Im Fokus von Klimt-Werk stehen sämtliche Aspekte des Œuvres des Jugendstilmeisters. Visualisiert durch eine Timeline, werden hier Klimts Schaffensperioden aufgerollt, beginnend von seiner Ausbildung, über seine Zusammenarbeit mit Franz Matsch und seinem Bruder Ernst in der »Künstler-Compagnie«, die Affäre um die Fakultätsbilder bis hin zu seinem Nachruhm und Mythos, der diesen Ausnahmekünstler noch heute umgibt.

1907 – 1909

Gustav Klimt am Zenit

Die zwischen 1907 und 1909 entstandenen Ölgemälde bilden den Höhepunkt der Goldenen Periode in Klimts Werk: Allen voran das Porträt Adele Bloch-Bauer I und die Monumentalikone Der Kuss (Liebespaar). Dazu arbeitete Klimt am Fries für das Palais Stoclet in Brüssel. Mit der »Kunstschau Wien 1908« und der »Internationale Kunstschau Wien 1909« organisierte die Klimt-Gruppe zudem zwei der wichtigsten und umfangreichsten Ausstellung der Wiener Moderne.

9 Kapitel


Gustav Klimt: Der Kuss (Liebespaar), 1908/09, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Die Hetä­ren­ge­sprä­che des Lukian

Der Prachtband Die Hetärengespräche des Lukian erschien 1907 im Verlag Julius Zeitler. Die deutsche Übertragung der Dialoge des spätantiken Autors Lukian von Samosata stammen von Franz Blei; die 15 erotischen Zeichnungen von Gustav Klimt wurden als Lichtdruck-Tafeln eingebunden und die Einbände der luxuriösen Vorzugsausgaben fertigte die Wiener Werkstätte.

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Ausgabe C, Deckeltitel, in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
© Klimt-Foundation, Wien

Hö­he­punk­te der Goldenen Periode

In die Jahre 1907 bis 1909 fällt die Entstehung von einigen der größten Meisterwerke Gustav Klimts. In seinen Gemälden Der Kuss (Liebespaar) und Porträt Adele Bloch-Bauer II steigerte er die Wirkkraft des Goldes zum Höhepunkt. In seinen Werken Die Hoffnung II, Danaë und Judith II beschäftigte er sich mit dem Frauenbild um 1900.

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Gustav Klimt: Der Kuss (Liebespaar), 1908/09, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Die Fort­set­zung der Blu­men­mo­sai­ke

1907 schuf Gustav Klimt drei Landschaftsbilder, in denen er abermals der Blütenpracht rund um den Attersee ein Denkmal setzte. Vor allem die Sonnenblume inspirierte ihn zu einer Hommage an die Schönheit der Natur. Das Motiv der wilden Wiese fand abermals Eingang in Klimts Werk.

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Gustav Klimt: Blühender Mohn, 1907, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien , Foto: Johannes Stoll

An­sich­ten von Schloss Kammer am Attersee

Zwischen 1908 und 1912 nächtigte Klimt während der Sommerfrische am Attersee in der Villa Oleander in Kammerl, einem Ortsteil von Kammer-Schörfling. Aus dieser Zeit stammen mehrere Ansichten des ehemaligen Wasserschlosses Kammer, in denen Klimt das facettenreiche Naturbild allmählich einer stilisierten, flirrenden Bildordnung zuführte.

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Gustav Klimt: Schloss Kammer am Attersee I, 1908, Národní Galerie
© Národní galerie Praha

Der Sto­cletfries. Skizzen

Spätestens im Sommer 1908 arbeitete Gustav Klimt an Entwurfszeichnungen für den Stocletfries. Sie zeigen seinen Weg vom ornamentalen Hintergrund mit kleinen figuralen Einlassungen zum großformatigen Lebensbaum mit szenischen Darstellungen. Erst um 1910/11 entstanden die originalgroßen Werkzeichnungen für den Mosaikfries im Speisesaal des Brüsseler Palais Stoclet.

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Gustav Klimt am Bauplatz des Palais Stoclet in Brüssel, 09.05.1906, MAK - Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte
© MAK

Kunst­schau Wien 1908

Auf der »Kunstschau Wien 1908« stellte Gustav Klimt in drei Räumen 16 Ölgemälde und 18 Zeichnungen aus. Als Präsident der sogenannten Klimt-Gruppe war er maßgeblich an der Organisation und dem Programm der Ausstellung beteiligt. Mit vier verkauften Gemälden zählte Klimt zu den erfolgreichsten Künstlern der Großausstellung.

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Rudolf Kalvach: Plakat der Kunstschau Wien 1908
© ALBERTINA, Wien

In­ter­na­tio­na­le Kunst­schau Wien 1909

Die von der Klimt-Gruppe initiierte »Internationale Kunstschau Wien 1909« vereinte die bedeutendsten Künstlerinnen und Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts. In dem von Josef Hoffmann entworfenen Ausstellungsgebäude präsentierte Gustav Klimt sieben Gemälde im Kontext von Arbeiten von Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Max Liebermann, Henri Matisse und Edvard Munch.

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Bertold Löffler: Plakat der Internationalen Kunstschau 1909
© gallica.bnf.fr / BnF

Aus­stel­lungs­be­tei­li­gun­gen

Die Klimt-Gruppe musste sich nach ihrem Ausstieg aus der Wiener Secession 1905 erst neu formieren und organisieren. Bis 1908 fand nur eine nennenswerte Ausstellung Klimts in Österreich statt. Er präsentierte seine neuesten Gemälde stattdessen in Deutschland. In Mannheim, Berlin und Dresden wurde seine Kunst als innovativ und bahnbrechend gelobt. In Wien organisierte Klimt 1908 als Präsident des Ausstellungskomitees die »Kunstschau Wien« sowie 1909 die »Internationale Kunstschau«.

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Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Zeich­nun­gen

Zwischen 1907 und 1909 entstanden vorwiegend Skizzen für den Stocletfries, Der Kuss (Liebespaar) und Die Hoffnung II (Vision). Die zahlreichen Studien zeigen Schreitende, Tänzerinnen, Schwangere und eng umschlungene Liebespaare. Besonders die vereinfachte Geometrisierung der Körperhaltungen steht im Vordergrund.

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Gustav Klimt: Schwangere im Profil nach links, 1907/08, Leopold Museum
© Leopold Museum, Wien

Gustav Klimt am Zenit

Die Hetärengespräche des Lukian

Ausgabe C, Einband, in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
© Klimt-Foundation, Wien

Ausgabe C, Titelseite, in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
© Klimt-Foundation, Wien

Der Prachtband Die Hetärengespräche des Lukian erschien 1907 im Verlag Julius Zeitler. Die deutsche Übertragung der Dialoge des spätantiken Autors Lukian von Samosata stammen von Franz Blei. Die 15 erotischen Zeichnungen von Gustav Klimt wurden als Lichtdruck-Tafeln eingebunden und die Einbände der luxuriösen Vorzugsausgaben fertigte die Wiener Werkstätte.

Der spätantike Autor Lukian von Samosata verfasste etwa um 160 n. Chr. die Hetärengespräche, die in 15 Dialogen einen Einblick in den Alltag der Hetären, den sozial anerkannten und gebildeten, käuflichen Gefährtinnen des 5. Jahrhunderts v. Chr. geben. In den Geschichten aus der Halbwelt Athens unterhalten sich die Protagonistinnen komödiantisch über Themen wie Untreue, Eifersucht, Homosexualität, Züchtigung, Verführung und Liebeszauber.

In der ersten deutschen Übersetzung der Hetärengespräche des Lukian von 1788 nahm Christoph Martin Wieland den V. Dialog nicht auf, da ihm das Gespräch über lesbische Liebe zu unsittlich erschien. Erst 1866 wurde diese Lücke vom Übersetzer Theodor Fischer geschlossen. Der Wiener Schriftsteller, Essayist und Übersetzer Franz Blei lebte ab 1900 in München und gab u.a. die als pornografisch verschriene Zeitschrift Amethyst heraus. Im Jahr 1906 lieferte er die literarische Grundlage für eine Neuedition der Hetärengespräche. In seiner Übertragung veränderte er dafür die Reihenfolge der 15 Dialoge und versah sie mit provokanten Titeln wie Der Schrecken der Ehe, Die Wollust der Prügel oder Die Lesbierinnen. Somit inkludierte Blei auch den »unsittlichen« Dialog über lesbische Liebe als VI. Kapitel.

Das aufwendige Buchprojekt wurde vermutlich von Franz Blei initiiert, wobei mangels eindeutiger Belege die Rollenverteilung aller involvierten Akteure nicht klar nachvollziehbar ist. Gustav Klimt schenkte Blei im Jänner 1906 eine Zeichnung, die vielleicht die Idee für die Herausgabe der Hetärengespräche als Prachtband vorantrieb. Die Auswahl von 15 passenden – großteils bereits existierenden Zeichnungen von Klimt – fand wohl spätestens bis 14. August 1906 statt. Zu diesem Zeitpunkt beauftragte der Verleger Julius Zeitler die Wiener Werkstätte mit zwei Musterbänden »F[ÜR]. KLIMT'S LUKIAN«, deren Gestaltung Josef Hoffmann übernahm. Unter Kennern war der Leipziger Verlag Julius Zeitler bekannt für die Herausgabe von Erotika und das Vorantreiben innovativer Buchkunst. Vermutlich oblag Zeitler auch die grafische Gestaltung, die durch das ungewöhnlich breitrandige Layout, den aufwendigen, zweifarbigen Schriftdruck in Schwarz und Gold sowie die Anordnung der Klimt-Zeichnungen besticht. Zwei hochformatige Zeichnungen, Die Erziehung der Corinna und Der Liebeszauber, markieren den Anfang und das Ende der Hetärengespräche. Dazwischen wurden die restlichen 13 Motive jeweils im Querformat eingefügt, wodurch die Leser:innen gezwungen sind, ihre Lektüre zu unterbrechen und das Buch um 90 Grad zu drehen, um diese zu betrachten.

Galerie

  • Ausgabe C, Die Wollust der Prügel III., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Ausgabe C, Die Wollust der Prügel III., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Ausgabe C, Die Lesbierinnen VI., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Ausgabe C, Die Lesbierinnen VI., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Ausgabe C, Die Lesbierinnen VI., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Ausgabe C, Die Abrechnung XI., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Ausgabe C, Die Abrechnung XI., in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
    © Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimts erotische Zeichnungen in den Hetärengesprächen
Sowohl stilistisch, als auch materialtechnisch können Klimts 15 erotische Zeichnungen, welche die Hetärengespräche visuell ergänzen, in die Zeit zwischen 1904 bis 1906 datiert werden. Dabei stehen einige Blätter im Zusammenhang mit den Studien für Wasserschlangen II (1904, überarbeitet vor 1908, Privatbesitz). Zwei Drittel der Zeichnungen entstanden 1904 an Klimts zeichnerischem Wendepunkt, als er von weicher Kreide auf Packpapier zu hartem Bleistift auf hellerem Japanpapier in einem größeren Format wechselte. Hinzu kam die Hinwendung zur Darstellung erotischer Frauenkörper. Anders als in seinem malerischen Werk, setzte er in seinen Zeichnungen den Motivkreis von masturbierenden oder lesbischen, nackten und halbnackten Frauen um.

Für die sinnlichen Darstellungen jenseits gängiger Moralvorstellungen fand Klimt vermutlich Inspirationsquellen in griechischer Vasenmalerei, japanischen Holzschnitten und den ihm bekannten, erotischen Illustrationen des englischen Künstlers Aubrey Beardsley. In den ausgesuchten Zeichnungen für die Hetärengespräche dominieren ausgestreckt liegende Figuren, bei denen Klimt zu raffinierten Linienschöpfungen fand, indem er Details wie Scham- und Achselhaare sowie Schmuckstücke akzentuierte und Stoffe um die Körper drapierte.

Die Arbeiten stehen neben den Dialogen der Hetärengespräche als eigenständige Zeichnungen, welche die Texte illustrieren und gewähren einen intimen Einblick in Klimts Werk. So schrieb Franz Blei in seiner 1940 verfassten Autobiografie:

»[…] das Bildnis der Frau war seine [Klimts] Prädilektion, und jene tausende von gezeichneten, die Momente festhaltenden nackten oder halbbekleideten Frauenkörper waren sozusagen sein Privatleben, das Tagebuch seiner besten Leistungen in jedem Sinne.«

Ausgabe C, Exemplar Nummer 431 von 450, in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
© Klimt-Foundation, Wien

Ausgabe B, Exemplar Nummer 11 von 100, Einband, in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
© Dorotheum Linz, Auktionskatalog 09.11.2021

Ausgabe C, Ausgabe B, Exemplar Nummer 11 von 100, Einbandrückseite (Detail), in: Franz Blei (Hg.): Die Hetärengespräche des Lukian, Leipzig 1907.
© Dorotheum Linz, Auktionskatalog 09.11.2021

Herstellung und Vorzugsausgaben des Luxusbandes
Die bibliophile Neuauflage der Hetärengespräche des Lukian sollte ursprünglich noch vor Weihnachten 1906 erscheinen, um den finanzkräftigen Kundenkreis für die Festtage zu bedienen. Die Fertigstellung der luxuriösen Prachtausgabe erfolgte allerdings erst im Jänner 1907. Für die Herstellung wurde die traditionsreiche Buchdruckerei Offizin W. Drugulin in Leizig verpflichtet. Die Zeichnungen reproduzierte die Firma Obernetter in München, die zu den Pionieren und Spezialisten für Lichtdruck zählte. Die teuer und aufwendig gestaltete Produktion sollte den höchsten Standards entsprechen, wobei die Schwierigkeit in der Zusammenführung bzw. Maßabstimmung des Textdrucks und der als Tafeln beigebundenen Lichtdrucke lag.

