Wiener Journal, 07.04.1928, S. 8.
- Carl Moll: Meine Erinnerungen an Gustav Klimt. Aus dem Leben und Schaffen des Meisters der Sezession, in: Neues Wiener Tagblatt, 24.01.1943, S. 3.

Neukunstgruppe

Anton Faistauer: Plakat für die erste Ausstellung der Neukunstgruppe, 1909
© Klimt-Foundation, Wien

Egon Schiele: Manifest der Neukunstgruppe, Aufsatzentwurf, Blatt 1, Vorderseite, 1909
© ALBERTINA, Wien
Die Neukunstgruppe wurde im Sommer 1909 gegründet und setzte sich eine künstlerische Evolution, unabhängig von konservativen und traditionsbehafteten Strömungen, zum Ziel. Gustav Klimts Œuvre bedeutete für viele der »Neukunst-Füchse« künstlerisches Fundament und Ausgangspunkt.
Besser ein »Klimt-Kerl« als ein Griepenkerl. Die Gründungsphase
Im April des Jahres 1909 verfasste Egon Schiele mit Unterstützung von ihm gleichgesinnten Kommilitoninnen und Kommilitonen einen Protestbrief. Durch provokante Fragestellungen zweifelten die jungen Studierenden die Lehrmethoden an der Akademie der bildenden Künste Wien an und forderten eine liberale und offene Unterrichtsgestaltung. Stein des Anstoßes war vor allem die von Professor Griepenkerl geleitete Fachklasse. Hinzu kamen persönliche Ressentiments zwischen Schiele und Griepenkerl. Diese Petition führte schließlich zur Androhung des Ausschlusses der daran beteiligten Personen aus der Lehranstalt. Schiele und seine Mitstreitenden kamen dieser Drohung zuvor und verließen die Akademie aus freien Stücken. Der Weg für die Gründung der Neukunstgruppe war geebnet. Arthur Roessler merkte richtungsgebend an:
»Wenn ich aber die Wahl zwischen einem Griepenkerl-Nachahmer und einem Klimt-Nachahmer frei habe, erkläre ich mich, ohne zu zaudern, für Klimt, weil ein Klimt-Kerl halt doch ein anderer Kerl ist als ein Griepenkerl.«
»Deshalb gibt es keine Neukunst. Es gibt Neukünstler«
Zu den Gründungsmitgliedern zählten, neben Schiele, u.a. Erwin Dominik Osen, Anton Faistauer, Franz Wiegele, Schieles Schwager Anton Peschka, Robin Christian Andersen, Rudolf Kalvach, Felix Albrecht Harta, Oskar Kokoschka, Albert Paris Gütersloh und Anton Kolig. Schiele selbst fungierte als Präsident und zugleich Sekretär.
Für die Namensgebung dürfte neben dem inhärenten Gründungszweck dieser jungen Formation auch die Publikation »Altkunst – Neukunst« von Ludwig Hevesi, welche im selben Jahr erschien, inspirierend gewesen sein.
Am 17. Juni des Jahres 1909 verpflichteten sich die jungen Künstlerinnen und Künstler für ein Ausstellungsengagement bei Gustav Pisko. Darüber hinaus verfasste Schiele ebenfalls im Juni das Gründungsmanifest. Die junge Formation verfolgte einen ähnlichen Zweck wie schon Gustav Klimt 1897 mit der Gründung der Wiener Secession: Die Reformierung und Erneuerung der Kunst, wobei Schiele in seinem Manifest klarstellte:
»[...] Der Neukünstler muß unbedingt er selbst sein; er muß Schöpfer sein; er muß unvermittelt, ohne all das Vergangene und Hergebrachte zu benützen, ganz allein den Grund in sich haben, auf dem er baut.«
Veröffentlicht wurde die Proklamation der Neukunstgruppe in adaptierter Form in der Zeitschrift Die Aktion im Jahr 1914.
