Im Fokus von Klimt-Werk stehen sämtliche Aspekte des Œuvres des Jugendstilmeisters. Visualisiert durch eine Timeline, werden hier Klimts Schaffensperioden aufgerollt, beginnend von seiner Ausbildung, über seine Zusammenarbeit mit Franz Matsch und seinem Bruder Ernst in der »Künstler-Compagnie«, die Affäre um die Fakultätsbilder bis hin zu seinem Nachruhm und Mythos, der diesen Ausnahmekünstler noch heute umgibt.

1904 – 1906

Klimt-Affäre um die Fa­kul­täts­bil­der

Der Kunstskandal rund um die Fakultätsbilder steigerte Klimts Bekanntheitsgrad, ließ ihn aber auch vom renommierten öffentlichen Auftrag zurücktreten. Stattdessen wandte er sich in seinen Gemälden der weiblichen Welt zu und veröffentlichte erotische Zeichnungen. Zu jener Zeit entstandene Modefotos mit Emilie verbinden seine Interessen an Bauerngärten und Frauenporträts.
6 Kapitel


Gustav Klimt: Die Medizin, 1900-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Max Eisler (Hg.): Gustav Klimt. Eine Nachlese, Wien 1931.
© Klimt-Foundation, Wien

Kostbare Bild­nis­se vor­neh­mer Damen

Klimt entwickelte die bereits bei dem Porträt Emilie Flöge eingeführte Ornamentalisierung ab 1904 in Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein und Porträt Fritza Riedler weiter. Hier gewannen der Hintergrund als geometrisch-abstrakte Folie für die naturalistisch behandelte Figur sowie der Einsatz von Gold und Silber zunehmend an Bedeutung und deuteten die Charakteristika der goldenen Periode an.

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Gustav Klimt: Porträt Fritza Riedler, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Far­ben­fro­he Blu­men­mo­sai­ke

Auch die Sommermonate der Jahre 1904 bis 1907 verbrachte Gustav Klimt in Litzlberg am Attersee, wo er in der Umgebung seines Domizils, dem Bräuhof, reich blühende Wiesen vorfand und malte. So schuf er gleichnishafte, geheimnisvolle Ausschnitte erlebter Natur in pointillistischer Malweise.

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Gustav Klimt: Bauerngarten mit Sonnenblumen, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Eros und Vanitas

Gustav Klimt führte seine allegorisch-märchenhaften Kompositionen der Vorjahre zwischen 1904 und 1906 mit dem Motiv der erotisch aufgeladenen Unterwasserwelt in Wasserschlangen I (Pergament) und Wasserschlangen II weiter. Als zentrales Thema des Gemäldes Die drei Lebensalter allegorisierte er die Vergänglichkeit.

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Gustav Klimt: Die drei Lebensalter, 1905, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, by permission of Ministero dei Beni e delle Attività Culturali
© National Gallery of Modern and Contemporary Art, Rome

Fa­kul­täts­bil­der. Klimt-Affäre

Klimt entwickelte sich mit den Fakultätsbildern Die Philosophie, Die Medizin und Die Jurisprudenz nicht nur zu einem radikalen Vertreter der Moderne, sondern definierte und verteidigte im Zuge der fortwährenden Kritik und Ablehnung seine persönliche Freiheit als Künstler. Klimt setzte der Affäre um die Fakultätsbilder 1905 ein Ende, indem er den Staatsauftrag zurückzog und das bereits erhaltene Honorar mithilfe der Lederers zurückzahlte.

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Gustav Klimt: Die Jurisprudenz, 1903-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Aus­stel­lungs­be­tei­li­gun­gen

1904 wollte die Wiener Secession auf der Weltausstellung im amerikanischen St. Louis mehrere Gemälde von Gustav Klimt präsentieren. Nachdem dies vom k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht abgelehnt wurde, zog die Vereinigung ihre Teilnahme zurück. Stattdessen stellte Klimt 1904/05 in Dresden, München und Berlin aus.

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Thomas Theodor Heine: Plakat der II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Berlin, 1905, Museum für Kunst und Gewerbe
© Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Zeich­nun­gen

Gustav Klimt wechselte 1903/04 zu einem harten, spitzen Bleistift auf Japanpapier. Da er das Thema der Unterwasserwelt weiterführte, wandte er sich verstärkt der erotischen Darstellung liegender Frauen zu. Die Studien für Damenbildnisse inszenieren Rüschen und Kleider, während er die Allegorie mit naturalistischen Aktstudien vorbereitete.