Derselbe Qualitätsanspruch galt für die Einbände der 450 nummerierten Exemplare. Josef Hoffmann entwarf die Mustereinbände der beiden Vorzugsausgaben A und B, welche die Wiener Werkstätte ausführte. Dabei wurde die Edition A als luxuriöseste Ausgabe auf 50 Exemplare limitiert und auf Japanpapier gedruckt. Die Ausgabe ist mit einem schwarz-weiß marmorierten Ganzleineneinband mit vergoldetem, geprägtem Deckelschild nach Entwurf von Klimt, Goldschnitt und auf den Einband abgestimmtem Vorsatzpapier aus schwarz-weiß marmoriertem Tunkpapier ausgestattet. Die auf Büttenpapier gedruckte Edition B umfasste 100 Exemplare mit grauem Sämischledereinband, ebenfalls mit vergoldetem, geprägtem Deckelschild und Goldschnitt, allerdings ohne das gemusterte handgefertigte Vorsatzpapier. Die Einbände der beiden Vorzugsausgaben sind rückseitig mit Hoffmanns Monogramm JH und dem dreizeiligen Firmenlogo WIENER WERK STÄTTE in Goldprägung versehen. Bei der Edition C handelt es sich um die schlichteste Ausführung als Ganzleinenband mit goldgeprägtem Deckeltitel, die auf 300 Exemplare beschränkt worden war. Franz Blei kommentierte die unterschiedlichen Ausgaben in einem Brief an den Verleger Julius Zeitler folgendermaßen:

»[…] Mit den Lukianbänden haben Sie ganz recht: schön werden alle drei Einbände sein und jeder kann nach Geschmack und Geldbeutel wählen.«

Einige erhaltene Vorzugsausgaben A und B geben einen Eindruck von der Käuferschicht der hochpreisigen Luxusvarianten. Zu den Erstbesitzern zählten Berta Zuckerkandl, Kolo Moser, Paul Bacher, Gottfried Eissler und der bedeutende deutsche Sammler Karl Ernst Osthaus. Hermann Bahr besaß ein Exemplar der Edition C und bedankte sich bei Blei für das Werk, indem er eine Lobrede auf seinen Freund Gustav Klimt und dessen gezeichnete Tabubrüche hielt:

»Ich trinke Klimt, den hellen Heiden. Die da draußen, wo sie alles wissen, glauben, daß er nur mit Linien spiele. Arme Toren, daß ihr die namenlose Macht dieser heilig schwörenden Geilheit nicht vernehmt! Hier ist der einzige, dem keine bürgerliche Scham die blühende Natur verdunkelt. Der einzige, der wieder heidnisch blickt. Der einzige, dem das Weib überall Weib ist.«

Literatur und Quellen

  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band II, 1904–1912, Salzburg 1982, S. 86.
  • Tobias G. Natter: Gustav Klimt und die Hetärengespräche des Lukian. Ein Erotikon, sein Bedeutungsraum und die griechische Antike, in: Stella Rollig, Tobis G. Natter (Hg.): Klimt und die Antike. Erotische Begegnungen, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 23.06.2017–08.10.2017, München 2017, S. 8-25.
  • Marian Bisanz-Prakken: Klimts Zeichnungen für die Hetärengespräche und ihr Stellenwert im Werk des Künstlers, in: Stella Rollig, Tobis G. Natter (Hg.): Klimt und die Antike. Erotische Begegnungen, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 23.06.2017–08.10.2017, München 2017, S. 26-33.
  • Stephanie Auer: Die prominenten Erstbesitzerinnen und Erstbesitzer der Hetärengespräche, in: Stella Rollig, Tobis G. Natter (Hg.): Klimt und die Antike. Erotische Begegnungen, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 23.06.2017–08.10.2017, München 2017, S. 78-85.
  • Hermann Bahr: Die Opale. Blätter für Kunst und Literatur, Leipzig 1907, S. 127-128.
  • Stefan Kutzenberger: "Die Wollust der Prügel". Gustav Klimt, Franz Blei und die "Hetärengespräche" des Lukian, in: Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 144-163.
  • Hartmut Walravens: Briefe Franz Bleis an den Verleger Julius Zeitler (1874-1943). Die Rolle Franz Bleis als Verlagsberater, in: Monika Estermann, Ursula Rautenberg (Hg.): Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band 64, Berlin - Boston 2009, S. 1-52, Nr. 12.
  • Franz Blei: Zeitgenössische Bildnisse, Amsterdam 1940, S. 95.

Höhepunkte der Goldenen Periode

Gustav Klimt: Die Hoffnung II (Vision), 1907/08, The Museum of Modern Art (MoMA), Jo Carole und Ronald S. Lauder, Helen Acheson Funds und Serge Sabarsky
© The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence

In die Jahre 1907 bis 1909 fällt die Entstehung von einigen der größten Meisterwerke Gustav Klimts. In seinen Gemälden Der Kuss (Liebespaar) und Porträt Adele Bloch-Bauer II steigerte er die Wirkkraft des Goldes zum Höhepunkt. In seinen Werken Die Hoffnung II, Danaë und Judith II beschäftigte er sich mit dem Frauenbild um 1900.

Die Hoffnung II (Vision)
Unter dem Titel Vision fand im Jahr 1909 die Erstpräsentation des Bildes Die Hoffnung II (Vision) (1907/08, überarbeitet: vor 1914, The Museum of Modern Art, New York) auf der »Internationalen Kunstschau« statt. Sie wurde in einer Gegenüberstellung mit der ersten Fassung des Themas Die Hoffnung I (1903/04, National Gallery of Canada, Ottawa) gezeigt.

Wie bereits in der ersten Version beschäftigte Klimt sich auch in diesem Werk mit der existentiellen Fragen von Werden und Vergehen, Leben und Tod. Bereits 1909 stellte Berta Zuckerkandl fest, dass die hochschwangere Frau in Klimts Werk für das »ewig neu keimende Leben, das sieghaft Krankheit und Tod überwindet« steht. Im Gegensatz zur ersten Fassung des Themas verzichtete Klimt allerdings auf die bedrohlichen Gestalten über und hinter der Schwangeren und reduzierte die Bedrohung auf einen Totenschädel, der jedoch direkt auf dem Bauch der Schwangeren liegt. Sie hat ihren Kopf gebeugt, als ob sie für ihr Kind beten wollte. Drei weitere Frauen bilden gleichsam einen Sockel, auf dem die Protagonistin des Bildes steht. Auch sie wirken mit ihren erhobenen Armen wie Betende. Bunte Ornamente, Spiralen und ein goldflirrender, an mittelalterliche Ikonen erinnernder Hintergrund zeichnen das quadratische Bildfeld als typische Komposition der Goldenen Periode aus.

Moriz Nähr: Vorraum von Gustav Klimts Atelier in der Josefstädter Straße, Mai 1911, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Die Hoffnung II (Vision), 1907/08, The Museum of Modern Art (MoMA), Jo Carole und Ronald S. Lauder, Helen Acheson Funds und Serge Sabarsky
© Klimt-Foundation, Wien

Trotzdem das Werk 1909 bereits ausgestellt worden war, kam es danach zu weiteren Überarbeitungen durch Klimt. Für den Künstler war es keine Seltenheit, dass er vermeintlich fertige Gemälde, falls sie nicht verkauft wurden, nochmals veränderte. Eine Aufnahme des Fotografen Moriz Nähr aus Klimts Atelier in der Josefstädter Straße 21 aus dem Jahr 1911 zeigt die erste Version des Gemäldes neben einem Knochenmodell an der Wand lehnend. Ein Vergleich der finalen Version des Werkes mit der Aufnahme aus dem Atelier 1911 zeigt, dass Klimt zwischen 1911 und 1914 diverse Veränderungen daran vorgenommen hatte. Die größte Umgestaltung betrifft den vollrunden Nimbus der Schwangeren, den Klimt auf einen Halbkreis reduzierte sowie die Gestaltung des Hintergrundes.

Das Gemälde fand in Eugenia Primavesi eine Bewunderin. 1914 hatte sie es im Atelier des Künstlers gesehen und war davon begeistert gewesen. Noch im selben Jahr erhielt sie das Werk von ihrem Mann Otto als Weihnachtsgeschenk. Zu Neujahr schrieb Eugenia:

»1. Weihnachtsabend mit einem Bild von Klimt als Überraschung, das mir in seinem Atelier damals am Samstag so gut gefallen hatte – Vision – heißt es und freut mich sehr.«

Mit dem Ankauf und der Hängung des Werkes in der Villa Primavesi in Olmütz fand der langwierige Malprozess ein jähes Ende.

Gustav Klimt: Danaë, 1907/08, Privatbesitz
© Klimt-Foundation, Wien

Danaë
Klimt bediente sich im Gemälde Danaë (1907/08, Privatbesitz) – wie bereits in Judith I (1901, Belvedere, Wien) – eines traditionellen Themas der Kunstgeschichte, das er zugunsten der Wiedergabe sinnlicher Erotik neu betrachtete. So interpretierte Klimt die mythologische Erzählung von Zeus, der über die schöne Danaë während des Schlafens herfällt, in Form eines Goldregens. Durch die geschlossenen Augen, den sanft geöffneten Mund und die Hand der Protagonistin, die zwischen ihren Schenkeln verschwindet, wird die Szene der Vergewaltigung zu einem erotischen Liebesakt. Wie in Ekstase zieht Danaë ihre Decke an die Brust. Schon Zeitgenossen wie Fritz Waerndorfer bemerkten das erotische Wohlgefallen der Protagonistin, als Klimt das Werk 1908 auf der »Kunstschau Wien« zum ersten Mal präsentierte:

»Eine Danaë in der ein Goldstrom wie ein endloser Mordsschwaf [Anm.: Dialekt für einen großen Penis] steckt, was ihr äußerstes Behagen verursacht.«

Einblick in die Kunstschau Wien 1908, Juni 1908 - November 1908
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Bruno Reiffenstein (?): Einblick in die Villa Ast, um 1913, MAK - Museum für angewandte Kunst, Bibliothek und Kunstblättersammlung
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Formal und inhaltlich lässt diese Darstellung an Klimts zahlreiche Zeichnungen von masturbierenden Frauen denken, die vor allem in den späten Jahren immer häufiger anzutreffen sind. Außerdem lassen die kauernde Haltung und die geschlossenen Augen an einen erotischen Traum denken. Es scheint dem Maler vorrangig um die Zurschaustellung des Empfindens von sexueller Lust, unabhängig von der Präsenz eines Mannes zu gehen. Gerade die Mythologie um Zeus - in denen der Gott nie als menschliches Wesen erscheint - dürften Klimt hierbei in die Hände gespielt haben, da er diesen Themenkreis in seiner erotischen Leda (1917, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) erneut aufgriff. 

Der Deckmantel der mythologischen Ikonografie erlaubte es Künstlern seit Jahrzehnten ungestraft erotische Darstellung zu schaffen und so die sittliche und moralische Zensur der Zeit zu umgehen. Denn eine schlafende Frau zu beobachten, deren linke Hand zwischen den Schenkeln verschwindet, entbehrt nicht einer voyeuristischen Note. War doch bereits Edouard Manet für ein ähnliches Sujet in seinem Werk Olympia (1863, Musée d’Orsay, Paris) stark kritisiert worden.

Auch dem Gold kommt wieder eine wichtige Rolle zu. Das von Klimt in seiner Goldenen Phase präferierte Edelmetall findet sich nicht nur in den Brokatelementen des violetten Stoffes – die teilweise auch als Blastozysten, also embryonale Zellen, welche die Schwängerung Danaës symbolisieren sollen, interpretiert werden – sondern wird als Goldregen sogar zum objektifizierten Göttlichen und löst sich so von seiner Rolle als dekoratives Element.

Gustav Klimt: Porträt Adele Bloch-Bauer I, 1907, Neue Galerie New York, Acquired through the generosity of Ronald S. Lauder, the Heirs of the Estates of Ferdinand and Adele Bloch-Bauer, and the Estée Lauder Fund
© APA-PictureDesk

Adele Bloch-Bauer, fotografiert von Friedrich Viktor Spitzer, 1906, in: Photographische Rundschau und photographisches Centralblatt. Zeitschrift für Freunde der Photographie, 22. Jg., Heft 3 (1908).
© Klimt-Foundation, Wien

Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Adele Bloch-Bauer I

»[…] bei Klimt aber, da blitzt, donnert und hagelt es nur so gleißendes Gold, ein ganzer Nibelungenhort kracht und knattert hernieder, ein goldener Wolkenbruch!«

Das Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie New York) ist nicht nur eines der berühmtesten Porträts des Frauenmalers, sondern auch zweifellos ein Hauptwerk der der Goldenen Periode. Mithilfe von Blattgold und Ornament verwandelte der Künstler sein Modell in ein »funkelndes Juwel«, eine körperlose Erscheinung. Klimts Inspirationsquellen reichten dabei von byzantinischen Mosaiken über die Malerei des späten 19. Jahrhunderts bis zu traditioneller japanischer Kunst. Damit lag Klimt ganz im Stil seiner Zeit denn auch Hans Makart, Fernand Khnopff und die Präraffaeliten waren Liebhaber des Edelmetalles.

Klimts erstes Porträt der damals 26jährigen Adele Bloch-Bauer ist eines seiner berühmtesten Bilder und ein Hauptwerk der Goldenen Periode. Ein Brief von Adele Bloch-Bauer belegt, dass ein erster Auftrag für das Porträt bereits im Sommer 1903 an Klimt erging:

»Mein Mann hat sich dann entschlossen mich von Klimt porträtieren zu lassen, der aber erst im Winter an's Werk schreiten kann.«

Aus nicht näher ersichtlichen Gründen musste die Familie Bloch jedoch erheblich länger auf das Porträt warten, das ursprünglich als Geschenk an Adeles Eltern zum Hochzeitstag gedacht war. Erst 1907 vollendete Klimt das Porträt Adele Bloch-Bauer I, der Rahmen entstammt einem Entwurf von Josef Hoffman.

Gemeinsam mit Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, Rom) und dem Porträt Fritza Riedler (1906, Belvedere Wien) wurde das Werke von Zeitgenossen als »Mosaikbild« bezeichnet. Diese Benennung bezieht sich auf den kunstgewerblichen Charakter der drei Gemälde sowie Klimts Verschmelzung von Malerei und Kunsthandwerkselementen, die er in Folge im Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) zur Höchstblüte bringen sollte. Der Mosaikcharakter der Werke speist sich aus Eindrücken die Klimt im Zuge einer Italienreise 1903 im Dom von Ravenna sammelte. Dort sah er zum ersten Mal die byzantinischen, goldenen »Mosaike von unerhörter – Pracht«, die das gesamte Schaffen seiner Goldenen Periode nachhaltig beeinflussten.

Der Einsatz von Gold und die Auffassung des Gemäldes als dekoratives Ornament steigert sich im Porträt Adele Bloch-Bauer I zu ungeahnten Höhen. Der Polsterstuhl mit seinen goldenen Spiralen verschwimmt ebenso wie das Kleid der Dargestellten optisch mit dem Hintergrund. Das Gold wird dominierender Bildinhalt, der nur durch einige wenige Farbakzente durchbrochen wird. Alle dreidimensionalen Gegenstände werden zusehends abstrahiert. In starkem Kontrast dazu stehen der naturalistische Kopf und die Hände der Porträtierten. Orthodoxe Ikonen, die seit jeher gemalte Heilgenbilder mit goldenen Metalleinfassungen verbanden, dürften hier als Vorlage gedient haben.

Klimt erhebt die Dargestellte somit auf den Status einer Ikone, versetzt sie in göttliche Sphären und konstatiert gleichzeitig Prunk und Reichtum. So präsentierte er das aufstrebende, wohlhabende Großbürgertum auf eine Art und Weise, die bisher nur dem Adel vorbehalten gewesen war.

Nach Klimts epochalem Porträt Adele Bloch-Bauer I sollte er vier Jahre lang kein Auftragsporträt mehr malen. Die Arbeiten am Stocletfries und seine Funktion als Präsident der Kunstschau dürften ihn zu sehr beansprucht haben um noch weitere Aufträge anzunehmen. Als Klimt Adele Bloch-Bauer 1912 ein weiteres Mal porträtierte, hatte er seine Goldene Phase bereits überwunden und sich bunten Farben und exotischen, asiatisierenden Motiven zugewandt.

