Sanatorium Purkersdorf

Sanatorium Purkersdorf, Außenansicht, um 1904
© Klimt-Foundation, Wien

Einblick in die XVIII. Secessionsausstellung, November 1903 - Januar 1904
© Klimt-Foundation, Wien

Sanatorium Purkersdorf, Innenansicht, um 1904
© Klimt-Foundation, Wien

Richard Luksch: Weibliche Fayencefigur, 1905
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Der Beethovenfries (Die feindlichen Gewalten), 1901/02, Österreichische Galerie Belvedere, Dauerleihgabe in der Secession, Wien
© Belvedere, Wien

Gustav Klimt vor dem Sanatorium Westend in Purkersdorf, vermutlich 1905, MAK - Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte
© MAK

Das von Josef Hoffmann konzipierte und von der Wiener Werkstätte ausgeführte Sanatorium Westend in Purkersdorf ist eines der progressivsten Projekte dieses universell tätigen Architekten. In der puristischen Umsetzung der Idee des Gesamtkunstwerks zeigten sich in diesem noblen Zweckbau erstmals jene baukünstlerischen Grundzüge, die im kurz danach errichteten Brüsseler Palais Stoclet ihre Vollendung fanden.

Die Gründungsgeschichte des Sanatoriums
Victor Zuckerkandl, Leiter der Gleiwitzer Eisendindustrie-AG, Mäzen, Kunstsammler und Schwager von Berta Zuckerkandl, erwarb im Jahr 1903 jene Liegenschaft in Purkersdorf an der westlichen Wiener Stadtgrenze, auf der zuvor der Mediziner Dr. Anton Loew eine Kur- und Heilwasseranstalt unterhalten hatte. Zuckerkandl ließ die vorhandene Architektur erweitern und durch moderne Neubauten ergänzen. Darüber hinaus wurde auch der weitläufige Park mit ansprechenden Freizeitanlagen wie etwa Tennisplätzen und einem Kneippkanal für Kaltwasserkuren ausgestattet, um den Gästen ganzheitliche Erholung bieten zu können. Den Auftrag dazu erteilte Zuckerkandl Josef Hoffmann, vermutlich auf Empfehlung seiner Schwägerin. Die Umsetzung dieses Bauvorhabens erfolgte zwischen 1904 und 1906, wobei die ersten Entwurfszeichnungen auf das Jahr 1903 zurückgehen.

Ein »Mittelding zwischen modernem Hotel und moderner Heilstätte«
Nicht als reiner Ziegelbau wie ursprünglich angedacht, sondern unter Einbeziehung der damals neuartigen, Industriebauten vorbehaltenen Eisenbetontechnik wurde das Sanatorium, das mehr einem gehobenen Hotel als einer Nervenklinik oder Heilanstalt glich, errichtet. Elementar für die Konstruktion war die Firma Eduard Ast & Co, die verantwortlich zeichnete für die Statik und die eigentliche Ausführung. Dieses Unternehmen verfügte bereits über ausreichend Erfahrung im Bau von Wasserheilanstalten. In Purkersdorf konnte die von Ast genutzte Bautechnik vor allem im großen Speisesaal unter Verwendung einer Plattenbalkendecke, die dem Raum Luft und Volumen gab, ihre volle Wirkung entfalten. Ast und Hoffmann respektive die Wiener Werkstätte gingen auch weiterhin eine kongeniale Symbiose ein. 1905 entwarf Hoffmann das Firmensignet von Eduard Ast & Co. Wenige Jahre später errichtete er für den namengebenden Firmengründer das Haus Ast in der Villenkolonie auf der Hohen Warte.

Hoffmanns architektonisches Konzept für den Sanatoriumsbau beruhte darauf, dem Anspruch der gehobenen, vorrangig Wiener Klientel durch simple Eleganz und Zweckdienlichkeit gerecht zu werden. Überdies sollte Hoffmanns reduzierte, puristische Architektur einen Ruhepol für die angegriffene Psyche der Heilsuchenden bieten.