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Gustav Klimt: Zwei weibliche Akte in Umarmung, 1903-1907, Wien Museum
© Wien Museum

Klimt-Affäre um die Fakultätsbilder

Kostbare Bildnisse vornehmer Damen

Gustav Klimt: Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein, 1905, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München
© bpk | Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Moriz Nähr: Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein, 1905, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Klimt entwickelte die bereits bei dem Porträt Emilie Flöge eingeführte Ornamentalisierung ab 1904 in Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein und Porträt Fritza Riedler weiter. Hier gewannen der Hintergrund als geometrisch-abstrakte Folie für die naturalistisch behandelte Figur sowie der Einsatz von Gold und Silber zunehmend an Bedeutung und deuteten die Charakteristika der Goldenen Periode an.

Margaret Stonborough-Wittgenstein
Die Familie Wittgenstein gehörte um 1900 zu den reichsten Familien der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Karl Wittgenstein machte sein Vermögen in der Eisen- und Stahlindustrie und war ein wichtiger Sammler moderner Kunst sowie Förderer der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte.

Vermutlich beauftragten Karl und seine Frau Leopoldine Wittgenstein Gustav Klimt Anfang des Jahres 1904, damit ihre Tochter Margarethe zu porträtieren. In einem Brief schrieb Klimt an die Mutter:

»Mit größtem Vergnügen bin ich bereit Ihren Auftrag zu übernehmen, falls ein kleiner Aufschub möglich ist. Vor Mitte März werde ich nicht viel machen können.«

Klimt bereitete das Bildnis in gewohnter Manier in einigen Skizzen vor, bei denen er sich vor allem mit der Haltung des Modells und den Details der Kleidung beschäftigte. Die Ausführung des Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein (1905, Neue Pinakothek, München) fand wohl intensiv bis Anfang 1905 statt, als sich Klimt mit einer Leihanfrage an Karl Wittgenstein wandte:

»[…] darf ich mir das in Ihrem Besitze befindliche Bild: ›Goldener Ritter‹ für die Berliner Kunstausstellung erbitten? Ebenso das Porträt Ihrer Frau Tochter, obwo[h]l das Bild noch unfertig ist? – die Ausstellung dauert wahrscheinlich bis November. – ich habe dort einen Saal zu füllen und bräuchte die beiden Bilder dringend.«

Das noch unvollständige Gemälde wurde folglich im Mai 1905 in Berlin in der »II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes« präsentiert. Bereits am 7. Jänner des Jahres heiratete Margarethe Wittgenstein den amerikanischen Fabrikanten Jerome Stonborough und anglisierte ihren Namen danach öfters zu Margaret Stonborough-Wittgenstein. Das Ehepaar übersiedelte nach Berlin und die Porträtierte sorgte durch ihre persönliche Anwesenheit auf der Ausstellung für großes Interesse, wie die Neue Freie Presse berichtete. Der damalige Zustand des Gemäldes wurde fotografisch festgehalten und erschien als Reproduktion in der Zeitschrift Kunst und Künstler.

Hinsichtlich seiner Frauenporträts trat Klimt in eine neue Stilphase ein, die er im Porträt Emilie Flöge (1902–1903, Wien Museum) mit der Ornamentalisierung des Kleides vorbereitete und nun in der geometrisch-abstrakten Gestaltung des Hintergrunds fortsetzte. Dabei formulierte er ein Prinzip der Wiener Moderne neu: Den Kontrast von strenger Geometrie mit malerischer Brillanz und naturalistischer Figurendarstellung. So stellte er auch Margaret Stonborough-Wittgenstein in einem duftigen, weißen Kleid und einer Stola dar, dessen Stofflichkeit wie Samt-Jacquard anmutet. Während die Figur – besonders im Bereich des Gesichts und der Hände – höchst naturalistisch wiedergegeben ist, strukturierte Klimt den Hintergrund in Farbzonen. Noch während der Ausstellung kündigte Gustav Klimt in einem Brief an Karl Wittgenstein an, dass er durch die Fertigstellung des Werks das Porträt noch verbessern wolle:

