Galerie H. O. Miethke

Revers einer Fotografie von Miethke & Wawra
© Klimt-Foundation, Wien

Galerie H. O. Miethke am Neuen Markt 13, Ecke Plankengasse 6, vor 1896
© Wien Museum

Galerie H. O. Miethke im Palais Nákó, Dorotheergasse 11, um 1906, in: Galerie H. O. Miethke (Hg.): Old and modern pictures. Tableaux anciens et modernes, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 00.07.1906–00.00.1906, Wien 1906.
© Bibliothek des Belvedere, Wien

Hugo Miethke in der Galerie H. O. Miethke, Dorotheergasse 11, um 1900
© Dorotheum Wien, Auktionskatalog 04.11.2019

Einblick in die Galerie Miethke, undatiert, in: Galerie H. O. Miethke (Hg.): Old and modern pictures. Tableaux anciens et modernes, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 00.07.1906–00.00.1906, Wien 1906.
© Klimt-Foundation, Wien

Geschäftsanzeige, in: Galerie H. O. Miethke (Hg.): Öffentliche Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Rudolf von Alt in der Galerie H. O. Miethke, Wien, I. Graben 17, Aukt.-Kat., Wien 1906.
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Einblick in die Galerie H. O. Miethke am Graben 17, 1905, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 18 (1906).
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz Nähr: Die Medizin, vermutlich um 1907, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Die Galerie Miethke entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Kunsthandlungen Österreich-Ungarns und wirkte vor allem mit ihren Ausstellungen nach der Jahrhundertwende bahnbrechend als Zentrum der österreichischen und europäischen Moderne.

Carl Josef Wawra wurde von seinem Vater, dem Maler und Kunsthändler Josef Eduard Wawra und in mehreren Wiener Antiquariaten ausgebildet. Gemeinsam mit dem aus Potsdam stammenden Hugo Othmar Miethke gründete er am 15. Oktober 1861 die Firma Miethke & Wawra als offene Gesellschaft. Das Unternehmen der beiden gleichberechtigten Gesellschafter wurde 1863 im Wiener Handelsregister als Buch- und Antiquariatshandel eingetragen. Zunächst als Antiquariat und Kunstverlag mit einem Geschäftslokal in der Singerstraße 30 und einer »Photographisch-Artistischen Anstalt« auf der Landstraßer Hauptstraße 95 betrieben, verlegte die Firma Fotos, Reproduktionen und druckgrafische Werke. Miethke und Wawra entwickelten sich in den 1860ern rasch zu Begründern von Kunstauktionen in Wien, wobei der aufblühende Kunsthandel in der Donaumetropole den kontinuierlichen Aufstieg von Miethke & Wawra vom Auktionshandel zur Galerie begünstigte. Die Geschäftsmänner etablierten zudem internationale Kontakte zu wichtigen Kunsthändlern wie Ambroise Vollard, Paul Durand-Ruel und Charles Sedelmayer in Paris sowie zu Paul Cassirer in Berlin. Während 1873 die Weltausstellung im Wiener Prater stattfand, konnten Miethke & Wawra Ausstellungsräume des Künstlerhauses mieten und das bei Hans Makart beauftragte Monumentalgemälde Venedig huldigt Katharina Cornaro (1872/73, Belvedere, Wien) in einer aufsehenerregenden Inszenierung präsentieren. Im Folgejahr trennten sich die Wege der Kunsthändler.

Gründung der Galerie H. O. Miethke
Hugo Othmar Miethke gründete Anfang 1874 die Galerie H. O. Miethke mit Firmensitz am Neuen Markt 13, Ecke Plankengasse 6 und spezialisierte sich auf den »Verlag von und Handel mit Malerei«. Er handelte mit Alten Meistern, versteigerte Künstlernachlässe von Hans Makart, Emil Jakob Schindler und Rudolf von Alt und arbeitete zeitweise auch wieder mit Carl Josef Wawra zusammen, dessen Schwerpunkt im Grafikbereich lag. Im Altmeisterhandel zählten sowohl öffentliche Sammlungen und Museen, als auch bedeutende Sammler wie Gustav Figdor und Graf Johann Pálffy zum Kundenkreis. Zudem baute Miethke die Vertretung zeitgenössischer Künstler weiter aus.