Das aus kubischen Formen komponierte Kurhaus mit dem lichtdurchfluteten Speisesaal fungierte als Hauptgebäude, gesäumt von mehreren Pavillons. Ganz im Sinne des Gesamtkunstwerkes gestaltete Hoffmann gemeinsam mit Kolo Moser auch die Innenräume und Ausstattungsgegenstände. Zudem war Hoffmanns Kompagnon für die Konzeption der Patientenräume und Sitzgruppen hauptverantwortlich. Im Eingangsbereich standen Mosers heute als Designikonen geschätzte weiße Lehnstühle mit schwarz-weißem Schachbrettmuster als Sitzfläche, die bereits Bestandteil der XVIII. Ausstellung der Wiener Secession, der »Kollektiv-Ausstellung Gustav Klimt«, im Jahr 1903 waren. Sie flankierten in dieser Schau Klimts Gemälde Porträt Hermine Gallia (1903/04, The National Gallery, London) und verkörperten den Grundgedanken von Kolo Mosers elementarem, reduziertem Ausstellungsdesign. Weiters verwendete Moser in dieser Schau Ornamentbänder als dekoratives Element, die einen zusätzlichen Rahmen um Klimts Werke bildeten. Auch dieses raumgestalterische Detail wurde ein Jahr später in Hoffmanns Sanatoriumsarchitektur integriert.

Die Beteiligung weiterer Künstler an diesem Gesamtkunstwerk war unerlässlich. So schuf der Bildhauer Richard Luksch für den östlichen Eingangsbereich zwei Reliefs mit figürlichen Darstellungen aus frei aufgetragenem Mörtel, verziert mit Steinen. Zudem waren zwei lebensgroße weibliche Fayencefiguren als Bekrönung des westlichen Haupteingangs vorgesehen. Die in eleganten Drehbewegungen dargestellten Frauen erinnern in ihrer Gestaltung an Gustav Klimts Gorgonen aus dem Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien). Luksch war ebenso an der berühmten »Beethoven-Ausstellung« der Wiener Secession beteiligt gewesen, weswegen eine Beeinflussung durchaus denkbar erscheint. Kurze Zeit nach ihrer Anbringung an ihrem vorgesehenen Standort wurden diese Skulpturen demontiert und in der Galerie Miethke zum Verkauf angeboten. Schließlich erwarb sie Adolphe Stoclet für sein berühmtes Palais in Brüssel, ein Werk, welches die kongeniale Zusammenarbeit von Hoffmann, Klimt und der Wiener Werkstätte auch heute noch eindrücklich verdeutlicht.

Die Gäste des Sanatoriums
Zu den Gästen dieser Anlage, die Badekuren, physikalische Therapien, die Heilung von Nervenkrankheiten und die Behandlung von Rekonvaleszenten bot, zählten etwa Hoffmann und Moser selbst, Arthur Schnitzler, Gustav Mahler und Hugo von Hoffmannsthal. Auch Klimt war das Sanatorium Westend bekannt, wie eine Fotografie von 1905 und ein Tagebucheintrag Schnitzlers vom 1. Juni 1913, in dem er von einem Ausflug nach Purkersdorf berichtet, verdeutlichen.

Victor Zuckerkandl und Klimt
Zuckerkandl besaß nicht nur eine bedeutende Asiatika-Sammlung, für die er in Purkersdorf ein Museum, einen japanischen Pavillon, errichten ließ, sondern war auch einer der bedeutendsten Klimt-Sammler. Neben der Pallas Athene (1898, Wien Museum) besaß er zumindest sieben Landschaftsbilder. So erwarb er 1908 Blühender Mohn (1907, Belvedere, Wien) und 1911 Rosen unter Bäumen (um 1904, Privatbesitz) aus der Galerie Miethke. Zudem gehörten ihm Allee vor Schloss Kammer am Attersee (1912, Belvedere, Wien), Malcesine am Gardasee (1913, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen), Kirche in Cassone (1913, Privatbesitz), Forsthaus in Weissenbach am Attersee II (1914, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection) und Litzlberg am Attersee (um 1915, Privatbesitz). Darüber hinaus beauftragte er bei Klimt ein Bildnis seiner Ehefrau, Porträt Paula Zuckerkandl (1912, Verbleib unbekannt).