»[…] nicht weil das Bild nicht fertig ist – sondern weil es vor allem noch nicht gut ist […]. Ich hoffe im Herbst nach Schluß [!] der Ausstellung das Bild fertig machen zu können und hoffe weiters, dass es als Porträt noch gut werden soll.«

Im Vergleich mit dem Zustand auf der Fotografie, veränderte Klimt vor allem den Hintergrund. Er fügte im unteren Bilddrittel eine die Farbflächen trennende schwarze Linie mit Schachbrettmusterakzenten ein und ergänzte ornamentale Muster in dem Feld hinter dem Kopf. Zudem versah er das Gemälde links unten mit seiner Signatur und der Datierung 1905 in einem, für die Damenporträts bereits mehrfach verwendeten, quadratischen Signet in Gold.

Gustav Klimt: Porträt Fritza Riedler, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Einblick in die Jubiläums-Ausstellung Mannheim, Mai 1907 - Oktober 1907
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Fritza Riedler
In der Nachfolge des Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein verstärkte Klimt die kontrastreiche Verbindung der Geometrisierung des Raumes mit der naturalistischen Darstellung des Modells Friederika »Fritza« Riedler. Sie war die Ehefrau des aus Graz stammenden Maschinenbauingenieurs Dr. Aloys Riedler, der an der Technischen Hochschule in München lehrte und später nach Aachen und Berlin berufen wurde.

Klimt bereitete das Porträt Fritza Riedler (1906, Österreichische Galerie Belvedere, Wien) ab 1904/05 in Studien vor, bei denen er mit unterschiedlichen sitzenden und stehenden Posen sowie Kleidungsstücken experimentierte. In der Ausführung des Gemäldes entschied er sich für ein nahezu quadratisches Format und stellte die Porträtierte in einem Fauteuil sitzend dar. Sie trägt ein weißes Kleid, dessen Rüschen, Volants und Maschenapplikationen Klimt wieder sehr stofflich schilderte, sowie ein mehrreihiges Kropfband und eine Kette aus Perlen. Der flächige Aufbau des Hintergrundes wird erst durch die angedeutete Dreieckskomposition der Porträtierten auf dem Sitzmöbel gebrochen, um eine Illusion von Tiefe zu suggerieren. Klimt reduzierte die Präsenz des Sessels durch die Ornamentalisierung des Stoffes, die das Umfeld nahezu auflöst. Dabei wurden die wellen- und mandelförmigen Muster des Stoffes in der Literatur öfters als aus der ägyptischen Hoheitssymbolik entlehnte Horusaugen interpretiert.

Besonders auffallend ist zudem die mosaikartig ornamentierte Fläche, die Fritza Riedlers Kopf hinterfängt und an ein buntes Glasfenster erinnert. Laut Ludwig Hevesi wirkte die Fläche wie ein »Heiligenschein« oder die »ausladenden Frisuren der Velázquez-Infantinnen«. Als Inspirationsquelle diente Klimt womöglich tatsächlich ein Porträt der Infantin Maria Teresa (1652/53, Kunsthistorisches Museum, Wien) des spanischen Hofmalers Diego Velázquez, mit dessen Werk er sich bereits während seiner Studienzeit auseinandergesetzt hatte. Zeitnah zu der Entstehung des Gemäldes Porträt Fritza Riedler reiste Klimt im Frühjahr 1906 nach London, wo er Velázquez‘ Werke – nach Überlieferung von Erich Lederer – ebenfalls besichtigte. Laut Lederer verglich sich Klimt sogar einmal mit dem Maler des spanischen »Siglo de Oro«: »Es gibt nur zwei Maler: Velázquez und mich!«. Ein weiterer wichtiger Impuls in Klimts Schaffen war seine Reise nach Italien, die ihn 1903 nach Venedig und Ravenna führte. Die dort gesehene byzantinische Kunst und »die goldschimmernden Mosaiken« beeinflussten sein Schaffen nachhaltig.