Im Jahr 1895 kaufte er das Palais der Adelsfamilie Nákó in der Dorotheergasse 11 (heute: Palais Eskeles) und ließ das klassizistische Gebäude umbauen. Im Erdgeschoß fanden der Verlag und ein mit weißem Marmorboden und einer Glasdecke gestalteter, lichtdurchfluteter Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst Platz. Der erste Stock blieb weitgehend unverändert und bildete mit dekorierten und vergoldeten Holzdecken einen passenden Rahmen für die Präsentation der Alten Meister. Im zweiten Stockwerk richtete sich der Galerist seine private Wohnung ein. Nach der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten am 29. Mai 1896 entwickelte sich die Galerie zu einer der bedeutendsten Kunsthandlungen der Monarchie, in der nebeneinander alte und moderne, aber auch österreichische und internationale Kunst vertreten war.

Besitzerwechsel der Galerie H. O. Miethke
Da sich Hugo Othmar Miethke im Alter aus dem Geschäft zurückziehen wollte, war ein Verkauf der Galerie an den Galeristen und »passionirten [!] Kunstliebhaber« Hans Weidenbusch aus Wiesbaden bereits um 1900 angebahnt. Er gedachte »nicht nur wie bisher Bilder alter Meister zur Ausstellung zu bringen, sondern auch die moderne Richtung in weitestem Maße zu pflegen«. Laut Handelsregister erfolgte der Verkauf an Weidenbuch erst am 31. Mai 1904, der kurz darauf unerwartet starb.

Am 22. November 1904 übernahm Paul Bacher die Galerie als neuer Besitzer. Er war Juwelier, seit 1894 mit Emma Paulick, der Tochter des renommierten k. k. Hoftischlermeisters Friedrich Georg Paulick verheiratet und mit Gustav Klimt befreundet. Bacher engagierte für die »artistische Leitung« Carl Moll, »dessen Verwaltungstalent, Inszenierungskunst und temperamentvolle Beredsamkeit einen nicht hoch genug zu schätzenden Gewinn für das Unternehmen« von Adalbert Seligmann in der Neuen Freien Presse attestiert wurde. Molls Rolle in der Galerie Miethke sowie unter anderem die Idee, dass Secessionsmitglieder auch dort ihre Kunst präsentieren könnten, führte in der Wiener Secession zu Unstimmigkeiten, die bereits bestehende vereinsinterne Konflikte verstärkten. Die »Affäre Moll« endete 1905 mit seinem Austritt aus der Secession und wurde medial aufgeheizt, da beide Seiten Stellungnahmen in Tageszeitungen und Kunstmagazinen veröffentlichten. Dabei argumentierte die Vereinigung Molls Funktion bei Miethke und dessen daraus resultierenden Austritt als Ursache für den kurz darauf erfolgten Austritt der sogenannten Klimt-Gruppe. Laut Moll traten die Mitglieder um Klimt allerdings erst »viele Wochen später aus ganz anderen, rein künstlerischen Gründen« aus. Weiters gab er in Die Werkstatt der Kunst zu Wort:

»Die Kollegen Klimt, Prof. Hoffmann und Prof. Moser bestimmten mich, Herrn Bacher als künstlerischer Ratgeber für die ersten Jahre zur Seite zu treten, und ich übernahm infolgedessen die Ausstellungsleitung der Galerie Miethke ganz unabhängig von der Kunsthandlung, welche Herr Bacher leitet.«

Moll initiierte die Modernisierung des Ausstellungssaales in der Dorotheergasse, der durch eine Oberlichte zwar hell, aber mit dunklen Holzvertäfelungen und Stofftapeten ausgestattet war. Die Umgestaltung zu einem puristischen Raum mit weißem Mörtelputz, schwarzen Fenster- und Türrahmen und einem Fries aus schwarzen Eisenknöpfen zum Hängen der Bilder übernahm Kolo Moser, der auch ein neues Firmenlogo entwarf. Mit ähnlicher Ausstattung und den charakteristischen Eisenknöpfen gestaltete Moser gemeinsam mit Josef Hoffmann zudem die Räume des neuen Ausstellungslokals, das im Dezember 1905 am Graben 17 mit einer Ausstellung der Wiener Werkstätte eröffnete. Durch das innovative Corporate Design, die neutralen Ausstellungsräume im Sinne eines White Cube und ihrem Avantgardeprogramm stand die Galerie Miethke nun in direkter Konkurrenz zur Secession.