Gustav Klimt: Der Kuss (Liebespaar), 1908/09, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Der Kuss (Das Liebespaar)
Das Gemälde Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Belvedere, Wien) kann zweifellos als Klimts Höhe- und Endpunkt der Goldenen Periode angesehen werden. Da die Verwendung von Gold in Klimts Gemälden, wie bereits erwähnt, an byzantinische Mosaike und die Tradition der Ikonenmalerei angelehnt ist, wird Der Kuss auch häufig als »Monumentalikone« bezeichnet.

Auf der »Kunstschau Wien« 1908 war das Gemälde das erste Mal unter dem Titel Das Liebespaar ausgestellt. Das zu diesem Zeitpunkt noch unvollendete Werk wurde vom k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht für die Moderne Galerie angekauft. Nach dessen Fertigstellung 1909 wurde es von Klimt gegen eine Bezahlung von 25.000 Kronen (ca. 155.700 Euro) dem Ministerium übergeben. 

»Diesen Kuss der ganzen Welt« ist der Schlusssatz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven und Inspiration für Gustav Klimts Der Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien). Eben dieses Motiv des Kusses zwischen Mann und Frau in enger Umarmung entwickelte Klimt in seinem Gemälde weiter. Vor dem für die Goldene Periode typischen goldflimmernden Hintergrund kniet auf einer mit bunten Blumen übersäten Klippe ein Liebespaar. Der Mann beugt sich zu der knienden Frau herunter, um sie auf die Wange zu küssen.

Galerie

Brief mit Kuvert von Gustav Klimt an das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht in Wien, 16.07.1908

  • Gustav Klimt: Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien, 16.07.1908, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVA), Ministerium für Kultus und Unterricht
    © Österreichisches Staatsarchiv, Wien
  • Gustav Klimt: Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien, 16.07.1908, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVA), Ministerium für Kultus und Unterricht
    © Österreichisches Staatsarchiv, Wien

Einblick in die Kunstschau Wien 1908, Juni 1908 - November 1908
© BSB

Moriz Nähr: Der Kuss (Liebespaar), Juni 1908 - November 1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Einblick in die Internationale Kunstausstellung in Rom, März 1911 - Dezember 1911, Österreichische Galerie Belvedere, Archiv
© Belvedere, Wien

Klimt arbeitete in seiner Komposition den Unterschied zwischen Mann und Frau durch starke Gegensätze heraus. Die dunkle Haut des Mannes, die harten schwarzen Rechtecke seines Gewandes und der wilde, raue Efeu in seinen Haaren betonen eine stereotypische männliche Härte und raue Naturkraft, während die Frau mit ihrer hellen Haut, dem floralen Kleid mit den weiblichen, runden Mustern und dem zarten Blumenschmuck im Haar eine schöne, sanfte Natur widerspiegelt. Auch das Verhältnis von Mann und Frau ist klar definiert. Er kniet beschützend über ihr, hält sie in fester Umarmung, während sie sich vertrauend mit geschlossenen Augen an ihn schmiegt. Bei aller Trennung der beiden Geschlechter fungiert das Gold als verbindendes Element. Die beiden Gewänder sowie die Sphäre im Hintergrund verschwimmen zu einer einzigen Fläche, Mann und Frau verschmelzen zu einer Einheit.

Eine solche Verschmelzung der einzelnen Bildelemente zu einer flächigen, abstrakten Masse, hatte Klimt bereits im Vorjahr im Porträt Adele Bloch-Bauer I umgesetzt. Als Vorbild für die Verschmelzung, von Mann und Frau könnte hingegen Edvard Munchs Farbholzschnitt Der Kuss (1895, Albertina, Wien), in dem sich Mann und Frau scheinbar ein Gesicht teilen, gedient haben. Das Sujet des Mannes, der die vulnerable Frau in einer beschützenden Umarmung hält, geht bereits auf das Jahr 1902 und die ersten Skizzen für Hoffnung I zurück.

Immer wieder wird vermutet, dass es sich beim Liebespaar um Gustav Klimt selbst und seine langjährige Weggefährtin Emilie Flöge handelt. Tatsächlich existiert eine Brosche mit der Darstellung Umarmung (30.08.1908, Privatbesitz), die das Sujet des Kusses in einer abgewandelten Variante wiedergibt. Auf diesem Pergament befindet sich rechts und links von den Dargestellten eine Beschriftung, die diese einmal als »Gustav« und einmal als »Emilie« ausweist. Eine Vorstudie für diese Brosche, die sich in einem von Klimts Skizzenbüchern (Klimt-Foundation, Wien) erhalten hat, ist ebenfalls mit »Emilie« beschriftet. Es scheint daher durchaus im Bereich des Möglichen, dass Klimt in dem Liebespaar sich selbst und Emilie Flöge sah, die Dargestellten aber zugunsten einer Verallgemeinerung des Motives anonymisierte. Dafür würde auch sprechen, dass Klimt nach der »Kunstschau Wien 1908« die Gesichtsbehaarung des Mannes übermalte und diesen somit noch weiter vom barttragenden Künstler entfernte.

Das Motiv der Umarmung wiederholte Klimt noch ein weiteres Mal in dem Paneel der Erfüllung im Stocletfries. Sowohl inhaltlich als auch Formal greift er hier auf die Komposition des Kusses zurück.

Gustav Klimt: Judith II (Salome), 1909, Ca'Pesaro - Galleria Internazionale d'Arte Moderna
© Photo Archive - Fondazione Musei Civici di Venezia, Foto: Claudio Franzini

Judith II (Salome)
1909 schuf Klimt erneut eine gefährliche, männermordende Femme Fatale. Wie bereits in Judtih I schwankte die Interpretation der Dargestellten in Judith II (Salome) (1909, Galleria Internazionale d’Arte Moderna Ca‘ Pesaro, Venedig) zwischen den beiden biblischen Frauenfiguren. Trotz all dem wurde sie 1909 bei ihrer Erstpräsentation auf der »Internationalen Kunstschau« unter dem Titel Judith gezeigt. Diese Bezeichnung trug das Gemälde auch noch 1910 auf der Biennale in Venedig, wo es von der Städtischen Galerie Venedig angekauft wurde. Das Gemälde war also vom Künstler selbst nie offizielle als Salome betitelt worden, obwohl formal viel für eine solche Zuordnung sprechen würde. Die Tänzerin mit dem entblößten Dekolleté, den trüben Augen sowie den zu Krallen verkrampften Fingern wirkt um einiges mehr wie die verführerische Tänzerin als die tugendhafte Rächerin.

Die Figur der Salome fand um 1900 wieder vermehrt Eingang in die bildende Kunst. Besonders Oscar Wildes 1896 erschienenes Drama Salomé löste einen regelrechten Hype um die skandalöse Tänzerin aus. Klimt konnte also für seine Judith/ Salome aus einem regelrechten Repertoire an Vorbildern schöpfen. Neben Darstellungen von Aubrey Beardsley, Lovis Corinths und Gustave Moreau schuf auch Franz Stuck, dessen Werke ja bereits für Judith I impulsgebend gewesen waren, 1906 einen Zyklus von drei Gemälden zum Thema der Salome. Auch in der darstellenden Kunst gab es Salome Adaptionen. Zwischen 1906 und 1907 tanzten in Wien drei der berühmtesten Tänzerinnen, Maud Allan, Ruth St. Denis und Mata Hari, in der Rolle der verführerischen Femmes Fatales. Es scheint naheliegend dass Klimt, der regelmäßig das Theater frequentierte und gerade an seinen Studien für die Tänzerin im Stocletfries arbeitete, einigen dieser Vorstellungen beiwohnte.

Klimts Interesse schien noch dasselbe zu sein wie bei der beinahe ein Jahrzehnt zuvor gemalten Judith I. Eine sexuelle, freizügige Femme Fatale, die eine Anziehungskraft auf den Betrachter ausübt, ihm aber gleichzeitig durch den abgetrennten, männlichen Kopf eine Warnung ausspricht und drohende Gefahr suggeriert. Hierbei ist die männliche Komponente abermals an den Bildrand gerückt und nimmt eine untergeordnete Rolle ein. Die Darstellung vereint Sexualakt und Tötung, Lust und Leid miteinander und hinterfragt so die Geschlechterrollen um 1900.

Neu hingegen ist Klimts Interesse an der Bewegung der Figur. Das Motiv des Tanzens erlaubt ihm abstrakte Körperpositionen und den Gebrauch von wogenden, gemusterten Gewändern. Typisch für die Goldene Periode ist dabei der Kontrast von weicher nackter Haut und flächigen, gemusterten Stoffbahnen, die kaum Körperlichkeit zulassen. Eingepasst in ein enges Hochformat, das seitlich von einem dicken Goldrahmen umfasst wurde, erinnert das Werk mit der breiten dunkelhaarigen Frisur, der gekünstelten Haltung und den mehrlagigen, flächig gemusterten Stoffbahnen formal stark an japanische Holzschnitte von tanzenden Geishas. Als Vorbild könnte der Holzschnitt Kurtisane von Keisai Eisen gedient haben. Diesen hatte auch schon Vincent Van Gogh in seiner Japonaiserie Oiran (1884, Van Gogh Museum, Amsterdam) verarbeitet. Van Goghs Ölbild spiegelt den ursprünglichen Holzschnitt und bringt die Figur so in dieselbe Position wie auch die Judith. Eventuell hatte sich Klimt auch bei Van Goghs Adaption des Themas als Vorbild bedient.

Literatur und Quellen

  • Catherine Dean: Klimt, New York 1996.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt 150 Jahre, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 13.07.2012–27.01.2013, Wien 2012.
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band II, 1904–1912, Salzburg 1982.
  • Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000.
  • Daniela Hammer-Tugendhat: Judith, in: Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000, S. 220–225.
  • Hans Bisanz: Zur Bildidee „Der Kuss“ – Gustav Klimt und Edvard Munch, in: Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000, S. 226–234.
  • Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an Carl Otto Czeschka (06/05/1908).
  • Brief von Eugenia „Mäda“ Primavesi sen. in Winkelsdorf an Anton Hanak (01/01/1915). Mappe 17.
  • Franz Smola: Il bacio e Le tre età della donna. due capolavori di Gustav Klimt a confronto, in: Maria Vittoria Marini Clarelli (Hg.): Klimt. La Secessione e l’Italia, Museo di Roma, Ausst.-Kat., Museo di Roma (Palazzo Braschi, Rom), 27.10.2021–27.03.2022, Rom 2022, S. 63-76.
  • Felix Salten: Gustav Klimt – Gelegentliche Anmerkungen. mit Buchschmuck von Berthold Löffler, Leipzig 1903.
  • Sabine Brauckamnn: Fertilization Narratives in the Art of Gustav Klimt, Diego Rivera and Frieda Kahlo: Repression, Domination and Eros among Cells, in: Leonardo, Band 44 (2011).
  • Berta Zuckerkandl: Ankauf von Klimt-Werken durch Staat und Land, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 04.08.1908, S. 3.
  • Armin Friedmann: Kunstschau 1908, in: Wiener Zeitung, 09.06.1908, S. 1.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Schlafende Schönheit. Meisterwerke viktorianischer Malerei aus dem Museo de Arte de Ponce, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 14.06.2010–03.10.2010, Wien 2010.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Ravenna an Emilie Flöge in Wien (12/02/1903).
  • Brief von Adele Bloch-Bauer in Elbekosteletz an Julius Bauer (08/22/1903). Autogr. 577/52-1, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Klimt and the Women of Vienna’s Golden Age. 1900–1918, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 22.09.2016–16.01.2017, London - New York 2016.
  • Renée Price (Hg.): Gustav Klimt. The Ronald S. Lauder and Serge Sabarsky Collections, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 18.10.2007–30.06.2008, München 2007.
  • Alfred Weidinger: 100 Jahre Palais Stoclet. Neues zur Baugeschichte und künstlerischen Ausstattung, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011, S. 202-251.

Die Fortsetzung der Blumenmosaike

Litzlberg am Attersee
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Gustav Klimt: Blühender Mohn, 1907, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien , Foto: Johannes Stoll

1907 schuf Gustav Klimt drei Landschaftsbilder, in denen er abermals der Blütenpracht rund um den Attersee ein Denkmal setzte. Vor allem die Sonnenblume inspirierte ihn zu einer Hommage an die Schönheit der Natur. Das Motiv der wilden Wiese fand abermals Eingang in Klimts Werk.

1907 hielt sich Gustav Klimt zum letzten Mal im Bräuhof von Litzlberg auf. Die Landschaftsgemälde dieses Jahres lassen vermuten, dass Klimt die Motive seiner Gemälde in der Umgebung seiner Wohnorte vorfand. Blühender Mohn (1907, Belvedere, Wien) könnte daher den Blick vom Balkon der Gaststätte zeigen. Den Bauerngarten, den Klimt im Verlauf der Attersee-Aufenthalte in drei Ölgemälden thematisierte, fand der Maler vermutlich in der Nähe des Hofs von Anton Mayr. Bis zur Präsentation auf der »Kunstschau 1908« am 1. Juni 1908 vollendete Klimt seine Werke in seinem Wiener Atelier. 

Blühender Mohn (1907)
Blühender Mohn könnte das erste der drei Landschaftsbilder vom Sommer 1907 gewesen sein. In diesem schloss Klimt sowohl kompositionell als auch motivisch an Blumenwiese (um 1904/05, Privatbesitz) und Gartenlandschaft (Ein Sommertag) (1902/03, The Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, Pennsylvania) an. In allen drei Werken setzte Klimt den Horizont hoch an, sodass er sich der pointillistischen Schilderung der Blumen durchsetzten Wiesen widmen konnte. Der Himmel ist in allen Landschaften wolkenverhangen. Der weit in die Tiefe geführte Blick streift frei über Gräser und Blüten, vereinzelt stehende Bäume strukturieren den Raum. In Blühender Mohn führte Klimt seine Beschäftigung mit dem Pointillismus zu einem Höhepunkt: Die schwindende Größe der gemalten Blütenköpfe – Mohnblumen und Margeriten sind botanisch zu bestimmen – und die Größensprünge der Obstbäume im Vordergrund lassen den Eindruck eines kontinuierlichen Raumes entstehen. Diesem wirkte Klimt durch die Gleichwertigkeit von Figuren und Grund, Bäumen und Wiese, entgegen. Das in Grün- und Violetttönen flirrende Laub mit den orangegelben Äpfeln passte er den Blumen strukturell an. Einzig die etwas lockerere Strichführung zeigt wie groß die Baumkrone ist.

Moriz Nähr (?): Einblick in die Kunstschau Wien 1908, Juni 1908 - November 1908
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Die Sonnenblume, 1907/08, Österreichische Galerie Belvedere, 2012 Legat Peter Parzer, Wien
© Belvedere, Wien

Gustav Klimt: Bauerngarten, 1907, Privatbesitz
© Sotheby's

Als das Gemälde unter dem Titel Blühender Mohn zum ersten Mal auf der »Kunstschau 1908« ausgestellt war, hielt der Kritiker Franz Servaes seinen Eindruck poetisch fest:

»Die wollüstige Fülle der Natur, das schwere Bangen der Atmosphäre, die paradiesische Ruhe weltfernen Träumens hat kaum ein Zweiter so sublim und so vibrierend ausgedrückt wie Klimt; oft mit Linien von beseeligender Einfachheit und Stille; zuweilen mit Farben, die wie in astraler Leuchtkraft brennen.«

Klimt verkaufte das Gemälde innerhalb der ersten Ausstellungswoche, wie die Leitung der »Kunstschau 1908« in mehreren Wiener Tageszeitungen wie Das Vaterland, die Wiener Zeitung und Die Zeit vermelden ließ.