Ein abweichender Zustand des Porträt Fritza Riedler wurde 1918 in der ersten Lieferung der Mappe Das Werk von Gustav Klimt im Kunstverlag Hugo Heller publiziert. Auf der Reproduktion fehlt noch das kleine Quadrat mit seiner Signatur und Datierung 1906, das Klimt am linken Bildrand in die goldene Fläche einfügte. Im fertiggestellten Werk änderte er sonst nur noch wenige Partien, darunter die Quadrate der Wandfläche und die ornamentale Ausführung des »Heiligenscheins«. Vermutlich fügte Klimt die Ergänzungen für die Präsentation des Werks auf oder nach der »Jubiläums-Ausstellung Mannheim« hinzu, die 1907 in der Kunsthalle Mannheim stattfand. Dort wurde auch Klimts Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907, Neue Galerie New York) ausgestellt, das als Schlüsselwerk der Goldenen Periode gilt und in dem das Wechselspiel von goldornamentierten Flächen im Kontrast mit naturalistischer Körperlichkeit kulminierte.

Literatur und Quellen

  • Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969, S. 507, Nr. 10.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012.
  • Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt 150 Jahre, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 13.07.2012–27.01.2013, Wien 2012.
  • Thomas Zaunschirm: Gustav Klimt. Margarethe Stonborough-Wittgenstein. Ein österreichisches Schicksal, Frankfurt am Main 1987.
  • Johannes Dobai: Das Bildnis Margaret Stonborough-Wittgenstein von Gustav Klimt, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 5. Jg., Heft 8 (1960), S. 8-11.
  • Brief von Gustav Klimt an Karl Wittgenstein [?], DLSTPW7 (presumably mid-1905), Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien.
  • Brief von Gustav Klimt an Leopoldine Wittgenstein [?], DLSTPW8 (presumably 1904), Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien.
  • Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe, 3. Jg. (1905).
  • N. N.: Eröffnung der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes. Telegramme der "Neuen freien Presse", in: Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 20.05.1905, S. 9.
  • Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918, Tafel 7.
  • Elisabeth Kamenicek: Die Wittgensteins als Sammler, Bauherren und Mäzene, in: Bernhard Fetz (Hg.): Berg, Wittgenstein, Zuckerkandl. Zentralfiguren der Wiener Moderne, Wien 2018, S. 123-147.

Farbenfrohe Blumenmosaike

Gustav Klimt: Rosen unter Bäumen, um 1904, Privatbesitz
© bpk | RMN - Grand Palais, Foto: Patrice Schmidt

Gustav Klimt: Blumenwiese, um 1904/05, Privatsammlung
© Juan Trujillo

Gustav Klimt: Gartenlandschaft (Ein Sommertag), 1902/03, Carnegie Museum of Art, Patrons Art Fund
© Carnegie Museum of Art, Pittsburgh

Gustav Klimt: Bauerngarten mit Sonnenblumen, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Auch die Sommermonate der Jahre 1904 bis 1907 verbrachte Gustav Klimt in Litzlberg am Attersee, wo er in der Umgebung seines Domizils, dem Bräuhof, reich blühende Wiesen vorfand und malte. So schuf er gleichnishafte, geheimnisvolle Ausschnitte erlebter Natur in pointillistischer Malweise.

In seinen Landschaften verarbeitete Klimt visuelle Eindrücke und schuf auf der Leinwand ein Äquivalent in Farbe und Form. Dabei stand das eigene Erlebnis der Natur im Vordergrund. Nicht nur Werke des Impressionismus und Postimpressionismus, wie sie auf der epochalen »XVI. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession« zu Beginn des Jahres 1903 in Wien zu sehen waren, sondern vor allem seine eigene Erfahrung der Natur als erholsamer und inspirierender Rückzugsort wird in dieser Werkgruppe nachvollziehbar.

In Klimts üppigen Obstgärten mit blühenden Wiesen oder Rosensträuchern in quadratischem Format gelangt der gleichnishafte Charakter des Naturbilds in vibrierenden, pointillistischen Farbfeldern besonders zum Ausdruck. Im Gemälde Rosen unter Bäumen (um 1904, Privatbesitz) ergänzte der Maler im Vordergrund drei kleine Rosensträucher als Kontrast zu den mächtigen Baumkronen dreier Apfelbäume im Hintergrund. Es resultiert daraus eine in unendlicher Vielzahl der Farbtöne vibrierende Fläche. Die flirrende Farbwirkung steht im Vordergrund zu Lasten der Tiefenräumlichkeit, lediglich rechts oben deutet Klimt ein kleines Stück Himmel und Wolken sowie eine Anhöhe an.

