Modesalon »Schwestern Flöge«

Haus »Casa Piccola« in der Wiener Mariahilfer Straße, Ansicht um 1930
© Klimt-Foundation, Wien

Geschäftsschild für den Modesalon »Schwestern Flöge«, 1904
© MAK

Probierräume im Modesalon »Schwestern Flöge«, 1904
© MAK

Emilie Flöge und Gustav Klimt im Garten der Villa Oleander, Sommer 1910, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien

Der Modesalon »Schwestern Flöge« – ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte – nahm um die Jahrhundertwende eine einzigartige Stellung ein. Drei emanzipierte Frauen, die in engem Kontakt zu Gustav Klimt standen, leiteten dieses Unternehmen und gestalteten damit die Wiener Modewelt.

Die Corporate Identity des Modesalons »Schwestern Flöge«
Am 1. Juli 1904 eröffneten die Schwestern Emilie, Pauline und Helene den Modesalon »Schwestern Flöge« im ersten Stock des Gebäudes Casa Piccola in der Wiener Mariahilfer Straße 1b. Auch die private Wohnung der Familie befand sich nunmehr in diesem Haus, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts revitalisiert wurde. Die Bezeichnung ist auf den ursprünglichen Café-Inhaber Dominik Casapiccola zurückzuführen.

Die im Jahr 1903 gegründete Wiener Werkstätte erhielt den Auftrag für die Gestaltung des neuen Modesalons. Josef Hoffmann und Kolo Moser kreierten für dieses Geschäftslokal eine von Schlichtheit und geometrischem Design geprägte Ausstattung. Sie zeichneten außerdem für diverse Drucksorten, die Wandtapeten sowie Stoffetiketten verantwortlich und schufen damit im Sinne des Gesamtkunstwerkes die Corporate Identity dieses Unternehmens. Einblicke in die Räumlichkeiten wurden 1904 in der Wiener Kunstzeitschrift Hohe Warte und ein Jahr später in Deutsche Kunst und Dekoration publiziert.

Der Unternehmensgeist der Flöge Schwestern
So wenig über die Anfänge des Modesalons und die Finanzierung bekannt ist, so klar war von Anbeginn die Arbeitsaufteilung im Unternehmen. Emilie hatte die Leitung des Salons in künstlerischen und modischen Belangen inne. Helene Klimt (geb. Flöge), die Witwe von Ernst Klimt, übernahm die Betreuung der Kundinnen. Pauline zeichnete für die Werkstatt und die Buchhaltung verantwortlich. Nach ihrem Tod im Jahr 1917 übernahm Helene Donner (geb. Klimt), die Tochter von Helene und Ernst, diese Aufgabenbereiche.

Die Kundinnen des Salons waren kunstaffine und modebewusste Damen der gehobenen Wiener Gesellschaft. Viele von ihnen standen durch ihre Rolle als Mäzenin und Porträtierte in unmittelbarer Verbindung zu Klimt und der Wiener Werkstätte. Sonja Knips, Hermine Gallia und Eugenia Primavesi, Clarisse Rothschild und Vertreterinnen der Familie Lederer ließen sich von den Flöge Schwestern einkleiden und ausstatten.

Die Mode der Schwestern Flöge
Primäre Inspirationsquelle für die Kreationen war die deutsche Reformmode des 19. Jahrhunderts, die es sich zum Ziel setzte, Frauen Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Die Bandbreite der Flöge-Designs ging jedoch darüber hinaus und reichte von hellen Sommerkleidern mit weiten Röcken, auffallendem Dekor und geschnürten Taillen bis zu vielfältigen Interpretationen des »Reformkleides«. Flöge trug am Attersee ebenfalls gerne ihre Eigenkreationen, wobei sie in diesem Umfeld weite, kaftanartige Gewänder bevorzugte, die durch Stoffe in unterschiedlichen Farben und mit ausdrucksstarken Mustern bestachen. Berühmtheit erlangte ihr wiederum schlichtes schwarz-weiß gestreiftes »Fledermauskleid«. Flöges Modebewusstsein stand nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch bei öffentlichen Auftritten außer Frage, so trug sie zur Eröffnung der »Kunstschau Wien« im Jahr 1908 ein schwarz-weiß gestreiftes, weit geschnittenes Kleid mit auffälligen Volants, das den aufkommenden Neoempirestil erkennen ließ.

Klimts Modeaffinität
Auch Gustav Klimt unterstützte die Corporate Identity des Modesalons, indem er den Entwurf für das Signet beisteuerte. Darüber hinaus fotografierte er Emilie in mehreren ihrer Entwürfe im Sommer des Jahres 1906. Zehn dieser Aufnahmen wurden folglich in der Zeitschrift Deutsche Kunst und Dekoration veröffentlicht. Dass für Flöge die Nähe zu Klimt wiederum auch über seinen Tod hinaus essenziell und inspirativ war, zeigte sich an der Tatsache, dass sie im Modesalon ein eigenes »Klimt-Zimmer« als Erinnerung an diesen für sie so wichtigen Wegbegleiter einrichten ließ.

Generell war Klimt der Mode nicht abgeneigt, wie einer Korrespondenz zwischen Flöge und ihm zu entnehmen ist. Beobachtend schrieb er während seines Paris-Aufenthaltes im Jahr 1909:

»[…] hier kann man alles wagen an Tracht und fällt nicht auf. Hier gieng’s Dir gut.«

Klimt selbst trug häufig Anzüge, zeigte sich aber sowohl in seinen Wiener Ateliers als auch am Attersee in einem besonderen Kleidungsstück: einem indigoblauen, kaftanartigen Malerkittel. Der Künstler begann diese Gewandung in seinen unterschiedlichen Varianten, die an den Musterungen des Schulterbesatzes zu erkennen sind, vermutlich zeitgleich mit der Gründung des Modesalons zu tragen. Das Design selbst ist ebenfalls im Umkreis von Emilie Flöge zu vermuten.

Die Relikte des Modesalons »Schwestern Flöge«
Ab den 1920er-Jahren verzeichnete der Modesalon »Schwestern Flöge« einen Geschäftsrückgang. 1936 verstarb schließlich Helene Klimt. 1938 mussten Emilie und ihre Nichte Helene das Geschäft schließen und ihre Wohnung auflösen. Sie übersiedelten samt Geschäftsarchiv und Klimt-Memorabilien in die Wohnung in der Ungargasse 39 (Wien-Landstraße). Die Jahre des Zweiten Weltkrieges verbrachten sie großteils am Attersee. In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 fiel die Wiener Wohnung einem verheerenden Brand zum Opfer. Flöges Besitz, die Archivalien des Modesalons und Etliches aus dem Nachlass von Klimt wurden unwiderruflich zerstört.

Literatur und Quellen

  • Wolfgang Georg Fischer: Gustav Klimt und Emilie Flöge. Genie und Talent, Freundschaft und Besessenheit, Wien 1987.
  • Angela Völker: Die Modeschöpferin Emilie Flöge 1904 bis 1913, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst, Wien 2016, S. 57-67.
  • Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an Hermann Muthesius (07/27/1906). D 102-6645.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Paris an Emilie Flöge in Wien, 2. Karte (10/21/1909). RL 2765, Leopold Privatsammlung.
  • Sandra Tretter: Botschaften und Erinnerungsstücke einer gemeinsamen Lebenszeit, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst, Wien 2016, S. 9-25.
  • Sonja Niederacher: Emilie Flöge, Geschäftsfrau, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Emilie Flöge. Reform der Mode. Inspiration der Kunst, Wien 2016, S. 27-41.