Der Verfall des Sanatoriums Westend
Zuckerkandl übersiedelte mit seiner Frau Paula (geb. Freund) aus beruflichen Gründen im Jahr 1916 nach Berlin-Grunewald. Die Sommermonate verbrachten sie weiterhin in Purkersdorf. Die Verwandten und rechtmäßigen Erben des kinderlos gebliebenen Ehepaares verblieben bis zum Zwangsverkauf 1938 ebenfalls auf dem Gelände des Sanatoriums in der sogenannten Villa Paula. Dieses und weitere Gebäude wurden von Leopold Bauer errichtet. Der Wechsel des ausführenden Architekten war den exorbitanten Kosten für den Sanatoriumsumbau und daraus resultierenden Differenzen geschuldet.

1926 führte Bauer weitere Adaptionen durch, die den Gesamteindruck erheblich veränderten. Nach Zuckerkandls Ableben im Jahr 1927 wurde das Sanatorium unter einer Erbengemeinschaft aufgeteilt, zu der am Ende Amalie Redlich, Fritz Zuckerkandl, Nora Stiasny und Hermine Müller-Hofmann zählten. Der Fortbetrieb der Kuranstalt wurde dadurch zwar gesichert, in den folgenden Jahren erlebte das Sanatorium jedoch massive Einbrüche, die nach dem »Anschluss« Österreichs in einer Schließung mündeten. Die Kuranstalt sowie die Privatgebäude der Familie Zuckerkandl wurden zuerst an die Kontrollbank zwangsverkauft, der bewegliche Besitz beschlagnahmt. Während des NS-Regimes war die jüdische Familie Zuckerkandl als Opfer der Shoa von Ermordung und Beraubung besonders betroffen. Der Nationalsozialist und Augenarzt Dr. Hans Gnad erwarb schließlich die gesamte Anlage. Das Sanatorium fungierte fortan als Lazarett und fiel nach Ende des Krieges Zerstörungen und Plünderungen zum Opfer.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage wiederbelebt, man führte sie abwechselnd als Krankenhaus und Seniorenresidenz. 1984 wurde der Betrieb jedoch eingestellt, die gesamte Liegenschaft war dem Verfall preisgegeben. Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends erfolgte eine grundlegende Sanierung, deren Zielsetzung es war, die Grundstruktur dieses zweckdienlichen Gesamtkunstwerkes von Josef Hoffmann wiederherzustellen. Seit 2003 wird diese einstige Inkunabel Hoffmanns und der Wiener Werkstätte als Seniorenpflegeresidenz Hoffmann Park geführt.

Literatur und Quellen

  • Berta Zuckerkandl: Josef Hoffmann, in: Die Kunst. Monatshefte für freie und angewandte Kunst, Band 10 (1903/04), S. 1-29.
  • Ludwig Hevesi: Neubauten von Josef Hoffmann, in: Altkunst – Neukunst, Wien 1909, S. 214-221.
  • Sophie Lillie: Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 919-924, S. 1367-1373.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene, Köln 2003, S. 100-110.
  • Karin Thun-Hohenstein: Josef Hoffmann – Sanatorium Purkersdorf (1904–1905). Diplomarbeit, Wien 2012.
  • Eduard F. Sekler: Josef Hoffmann. Das architektonische Werk. Monographie und Werkverzeichnis, Salzburg - Wien 1982.
  • Kunst.buwog.at, BMBWK (Hg.): Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf bei Wien, Wien 2003.
  • Gottfried Mayer: Das Sanatorium Westend im Fin de Siècle – Bewohner und Gäste, in: Kunst.buwog.at, BMBWK (Hg.): Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf bei Wien, Wien 2003, S. 36-39.
  • Otto Kapfinger: Anatomie der Läuterung. Konstruktion als gestaltbildender Faktor beim Sanatorium Purkersdorf, in: Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Rainald Franz, Christian Witt-Dörring (Hg.): Josef Hoffmann. 1870–1956. Fortschritt durch Schönheit, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 15.12.2021–19.06.2022, Basel 2021, S. 109-117.
  • Tagebucheintrag von Arthur Schnitzler vom 01.06.1913 (06/01/1913).