Über Vermittlung von Adolf Hölzel wurde im Frühjahr 1905 der Kunstschriftsteller und Journalist Arthur Roessler als »geschäftlichen Leiter« engagiert, der jedoch bereits kaum ein Jahr später kündigte. Roesslers Nachfolger war ab Juli 1906 der langjährige Sekretär des Wiener Kunstgewerbevereins Emil Maria Steininger, der ebenfalls nur für ein Jahr als Direktor fungierte.

Hugo Haberfelds Rolle in der Galerie H. O. Miethke
Da Paul Bacher am 5. Mai 1907 starb, wurde seine Witwe Emma Bacher zur neuen Galerieeigentümerin. Kurz davor übernahm der Kunsthistoriker Dr. Hugo Haberfeld die Rolle des Direktors. Er arbeitete als Kunstkritiker u.a. für Die Zeit und Kunst und Künstler und hatte bis dahin einige Vorworte für Ausstellungskataloge der Galerie verfasst. Haberfeld zählte zu den frühen Auftraggebern von Adolf Loos, der um 1902 die Einrichtung seiner Wohnung entwarf und wurde zu einer tragenden Figur der Galerie. Er konnte sich ab 1907 als künstlerischer Leiter neben Moll etablieren, allerdings entwickelten sich bald Spannungen und ein Konkurrenzkampf. Auch weil Emma Bacher weniger Kapital in den Altmeisterankauf investieren wollte, stellte ihr Moll das Ultimatum, sich zwischen ihm und Haberfeld zu entscheiden und löste sich schließlich im Juli 1912 von der Galerie.

Haberfeld führte als alleiniger Leiter Präsentationen von Privatsammlungen ein – darunter jene von Ludwig Hevesi und Richard Muther – und handelte parallel mit Alten Meistern sowie zeitgenössischen Positionen. Darunter waren sowohl junge Maler wie Egon Schiele, dem 1911 eine Einzelschau gewidmet war, ehemalige Secessionisten sowie Künstler der Wiener Werkstätte als auch bahnbrechende Künstler der europäischen Moderne wie Aubrey Beardsley, Claude Monet, Édouard Manet, Paul Gauguin, Vincent van Gogh und Pablo Picasso vertreten. Zwischen 1913 und 1914 leitete die Galerie die städtische Kunsthalle im böhmischen Karlsbad und organisierte in Zusammenarbeit mit dem Pariser Kunsthaus Bernheim-Jeune eine Ausstellung.

Gustav Klimts Vertretung in der Galerie H. O. Miethke
Gustav Klimt etablierte sich ab 1905 nach seinem Austritt aus der Secession zum Aushängeschild der Galerie H. O. Miethke, die den Künstler vertrat und seine Ausstellungsbeteiligungen, Öffentlichkeits- und Pressearbeit, Verkäufe, die Herausgabe mehrerer Lieferungen der Mappe Das Werk Gustav Klimts sowie die Reproduktionsgenehmigungen von Klimt-Werken abwickelte. Klimts Einzelausstellung, in der er im Sommer 1907 erstmals in Österreich seine drei umstrittenen Fakultätsbilder Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Die Medizin (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) und Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) gemeinsam und in vollendetem Zustand präsentierte, sorgte für Aufsehen. Die Galerie übernahm im Zuge der »Kunstschau Wien 1908« und der »Internationalen Kunstschau Wien 1909« auch organisatorische Agenden für Klimt in seiner Funktion als Präsident des Ausstellungskomitees, da alle Anfragen an die Galerie zu richten waren. Weiters überliefern 81 erhaltene Karteikarten der Firma Verkäufe seiner Werke, wobei darunter Namen wie Ast, Bloch-Bauer, Waerndorfer, Zuckerkandl oder auch Wittgenstein zu finden sind.