Die solitäre Sonnenblume und ein prachtvoller Bauerngarten
Die Sonnenblume (1907/08, Belvedere, Wien) erhebt einen einfachen Korbblütler auf märchenhafte Weise in die Position einer porträtierten Frau. Die anthropomorphe Form der einköpfigen Sonnenblume wird von Klimt gesteigert, indem er ihr Blattwerk wie ein Reformkleid wirken lässt. Wie auf einem Blumenthron steht die Sonnenblume im Zentrum des Bildfeldes.

In Erinnerung an die Modeaufnahmen mit Emilie Flöge aus dem Jahr 1906 wirkt die Pflanze wie eine naturhafte Stellvertreterin der treuen Gefährtin in ihren kostbaren Kleidern. Da Klimt die Gattungen Porträts und Landschaftsmalerei strikt voneinander trennte, ist das Werk Die Sonnenblume die größte Annäherung zwischen den beiden Gattungen im Schaffen des Jugendstilmalers. Am Höhepunkt der Goldenen Periode veredelte Klimt das »Porträt« der Sonnenblume mit unzähligen Goldpunkten.

Bauerngarten mit Sonnenblumen (1907, Belvedere, Wien) zeigt eine teppichhafte All-over-Gestaltung der Bildfläche. Wie in den Porträts schloss der Maler die Komposition hinter einem schmalen Raumstreifen bildparallel ab. Angeschnittene Blumenköpfe an den Bildrändern vermitteln den Eindruck eines Ausschnitts aus einem größeren Ganzen. Klimts »Motivsucher« war für die Wahl des Ausschnittes essentiell. Der Bauerngarten versammelt verschiedene Blumenarten in kontrastreichen bunten Farben. Dies galt als besonderes Charakteristikum der bäuerlichen Gartenkunst um 1900. In Bauerngarten (1907, Privatbesitz) klärte Klimt die Positionierung der Blumen, indem er eine pyramidale Anordnung wählte. 

Ab dem Folgejahr galt Klimts künstlerische Aufmerksamkeit Schloss Kammer am Attersee.

Literatur und Quellen

  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Sommerfrische am Attersee 1900-1916, Wien 2015.
  • Stephan Koja: Die Sommer in Litzlberg, in: Stephan Koja (Hg.): Gustav Klimt. Landschaften, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 23.10.2002–23.02.2003, München 2002, S. 64-70.
  • Laura Erhold: »Ausheiterung, Wiesen voll von Sonnenblumen«. Wenn Blumen sprechen. Florale Symbolik von der Antike bis zu Gustav Klimt, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Florale Welten, Wien 2019, S. 84-101.
  • Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 14.06.1908, S. 9-10.
  • Wiener Zeitung, 14.06.1908, S. 9.
  • Die Zeit, 14.06.1908, S. 3.

Ansichten von Schloss Kammer am Attersee

Kammer-Seewalchen am Attersee, um 1910
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Zwischen 1908 und 1912 nächtigte Klimt während der Sommerfrische am Attersee in der Villa Oleander in Kammerl, einem Ortsteil von Kammer-Schörfling. Aus dieser Zeit stammen mehrere Ansichten des ehemaligen Wasserschlosses Kammer, in denen Klimt das facettenreiche Naturbild allmählich einer stilisierten, flirrenden Bildordnung zuführte.

Etliche Fotos zeigen Klimt gemeinsam mit Familie Flöge im Garten der Villa Oleander in Kammerl, die als Privatvilla zur weitläufigen Anlage des Hôtel Seehof in unmittelbarer Nähe des Schlosses gehörte und ab 1908 als Domizil für die »Kammerlcolonie« fungierte. Hatte Klimt in den Jahren bis 1907 vor allem farbintensive Bauerngärten und wilde Mohnwiesen zu den Themen seiner Bilder auserkoren, so ließ jener erste Sommer in der Villa Oleander Klimts Interesse an ausschnitthaften Architekturmotiven als integrativer Bestandteil seiner Gemälde verstärkt in Erscheinung treten. In den Darstellungen von Schloss Kammer manifestiert sich dieses Interesse.

Die Vorliebe der Impressionisten für Landschaftsmotive mit Gewässern spielte dabei ebenso eine inspirierende Rolle, wie die durch die Symmetrie der Spiegelungen verstärkte Tendenz zur Stilisierung. So malte er 1908 und 1909 zwei Ansichten von Schloss Kammer und zwei Darstellungen des von imposanten Bäumen dominierten Schlossparks.

Galerie

Gustav Klimt mit Familie Flöge vor der Villa Oleander, Sommer 1908

  • Gustav Klimt im Garten der Villa Oleander, Sommer 1908, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt mit Familie Flöge im Garten der Villa Oleander, Sommer 1908, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt mit Familie Flöge vor der Villa Oleander, Sommer 1908, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien

Schloss Kammer am Attersee, um 1910
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Gustav Klimt: Schloss Kammer am Attersee I, 1908, Národní Galerie
© Národní galerie Praha

Die erste Darstellung von Schloss Kammer
Das Wasserschloss Kammer wurde erstmals im 13. Jahrhundert in einer Urkunde als Burg erwähnt. Aus dieser Zeit stammte der zentrale Baukörper. Familie Khevenhüller erwarb das Schloss im Jahr 1581. Im zweiten Quartal des 17. Jahrhunderts ließ sie das Neuschloss errichten. 1710 erfuhr es unter dem Linzer Baumeister Johann Michael Prunner bauliche Veränderungen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Anlage von der Landseite durch Aufschüttung mit dem Ufer verbunden und ein Zugang in Form einer Allee angelegt.

Das erste Bild der Serie, Schloss Kammer am Attersee I (1908, Národni Galerie, Prag), zeigt eine Teilung der Bildfläche in die spiegelnde Wasseroberfläche des Sees einerseits und den Uferstreifen mit dem Gebäudekomplex des Schlosses und der Kirche von Seewalchen andererseits. Die sich links hinter dem Schloss erhebende Pfarrkirche bildet auf dem Gemälde nahezu eine räumliche Einheit mit dem Monumentalbau; die tatsächlich existierende Wasserfläche und damit einhergehende Distanz zwischen Schloss und Kirche verschwindet. Ein System von Orthogonalen und Quadraten verankert die Komposition in der Fläche und bewirkt den Eindruck harmonischer Stille. Feine Lichtreflexe charakterisieren das Atmosphärische in Klimts impressionistischer Momentaufnahme, wobei selbst der Kritiker A. F. Seligmann von der Neuen Freien Presse das Bild bei seiner ersten Präsentation im Rahmen der »Internationalen Kunstschau« 1909 als »Haupt- und Glanzstück« bezeichnete. Im Folgejahr wurde es in Prag auf der Schau des Deutsch-Böhmischen Künstlerbundes gezeigt, wo es sogleich angekauft wurde.

Gustav Klimt: Schloss Kammer am Attersee II, 1909, Privatbesitz
© Christie's Images Limited/Scala Florence

Gustav Klimt: Park von Schloss Kammer am Attersee, 1909, The Museum of Modern Art (MoMA), Gertrud A. Mellon Fund
© The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence

Gustav Klimt: Teich im Park von Schloss Kammer am Attersee, 1909, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection
© APA-PictureDesk

Diese Darstellung entstand aus größerer Entfernung unter Zuhilfenahme optischer Geräte, wie einem Fernrohr oder Klimts »Motivsucher«. Konkret fungierte das Bootshaus der Villa Oleander als Standpunkt. Auf einer zeitgenössischen Ansichtskarte, die Klimt an seinen Schwager Julius Zimpel schrieb, sind Blickachse und Distanz von der Villa Oleander zur Kirche in Seewalchen gut nachvollziehbar.

Das Schloss als pointillistische Einheit
Der Aufbau der Landschaft in sanft welligen Kompartimenten bestimmt Klimts zweites Gemälde dieser Serie, Schloss Kammer am Attersee II (1909, Privatbesitz), in welchem er das barocke Bauwerk von einer Anhöhe in Schörfling aus malte. In der wesentlich kleinteiligeren, pointilistischen Version lässt Gustav Klimt die Architektur stärker mit der sie umgebenden Vegetation verschmelzen. Das Schloss und der vorgelagerte Wirtschaftshof bilden nahezu eine Einheit, Distanz wird lediglich durch die dazwischen platzierten Bäume angedeutet. Darüber hinaus vermochte es Klimt mit Hilfe eines variierenden Pinselstriches und den differenziert gestalteten und in sich geschlossenen Farbflächen die gesamte Bildeinheit zu definieren. Erstmals ausgestellt wurde es 1910 auf der »IX. Esposizione Internazionale d'Arte della Città di Venezia«.

Der Schlosspark als Bildmotiv
Im gleichen Jahr, in dem Klimt Schloss Kammer am Attersee II malte, wandte er sich in zwei Werken dem Schlosspark zu. Das dichte Laub der Baumkronen in Park von Schloss Kammer am Attersee (1909, The Museum of Modern Art, New York) gestaltete Klimt in einer unendlichen Vielfalt feiner Pinselstriche als vibrierende, mosaikartige Farbwand. Der Großteil der quadratischen Leinwand wird so durch das Blattwerk der Bäume verdeckt. Einige dunkelgrüne Büsche bilden eine Hecke, die gemeinsam mit einem nahsichtigen Baumstamm rechts den Blick in die Tiefe untersagen. Nur zögerlich schimmert zwischen ein paar Baumstämmen der See hindurch. Auf diese Weise verband Klimt das Flächenornament mit impressionistischer Naturschilderung in geheimnisvoller Symbolik. Auch dieses Werk gelangte erstmals auf der »IX. Esposizione Internazionale d'Arte della Città di Venezia« zur Präsentation.

Ein schattiger Winkel mit Baumgruppe am Schlossteich inspirierte Klimt schließlich in Teich im Park von Schloss Kammer am Attersee (1909, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection) zur weitgehend abstrakten Gegenüberstellung der spiegelnd grünen Wasseroberfläche, gespickt mit zahlreichen Lichtreflexen, und der vibrierenden Blätterwand der Laubbäume am Ufer. Wie schon zuvor beweist Klimt in diesem Werk, wie er die pointillistische Malweise mit seinem gleichmäßig alle Formen ausfüllenden Malmosaik zu verbinden wusste. Häufig ist bereits beobachtet worden, mit welcher Raffinesse Klimt Farbtöne einander gegenüberstellte und so die Flächen unterschiedlich modellierte. Das Dreiergespann komplettierend wurde auch dieses Landschaftsgemälde zum ersten Mal auf der »IX. Esposizione Internazionale d'Arte della Città di Venezia« ausgestellt.

In den Jahren 1910 und 1912 folgten noch weitere Darstellungen des den Ortsteil Kammerl dominierenden Schlosses und seiner Umgebung.

Literatur und Quellen

  • Johannes Dobai: Gustav Klimt. Die Landschaften, Salzburg 1981.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012, S. 554-557.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Sommerfrische am Attersee 1900-1916, Wien 2015, S. 62-69.
  • Stephan Koja: Der Sommer in Kammer am Attersee, in: Stephan Koja (Hg.): Gustav Klimt. Landschaften, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 23.10.2002–23.02.2003, München 2002.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Florale Welten, Wien 2019, S. 34.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an Julius Zimpel jun. in Wien, mitunterschrieben von Barbara, Pauline und Emilie Flöge, Helene Klimt sen. und Helene Klimt jun. (08/30/1908). GKA35.
  • N. N.: Die Ausstellung des deutsch-böhmischen Künstlerbundes, in: Prager Tagblatt, 17.02.1910, S. 2.
  • Adalbert Franz Seligman: Die Kunstschau, in: Neue Freie Presse, 29.04.1909, S. 3-4.

Der Stocletfries. Skizzen

Gustav Klimt am Bauplatz des Palais Stoclet in Brüssel, 09.05.1906, MAK - Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte
© MAK

Spätestens im Sommer 1908 arbeitete Gustav Klimt an Entwurfszeichnungen für den Stocletfries. Sie zeigen seinen Weg vom ornamentalen Hintergrund mit kleinen figuralen Einlassungen zum großformatigen Lebensbaum mit szenischen Darstellungen. Erst um 1910/11 entstanden die originalgroßen Werkzeichnungen für den Mosaikfries im Speisesaal des Brüsseler Palais Stoclet.

Die belgischen Auftraggeber Baron Adolphe Stoclet und seine Ehefrau Suzanne lebten zwischen 1903/04 in Wien, wo das kunstaffine Paar Bekanntschaften mit Künstlern der Wiener Secession und der neu gegründeten Wiener Werkstätte knüpfte. Insbesondere der freundschaftliche Kontakt zwischen dem belgischen Maler Fernand Khnopff, dem Finanzier Fritz Waerndorfer, den Künstlern Carl Moll, Josef Hoffmann und Gustav Klimt sowie dem Bauherrn führte 1904 zur Idee des Palais Stoclet und kurz darauf zur Beauftragung. Aus familiären und geschäftlichen Gründen kehrte das Ehepaar Ende 1904 nach Brüssel zurück und setzte das Projekt in Belgien um. Josef Hoffmann entwarf das zwischen 1909 und 1911 errichtete Palais Stoclet, das mit der Wiener Werkstätte im Sinne eines Gesamtkunstwerkes realisiert wurde. Dass Adolphe Stoclet nicht nur äußerst wohlhabend, sondern auch ein ausgewiesener Kunstkenner mit exquisitem Geschmack war, ermöglichte es Hoffmann und seinen Mitstreitern, ein kostbares Gesamtkunstwerk zu schaffen, das zu den bedeutendsten Bauwerken des europäischen Jugendstils zählt.

