Neukunstgruppe

Anton Faistauer: Plakat für die erste Ausstellung der Neukunstgruppe, 1909
© Klimt-Foundation, Wien

Egon Schiele: Manifest der Neukunstgruppe, Aufsatzentwurf, Blatt 1, Vorderseite, 1909
© ALBERTINA, Wien

Die Neukunstgruppe wurde im Sommer 1909 gegründet und setzte sich eine künstlerische Evolution unabhängig von konservativen und traditionsbehafteten Strömungen zum Ziel. Gustav Klimts Œuvre bedeutete für viele der »Neukunst-Füchse« künstlerisches Fundament und Ausgangspunkt.

Besser ein »Klimt-Kerl« als ein Griepenkerl. Die Gründungsphase
Im April des Jahres 1909 verfasste Egon Schiele mit Unterstützung von gleichgesinnten Kommilitoninnen und Kommilitonen einen Protestbrief. Durch provokante Fragestellungen zweifelten die jungen Studierenden die Lehrmethoden an der Akademie der bildenden Künste Wien an und forderten eine liberale und offene Unterrichtsgestaltung. Stein des Anstoßes war vor allem die von Professor Griepenkerl geleitete Fachklasse. Hinzu kamen persönliche Ressentiments zwischen Schiele und Griepenkerl. Diese Petition führte schließlich zur Androhung des Ausschlusses der daran beteiligten Personen aus der Lehranstalt. Schiele und seine Mitstreitenden kamen dieser Drohung zuvor und verließen die Akademie aus freien Stücken. Der Weg für die Gründung der Neukunstgruppe war geebnet. Arthur Roessler merkte richtungsgebend an:

»Wenn ich aber die Wahl zwischen einem Griepenkerl-Nachahmer und einem Klimt-Nachahmer frei habe, erkläre ich mich, ohne zu zaudern, für Klimt, weil ein Klimt-Kerl halt doch ein anderer Kerl ist als ein Griepenkerl.«

»Deshalb gibt es keine Neukunst. Es gibt Neukünstler.«
Zu den Gründungsmitgliedern zählten, neben Schiele u.a. Erwin Dominik Osen, Anton Faistauer, Franz Wiegele, Schieles Schwager Anton Peschka, Robin Christian Andersen, Rudolf Kalvach, Felix Albrecht Harta, Oskar Kokoschka, Albert Paris Gütersloh und Anton Kolig. Schiele selbst fungierte als Präsident und zugleich Sekretär.

Für die Namensgebung dürfte neben dem inhärenten Gründungszweck dieser jungen Formation auch die Publikation »Altkunst – Neukunst« von Ludwig Hevesi, welche im selben Jahr erschien, inspirierend gewesen sein.

Am 17. Juni des Jahres 1909 verpflichteten sich die jungen Künstlerinnen und Künstler für ein Ausstellungsengagement bei Gustav Pisko. Darüber hinaus verfasste Schiele ebenfalls im Juni das Gründungsmanifest. Die junge Formation verfolgte einen ähnlichen Zweck wie schon Gustav Klimt 1897 mit der Gründung der Wiener Secession: Die Reformierung und Erneuerung der Kunst, wobei Schiele in seinem Manifest klarstellte:

»[...] Der Neukünstler muß unbedingt er selbst sein; er muß Schöpfer sein; er muß unvermittelt, ohne all das Vergangene und Hergebrachte zu benützen, ganz allein den Grund in sich haben, auf dem er baut.«

Veröffentlicht wurde die Proklamation der Neukunstgruppe in adaptierter Form in der Zeitschrift Die Aktion im Jahr 1914.

»Namentlich der Einfluss Klimts ist unverkennbar«. Die Ausstellungen der »Neukunst-Füchse«
Die Neukunstgruppe stellte schließlich Anfang Dezember 1909 in den Räumen des Salon Pisko am Schwarzenbergplatz (Lothringerstraße 14, Wien-Landstraße) aus, in unmittelbarer Nähe zum Schauplatz der nur wenige Monate zuvor stattgefundenen »Internationalen Kunstschau«, bei der bereits auch einige der »Neukunst-Füchse« vertreten waren. Neben Friedrich Dornhöffer, dem Direktor der Modernen Galerie (heute: Österreichische Galerie Belvedere), nahm etwa auch Carl von Reininghaus an der Eröffnung teil. Die junge Gruppierung trat durch die Schau mit dem Journalisten und Kunstkritiker Arthur Roessler in Kontakt, der demnach zu einem wichtigen Fürsprecher und Förderer der Gruppe und vor allem Egon Schieles wurde. Anfang Februar 1910 folgte eine weitere Präsentation im Klub Deutscher Künstlerinnen in Prag. Vierzehn Zeichnungen von Schiele wurden von der Prager Polizei vor der Eröffnung konfisziert, da sie als anrüchig galten. Die Montags-Revue aus Böhmen berichtete am 7. Februar:

»[…] Viel brausende Kraft ist in ihr, ein starkes Wollen und bereits ein Können. Noch betritt diese Jugend etwas unsicher den Plan, noch haftet ihnen ein wenig das Gängelband an, daß ihre bewunderten Herren, Klimt, Hodler und Goguin [!] um sie schlangen. Aber schon ringt sich der unmittelbare Ausdruck eigener Empfindungen durch […].«

Das Prager Abendblatt wiederum vermisst bei den 17 jungen Kunstschaffenden Innovation und Alleinstellungsmerkmale:

»[…] Sie können sich nicht ganz vom Irdischen loslösen, das ihnen in unterschiedlicher Gestalt, auch in Klimtschen Gold- und Silberflittern anhaftet.«

Deutlich wird durch diese Rezensionen und die ausgestellten Werke, dass Klimt für die geistigen Schöpfungen einflussgebend war.