Für Rosen unter Bäumen existiert im Skizzenbuch aus dem Besitz von Sonja Knips auf Seite 55 eine Kompositionsskizze. Da der Maler dieses Büchlein zwischen 1897 und 1905 in Verwendung hatte, ist die Entstehung des Gemäldes vor oder um 1904/05 anzunehmen. Ausgestellt wurde es erstmals 1908 im Rahmen der »Kunstschau Wien«. Von Berta Zuckerkandl, der unbeugsamen Apologetin Klimts, gibt es eine poetische Beschreibung der Rosen:

»So duften auch die Rosen unter dem segengebeugten Apfelbaume, schwer betäubend und süß. Keine Knospe tragen diese Büsche, voll erblüht, träumen sie alle Ekstasen des Sommerrausches.«

Auch im Werk Blumenwiese (1904/05, Privatbesitz) wird der flächenhafte Charakter durch kleinteilige, nahezu getupfte Farbflächen deutlich, wobei Klimt hier durch die knappe Andeutung eines wolkenverhangenen Himmels und der Verjüngung der Bäume im Hintergrund eine gewisse Tiefenräumlichkeit evoziert. Zur Präsentation gelangte dieses Bild erstmals 1910 auf der »IX. Esposizione Internazionale d'Arte« in Venedig.

In beiden Wiesendarstellungen werden die Bäume als in sich geschlossene Formen, kugelförmig oder oval, mit schlanken, kurzen Stämmen wiedergegeben.

Auch in jenen Landschaftsdarstellungen, die bereits in den Jahren zuvor entstanden waren, wie Gartenlandschaft (Ein Sommertag) (1902/03, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, Pennsylvania) oder in seinen Waldeinblicken lässt Klimt den Blick des Betrachtenden durch den bewusst kleinteiligen Duktus über die Leinwand flanieren und die Pracht der Natur entdecken.

1906 widmete er sich abermals der floralen Blüten- und Farbenpracht in der Darstellung Bauerngarten mit Sonnenblumen (1906, Belvedere, Wien). Markus Fellinger entdeckte einen Zeitungsartikel in Die Zeit von 25. Dezember 1906, in welchem ein mit Sonnenblumen gespickter Bauerngarten als eine neue Arbeit des Malerfürsten beschrieben wird:

»Das dritte ein Bauerngarten: wundervoll stilisiert, beinahe als idealer Teppich gedacht und dabei von höchstem Reiz harmonischer Farbenwirkung, zu der diese gewöhnlichen Blumen – Sonnenblumen, Aurikeln usw. – vereint sind.«

Das pointillistische Flirren nimmt hierbei ab, die Sonnenblumen dominieren durch ihre Detailtreue dieses Blumenmosaik, gespickt mit u.a. Phlox, Nelken und Zinnien. Ihre Fortführung finden sie in den Folgejahren bei erneuten Aufenthalten am Attersee.

Literatur und Quellen

  • Fritz Novotny, Johannes Dobai (Hg.): Gustav Klimt, Salzburg 1975, S. 338.
  • Stephan Koja: Tafeln, in: Stephan Koja (Hg.): Gustav Klimt. Landschaften, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 23.10.2002–23.02.2003, München 2002.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007, S. 282.
  • Stephan Koja: Frisch weht der Wind der Heimat zu… Neue Beobachtungen zur Topografie von Klimts Landschaftsbildern, in: Österreichische Galerie Belvedere (Hg.): Belvedere. Zeitschrift für Bildende Kunst (2007), S. 192-221.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Florale Welten, Wien 2019.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Sommerfrische am Attersee 1900-1916, Wien 2015.

Eros und Vanitas

Gustav Klimt: Wasserschlangen I (Pergament), 1904, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Gustav Klimt führte seine allegorisch-märchenhaften Kompositionen der Vorjahre zwischen 1904 und 1906 mit dem Motiv der erotisch aufgeladenen Unterwasserwelt in Wasserschlangen I (Pergament) und Wasserschlangen II weiter. Als zentrales Thema des Gemäldes Die drei Lebensalter allegorisierte er die Vergänglichkeit.