»Namentlich der Einfluss Klimts ist unverkennbar«. Die Ausstellungen der »Neukunst-Füchse«
Die Neukunstgruppe stellte schließlich Anfang Dezember 1909 in den Räumen des Salon Pisko am Schwarzenbergplatz (Lothringerstraße 14, Wien-Landstraße) aus, in unmittelbarer Nähe zum Schauplatz der nur wenige Monate zuvor stattfindenden »Internationalen Kunstschau«, an der auch einige der »Neukunst-Füchse« bereits vertreten waren. Neben Friedrich Dornhöffer, dem Direktor der Modernen Galerie (heute: Österreichische Galerie Belvedere), nahm etwa auch Carl von Reininghaus an der Eröffnung teil. Die junge Gruppierung trat durch die Schau mit dem Journalisten und Kunstkritiker Arthur Roessler in Kontakt, der demnach zu einem wichtigen Fürsprecher und Förderer der Gruppe und vor allem Egon Schieles wurde. Anfang Februar 1910 folgte eine weitere Präsentation im Klub Deutscher Künstlerinnen in Prag. Vierzehn Zeichnungen von Schiele wurden von der Prager Polizei vor der Eröffnung konfisziert, da sie als anrüchig galten. Die Montags-Revue aus Böhmen berichtete am 7. Februar:
»[…] Viel brausende Kraft ist in ihr, ein starkes Wollen und bereits ein Können. Noch betritt diese Jugend etwas unsicher den Plan, noch haftet ihnen ein wenig das Gängelband an, daß ihre bewunderten Herren, Klimt, Hodler und Goguin [!] um sie schlangen. Aber schon ringt sich der unmittelbare Ausdruck eigener Empfindungen durch […].«
Das Prager Abendblatt wiederum vermisst bei den 17 jungen Kunstschaffenden Innovation und Alleinstellungsmerkmale: »[…] Sie können sich nicht ganz vom Irdischen loslösen, das ihnen in unterschiedlicher Gestalt, auch in Klimtschen Gold- und Silberflittern anhaftet.« Deutlich wird durch diese Rezensionen und die ausgestellten Werke, das Klimt für die geistigen Schöpfungen einflussgebend war.
Im Februar 1911 präsentierte diese Vereinigung in den Räumlichkeiten des Hagenbundes in der Wiener Zedlitzhalle (Heute: Bürohaus und Umspannwerk Zedlitzgasse, Zedlitzgasse 6, Wien-Innere Stadt) ihre »Sonderausstellung Malerei und Plastik«. Im Jänner des Jahres 1912 organisierte Albert Paris Gütersloh die Schau »Neukunst Wien« im Budapester Künstlerhaus. Anfang des Jahres 1913 wurden einige »Neukunst-Füchse« in den Bund österreichischer Künstler aufgenommen, deren Präsident Gustav Klimt war. Es folgte eine Schau in Budapest, welche die gemeinsame Präsentation der jungen und althergebrachten Linien der aktuellen Kunst zum Ziel hatte.
Die junge Formation währte in festen Zügen nur für kurze Zeit, es kam zur sukzessiven Auflösung. Ein Gros der »Neukunst-Füchse«, den Begriff prägte der Kunsthistoriker Josef Strzygowski, stand jedoch weiterhin in enger freundschaftlicher Verbindung und stellte miteinander aus.
Literatur und Quellen
- N. N.: Die Kunst – Der Neukünstler, in: Die Aktion. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst, 20. Jg., Nummer 4 (1914), S. 428.
- Christian M. Nebehay: Egon Schiele. Von der Skizze zum Bild, Wien 1989.
- Eva Werth: »Ich weiß, dass es keine moderne Kunst gibt, sondern nur eine - die immerwährend ist.ʼ Der >Neukünstler< Egon Schiele«, in: Anne-Marie Corbin, Friedbert Aspetsberger (Hg.): Schriftenreihe Literatur des Instituts für Österreichkunde. Traditionen und Modernen. Historische und ästhetische Analysen der österreichischen Kultur, Band 19, Innsbruck - Wien - Bozen 2008, S. 207-222.