Im Februar 1911 präsentierte diese Vereinigung in den Räumlichkeiten des Hagenbundes in der Wiener Zedlitzhalle (heute: Bürohaus und Umspannwerk Zedlitzgasse, Zedlitzgasse 6, Wien-Innere Stadt) ihre »Sonderausstellung Malerei und Plastik«. Im Jänner des Jahres 1912 organisierte Albert Paris Gütersloh die Schau »Neukunst Wien« im Budapester Künstlerhaus. Anfang des Jahres 1913 wurden einige »Neukunst-Füchse« in den Bund österreichischer Künstler aufgenommen, deren Präsident Gustav Klimt war. Es folgte eine Schau in Budapest, welche die gemeinsame Präsentation der jungen und althergebrachten Linien der aktuellen Kunst zum Ziel hatte.

Die junge Formation währte in festen Zügen nur für kurze Zeit, es kam zur sukzessiven Auflösung. Ein Gros der »Neukunst-Füchse« - den Begriff prägte der Kunsthistoriker Josef Strzygowski - stand jedoch weiterhin in enger freundschaftlicher Verbindung und stellte miteinander aus.

Literatur und Quellen

  • N. N.: Die Kunst – Der Neukünstler, in: Die Aktion. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst, 20. Jg., Nummer 4 (1914), S. 428.
  • Christian M. Nebehay: Egon Schiele. Von der Skizze zum Bild, Wien 1989.
  • Eva Werth: »Ich weiß, dass es keine moderne Kunst gibt, sondern nur eine - die immerwährend ist.ʼ Der >Neukünstler< Egon Schiele«, in: Anne-Marie Corbin, Friedbert Aspetsberger (Hg.): Schriftenreihe Literatur des Instituts für Österreichkunde. Traditionen und Modernen. Historische und ästhetische Analysen der österreichischen Kultur, Band 19, Innsbruck - Wien - Bozen 2008, S. 207-222.
  • Egon Schiele Datenbank der Autografen. Biografie (20.04.2020). www.schiele-dokumentation.at/egonschiele.php (20.04.2020).
  • Elisabeth Leopold (Hg.): Egon Schiele. Gemälde Aquarelle Zeichnungen, München 2020, S. XVI-XXIV.
  • Egon Schiele (1890–1918). Biographical Chronology auf: Kallir Reserach Institute: Egon Schiele. The Complete Works Online. egonschieleonline.org/biography (20.04.2020).
  • Wilfried Seipel (Hg.): Zeit des Aufbruchs. Budapest und Wien zwischen Historismus und Avantgarde, Ausst.-Kat., Palais Harrach (Wien), 10.02.2003–22.04.2003, Mailand 2003, S. 525–535.
  • N. N.: Ausstellung der »Neukunstgruppe Wien 1910« im Klub Deutscher Künstlerinnen, in: Prager Abendblatt, 04.02.1910, S. 8.
  • N. N.: Ausstellung der Neukunstgruppe Wien im Klub deutscher Künstlerinnen, in: Montagsblatt aus Böhmen, 07.02.1910, S. 7.
  • Josef Stryzygowski: Die Neukunst-Füchse, in: Die Zeit, 01.12.1909, S. 1-2.
  • N. N.: Sittlichkeitsretter bei der Prager Polizei, in: Arbeiter-Zeitung, 03.02.1910, S. 4.
  • Arthur Roessler: Neukunstgruppe. Ausstellung im Kunstsalon Pisko, in: Arbeiter-Zeitung, 07.12.1909, S. 7-8.
  • Neue Freie Presse, 02.12.1909, S. 13.
  • Egon Schiele: Manifest der Neukunstgruppe, Variante 1, 06. 1909. Egon Schiele Datenbank der Autografen, ID: 231. www.schiele-dokumentation.at/objekt.php (29.08.2022).
  • Salzburg Museum. Faistauer, Schiele, Harta & Co - Malerei verbindet. www.salzburgmuseum.at/ausstellungen/rueckblick/ausstellungen-seit-2015/faistauer-schiele-harta-co-painting-connects-us/ (20.04.2020).
  • Tobias G. Natter: Egon Schiele und die Neukunstgruppe, in: Tobias G. Natter (Hg.): Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 14.06.2006–24.09.2006, Wien - Köln 2006, S. 45-61.