Gustav Klimt beschäftigte sich erstmals in Bewegtes Wasser (1898, Privatbesitz) mit märchenhaft-mythischen Wasserwesen und führte das Thema in den Gemälden Nixen (Silberfische) (1902/03, Albertina, Wien), Goldfische (1901/02, Kunstmuseum Solothurn, Dübi-Müller-Stiftung), Irrlichter (1903, Privatbesitz) und Daphne (1902/03, Privatbesitz) weiter. Auch in Wasserschlangen I (Pergament) (1904, überarbeitet: vor 1907, Belvedere, Wien) und Wasserschlangen II (1904, überarbeitet: vor 1908, Privatbesitz) griff er die sinnlich-erotischen Wasserwesen, Nixen und Fische wieder auf, die an Werke der Symbolisten Fernand Khnopff und Jan Toroop erinnern.

Wasserschlangen I (Pergament)
Ab 1903 entstanden zahlreiche vorbereitende Studien und Zeichnungen, die im Zusammenhang mit den »Wasserschlangen« stehen. Hierbei konzentrierte sich Klimt vor allem auf die Darstellung lesbischer Paare und gestaltete auch einen Kompositionsentwurf für Wasserschlangen I (1904, Privatbesitz, S 1982: 1355). Das Werk, bei dem es sich eventuell um eine Vorarbeit für Wasserschlangen II handeln könnte, führte er auf einem kleinformatigen (50 x 20 cm) Pergamentblatt in Mischtechnik aus. Dabei nutzte er Bleistift, Aquarell- und Deckfarben, Silber- und Goldbronze sowie Goldauflagen. Die Materialität wurde 1906 in einem Artikel über Neue Arbeiten von Gustav Klimt in Die Zeit kommentiert:

»[…] Das schönste vielleicht, das vierte, ist ein sich umarmendes Frauenpaar mit goldigem Haar, zarten, feinen Leibern; […] es ist auf Pergament gemalt; ein Material, das den letzten und feinsten Intentionen des Künstlers zu unerhört duftigem und delikatem Ausdruck verhilft. Auch hier der Grund rein dekorativ: Schlangenhäute, stilisierte Seetiere, Gold- und Silberornamente in reichem hieratischen Prunk.«

Neben der Malweise ist jedoch besonders der erotisch-sinnliche Gehalt der Darstellung nackter, junger, träumender Frauen, die sich innig umarmen, charakteristisch für Klimt. Die beiden Aktfiguren werden in der ornamental aufgelösten Unterwasserwelt von Meereswesen und abstrahierten Pflanzen umspielt. Der Künstler nahm bis 1907 noch Änderungen an der Arbeit vor, die in Zwischenzuständen in zwei Schwarz-Weiß-Aufnahmen dokumentiert wurden. Die erstmalige Präsentation von Wasserschlangen I fand im Juli 1907 in der »Ausstellung Gustav Klimt« der Galerie Miethke statt.

Gustav Klimt: Wasserschlangen II, 1904, Privatbesitz, courtesy of HomeArt
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz Nähr: Wasserschlangen II, Juni 1908 - November 1908, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Moriz Nähr: Einblick in die XX. Secessionsausstellung, April 1904 - Juni 1904, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Wasserschlangen II
Im Vergleich mit Wasserschlangen I (Pergament) kippte Klimt bei Wasserschlangen II die im Wasser treibenden Akte in ein größeres Querformat (80 x 145 cm). In der »XX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession« war das Gemälde laut Zeitungsberichten noch unvollendet zu sehen. Das Werk wurde erst vier Tage nach der Eröffnung am 29. März 1904 nachgereicht. Eine Fotografie von Moriz Nähr erlaubt einen Einblick in den Ausstellungssaal VI, in der Wasserschlangen II in diesem ersten, unvollendeten Zustand hing und somit dokumentiert wurde. Klimt sollte noch bis 1908 Änderungen und Ergänzungen daran vornehmen. Der Journalist Armin Friedmann besichtigte die Ausstellung, der er in der Wiener Abendpost eine Rezension widmete und das erstmals präsentierte Gemälde ausführlich beschrieb:

»Klimt hat ein neues Bild gemalt, das er Wasserschlangen nennt. Es ist wieder die heimliche wundersame Konfession eines verzärtelten Traumweltlers. […] Mit unendlicher Zartheit gibt sich ein schüchternes Unterseegrün kund, ein bläuliches Grau verzittert, ein etwas wärmeres Braun meldet sich an, Gold und tief Dunkelblau führen ins Dekorative hinüber. Zwischen Wirklichkeit, Traum und Ornament werden wir leise gewiegt. Die Frauenleiber irisieren. Spielt auf dem Meeresgrunde. Zwei überschlanke Jan Toorop-Nixlein erlustigen sich auf seinem Buntkies mit fabelhaften Seeschlangen in sündig-unschuldsvollem Spiel.«