1915 folgte eine Übersiedlung in die Augustinerstraße 6 und 1917 verkaufte Emma Bacher – seit 1911 durch ihre Heirat mit Richard Teschner nun Emma Teschner – das Unternehmen an Hugo Haberfeld. Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs konnte er nicht mehr an vorherige Erfolge anknüpfen und flüchtete als Jude während der NS-Zeit mit seiner Familie nach Frankreich. Die Galerie wurde 1940 aus dem Handelsregister gestrichen.

Literatur und Quellen

  • Österreichisches Biographisches Lexikon. Carl Josef Wawra. www.biographien.ac.at/oebl/oebl_W/Wawra_Carl-Josef_1839_1905.xml (26.08.2020).
  • Tobias G. Natter (Hg.): Die Galerie Miethke. Eine Kunsthandlung im Zentrum der Moderne, Ausst.-Kat., Jüdisches Museum Wien (Wien), 19.11.2003–08.02.2004, Wien 2003.
  • Berta Zuckerkandl: Aus dem Leben eines berühmten Kunsthändlers. Interview mit Herrn Miethke, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 29.01.1905, S. 3-5.
  • -n-.: Kunstsalon H. O. Miethke, in: Neue Freie Presse, 30.05.1896, S. 7.
  • --nn.: Die Galerie Miethke in Wien, in: Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, N.F., 7. Jg., Heft 31 (1895/96), Spalte 503-507.
  • V.: Karl Josef Wawra, in: Oesterreichisch-ungarische Buchhändler-Correspondenz, 46. Jg., Nummer 23 (1905), S. 333.
  • N.N.: Verkauf des Kunstverlages H. O. Miethke, in: Neue Freie Presse, 28.12.1899, S. 6.
  • Josef August Lux: Moderne Kunstausstellung, in: Arbeiter-Zeitung, 13.12.1905, S. 1-2.
  • Adalbert Franz Seligmann: Waldmüller-Ausstellung, in: Neue Freie Presse, 20.11.1904, S. 12-13.
  • N. N.: Die Spaltung in der Wiener Sezession, in: Die Werkstatt der Kunst. Organ für die Interessen der bildenden Künstler, 4. Jg., Heft 39 (1905), S. 530-531.
  • Horst-Herbert Kossatz: Der Austritt der Klimt-Gruppe. Eine Pressenachschau, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 20. Jg., Heft 141 (1975), S. 23-26.
  • Berta Zuckerkandl: Ein Haus für die Künstlerschaft, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 23.04.1919, S. 3.
  • Christian Huemer: Carl Moll als Ausstellungsmacher und Kunsthändler, in: Cornelia Cabuk, Christian Huemer, Stella Rollig (Hg.): Carl Moll. Monografie und Werkverzeichnis, Wien 2020, S. 70-91.
  • N. N.: Ein neuer Kunstsalon, in: Die Zeit, 03.12.1905, S. 3-4.
  • A. F. S.: Zweckkunst, in: Neue Freie Presse, 07.12.1905, S. 1-3.
  • N. N.: Kunstschau 1908, in: Neue Freie Presse, 11.03.1908, S. 12.
  • N. N.: Galerie Miethke, in: Die Zeit, 03.05.1907, S. 3.
  • Ansichtskarte von Carl Moll in Madrid an Emma Bacher in Wien, mitunterschrieben von Gustav Klimt, LGM 31/13 (10/30/1909), Sammlung Villa Paulick, courtesy Klimt-Foundation, Wien.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Bad Gastein, 1. Karte (Morgen) (06/29/1912). RL 2865, Leopold Privatsammlung.
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv. Handelsregister Ges 4/106, Signatur 2.3.3.B75.4.106, Miethke & Wawra. www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml (17.11.2022).
  • Brief von Carl Moll an Ludwig Abels (presumably circa 1930). Autogr. 1530/24-1, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
  • Neues Wiener Tagblatt (Abendausgabe), 02.10.1912, S. 5.