- Egon Schiele Datenbank der Autografen. Biografie (20.04.2020). www.schiele-dokumentation.at/egonschiele.php (20.04.2020).
- Elisabeth Leopold (Hg.): Egon Schiele. Gemälde Aquarelle Zeichnungen, München 2020, S. XVI-XXIV.
- Egon Schiele (1890–1918). Biographical Chronology auf: Kallir Reserach Institute: Egon Schiele. The Complete Works Online. egonschieleonline.org/biography (20.04.2020).
- Wilfried Seipel (Hg.): Zeit des Aufbruchs. Budapest und Wien zwischen Historismus und Avantgarde, Ausst.-Kat., Palais Harrach (Wien), 10.02.2003–22.04.2003, Mailand 2003, S. 525–535.
- N. N.: Ausstellung der »Neukunstgruppe Wien 1910« im Klub Deutscher Künstlerinnen, in: Prager Abendblatt, 04.02.1910, S. 8.
- N. N.: Ausstellung der Neukunstgruppe Wien im Klub deutscher Künstlerinnen, in: Montagsblatt aus Böhmen, 07.02.1910, S. 7.
- Josef Stryzygowski: Die Neukunst-Füchse, in: Die Zeit, 01.12.1909, S. 1-2.
- N. N.: Sittlichkeitsretter bei der Prager Polizei, in: Arbeiter-Zeitung, 03.02.1910, S. 4.
- Arthur Roessler: Neukunstgruppe. Ausstellung im Kunstsalon Pisko, in: Arbeiter-Zeitung, 07.12.1909, S. 7-8.
- Neue Freie Presse, 02.12.1909, S. 13.
- Egon Schiele: Manifest der Neukunstgruppe, Variante 1, 06. 1909. Egon Schiele Datenbank der Autografen, ID: 231. www.schiele-dokumentation.at/objekt.php (29.08.2022).
- Salzburg Museum. Faistauer, Schiele, Harta & Co - Malerei verbindet. www.salzburgmuseum.at/ausstellungen/rueckblick/ausstellungen-seit-2015/faistauer-schiele-harta-co-painting-connects-us/ (20.04.2020).
- Tobias G. Natter: Egon Schiele und die Neukunstgruppe, in: Tobias G. Natter (Hg.): Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 14.06.2006–24.09.2006, Wien - Köln 2006, S. 45-61.

Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs

Mitglieder der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, in: Sport und Salon. Illustrirte Zeitschrift für die vornehme Welt, 22.04.1916.
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Die 1910 begründete Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreich (VBKÖ) gilt als erster Künstlerinnenverband Österreichs. Deren erste, selbstkonzipierte Ausstellung »Die Kunst der Frau« – ein Rückblick über die Leistungen der Frau in der Kunst – fand 1910/11 in den Räumlichkeiten der Wiener Secession statt.
Im Februar 1910 erfolgte die Gründung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreich mit dem Ziel Frauen in der männerdominierten Kunstszene mehr Präsenz und Anerkennung zu verleihen, diese zu legitimieren und zu fördern. Schon ein Monat später verhandelte Olga Brand-Krieghammer, erste Präsidentin der Vereinigung, erfolgreich mit der Künstlergenossenschaft Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession zwecks der Veranstaltung einer internationalen Kunstschau in den Räumlichkeiten der Wiener Secession, die eine umfangreiche »historische Rückschau über die Leistungen der Frau in der Kunst« geben sollte.

Johanna Meier-Michel: Plakat der XXXVII. Secessionsausstellung, Die Kunst der Frau, 1910, Albertina, Wien
© ALBERTINA, Wien
»Die Kunst der Frau«
Die Wiener Secession, die das Vorhaben unterstützte, stellte schlussendlich der jungen Vereinigung ihre Räumlichkeiten ab Spätherbst 1910 für die Retrospektive »Die Kunst der Frau« zur Verfügung. Der Künstlerinnenverband und die Secessionisten veröffentlichten aus diesem Anlass gemeinsam einen umfangreichen Ausstellungskatalog mit dem Titel »XXXVII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession, Wien – I. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Die Kunst der Frau«.