Gustav Klimt: Tänzerin (Studie für »Erwartung« im Stocletfries), 1907/08, Albertina
© ALBERTINA, Wien

Der Stocletfries
Gustav Klimt wurde mit dem Entwurf eines goldenen Frieses für das Speisezimmer beauftragt, der sich über drei Wände erstrecken sollte. Sowohl in Materialwahl als auch Themenstellung ließ das Ehepaar Stoclet Klimt freie Hand. Wie ein Brief von Fritz Waerndorfer vom 17. April 1906 dokumentiert, hatte der Maler schon zu diesem frühen Zeitpunkt eine kunstgewerbliche Arbeit im Kopf, um die ihm gestellte »Raumaufgabe« zu lösen. So meinte Klimt »DASS ER WAHRSCHEINLICH VIEL METAL [!] UND EMAIL VERWENDEN WERDE«. Im Gegensatz zum Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien, Dauerleihgabe Secession) konzipierte er die Wanddekoration daher nicht als Wandbild, sondern als Einlegearbeit. Im Sommer 1907 schilderte der Maler in einem Brief an Waerndorfer vom 16. August seine Versagensängste und legte seinen Projektrückzug nahe:

»Ich kann das nicht. Es wird mir schwer, nein zu sagen, aber ich muss! Besser ein ›Versager‹ vom Anfang an als später, wenn es böse Folgen hätte. Ich arbeite zu schwerfällig. Stoklet [!] geht mir nicht von Kopf und Hand, von den anderen Dingen nicht zu reden – entweder bin ich zu alt oder zu nervös oder zu – etwas wird es schon sein. Ich beneide immer den Peppo [Josef Hoffmann] um seine ›Arbeitsflüssigkeit‹, um seinen Mut und seine Lust, aber ich kann dieses einmal nicht, hab‘ ich so viel vor mir, so bring‘ ich gar nichts vom Fleck. Lieber Fritz, suche den Peppo vom Schimpfen und Grollen abzuhalten – es ist mir peinlich, nein sagen zu müssen, indessen, es bleibt mir kein anderes Mittel, mir die notwendige Ruhe halbwegs zu erhalten. Sei auch Du mir nicht böse über mein stetes Versagen.«

Klimt arbeitete jedoch weiter an dem Auftrag und Karl M. Kuzmany kündigte 1908 in seiner Besprechung der »Kunstschau Wien« an, dass Klimt das »dekorative Wandgemälde als streng flächenhaftes Farbenmosaik auszubilden« gedachte. Vielleicht hatte der Besuch des Ehepaares Stoclet in Wien und auf der »Kunstschau Wien« diese Idee weiter unterstützt. Klimt entwarf für den längsrechteckigen Raum mit Blick auf den Garten den berühmten Lebensbaum mit Rosensträuchern, Falken und Schmetterlingen, dazu die Figuren Erwartung, Erfüllung und den Ritter an der Schmalwand.

Skizzen, Studien und eine Lichtpause
Mehrere vorbereitende Zeichnungen, Studien und Skizzen geben Einblicke in die Entwurfsphase des Stocletfrieses. Die Lichtpause (1907/08, Wien Museum, S 1982: 1693) ist eine Kompositionsskizze mit Vergrößerungsnetz, welche die Wand mit dem Lebensbaum zeigt.

Gustav Klimt: Lichtpause für den Stocletfries, 1907/08, Wien Museum
© Wien Museum

Gustav Klimt: Zwei stehende Akte in Umarmung, 1904/05, Wien Museum
© Wien Museum

Die drei Skizzen bzw. querformatigen Entwürfe gestaltete Klimt 1908 mit Bleistift, Gouache, Gold, Silber und Bronze auf Transparentpapier (1908, MAK, Wien). Vermutlich handelt es sich dabei um jene Arbeiten auf »Pausepapier«, von denen Klimt erneut Fritz Waerndofer in einem Brief berichtete:

»Sende beifolgend drei Skizzen auf Pause-papier – mit Ach und Krach entstanden und leider nicht besser. Sie geben natürlich nur flüchtigst den Eindruck – auch – in der Farbe – sind in Vergoldung und Material ausgeführt gedacht (Steine, getriebenes Metall, Emailmalerei etc.) die Skizzen müßten jedes auf weißes Papier gelegt werden – weil sie so entstanden sind.«

Auf den ersten Blick fällt auf, dass sich Klimt für streng vertikalisierende Ornamente entschied, in die er die Figuren und den Lebensbaum wie kleine Bilder nischenartig einfügte. In den Entwurfszeichnungen verwendete er bereits das Liebespaar (auch als Familie oder Frühe Jugend interpretiert), das er zeitgleich im Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Belvedere, Wien) umsetzte. In einer Version verabschiedete sich der Maler von der teppichhaften Hintergrundlösung und reagierte auf Josef Hoffmanns Garten mit einem Lebensbaum und szenischen Darstellungen. Der Tänzerin stellte er bereits den Rosenbusch als Gegengewicht gegenüber, um die Länge der Wand zu füllen.

Die Lichtpause zeigt eine Fassung von Lebensbaum, Tänzerin und Rosenbusch. Da die Rosen über die Spiralen des Baumes gezeichnet wurden, während die Tänzerin bereits einen fixen Platz zugewiesen bekommen hatte, war sich der Maler offenbar in Hinblick auf die kompositionelle Ausgewogenheit der Anordnung unsicher. Mit der Konzeption eines die gesamte Wandfläche umspannenden Baumes gelang es Klimt, bei seiner Idee eines goldflirrenden Hintergrundes zu bleiben und eine Balance zwischen Bewegung und Fläche zu erzielen.

Kompositionell wie auch in der Materialbehandlung lassen sich die japanischen Anleihen, die Klimt beispielsweise im Beethovenfries noch nachvollziehbar integriert hatte, kaum mehr benennen. In Auseinandersetzung mit dem Auftrag zum Stocletfries beschäftigte sich Klimt zunehmend mit Fragen rund um Stilisierung und Einsatz von Gold bzw. Silber. Dies führte 1907/08 zum Höhepunkt seiner Goldenen Periode. Erst 1910/11 erfolgte die Ausführung vom Stocletfries nach Klimts Werkzeichnungen in Originalgröße von hochqualifizierten Handwerkern der Wiener Werkstätte.

Literatur und Quellen

  • Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 14.03.2012–10.06.2012; Getty Center (Los Angeles), 03.07.2012–23.09.2012, München 2012.
  • Anette Freytag: Der Lebensbaumfries von Gustav Klimt als künstlicher Garten im Traumhaus, in: Christoph Thun-Hohenstein, Beate Murr (Hg.): Gustav Klimt. Erwartung und Erfüllung. Entwürfe zum Mosaikfries im Palais Stoclet, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 21.03.2012–15.07.2012, Wien 2012, S. 69-87.
  • Anette Freytag: Der Stoclet-Fries. Ein künstlicher Garten im Herzen des Hauses, in: Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012, S. 59-87.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011.
  • Friedrich Kurrent, Alice Strobl: Das Palais Stoclet in Brüssel, Salzburg 1991.
  • Karl M. Kuzmany: Kunstschau Wien, in: Dekorative Kunst. Illustrierte Zeitschrift für angewandte Kunst, Band 16 (1908), S. 513-544, S. 513.
  • Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst, 13. Jg. (1914).
  • Alexandra Matzner: Auch der Garten ist über Erwarten schön, auch die neue junge Anlage, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Florale Welten, Wien 2019, S. 103-115.
  • Beate Murr: I. Die Entwurfszeichnungen zum Stoclet Fries: Ihre Entstehung, Umsetzung und Restaurierung, in: Christoph Thun-Hohenstein, Beate Murr (Hg.): Gustav Klimt. Erwartung und Erfüllung. Entwürfe zum Mosaikfries im Palais Stoclet, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 21.03.2012–15.07.2012, Wien 2012, S. 11-42.
  • Fritz Novotny, Johannes Dobai (Hg.): Gustav Klimt, Salzburg 1975.
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band II, 1904–1912, Salzburg 1982.
  • Christoph Thun-Hohenstein, Beate Murr (Hg.): Gustav Klimt. Erwartung und Erfüllung. Entwürfe zum Mosaikfries im Palais Stoclet, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 21.03.2012–15.07.2012, Wien 2012.
  • Alfred Weidinger: 100 Jahre Palais Stoclet. Neues zur Baugeschichte und künstlerischen Ausstattung, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011, S. 202-251.
  • Johannes Wieninger: JAPON. Zum Japonismus bei Gustav Klimt, in: Christoph Thun-Hohenstein, Beate Murr (Hg.): Gustav Klimt. Erwartung und Erfüllung. Entwürfe zum Mosaikfries im Palais Stoclet, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 21.03.2012–15.07.2012, Wien 2012, S. 96-119.
  • Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an Hermann Muthesius (04/17/1906). D 102-6647.
  • Brief von Gustav Klimt an Fritz Waerndorfer (1907).
  • Brief von Gustav Klimt an Fritz Waerndorfer, DLSTPW6 (circa 1908-1911), Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien.
  • Christian Witt-Döring: Palais Stoclet, in: Christian Witt-Dörring, Janis Staggs (Hg.): Wiener Werkstätte. 1903–1932: The Luxury of Beauty, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 26.10.2017–29.01.2018, München - London - New York 2017, S. 368-410.

Kunstschau Wien 1908

Rudolf Kalvach: Plakat der Kunstschau Wien 1908
© ALBERTINA, Wien

Auf der »Kunstschau Wien 1908« stellte Gustav Klimt in drei Räumen 16 Ölgemälde und 18 Zeichnungen aus. Als Präsident der sogenannten Klimt-Gruppe war er maßgeblich an der Organisation und dem Programm der Ausstellung beteiligt. Mit vier verkauften Gemälden zählte Klimt zu den erfolgreichsten Künstlern der Großausstellung.

Zum 60. Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. organisierte die Künstlergruppe um Gustav Klimt, Josef Hoffmann und Carl Moll die »Kunstschau Wien 1908«. Auf dem Gelände des heutigen Konzerthauses und des Akademietheaters in der Lothringerstraße im 1. Wiener Gemeindebezirk wurde nach den Plänen Josef Hoffmanns unter der Bauleitung von Eduard Ast zu diesem Zweck ein temporäres Ausstellungsareal mit insgesamt 54 Gebäuden errichtet. Die Bauten wurden im Sinne eines Gesamtkunstwerks nicht nur als Hüllen für die ausgestellten Kunstwerke verstanden, sondern als vollendete Einheiten von Haus, Garten, Höfen und Vitrinen. Schon im November 1907 hatte Gustav Klimt mit seiner langjährigen Unterstützerin Berta Zuckerkandl über die Zielsetzung der »Kunstschau Wien« gesprochen:

»Unser Programm ist noch nicht reif. Jedenfalls aber wollen wir im weitesten Sinn des Wortes Gesamtkunst bringen. Das heißt, es soll eine Bilder-, eine Architektur-, eine Skulptur- und eine Kunstgewerbe-Ausstellung werden. Wenn möglich mit einem Anhang von Gartenkunst, [...]. Dann aber sollen vor allem die Jungen heraus. Man wird sehen, was alles da geworden ist, wie viel Talent und Können heranreift.«

Die »Kunstschau Wien« fand vom 1. Juni bis 16. November 1908 statt. Nach dem Austritt aus der Secession am 14. Juni 1905 war dies die erste Ausstellung der losen, inoffiziellen Künstlervereinigung Klimt-Gruppe. Auf dem 6.500 Quadratmeter großen Areal entstanden Gebäude mit etwa 30 Ausstellungsräumen, mehreren Höfen, einem Gartentheater, einem Kaffeehaus und einem Landhaus. Alle Bereiche des Lebens sollten abgedeckt werden. Die Exponate umfassten u.a. Kunst des Kindes, Kunstgewerbe (Interieurs), sakrale Kunst, Theater- und Plakatkunst sowie Malerei und Skulptur.

Emma Bacher, eine gute Bekannte Klimts und die Besitzerin der Galerie Miethke, dokumentierte in mehreren Fotografien die festliche Stimmung der Eröffnungszeremonie am 1. Juni 1908. Gustav Klimt hielt anlässlich der Eröffnung eine Festrede, die im Katalog der Kunstschau und in nahezu allen Zeitungsbesprechungen wörtlich abgedruckt wurde.

Galerie

Fotoserie von Emma Bacher, 1908

  • Gustav Klimt während seiner Rede zur Eröffnung der "Kunstschau Wien 1908", 01.06.1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sammlung Professor Teschner
    © Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt im Gespräch bei der Eröffnung der "Kunstschau Wien 1908", 01.06.1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sammlung Professor Teschner
    © Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt im Gespräch bei der Eröffnung der "Kunstschau Wien 1908", 01.06.1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sammlung Professor Teschner
    © Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt bei der Eröffnung der "Kunstschau Wien 1908", 01.06.1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sammlung Professor Teschner
    © Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt bei der Eröffnung der "Kunstschau Wien 1908", 01.06.1908, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Emilie Flöge und Gustav Klimt bei der Eröffnung der "Kunstschau Wien 1908", 01.06.1908, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien

Eingangsportal der Kunstschau Wien 1908 entworfen von Josef Hoffmann, in: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau- und Raumkunst, 14. Jg. (1908).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Die »Kunstschau Wien 1908« sollte das Ideal einer Gleichsetzung von hoher Kunst (Malerei, Plastik und Architektur) und angewandter Kunst (Kunstgewerbe, Schauspiel, Gartenkunst) verkörpern. Man wollte zeigen, wie sich die moderne Kunst auf alle Bereiche des Lebens auswirkte, um so das Konzept »Kunst für Alle« einem breiten Publikum näherzubringen. Damit führten die Künstler um Klimt jenen Weg weiter, den sie mit der Errichtung der Künstlerkolonie auf der Hohen Warte, des Cabaret Fledermaus und des Palais Stoclet bereits beschritten hatten.

176 Künstlerinnen und Künstler waren an der Großschau beteiligt. Etwa ein Drittel  der Ausstellenden waren Frauen. Bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten wie Gustav Klimt, Carl Moll, Kolo Moser und dem Bildhauer Franz Metzner wurden eigene Säle gewidmet. Neben der Malerei stand auch die Präsentation des Kunstgewerbes, insbesondere der Arbeiten der Wiener Werkstätte, der ebenfalls ein eigener Raum (50) zugeteilt wurde, im Fokus. Zusätzlich zur Präsentation von Kunstobjekten wurden im Gartentheater auch moderne Tänze und Theaterstücke unter Mitwirkung bekannter Persönlichkeiten aus Schauspiel und Tanz wie den Schwestern Wiesenthal aufgeführt.

Klimts Werke auf der »Kunstschau Wien 1908«
Im zentral gelegenen Raum 22 zeigte Gustav Klimt, der als Präsident der Kunstschau fungierte, insgesamt 16 Gemälde. Im Raum 23 hingen 18 nicht näher identifizierbare Bleistiftzeichnungen des Künstlers.

Die Gestaltung des 17 Meter langen, fast sieben Meter breiten und knapp 4,5 Meter hohen Klimt-Saales übernahm Kolo Moser. Die schlichte, ornamentale Musterung des Raumes bot die ideale Umgebung für Klimts Malerei. Moser verewigte sich mit einem geometrisch stilisierten Monogramm oberhalb des Durchgangs zum Saal 21. Dies war ein klares Zeichen dafür, dass selbst die Gestaltung des Ausstellungsraumes als ein zu signierendes, eigenständiges Kunstwerk angesehen wurde.

Mehrere Fotografien zeigen Einblicke in den Saal 23 und dokumentieren die Hängung der Werke. Die Gemälde waren in einer rhythmischen Abfolge von groß- und mittelformatigen Werken gehängt. Die großen Abstände zwischen den Objekten waren typisch für Mosers Inszenierungen und zielten auf eine spannungsvolle Gegenüberstellung ab. Vermutlich hatte Moser die Hängung der Gemälde in Absprache mit Klimt vorgenommen.

