Camera-Club

Camera-Club, Clubatelier, in: Wiener Camera-Club (Hg.): Wiener Photographische Blätter, 1. Jg., Nummer 10 (1894).
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Im Club der Amateur-Photographen in Wien (ab 1893 Camera-Club) schlossen sich Großbürger und Aristokraten zusammen, die Fotografie als Freizeitbeschäftigung betrieben und durch ihre Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, technischen und ästhetischen Fragen die Neuorientierung der Fotografie maßgeblich beeinflussten.

Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Fotografie einen europaweiten Aufschwung, der in Wien 1861 zur Gründung der Photographischen Gesellschaft führte, die in der österreichisch-ungarischen Monarchie vor allem als Lobby für Gewerbetreibende agierte. Oftmals von den Berufsfotografen als Konkurrenz angesehen, wollten sich die Amateurfotografen innerhalb der Photographischen Gesellschaft organisieren. Der Mangel an ästhetischem Diskurs und interne Machtkämpfe führten allerdings am 31. März 1887 zur Gründung eines eigenen Vereins, dem Club der Amateur-Photographen in Wien. Ziele waren die ästhetische Erneuerung der Fotografie, ihre Anerkennung als Kunstform und die technische Weiterentwicklung.

Durch die Erfindung des Trockenverfahrens vereinfachte sich die Fotografie Ende der 1870er Jahre und verbreitete sich neben den Anwendungsbereichen in Wissenschaft und Kunst auch im Alltag als kostspielige Freizeitbeschäftigung der bürgerlichen Oberschicht und Aristokratie. In den elitären Kreisen wuchs das Interesse im privaten Umfeld oder auf Reisen zu fotografieren und die Amateurfotografie entwickelte sich zum Gesellschaftssport, vergleichbar mit den damals beliebten Fahrrad- oder Eislaufvereinen.

Die Mitglieder des Clubs der Amateur-Photographen waren Wissenschaftler, Industrielle und Privatpersonen, meist gebildet, kosmopolitisch und am zeitgenössischen Kunstdiskurs interessiert, distanzierten sich aber von laienhaften »Knipsern«. Zudem wurden technische Spezialisten und Adelige zu außerordentlichen Ehrenmitgliedern erklärt, um die Vernetzung und den Austausch zu befruchten. Zentrales Merkmal des auch »Millionärsclub« genannten Vereins war die Exklusivität – so sicherten ein aufwendiges Aufnahmeverfahren und der teure Mitgliedsbeitrag die soziale Selektion.

Vereinsleben und Vereinszeitschriften
Um das gesellige Vereinsleben zu fördern, mietete der Klub ein Vereinslokal, in dem u.a. ein Salon, ein Vortragssaal, ein Atelier, eine Dunkelkammer, eine Fotosammlung und eine Fachbibliothek zur Verfügung standen. Das Heim diente mit wöchentlichen Klubabenden als Diskussionsforum mit Vorträgen, Praxisübungen und Diaabenden. Zudem gab es Exkursionen und »Clubecken« für verschiedene Interessen.

Als Vereinsorgan wurde seit Anfang 1887 die Photographische Rundschau herausgegeben, die v.a. die auswärtigen Mitglieder über die Vereinstätigkeiten informierte. Es enthielt darüberhinaus Fachartikel, übersetzte Beiträge aus internationalen Zeitschriften und aufwendige Bildbeilagen. Von 1894 bis 1899 gab es die Wiener Photographischen Blätter in modernem Format und Layout, die 1899 vom Photographischen Centralblatt und 1905 vom Jahrbuch des Camera-Klubs in Wien abgelöst wurden.