Die Ausstellungseröffnung selbst erfolgte Anfang November im Beisein des Schirmherrn, Erzherzog Rainer. Die Kollektivausstellung, die unter anderem vom k. k. Unterrichtsministerium subventioniert wurde, umfasste Werke von nationalen und internationalen Künstlerinnen sowie zahlreiche Leihgaben aus öffentlichen Sammlungen und Privatgalerien aus ganz Europa. Die Ausstellung, die bereits im Jänner 1911 wieder zu Ende ging und insgesamt über 13.000 Besucher verzeichnete, wurde von den österreichischen Medien sehr unterschiedlich bewertet. Während die traditionelle, konservative Presse harte Kritik übte, veröffentlichten vor allem Frauenzeitschriften durchaus positive Rezensionen – stellvertretend hierfür ein Beispiel aus Der Bund – Zentralblatt österreichischer Frauenvereine:
»Alles in Allem genommen muss man sagen, dass diese erste Ausstellung der bildenden Künstlerinnen Oesterreichs ein grosser [!] Erfolg ist und eine schöne Versprechung für die Zukunft, dass sie so viel ehrliches Streben und tüchtiges Können gezeigt hat, dass sich die Frauen die Achtung für ihre Leistungen erzwungen haben.«
Interne Abspaltungen und Beständigkeit
1912 bezog der Künstlerinnenverband schließlich seine eigenen Räumlichkeiten im Hotel Astoria in der Maysedergasse im 1. Wiener Gemeindebezirk und setzte sein jährliches Ausstellungsprogramm – unter anderem im Hagenbund und Künstlerhaus – fort. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es erstmals zu internen Abspaltungen und es etablierten sich relativ kurzlebige Vereinigungen wie die Freie Vereinigung oder die Wiener Frauenkunst. Die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs blieb jedoch – auch während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges, die strukturelle Veränderungen und auch fragwürdige Entscheidungen mit sich brachten – weiterhin bestehen. Heute positioniert sich die VBKÖ – die ihre ambivalente Vergangenheit seit den 1990er Jahren offen aufarbeitet – als aufgeschlossene Organisation, die zeitgenössische, feministische sowie künstlerische Agenden pflegt und fördert.
Literatur und Quellen
- ÖNB. Ariadne. www.fraueninbewegung.onb.ac.at/VBKOE (06.04.2020).
- Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. VBKÖ. www.vbkoe.org/geschichte (06.04.2020).
- Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Archiv. www.vbkoe.org/das-vbkoe-archiv/ (06.04.2020).
- Helene Littmann: Die Kunst der Frau, in: Österreichische Frauenrundschau. Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen, 01.12.1910, S. 2-3.
- Leopoldine Kulka: Die Kunst der Frau, in: Neues Frauenleben, Heft 12 (1910), S. 11-13.
- Der Morgen. Wiener Montagblatt, 06.06.1910, S. 9.
- Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 26. Jg. (1910/11), S. 193-202.
- Der Bund. Zentralblatt des Bundes österreichischer Frauenvereine, 5. Jg., Heft 7 (1910), S. 9-11.
- Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (Hg.): Jahresbericht der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs für das Vereinsjahr 1910, Wien 1911.
- Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): XXXVII. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession - I. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstlerinnen Oesterreichs. Die Kunst der Frau, Ausst.-Kat., Secession (Wien), 05.11.1910–08.01.1911, Wien 1910.
Bund österreichischer Künstler
Im April 1912 konstituierte sich in Wien nach dem Vorbild des Deutschen Künstlerbundes die neue Künstlervereinigung Bund österreichischer Künstler. Gustav Klimt wurde von den Gründungsmitgliedern zum ersten Präsidenten der Institution ernannt.