Moriz Nähr: Einblick in die Kunstschau Wien 1908, Juni 1908 - November 1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Die beiden allegorischen Hauptwerke – Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d‘Arte Moderna e Contemporanea, Rom) und das in der unteren Partie noch nicht vollendete Gemälde Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Belvedere, Wien) –  waren einander an prominenter Stelle an den Schmalseiten des Raumes gegenübergestellt. Durch die Flankierung der Drei Lebensalter durch zwei symmetrische Türöffnungen wurde das Gemälde noch einmal zusätzlich hervorgehoben, während Der Kuss (Liebespaar) von den beiden hochformartigen, schmalen Gemälden Damenbildnis in Rot und Schwarz (1907/08, Privatbesitz) sowie Freundinnen II (1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) flankiert wurde. An den Längswänden hingen Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie, New York) und Porträt Fritza Riedler (1906, Belvedere, Wien) einander gegenüber. Auch an den Längswänden war die Abfolge der Werke sowohl thematisch als auch in ihren Größenverhältnissen rhythmisch konzipiert. So rahmten je zwei quadratische Landschaftsbilder ein hoch- oder querformatiges Frauenbildnis.

Einblick in die Kunstschau Wien 1908, Juni 1908 - November 1908
© BSB

Galerie

Ausgestellte Werke in der »Kunstschau Wien 1908«

  • Gustav Klimt: Die drei Lebensalter, 1905, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, by permission of Ministero dei Beni e delle Attività Culturali
    © National Gallery of Modern and Contemporary Art, Rome
  • Gustav Klimt: Der Kuss (Liebespaar), 1908/09, Österreichische Galerie Belvedere
    © Belvedere, Wien
  • Gustav Klimt: Porträt Fritza Riedler, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
    © Belvedere, Wien
  • Gustav Klimt: Porträt Adele Bloch-Bauer I, 1907, Neue Galerie New York, Acquired through the generosity of Ronald S. Lauder, the Heirs of the Estates of Ferdinand and Adele Bloch-Bauer, and the Estée Lauder Fund
    © APA-PictureDesk
  • Gustav Klimt: Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein, 1905, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München
    © bpk | Bayerische Staatsgemäldesammlungen
  • Gustav Klimt: Wasserschlangen I (Pergament), 1904, Österreichische Galerie Belvedere
    © Belvedere, Wien
  • Gustav Klimt: Freundinnen I (Schwestern), 1907, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Damenbildnis in Rot und Schwarz, 1907/08, Privatbesitz, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Bauerngarten mit Sonnenblumen, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
    © Belvedere, Wien
  • Gustav Klimt: Rosen unter Bäumen, um 1904, Privatbesitz
    © bpk | RMN - Grand Palais, Foto: Patrice Schmidt
  • Gustav Klimt: Blühender Mohn, 1907, Österreichische Galerie Belvedere
    © Belvedere, Wien , Foto: Johannes Stoll
  • Gustav Klimt: Der goldene Apfelbaum, 1903, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Danaë, 1907/08, Privatbesitz
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Wasserschlangen II, 1904, Privatbesitz, courtesy of HomeArt
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Die Sonnenblume, 1907/08, Österreichische Galerie Belvedere, 2012 Legat Peter Parzer, Wien
    © Belvedere, Wien
  • Gustav Klimt: Birkenwald (Buchenwald), 1903, Privatbesitz
    © Courtesy Paul G. Allen Family Collection

Der Klimt-Saal bot der Wiener Gesellschaft eine Vielzahl an neuen Gemälden des Meisters, da dieser in den Vorjahren primär im Ausland ausgestellt hatte. Die Hälfte aller gezeigten Klimt-Werke war daher in Wien zum ersten Mal zu sehen. Während Porträt Fritza Riedler und Porträt Adele Bloch-Bauer I bereits im Vorjahr in Mannheim zu sehen gewesen waren, hatte Klimt Die Sonnenblume (1907/08, Belvedere, Wien) und Blühender Mohn (1907, Belvedere, Wien) sowie Danaë (1907/08, Privatbesitz) eigens für die »Kunstschau Wien 1908« fertiggestellt. Die beiden 1904 entstandenen Gemälde Wasserschlangen I (Pergament) (1904, überarbeitet: vor 1907, Belvedere, Wien) und Wasserschlangen II (1904, überarbeitet: vor 1908, Privatbesitz) hatte Klimt bis zur »Kunstschau Wien« weiter überarbeitet. Der Künstler war in Wien bereits allgemein für seine ständigen Überarbeitungen und seine kontinuierliche Unzufriedenheit mit seinen Werken bekannt. So schrieb ein Rezensent im Prager Tagblatt:

»Klimt hat in der Ausstellung […] den Ertrag von ungefähr fünf Arbeitsjahren. Und selbst diese Bilder haben ihm seine Freunde heimlich hinter seinem Rücken aus dem Atelier räumen müssen, denn Klimt selbst ist noch nie mit einem Bilde ›fertig‹ geworden. Immer wieder weiß er daran zu arbeiten, immer aufs Neue weiß er zu ergänzen und zu verbessern; Klimt hält ein Werk dann für ›fertig‹, wenn es ihm seine Freunde geraubt haben […].«

Verkäufe, Kritiken und Resümee
Die Mäzene der Secession blieben Klimt auch nach seinem Austritt aus der Vereinigung treu: Bereits in der ersten Woche wurden die überarbeitete Version der Wasserschlangen I (Pergament) an Karl Wittgenstein, Blühender Mohn  für 5.000 Kronen (ca. 31.150 Euro) an Viktor Zuckerkandl und Danaë für 8.000 Kronen (ca. 49.800 Euro) an Eduard Ast verkauft. Letzterer ließ für dieses Gemälde einen eigenen ovalen Raum in seiner von Hoffmann geplanten Villa auf der Hohen Warte gestalten. Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht erwarb das Gemälde Der Kuss (Liebespaar) für 25.000 Kronen (ca. 155.700 Euro). Damit war Klimt sicherlich einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Künstler der Schau.

»Die Kunstschau wird der Clou des heurigen Sommers. [...] Daß [!] wir neue Wege suchen, ist ja wahr und die Mutigen, welche sie uns zeigen werden, die werden uns besiegen, trotz allen Sträubens. Von der Klimt Gemeinde scheint solcher Mut auszugehen, darum wird ihre Kunstschau der größte Erfolg werden.«

Der Artikel des Wiener Montags-Journals fasst die allgemeine Stimmung der Rezensionen zur »Kunstschau« treffend zusammen. Trotz der Kritik an den modernen Darstellungsweisen der Künstler, darunter auch Klimt, wurden die Aufbruchsstimmung und das Streben nach einer Revolution des Kunstbegriffes durchaus lobend hervorgehoben. Die Förderung »der Jungen«, allen voran der Künstlerinnen und Künstler der Kunstgewerbeschule wie Oskar Kokoschka, sicherte der »Kunstschau Wien 1908« den Ruf, die Speerspitze der Avantgarde darzustellen. Der kulturelle und programmatische Erfolg der Ausstellung spiegelte sich jedoch nicht im wirtschaftlichen Erfolg wider. Die »Kunstschau Wien 1908« brachte ein Defizit von 76.000 Kronen (ca. 481.190 Euro) ein, das auf die Mitglieder des Ausstellungskomitees aufgeteilt wurde. Trotz der finanziellen Einbußen beschloss die Klimt-Gruppe im Jahr darauf die »Internationale Kunstschau Wien 1909« zu veranstalten.

Literatur und Quellen

  • Marianne Hussl-Hörmann: Gustav Klimt und Josef Hoffmann, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011, S. 18-34.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 01.10.2008–18.01.2009, München 2008.
  • Alfred Weidinger: „… Billig wie die Möglichkeit“ Dokumentarisches zur Entstehung der Kunstschau, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 01.10.2008–18.01.2009, München 2008, S. 14-19.
  • Markus Kristan: „Sie herrscht, indem sie dient“. Die Architektur der Kunstschau Wien 1908, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 01.10.2008–18.01.2009, München 2008, S. 40-68.
  • Dietrun Otten: Die Klimt-Gruppe: Malerei auf der Kunstschau 1908, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 01.10.2008–18.01.2009, München 2008, S. 156-175.
  • Werner J. Schweiger: Peter Altenberg, in: Wiener Werkstätte. Kunst und Handwerk 1903–1932, Wien 1982, S. 80.
  • Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 04.06.1908.
  • A. F. S.: Die Kunstschau 1908, in: Neue Freie Presse, 02.06.1908, S. 13-14.
  • B. G.: Die auferstandene Sezession. Kunstschau Wien 1908, in: Neues Wiener Journal, 02.06.1908, S. 8.
  • Berta Zuckerkandl: Die Ausstellung der Klimt-Gruppe, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 02.11.1907, S. 7.
  • St. Gr.: Wiener Kunstbrief, in: Prager Tagblatt, 12.06.1908, S. 1-2.
  • Akt betreffend den Ankauf von Kunstwerken für die Moderne Galerie durch das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht (06/29/1909). AT-OeStA/AVA Unterricht UM allg. Akten 3446, Zl.27.075/1909 fol. 1+2, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVA).
  • Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien (07/16/1908). AT-OeStA/AVA Unterricht UM allg. Akten 3446, Zl.32.554/1908 fol. 5, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVA).
  • Brief von Norbert Wien in Wien an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien (07/01/1908). AT-OeStA/AVA Unterricht UM allg. Akten 3446, Zl.32.554/1908 fol. 4, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVA).
  • Wiener Montags-Journal, 08.06.1908, S. 2.
  • Die Zeit, 22.06.1908, S. 2.

Internationale Kunstschau Wien 1909

Bertold Löffler: Plakat der Internationalen Kunstschau 1909
© gallica.bnf.fr / BnF

Die von der Klimt-Gruppe initiierte »Internationale Kunstschau Wien 1909« vereinte die bedeutendsten Künstlerinnen und Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts. In dem von Josef Hoffmann entworfenen Ausstellungsgebäude präsentierte Gustav Klimt sieben Gemälde im Kontext von Arbeiten von Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Max Liebermann, Henri Matisse und Edvard Munch.

Die »Internationale Kunstschau Wien 1909« war ein Folgeprojekt der »Kunstschau Wien 1908«. Beide Ausstellungen fanden auf Initiative der losen, inoffiziellen Künstlervereinigung der Klimt-Gruppe in dem von Josef Hoffmann geplanten, provisorischen Gebäude auf dem Areal des heutigen Wiener Konzerthauses und Akademietheaters statt. Die treibenden Kräfte für das Zustandekommen der Großausstellung waren Gustav Klimt, als Präsident der Kunstschau, Josef Hoffmann, Kolo Moser, Alfred Roller und Carl Moll. Moll, der zu diesem Zeitpunkt bereits die künstlerische Leitung der Wiener Galerie Miethke innehatte, übernahm dabei die federführende Position. Da sich im Archiv und in der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien ein großer Teil der Dokumente für die Planung und Realisierung der »Internationalen Kunstschau Wien 1909« erhalten hat, kann die Organisation der Ausstellung relativ genau rekonstruiert werden.

Moderne Kunst im internationalen Kontext
Die Ausstellung eröffnete am 22. April und lief bis Juli 1909. In insgesamt 52 Räumen präsentierten 168 im Katalog namentlich angeführte Künstlerinnen und Künstler eine enorme Menge an modernen Kunstgegenständen. Während die »Kunstschau Wien 1908« eine Leistungsschau ausschließlich heimischer Kunstschaffender war, wurde die Ausstellung im Folgejahr um eine internationale Dimension erweitert. Österreichische Exponate wurden nun im Kontext von Kunstwerken aus anderen europäischen Staaten präsentiert. Gezeigt wurde Gegenwartskunst aus Deutschland, Frankreich, England, Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Italien und der Schweiz. Die österreichischen Teilnehmer stammten Großteils aus dem Umfeld der Klimt-Gruppe und der Wiener Werkstätte. Die junge Generation wurde u.a. von Max Oppenheimer, Franz von Zülow, Oskar Kokoschka und Egon Schiele repräsentativ vertreten.

Im Gartentheater fanden während der Sommermonate wie auch schon im Rahmen der ersten Kunstschau zahlreiche zeitgenössische Theateraufführungen statt. Besonders der Uraufführung von Oskar Kokoschkas Drama-Komödie Mörder. Hoffnung der Frauen am 4. Juli 1909 war gespannt entgegengesehen worden, da diese wetterbedingt mehrmals verschoben werden musste. Das Publikum tobte bereits vor Ende des Stückes vor Empörung. Die Muskete schrieb trocken: »Man soll den Tag nicht vor dem Kokoschka-Abend loben.« Keine zwei Tage nach dem Aufruhr um die Vorführung wurde die Kunstschau schließlich geschlossen und die temporären Ausstellungsbauten abgerissen.

Internationale Künstlerinnen und Künstler
Aufgrund der Vernetzung der Galerie Miethke mit dem internationalen Kunsthandel gelang es den Organisatoren der »Internationalen Kunstschau«, dem Wiener Publikum eine beeindruckende Revue der Moderne Frankreichs zu bieten. Einige der bekanntesten Postimpressionisten und Fauvisten, die auf dieser Schau vertreten waren, waren die Mitglieder der Künstlergruppe Nabis (Pierre Bonnard, Maurice Denis, Félix Vallotton usw.) und die sogenannten Fauves (Henri Matisse, Henri Manguin, Louis Valtat usw.). Ein Höhepunkt war außerdem die Präsentation der bereits verstorbenen Maler Paul Gauguin und Vincent van Gogh in Raum 14. Diese wurden spätestens seit Erscheinen von Julius Meier-Graefes Publikation Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst. Vergleichende Betrachtung für bildenden Künste, als Beitrag zu einer neuen Ästhetik 1904 zunehmend als »Väter der Moderne« angesehen.

Die Belgier George Minne und Jan Toorop sowie der Norweger Edvard Munch waren den Wienern aus den Ausstellungen der Secession bereits bekannt. Auch das schottische Jugenstilkünstler-Ehepaar Margaret MacDonald Mackintosh und Charles Rennie Mackintosh unterhielt enge Verbindungen zur Wiener Werkstätte und war bereits auf Ausstellungen in Wien vertreten gewesen. Die Schweizer Maler Cuno Amiet und Giovanni Giacometti präsentierten Werke mit postimpressionistischen Tendenzen. Die breitgefächerte deutsche Gegenwartskunst wurde u.a. durch Ernst Barlach, Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt sowie Max Klinger vertreten.

Ziel der »Internationalen Kunstschau« war es, umfassend über die aktuellen Avantgardebewegungen in allen Bereichen der europäischen Kunst zu informieren. Außerdem ermöglichte es die Ausstellung, moderne österreichische Kunst im internationalen Kontext zu betrachten und zu beurteilen.

Gustav Klimt: Briefausschnitt der Internationalen Kunstschau Wien 1909 unterschrieben von Gustav Klimt als Präsident, 1909, Verbleib unbekannt
© Dorotheum Wien, Auktionskatalog 04.12.2013

Gustav Klimt: Die Hoffnung I, 1903/04, National Gallery of Canada
© NGC

Gustav Klimt: Die Hoffnung II (Vision), 1907/08, The Museum of Modern Art (MoMA), Jo Carole und Ronald S. Lauder, Helen Acheson Funds und Serge Sabarsky
© The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence

Klimt auf der »Internationalen Kunstschau Wien 1909«
Gustav Klimt stellte sieben Ölgemälde und acht Studien (Zeichnungen) in dem in Gold-Weiß gestalteten Raum 22 aus. Die ausgestellten Gemälde boten einen ausgewählten Querschnitt durch Klimts Repertoire. Die zwei Landschaften aus den Jahren 1906 und 1908 – Schloss Kammer am Attersee I (1908, Národní Galerie, Prag) und Bauerngarten mit Sonnenblumen (1906, Belvedere, Wien) –, zwei brandneue Frauendarstellungen – Der violette Hut (1909, Verbleib unbekannt) und Alte Frau (1909, Privatbesitz) – sowie die drei Allegorien – Die Hoffnung I (1903/04, National Gallery of Canada, Ottawa), Die Hoffnung II (Vision) (1907/08, überarbeitet: vor 1914, The Museum of Modern Art, New York) und Judith II (Salome) (1909, Ca’ Pesaro – Galleria Internazionale d’Arte Moderna, Venedig) boten einen umfangreichen Überblick über Klimts Schaffen der letzten vier Jahre.