Anfangs standen eher Wissenschaft, Technik, Handwerk und Experimentierfreude im Vordergrund, die ersten Ausstellungen gestaltete man ähnlich überladen wie zeitgenössische Industrie- und Gewerbeausstellungen. Mikroaufnahmen von Hugo Hinterberger und Momentstudien von Charles Scolik zählten zu den Neuerungen der 1890er Jahre. Der Verein nannte sich 1893 in Camera-Club um, widmete sich vermehrt ästhetischen Themen und organisierte reduziertere Ausstellungen, deren Objektauswahl eine Jury durchführte.

Seit 1896 beeinflusste das Gummidruckverfahren die Ästhetikdiskussion und Entwicklung des Piktorialismus: Fotografen konnten durch ihren individuellen Eingriff malerisch wirkende Abzüge gestalten, die als Unikate der reproduzierbaren Fotografie gegenüberstanden und die Amateurfotografie »in eine künstlerische Sphäre erhoben«. Die bedeutendsten Vertreter waren Hugo Henneberg, Hans Watzek und Heinrich Kühn – auch als »Trifolium« bekannt – sowie Friedrich Viktor Spitzer. Sie etablierten die Fotografie als gleichwertiges Medium neben der bildenden Kunst und zeigten 1902 ausgewählte Werke in der »VIII. Ausstellung« der Wiener Secession.

Henneberg und Spitzer standen den Künstlern der Secession und Wiener Werkstätte durch persönliche Freundschaften und als Auftraggeber besonders nahe und lebten in der Künstlerkolonie auf der Hohen Warte in Nachbarschaft von Carl Moll und Kolo Moser. In ihren von Josef Hoffmann geplanten Villen ließen sich Henneberg und Spitzer Fotoatelier und Dunkelkammer einbauen. Das enge Verhältnis zur geistigen und künstlerischen Elite sowie zum großbürgerlichen Kreis dokumentierte Carl Molls Stieftochter Alma Mahler-Werfel in ihren Tagebüchern und auch zahlreiche Porträtfotos von Persönlichkeiten wie Gustav Klimt, Ferdinand Hodler, Gustav Mahler, Jan Toorop und Emil Zuckerkandl ließen auf das Umfeld schließen.

Die Mitglieder des Camera-Clubs publizierten ihre progressiven Fotos und Ideen nicht nur in Zeitschriften, sondern stellten auch in der renommierten Galerie H. O. Miethke, im Hagenbund, dem k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (heute: MAK) und sogar in der New York Gallery of the Photo-Secession aus. Die Entwicklung der Fotografie vollzog sich parallel zur Kunst der Moderne und die wechselseitige Beeinflussung führte vor allem in der Malerei zu kompositorisch ähnlichen Bildschöpfungen.

Bereits seit den 1890ern erfolgte aufgrund neuer Vereinsgründungen ein Mitgliederrückgang, jedoch spätestens mit dem Ersten Weltkrieg führten die zunehmende Demokratisierung der Amateurszene und die Veränderung des gesellschaftlichen Gefüges zum Niedergang und 1937 zur Löschung des Camera-Clubs.

Literatur und Quellen

  • N. N.: Vereins- und Personal-Nachrichten. Club der Amateure, in: Photographische Correspondenz, 23. Jg., Nummer 308 (1886), S. 303-304.
  • N. N.: Amateurclub, in: Photographische Correspondenz, 24. Jg., Nummer 316 (1887), S. 46-47.
  • Uwe Schögl: Moriz Nähr and the Vienna Secession. Interrelationship between Photography and Painting, in: PhotoResearcher, Nummer 31 (2019), S. 122-133.
  • Astrid Mahler: Liebhaberei der Millionäre. Der Wiener Camera-Club um 1900. Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich. Band 18, Wien 2019.
  • V. S.: Wiener Camera-Club, in: Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): Ver Sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1. Jg., Heft 4 (1898), S. 25-27.
  • Anthony Beaumont (Hg.): Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten. 1898–1902, Frankfurt am Main 1997.
  • N. N.: Unser Club, in: Wiener Camera-Club (Hg.): Wiener Photographische Blätter, 1. Jg., Nummer 10 (1894), S. 208-213.