Am 3. April 1912 berichtete das Neue Wiener Journal, dass am Vortag der Bund österreichischer Künstler im Restaurant »Zur großen Tabakpfeife« im 1. Wiener Gemeindebezirk gegründet wurde. Das institutionelle Vorbild war der Deutsche Künstlerbund, der sich bereits 1903 konstituierte. Zeitungsberichten zufolge machte sich die neue Künstlervereinigung, die sich als überregionale Interessensvertretung positionierte, zur Aufgabe, das österreichische Kunstleben zu fördern und »in allgemeinen Fragen der Kunst sofort ein geschlossenes Vorgehen« zu ermöglichen.
Unter den Gründungsmitgliedern, die zugleich den Vorstand der Vereinigung bildeten, befanden sich zahlreiche zeitgenössische Künstler – mehrheitlich aus dem Umfeld Gustav Klimts, wie beispielsweise Otto Wagner, Josef Hoffmann, Carl Moll, Anton Hanak und Oskar Kokoschka. Die Mitgliedschaft in der neuen Vereinigung stand grundsätzlich jedem Künstler offen. Die Zugehörigkeit zu einer anderen in- oder ausländischen Künstlervereinigung war kein Ausschlusskriterium – so die Pressemitteilung des Deutschen Volksblattes vom 3. April 1912.
Die erste Versammlung des Bundes österreichischer Künstler fand im Juni 1912 statt. Im Zuge dieser wählte der Vorstand Gustav Klimt einstimmig und auf fünf Jahre zum ersten Präsidenten der Künstlervereinigung.
Erste mediale Aufmerksamkeit
Der Bund österreichischer Künstler sorgte bereits ein Jahr nach der Gründung mehrmals für mediales Aufsehen. Der erste Anlass, zu dem die Vereinigung öffentlich Stellung bezog, war die geplante Verlegung des Donnerbrunnens im 1. Wiener Gemeindebezirk. Die Institution sprach sich gegen eine Verlegung aus. Ihren Widerspruch, der im Namen von Gustav Klimt dem zuständigen Wiener Magistrat zugesandt wurde, veröffentliche am 16. März 1913 unter anderem auch das Neue Wiener Tagblatt.
Einige Monate später berichteten diverse Zeitungen erneut über den Bund österreichischer Künstler – diesmal in Zusammenhang mit der soeben erfolgten Bauvergabe für das städtische Museum in Wien. Die Künstlervereinigung kritisierte und bedauerte, dass nicht Otto Wagner diesen Projektauftrag erhalten hatte. Der Bund österreichischer Künstler ernannte daraufhin den hochverdienten Architekten zu ihrem Ehrenpräsidenten als Zeichen der Werkschätzung – so ein Bericht des Neuen Wiener Journals vom 24. Juni 1913.
Soziales Engagement
Der Bund österreichischer Künstler, der erfolgreich an nationalen und internationalen Ausstellungen teilnahm, engagierte sich während des Ersten Weltkrieges auch in sozialer Hinsicht. Gemeinsam mit anderen großen Künstlervereinigungen, wie der Wiener Secession, dem Hagenbund oder auch der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, gründeten sie im Herbst 1914 ein Fürsorgekomitee, um notleidende oder verschuldete bildende Künstler zu unterstützen. Zu diesem Zweck organisierten diese in den Kriegsjahren auch mehrere Kunstausstellungen. Laut einem Zeitungsartikel des Neuen Wiener Journals, der am 14. Jänner 1916 veröffentlicht wurde, konnten durch ihr gemeinsames Engagement bis Dezember 1915 bereits über 290.000 Kronen (ca. 976.000 Euro) für die österreichische Künstlerfürsorge lukriert werden.