Eine Ausnahme bildet hierbei Die Hoffnung I. Das Gemälde war bereits um 1903 entstanden. Klimt war es damals jedoch verwehrt geblieben, das Werk im Zuge seiner Kollektivausstellung zu zeigen, da dieses von der Öffentlichkeit als zu skandalös angesehen worden war. Der Maler nutzte die Gelegenheit, um weitere Veränderung an Hoffnung I vorzunehmen. Das Umfeld der »Internationalen Kunstschau« schien Klimt nun modern und progressiv genug, um die nackte Schwangere gemeinsam mit ihrem später entstandenen Gegenpart, der zweiten Version des Gemäldes Die Hoffnung II (Vision), ohne Bedenken der Öffentlichkeit zu zeigen.

Klimts figürliche Darstellungen wurden nach wie vor von weiblichen Sujets beherrscht und untermauerten seinen Ruf als »Maler der Frauen«. In seinen Allegorien präsentierte sich Klimt als moderner Interpret von existentiellen Fragestellungen der weiblichen Sexualität sowie der Frau und ihrer Rolle in der bildenden Kunst. So changiert beispielsweise seine Judith II (Salome) zwischen alttestamentarischer Schönheit und moderner Femme fatale. Schon allein die historische Betitelung des Gemäldes – sowohl als Judith als auch als Salome – zeigt die Dualität und Interpretationsspannweite der von Klimt gewählten Komposition. Der violette Hut und Alte Frau stellen ebenfalls Frauen ins Zentrum von Klimts Werk. Obwohl diese kompositorisch weniger modern gestaltet sind als seine Allegorien, beschritt Klimt in diesen Frauenbildnissen ebenfalls neue malerische Wege, indem er – angeregt durch die junge Generation von Malern – einen offenen Pinselduktus forcierte.

Die Kritik war vor allem von Klimts Gemälde Die Hoffnung I überrascht. Wie bereits 1903 erwartet, führte die Ausstellung der nackten Frau in guter Hoffnung zu einem Aufschrei der Sittenwächter. So meinte der Rezensent des Illustrierten Wiener Extrablatts, das weibliche Publikum vor dem Anblick schützen zu müssen, wenn er schrieb:

»Nicht jeder ahnungslose Besucher, nicht unsere Frauen und Töchter, die hereinkommen, sollen es sehen – müssen.«

Ähnliche Einschätzungen trafen auch andere Rezensenten wie Balduin Groller im Neuen Wiener Journal vom 27. April 1909. Groller unterstellte Gustav Klimt »ein krankhaftes Element« und bewunderte gleichzeitig dessen »wunderbare malerische Potenz«, mit welcher er »viele andere so turmhoch überragt«.

Es gab allerdings auch Befürworter von Die Hoffnung I. Ludwig Hevesi bezeichnete das Gemälde als den »Clou der Ausstellung« und A. S. Levetus hatte es in The Studio als »eine feierliche Hymne auf die Mutterschaft« beschrieben. Zusätzlich entbrannte Anfang Mai 1909 rund um das Gemälde ein Streit im Kollegium der Wiener Akademie. Ein Drittel der Professoren wollte Klimt den mit 3.200 Kronen (ca. 21.400 Euro) dotierten Reichel-Preis für die »malerischen Qualitäten« von Die Hoffnung I zuerkennen. Allerdings konnten sich »mehrere Juroren mit dem Sujet und besonders der sichtlichen Gesuchtheit der Auffassung […] absolut nicht befreunden«, wie die Neue Freie Presse am 30. Mai und das Grazer Tagblatt am 5. Juni berichteten. Schlussendlich konnte Klimt den prestigeträchtigen, seit 1808 an der Wiener Akademie verliehenen Reichel-Preis nicht für sich entscheiden.

Finanziell war die »Internationale Kunstschau Wien 1909« für Klimt dennoch erfolgreich. Im Zuge der Ausstellung wurden Schloss Kammer am Attersee I  und Bauerngarten mit Sonnenblumen – die wohl am wenigsten progressiven Beiträge Klimts auf der Schau – für die Moderne Galerie in Prag angekauft. Der Violette Hut wurde an einen unbekannten privaten Käufer veräußert.

Der offizielle Fotograf der Ausstellung Moriz Nähr fertigte neben Aufnahmen der Kunstwerke, Ausstellungsräume und dem Ausstellungsareal auch eine ausdrucksstarke Porträtserie des Präsidenten der »Internationalen Kunstschau« Gustav Klimt an. Er hatte den Künstler am 8. Juli 1909 vermutlich in einem Innenhof des Geländes fotografiert.

Galerie

Gustav Klimt fotografiert von Moriz Nähr auf der Kunstschau 1909

  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
    © Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Moriz Nähr: Gustav Klimt, 08.07.1909, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien

Klimts Einfluss auf Kokoschka und Schiele
Gerade die Beteiligung junger Künstler an der »Kunstschau« macht deutlich, dass Klimt eine wegweisende Funktion für die moderne Kunstentwicklung einnahm. So widmete Kokoschka sein bereits auf der »Kunstschau Wien 1908« präsentiertes Künstlerbuch Die träumenden Knaben dem älteren Künstlerkollegen. Schieles Frühwerk orientiert sich stilistisch deutlich an Klimts Porträts der Vorjahre. Schiele zeigte auf der »Internationalen Kunstschau Wien 1909« die beiden Gemälde Bildnis des Malers Hans Massmann (1909, Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm, Zug) und Bildnis des Malers Anton Peschka (1909, Privatbesitz), deren Vorbild augenscheinlich Klimts 1906 entstandenes Porträt Fritza Riedler (1906, Belvedere, Wien) war. Klimt nahm für die Künstler der jungen Generation eine Vorreiter- und Mentorenrolle ein und ermöglichte den Nachwuchskünstlern, ihre Werke im Rahmen dieser speziellen Ausstellungen zu präsentieren.

Literatur und Quellen

  • Matthias Boeckl: Die Kunstschau 1909, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011, S. 288-297.
  • Julius Meier-Graefe: Entwicklungsgeschichte moderner Kunst (1904), München 1984.
  • Balduin Groller: Die Kunstschau, in: Neues Wiener Journal, 27.04.1909, S. 7.
  • Neue Freie Presse, 30.05.1909, S. 16.
  • Grazer Tagblatt, 05.06.1909, S. 4.
  • Neue Freie Presse, 05.07.1909, S. 8.
  • Die Muskete, 08.07.1909, S. 12.
  • Arbeiter-Zeitung, 06.07.1909, S. 4.
  • A. S. Levetus: Studio-Talk, in: The Studio. An Illustrated Magazine of Fine and Applied Art, Band 47 (1909), S. 240.
  • Arbeitsausschuss der Kunstschau (Hg.): Internationale Kunstschau Wien 1909, Ausst.-Kat., Ausstellungsbau Lothringerstraße (Wien), 22.04.1909–01.07.1909, 2. Auflage, Wien 1909.
  • Arbeitsausschuss der Kunstschau (Hg.): Katalog der Internationalen Kunstschau 1909, Ausst.-Kat., Ausstellungsbau Lothringerstraße (Wien), 22.04.1909–01.07.1909, 1. Auflage, Wien 1909.
  • Arbeitsausschuss der Kunstschau (Hg.): Internationale Kunstschau Wien 1909, Ausst.-Kat., Ausstellungsbau Lothringerstraße (Wien), 22.04.1909–01.07.1909, 3. Auflage, Wien 1909.

Ausstellungsbeteiligungen

Einblick in die Galerie H. O. Miethke am Graben 17, 1905, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 18 (1906).
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz Nähr: Die Medizin, vermutlich um 1907, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Ausstellungsanzeige Internationale Kunstausstellung Mannheim 1907, in: Arena, Jg. 1907, Heft 4 (1907).
© Klimt-Foundation, Wien

Die Klimt-Gruppe musste sich nach ihrem Ausstieg aus der Wiener Secession 1905 erst neu formieren und organisieren. Bis 1908 fand nur eine nennenswerte Ausstellung Klimts in Österreich statt. Er präsentierte seine neuesten Gemälde stattdessen in Deutschland, wo seine Kunst als innovativ und bahnbrechend gelobt wurde. In Wien organisierte Klimt 1908 als Präsident des Ausstellungskomitees die »Kunstschau Wien« sowie 1909 die »Internationale Kunstschau«.

In der Galerie H. O. Miethke waren im Sommer 1907 erstmals in Österreich alle drei vollendeten Fakultätsbilder – Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Die Medizin (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) und Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) – gemeinsam zu sehen. Über insgesamt vier Jahre hatte Klimt das Aussehen der Werke wieder und wieder verändert. Obwohl sich die Öffentlichkeit durchaus noch für die umstrittenen Gemälde interessierte, löste deren Präsentation lange nicht mehr denselben Skandal aus wie noch zwei Jahre zuvor. So schrieb die Zeitung Die Zeit am 3. Juli:

»In der Galerie Miethke feiert man jetzt ein Wiedersehen mit den drei Deckengemälden von Gustav Klimt [...]. Gerne tritt man wieder vor diese Bilder hin; gleichsam wie vor Fahnen, um die man sich in längst verbrauchten Schlachten einst geschart hat. Und jetzt da rings um diese Bilder nicht mehr der laute Kampf tobt, [...] wird ihre Sprache doppelt vernehmlich.«

Neben den drei Fakultätsbildern, die ohne Zweifel die Hauptattraktion darstellten, waren auch noch einige Zeichnungen und die 1904 entstandenen, aber erst kürzlich überarbeiteten Wasserschlangen I (Pergament) (1904, überarbeitet: vor 1907, Belvedere, Wien) ausgestellt.

Jubiläums-Ausstellung Mannheim
In der Kunsthalle Mannheim fand von Mai bis Oktober 1907 eine Ausstellung zum 300jährigen Stadtjubiläum statt. Klimts Werke wurden dort im ersten Saal rechts vom Eingang, dem Saal der Wiener Werkstätte, präsentiert. Laut Katalog war er mit »3 Mosaikbildern« vertreten. Fotografien von Einblicken in die Ausstellung zeigen, dass es sich dabei um Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d´Arte Moderna e Contemporanea, Rom), Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie, New York) und Porträt Fritza Riedler (1906, Österreichische Galerie Belvedere, Wien) handelte. Der Pester Lloyd bezeichnete diese in seiner Ausgabe vom 20. Juli 1907 als neue Gemälde Klimts:

»Und an diesen weißen Wänden hängen drei neue Gemälde von Gustav Klimt, welche selbst die Wiener noch nicht kennen.«

Galerie

Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim 1907

  • Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
    © Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
    © Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
    © Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
    © Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
    © Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
    © Universitätsbibliothek Heidelberg

Der Begriff »neues Gemälde« kann nur bedingt auf Die drei Lebensalter angewendet werden, da das Werk bereits 1905 in Berlin ausgestellt worden war. Allerdings trifft es zu, dass diese Allegorie bisher noch nie dem Wiener Heimatpublikum präsentiert worden war. Die Tatsache, dass Gustav Klimt seine neuen Werke nicht zuerst in seiner Heimatstadt zeigte, könnte möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass der Maler sich noch nicht von der herben Kritik seitens des Wiener Publikums an seinen Fakultätsbildern erholt hatte. Natürlich spielte es auch eine Rolle, dass Klimt nach seinem Austritt aus der Secession seine neuesten Schöpfungen nicht mehr wie gewohnt auf deren Jahresausstellungen zeigen konnte. Die sogenannte Klimt-Gruppe (eine lose Vereinigung von Künstlern, die 1905 gemeinsam mit Klimt aus der Secession ausgetreten waren) musste sich hingegen erst neu organisieren und konnte erst 1908 eine eigene Ausstellung auf die Beine stellen. Klimt fehlte in Österreich also schlicht und einfach eine Plattform, um seine neuesten Werke zu zeigen.

In Mannheim wurde seine Kunst sehr positiv aufgenommen. Deren innovative, gestalterische Nähe zum Kunsthandwerk, vor allem der Mosaikkunst, wurde gelobt:

»[D]er Künstler steht da in seiner vollen, reifen Blüthe und ist in seiner jetztigen [!] Richtung an einen Punkt gelangt, der einen weiterhin schimmernden Gipfel bedeutet. Es ist die Richtung auf die Mosaikwirkung. [...] Klimt ist schon beinahe von morgen.«

Kunstsalon Keller & Reiner (Hg.): Erste gemeinsame Ausstellung der vielumstrittenen Monumentalwerke Philosophie, Medizin, Jurisprudenz von Gustav Klimt. Wien, Ausst.-Kat., Kunstsalon Keller & Reiner (Berlin), 00.10.1907–00.11.1907, Berlin 1907.
© Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Bertold Löffler: Plakat der Kunstschau Wien 1908
© gallica.bnf.fr / BnF

Münchener Künstlergenossenschaft, Verein Bildender Künstler Münchens. Münchener Secession (Hg.): Offizieller Katalog der X. Internationale Kunstausstellung im KGL. Glaspalast zu München 1909, Ausst.-Kat., Glaspalast zu München (München), 01.06.1909–31.10.1909, 2. Auflage, München 1909.
© Klimt-Foundation, Wien

Präsentation der Fakultätsbilder in Berlin
Die Berliner Kunsthandlung Keller & Reiner zeigte im Herbst 1907 erstmals alle drei Fakultätsbilder gemeinsam in Berlin. Nach der Miethke Ausstellung in Wien sollte es die erste gemeinsame Präsentation der drei Werke im Ausland sein. Die Reaktion des deutschen Publikums war im Gegensatz zu jener der Wiener durchwegs positiv. Klimt wurde von den Kritikern als bahnbrechend empfunden.

Durch die Schau der Fakultätsbilder entwickelte sich in Deutschland anscheinend ein gesteigertes Interesse für die Kunst Klimts. Noch im selben Jahr fanden zwei weitere Ausstellungen in deutschen Kunsthandlungen statt. Die Galerie Arnold und die Kunsthandlung Paul Cassirer zeigten Zeichnungen und einige Gemälde. Darunter befanden sich auch die bereits im selben Jahr bei Miethke gezeigten, überarbeiteten Wasserschlangen I (Pergament). 1908 sollten noch Ausstellungen von Zeichnungen Klimts in Bremen und Dresden folgen.