Die Institution in der Zwischenkriegszeit
Vor allem in den 1920er Jahren war die Wiener Künstlervereinigung in den Medien wieder verstärkt präsent. In dieser Zeit erfolgte die Ernennung von Josef Hoffmann zum Präsidenten. Darüber hinaus konstituierte sich die Institution neu. Der bisherige Institutionsname wurde in diversen Zeitungen zudem immer häufiger mit dem Namenzusatz »Kunstschau« versehen. Quellentechnisch verliert sich die Spur des Bundes österreichischer Künstler in den 1930er Jahren.
Literatur und Quellen
- Neues Wiener Journal, 03.04.1912, S. 8.
- Neues Wiener Journal, 28.06.1912, S. 9-10.
- Neues Wiener Journal, 24.06.1913, S. 6.
- Deutsches Volksblatt, 03.04.1912, S. 7.
- Neues Wiener Tagblatt, 16.03.1913, S. 7.
- Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 24.03.1914, S. 9.
- Neue Freie Presse, 05.02.1915, S. 13.
- Neues Wiener Tagblatt, 23.04.1915, S. 15.
- Neues Wiener Journal, 14.01.1916, S. 2.
- Neues Wiener Journal, 04.02.1925, S. 12.
- Arbeiter-Zeitung, 22.09.1913, S. 6.
- Arbeiter-Zeitung (Morgenausgabe), 23.12.1913, S. 7.
- Fremden-Blatt, 24.06.1913, S. 16.

Hagenbund

Zedlitzhalle, Ausstellungsgebäude des Hagenbundes in der Zedlitzgasse 6, um 1902, in: Wiener Bauindustrie-Zeitung und Wiener Bauten-Album, 19. Jg. (1901/02).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Karikatur von Unterrichtsminister Richard Bienerth mit der Secession, dem Hagenbund und dem Künstlerhaus, in: Figaro, 14.10.1905.
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Literatur und Quellen
- Wien Geschichte Wiki. Hagenbund. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hagenbund (26.03.2020).

Künstlerkolonie Hohe Warte

Wohnhaus von Friedrich Viktor Spitzer auf der Hohen Warte erbaut von Josef Hoffmann, in: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau- und Raumkunst, 9. Jg. (1903).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek
Die Idee zur Künstlerkolonie wurde unter den Secessionsmitgliedern Joseph Maria Olbrich, Carl Moll, Koloman Moser und Josef Hoffmann im Dialog mit den Kunstfotografen und Industriellen Friedrich Victor Spitzer und Hugo Henneberg entwickelt. Nach Olbrichs Weggang nach Darmstadt übernahm Hoffmann die Durchführung nach dem Vorbild der englischen Landhausarchitektur und des Arts and Crafts Movement.
1900 konnte aufgrund der treibenden Kraft Molls auf der Hohen Warte, einem Hügelplateau im 19. Wiener Gemeindebezirk mit Ausblick auf Kahlenberg und Leopoldsberg der Grundstein für den Villenkomplex gelegt werden, in deren Gebäuden die Familien Carl Moll, Koloman Moser, Friedrich Victor Spitzer, Hugo und Marie Henneberg lebten.
Nach dem Bau des Secessionsgebäudes sprach Olbrich von der Idee, eine Stadt bauen zu wollten »mit einem Tempel der Arbeit in einem Haine, für Kunst und Handwerk, und rings den Hütten für unser Leben, in welchen dann unser Geist die ganze Anlage wie jeden Stuhl und Topf beherrsche!« Olbrichs utopische Vorstellung eines »Freundortes«, zu dem von ihm keine Entwürfe überliefert sind, versuchte Moll auf der Hohen Warte zu realisieren, während Olbrich seine Ideen in Darmstadt in der Künstlerkolonie der Mathildenhöhe verwirklichte. In Hoffmann fand Moll den geeigneten Architekten, der auf die Vorgaben der Bauherren einging und die Villenkolonie der Idee des Gesamtkunstwerks entsprechend mit Einrichtungsgegenständen der Wiener Werkstätte errichtete. Spitzer und Henneberg förderten das Projekt. 1900/01 wurde in der Steinfeldgasse 6/ Ecke Geweygasse 13 das Doppelwohnhaus für Moll und Moser und das Wohnhaus Dr. Hugo Henneberg in der Wollergasse 8 erbaut; 1901/02 folgte das Wohnhaus Friedrich Victor Spitzer in der Steinfeldgasse 4. Spitzer übernahm seine von Olbrich gestaltete Stadtwohnungseinrichtung in das neue Haus, die Hoffmann integrierte. 1903 publizierte Moll im Ver Sacrum eine Serie von Farbholzschnitten mit Motiven der »modernen Kolonie«. In seiner Publikation Das moderne Landhaus betonte Joseph August Lux 1903 den Wert der Kulturlandschaft Wiens, wo Beethoven gelebt hatte und erwähnte die Villenvorstädte und die Hohe Warte. Dadurch verbreitete sich ihr Ruf und internationale Gäste wie Ferdinand Hodler und Adolphe Stoclet besuchten den Ort. Gustav Mahler und Franz Werfel lebten hier zeitweise und Künstlerkreise aus den Bereichen von Musik und Theater waren häufige Gäste. 1906/08 erbaute Hoffmann die Villa Moll II und 1909/11 das Wohnhaus Eduard Ast, in dem später Alma Mahler lebte. Das Grundstück war ursprünglich für den steirischen Kunstmäzen Carl Reininghaus vorgesehen gewesen. Im Haus Ast hatte der Bauherr einen eigenen Raum für Klimts Danaё (1907/08, Privatbesitz) geschaffen. Das Bild hing im ovalen Damensalon auf einer Wand aus graugrünem Cipollino, einer Marmorform mit Band- oder Wellenförmig auftretenden Strukturen, auf denen Klimts Goldornamentik besonders wirksam hervortreten würde. Auch das Fließende und Schwebende in Klimts Formenwelt würde durch diese Gesteinsart einen optisch instabilen Untergrund erhalten und in ihrer Bildwirkung verstärkt werden. Alles überragend und mit einer prachtvollen Gartenanlage versehen lag die Villa von Hugo Henneberg. In der Empfangshalle wurde Klimts Porträt Marie Henneberg (1901/02, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)) dominant oberhalb eines Kamins innerhalb eines Wandverbaus Hoffmanns positioniert.
Im Umkreis der Künstlerkolonie schuf Hoffmann auch Niederlassungen für Vertreter des Großbürgertums, so Helene Hochstetter und Alexander Brauner.
Der einende Nenner der Bauten der Künstlerkolonie lag im freundschaftlichen Gemeinschaftssinn der Bauherren, deren Vertrauen dem Kollegen und Freund Hoffmann galt. Dieser gestaltete die Villen der Künstlerkolonie optisch einheitlich.
Die zweite Phase der Bebauung der Hohen Warte mit Villen für wohlhabende BürgerInnen indes war geprägt von Hoffmanns späterem Baustil, wobei jedes Gebäude unterschiedlich gestaltet wurde.
Allen Bauwerken liegt das Konzept des Gesamtkunstwerks zugrunde, das Architektur, Gartengestaltung und Interieur gleichermaßen im Blick hatte.
Literatur und Quellen
- Wien Geschichte Wiki. Hohe Warte. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hohe_Warte (18.05.2020).
- belvedere. werkverzeichnisse.belvedere.at/online/text/355447/koloman-moser/biography (18.05.2020).
- Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011.
- Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000.
- Gerd Pichler, Joseph Maria Olbrichs nie gebaute Künstlerkolonie in Wien und Josef Hoffmanns Künstlerkolonie auf der Hohen Warte.. journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/icomoshefte/article/view/46883/40388 (18.05.2020).
- Markus Kristan: Josef Hoffmann. Villenkolonie Hohe Warte, Wien 2004.
- Amelia Sarah Levetus: Die Villa Ast in Wien von Professor Josef Hoffmann, in: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst, 12. Jg. (1913), S. 1-24.