Zwei Ausstellungen in Prag
Von Februar bis März 1908 fanden in Prag zwei Ausstellungen unter der Teilnahme Klimts statt. Die Künstlergruppe Verein deutscher bildender Künstler in Böhmen hatte sich Ende 1907 in zwei Gruppen gespalten. Während die bereits länger bestehende Vereinigung 1908 im Künstlerhaus Rudolfinum ausstellte, organisierte eine kleinere abtrünnige Gruppierung junger Künstler (ab 1909: Deutsch-Böhmischer Künstlerbund) eine Schau im angrenzenden Deutschen Casino, im sogenannten »Drei-Reiter-Haus«. Klimt war als einziger Künstler von beiden Gruppierungen als Gast geladen worden und zeigte auf jeder Ausstellung eines seiner Werke. Während im jungen Casino das Fakultätsbild Die Jurisprudenz zu sehen war, beschickte er die Schau im Rudolfinum mit der großformartigen Allegorie Die drei Lebensalter.

»Kunstschau Wien 1908«
Die erste größere Ausstellung von Klimt-Werken innerhalb Österreichs seit 1905 war die »Kunstschau Wien« im Jahr 1908. Von 1. Juni bis 15. November veranstaltete die sogenannte Klimt-Gruppe ihre erste Ausstellung. Nach den Plänen Josef Hoffmanns wurde zu diesem Zweck ein temporäres Ausstellungsgebäude Ecke Schwarzenbergplatz/ Lothringerstraße errichtet. Auf fast 60.000 Quadratmetern präsentierten 176 Künstler und Künstlerinnen eine Gesamtschau der modernen Kunst, die alle Bereiche des Lebens umfasste. Im zentral gelegenen Raum 22 zeigte Gustav Klimt, der als Präsident der »Kunstschau Wien« fungierte, insgesamt 16 Gemälde. Die Hälfte davon war für die Wiener Gesellschaft neu.

Im Zuge der Ausstellung kaufte das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht das Gemälde Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Belvedere, Wien) für die Moderne Galerie (heute: Österreichische Galerie Belvedere) an und Karl Wittgenstein erwarb die Wasserschlangen I (Pergament).

»Internationale Kunstschau Wien 1909«
Obwohl die »Kunstschau Wien« ein Defizit von 76.000 Kronen (ca. 481.190 Euro) zu verzeichnen hatte, beschloss die Klimt-Gruppe im Jahr darauf die »Internationale Kunstschau« zu veranstalten. Das Ausstellungsgebäude, dessen geplanter Abriss sich verzögert hatte, wurde noch einmal für diese Ausstellung herangezogen. Wie auch im Vorjahr wurde Klimt Saal 22 zugeteilt. Er bildete also auch 1909 den Mittelpunkt der Ausstellung. Klimt zeigte diesmal nur sieben Gemälde und acht Zeichnungen. Bis auf die Landschaft Bauerngarten (1907, Privatbesitz), die schon 1908 auf der »Kunstschau Wien« ausgestellt worden war, handelte es sich dabei ausschließlich um neue Gemälde. Selbst das Werk Hoffnung I (1903/04, National Gallery of Canada, Ottawa), das bereits 1903 vollendet worden war, wurde im Zuge der Kunstschau zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Die meisten Werke waren bei der Eröffnung am 22. April noch nicht vollendet. Die Hoffnung II (Vision) (1907/08, überarbeitet: vor 1914, The Museum of Modern Art, New York) wurde laut diversen Zeitungsberichten in unvollendetem Zustand ausgestellt. Bauerngarten und Hoffnung I sowie Der violette Hut (1909, Verbleib unbekannt) wurden erst verspätet in die Ausstellung nachgereicht.

Schloss Kammer am Attersee I (1908, Národní Galerie, Prag) und Bauerngarten wurden 1909 auf der »Internationalen Kunstschau« für die Moderne Galerie in Prag angekauft. Auch Der violette Hut fand noch während der Ausstellung einen Käufer, der jedoch nicht namentlich bekannt ist.

X. Internationale Kunstausstellung in München
Im selben Jahr stellte Klimt auch noch auf der »X. Internationalen Kunstausstellung« in München aus. Zu sehen waren vier Gemälde: Die drei Lebensalter, Wasserschlangen II (1904, überarbeitet: vor 1908, Privatbesitz), Sonnenblume (1907/08, Belvedere, Wien) und die Katalognummer 812 »Rosen«, bei der es sich vermutlich um Rosen unter Bäumen (um 1904, Musée d'Orsay, Paris) handelte. Alle Werke wurden zum Verkauf angeboten. Dieselben Gemälde waren im Dezember gemeinsam mit zwei kleinen, nicht zweifelsfrei identifizierten Porträts Klimts in der Galerie Miethke ausgestellt.

Literatur und Quellen

  • Markus Kristan: Kunstschau Wien 1908, Wien 2016.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 01.10.2008–18.01.2009, München 2008.
  • Kunstsalon Keller & Reiner (Hg.): Erste gemeinsame Ausstellung der vielumstrittenen Monumentalwerke Philosophie, Medizin, Jurisprudenz von Gustav Klimt. Wien, Ausst.-Kat., Kunstsalon Keller & Reiner (Berlin), 00.10.1907–00.11.1907, Berlin 1907.
  • Arbeitsausschuss der Kunstschau (Hg.): Internationale Kunstschau Wien 1909, Ausst.-Kat., Ausstellungsbau Lothringerstraße (Wien), 22.04.1909–01.07.1909, 2. Auflage, Wien 1909.
  • N. N.: Provisorischer Katalog der Kunstschau Wien 1908, Ausst.-Kat., Ausstellungsbau Lothringerstraße (Wien), 01.06.1908–15.11.1908, Wien 1908.
  • Münchener Künstlergenossenschaft, Verein Bildender Künstler Münchens. Münchener Secession (Hg.): Offizieller Katalog der X. Internationale Kunstausstellung im KGL. Glaspalast zu München 1909, Ausst.-Kat., Glaspalast zu München (München), 01.06.1909–31.10.1909, 2. Auflage, München 1909.
  • Prager Tagblatt, 27.02.1907, S. 9.
  • Pester Lloyd, 20.07.1907, S. 1.
  • Wiener Zeitung, 14.06.1908, S. 9.
  • Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 04.08.1908, S. 10.
  • Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 02.07.1907, S. 12.
  • Die Zeit, 03.07.1907, S. 3.
  • Die Zeit, 21.12.1909, S. 3.
  • Neues Wiener Tagblatt, 03.07.1907, S. 13.
  • Pester Lloyd, 24.10.1909, S. 1.
  • Arbeiter-Zeitung, 16.06.1909, S. 2.
  • Wiener Salonblatt, 08.05.1909, S. 16.
  • Die neue Zeitung, 05.05.1909, S. 4.
  • Wiener Zeitung, 01.05.1909, S. 8.
  • Grazer Volksblatt, 24.04.1909, S. 5.
  • Neues Wiener Tagblatt, 23.04.1909, S. 12.
  • Prager Tagblatt, 23.04.1909, S. 23.
  • Illustriertes Oesterreichisches Journal, 10.03.1908, S. 4.
  • Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 11.05.1908, S. 11.
  • N. N.: Neue Arbeiten von Gustav Klimt, in: Die Zeit, 25.12.1906, S. 5.

Zeichnungen

Gustav Klimt: Weiblicher Akt in Schrittstellung nach rechts, 1906/07, Wien Museum
© Wien Museum

Gustav Klimt: Stehende Frauenfigur mit erhobenen Unterarmen, den Oberkörper nach vorne gedreht, 1907/08, Wien Museum
© Wien Museum

Zwischen 1907 und 1909 entstanden vorwiegend Skizzen für den Stocletfries sowie die Gemälde Der Kuss (Liebespaar) und Die Hoffnung II (Vision). Die zahlreichen Studien zeigen Schreitende, Tänzerinnen, Schwangere und eng umschlungene Liebespaare. Besonders die vereinfachte Geometrisierung der Körperhaltungen steht im Vordergrund.

Die Zeichnungen am Höhepunkt der Goldenen Periode faszinieren durch Klimts Neuorientierung in Bezug auf Organik und geometrischer Abstraktion sowie die zunehmende Befreiung des Striches. An die Stelle der schönlinigen Beschreibung von Körpern trat eine zunehmend geometrisierende Auffassung der Figur. Anstelle von vollkommen nackten, oft kauernden Figuren, bevorzugt Klimt nun Kleidung, mit deren Hilfe er die Modelle abstrahiert und in lineare Formen einschreibt. Ziel der Vereinfachung der Darstellung ist eine möglichst ornamentale Wirkung. Der Bleistift sowie vereinzelt der Farbstift bleiben das bevorzugte Medium für Klimts flüchtige Zeichnungen. Nur einige wenige Blätter wurden in Tusche ausgeführt.

Schreitende und Tänzerinnen
War in den Vorjahren für Klimt noch das Motiv des Kauerns, Schwebens und Liegens von Interesse gewesen, so konzentrierte er sich nun vermehrt auf das Stehen. Seine Figuren sind bildfüllend konzipiert, sprengen meistens sogar im oberen und unteren Bereich den vorhandenen Platz. Den Anfang dieser Zeichnungen um 1907 macht ein Zyklus an schreitenden Figuren. Die in ihrer starren Position, vereinfachten Form und aufrechten Haltung an altägyptische Kunst erinnernden Skizzen dürften vermutlich im Zusammenhang mit frühen Studien zum Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) stehen. An diese schließen eine Reihe an Zeichnungen von Tänzerinnen an, die sowohl für die gleichnamige Figur im Fries, als auch das Gemälde Judith II (Salome) (1909, Ca'Pesaro - Galleria Internazionale d'Arte Moderna, Venedig) als Vorlage gedient haben. Interessant ist hierbei, dass sich Klimt nicht auf exzessive Bewegungen und große tänzerische Gesten fokussiert, sondern die Tanzenden Statuen gleich, unbewegt wiedergibt. Allein die modernen, ausdrucksstarken Handgesten verraten die Identität der Dargestellten.

Die Lesenden – Skizzen für ein nicht ausgeführtes Porträt?
Ein zweiter Zyklus, den Alice Strobl mit dem Stocletfries in Verbindung bringt ist jener der Lesenden oder Singenden. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob diese für Klimts Werkskizzen ungewöhnlich viel bekleideten Darstellungen nicht Studien zu einem nicht ausgeführten Porträt von Suzanna Stoclet darstellen. 1914 schrieb Klimt an Emilie Flöge aus dem Hause Stoclet in Brüssel über diese »Porträtgeschichte«:

»Habe nun schon 20 Zeichnungen gemacht – aber keine welche mich anregt – habe höchstens eine blasse Ahnung – es ist sehr sehr schwer!«

Alice Strobl ordnet in ihrem Werkverzeichnis jedoch keine Zeichnung einem vermeintlichen Porträt von Suzanna Stoclet zu. Für eine Zuordnung der Studien der Lesenden zu diesem Porträtauftrag würde einerseits die durchaus vorhandene Ähnlichkeit – trotz der schematischen Wiedergabe der Gesichtszüge der Dargestellten – mit der Hausherrin sprechen. Andererseits findet sich das Gewandmotiv des gerade geschnittenen Kleides mit dem übergeworfenen, stark gemusterten Tuch in mehreren Klimt-Porträts der Spätzeit wie Damenbildnis (Ria Munk?) (1917, unvollendet, The Lewis Collection) oder Porträt Margarethe Constance Lieser (1917, unvollendet, Verbleib unbekannt). Sollte es sich tatsächlich um die von Klimt erwähnten Skizzen zu dem Stoclet-Porträt handeln, wäre dieses Konvolut an Zeichnungen jedoch nicht auf 1907 sondern 1914 zu datieren.

Gustav Klimt: Zwei Studien zu einer Lesenden, um 1907, Wien Museum
© Wien Museum

Liebespaare, Schwangere und Familien
Für Die Hoffnung II (Vision) sowie Der Kuss (Liebespaar), und Die Umarmung aus Der Stocletfries entstanden eine Reihe an Darstellungen von Schwangeren und Liebespaaren, die formal an die Skizzen für Die Hoffnung I von 1902 anschließen. Die späteren Zeichnungen unterscheiden sich aber vor allem durch ihre wesentlich freiere Strichführung sowie den Gebrauch von Japanpapier. Während die Schwangeren zumeist von der Seite, nackt und nur selten mit Partner abgebildet werden, variieren die Stellungen des Liebespaares stark. Eine Reihe an Zeichnungen zeigen Mann und Frau eng umschlungen während des Geschlechtsaktes. Die Skizzen bereiten durch zarte, hauchdünne Linien und das ineinander Verweben der Gliedmaßen schon die ornamentale Verschmelzung der Liebespaare in Der Kuss (Liebespaar) und der Umarmung vor. Andere zeigen bereits ein stehendes oder kniendes Liebespaar, teilweise aber nur bis zur Brust ausgeführt, wodurch die Figuren sich optisch erneut auf dem leeren Blatt zu einer Einheit verbinden. Der Mann ist zuweilen in einen Kittel gehüllt, während sich die Frau ihm gänzlich nackt hingibt.

Galerie

  • Gustav Klimt: Schwangere im Profil nach links, 1907/08, Leopold Museum
    © Leopold Museum, Wien
  • Gustav Klimt: Stehendes Liebespaar, 1907/08, Albertina, Sammlung Batliner
    © ALBERTINA, Wien
  • GUSTAV KLIMT: Mutter und Kind, 1906-1908, Albertina
    © ALBERTINA, Wien

Eine weitere Entwicklungsstufe des Motivs ist das Stehende Liebespaar in Seitenansicht (1907/08, Albertina, Wien, S 1982: 1793) zeigt es doch bereits den Hügel, einen stilisierten Rosenbusch hinter dem Liebespaar und die gemusterten Gewänder. Die mit Goldfarbe und rotem Farbstift sparsam kolorierte Zeichnung suggeriert bereits die erste farbliche Umsetzung des Motivs im Stocletfries.

Abseits der Umarmung zwischen Mann und Frau setzt sich Klimt auch mit dem Thema Familie zeichnerisch auseinander. In zahlreichen Blättern stellt er Männer, Frauen oder beide mit einem Baby dar. Das Kind ist meist der Mittelpunkt der Komposition; die Erwachsenen beugen sich liebevoll und beschützend zu diesem hinunter und halten es geborgen in ihren Armen. Diese Zeichnungen sind geprägt von beruhigten, runden Formen, die durch das Einwickeln des Kindes in eine Decke noch verstärkt werden. Einfache Linien strahlen eine klare Ruhe und Geborgenheit aus.  

Literatur und Quellen

  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band II, 1904–1912, Salzburg 1982.
  • Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 14.03.2012–10.06.2012; Getty Center (Los Angeles), 03.07.2012–23.09.2012, München 2012.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Brüssel an Emilie Flöge in Wien, 2. Karte (05/17/1914). Autogr. 959/49-10, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Brüssel an Emilie Flöge in Wien, 2. Karte (05/20/1914). Autogr. 959/50-7, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
  • Christian Witt-Döring: Palais Stoclet, in: Christian Witt-Dörring, Janis Staggs (Hg.): Wiener Werkstätte. 1903–1932: The Luxury of Beauty, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 26.10.2017–29.01.2018, München - London - New York 2017, S. 368-410.