Zum Jahreswechsel 1904/05 präsentierte Klimt sein Werk ein zweites Mal, diesmal in der »Ausstellung der Wiener Kunstvereinigung Secession«, im Städtischen Volksgartensalon in Linz. Danach folgte im Mai 1905 die »II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes« in den Räumlichkeiten der Berliner Secession. Klimt erhielt einen eigenen Saal, in dem er 13 Gemälde zeigte. Der Raum sollte innerhalb der Ausstellung eine Sonderstellung als Klimt-Kollektivschau einnehmen, jedoch führten die zu diesem Zweck vorgesehenen aufwendigen Dekorationsarbeiten zu Verzögerungen. Weiters gab es Zollprobleme bei der Anlieferung der Gemälde, weshalb der Klimt-Saal erst zwei Wochen nach der Ausstellungseröffnung am 19. Mai 1905 zu besichtigen war.

Gustav Klimt: Die drei Lebensalter, 1905, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea, by permission of Ministero dei Beni e delle Attività Culturali
© National Gallery of Modern and Contemporary Art, Rome

Die drei Lebensalter
Klimts bedeutendstes allegorisches Werk in dieser Schaffensphase – Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d´Arte Moderna e Contemporanea, Rom) – bereitete der Maler zwischen 1904 und 1905 mit einfühlsamen Einzel- sowie Mutter-Kind-Studien und einer Übertragungsskizze (1904, Privatbesitz) vor. Das ausgeführte Werk zeigt drei Figuren in drei Lebensaltern: Eine Greisin in Profilansicht, die ihr Gesicht mit ihrem Haar und einer Hand verhüllt und daneben eine junge Frau, die ein Kind innig auf den Armen hält. Klimt setzte sich mit dieser Komposition über gängige Raum- und Perspektivkonstruktionen und Erzähltechniken hinweg. Stattdessen stellte er in seiner symbolischen Interpretation der Vergänglichkeit drei Figuren vor einen abstrakten Hintergrund, den er ornamental gestaltete. Mit der Gegenüberstellung von hohem Alter, Jugendlichkeit und Kindheit griff Klimt auf die Tradition von Vanitas-Darstellungen zurück, die er in Die drei Lebensalter allerdings mit geschlossenen Augen und in sich gekehrt gestaltete.

Das Werk wurde im Mai 1905 erstmals im Rahmen der »II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes« in Berlin präsentiert, gemeinsam mit Wasserschlangen II und dem Porträt Margarete Stonborough-Wittgenstein (1905, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München). Laut Neuer Freier Presse wurde von Kritikern »die Kunst der Ausführung anerkannt«, die Reaktionen der Besucher über Die drei Lebensalter aber auch wie folgt beschrieben:

»Wohl haben seine Seltsamheiten manches Kopfschütteln verursacht, vor allem das Bild ›Die Lebensalter‹, das gleichsam in herausfordernder Absicht an die Hauptwand gehängt ist. Man sieht drei nackte Gestalten, ein Kind, eine junge Frau und ein altes Weib, namentlich der verwelkte und verwüstete Körper des letzteren ist mit abstoßendem Realismus dargestellt. [...] Ringsherum ist allerlei merkwürdiges Farbenspiel.«

Literatur und Quellen

  • Colin B. Bailey (Hg.): Gustav Klimt. Modernism in the Making, Ausst.-Kat., National Gallery of Canada (Ottawa), 15.06.2001–16.09.2001, Ottawa 2001.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt 150 Jahre, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 13.07.2012–27.01.2013, Wien 2012.
  • Alfred Weidinger: Die Ursucht oder die Lust am eigenen Körper. Feminine Sexualität im Werk von Gustav Klimt, in: Agnes Husslein-Arco, Jane Kallir, Alfred Weidinger (Hg.): Klimt, Schiele, Kokoschka und die Frauen, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 22.10.2015–28.02.2016, München 2015, S. 30-47.
  • Armin Friedmann: Sezessions=Ausstellung, in: Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, 08.04.1904, S. 1-3.
  • Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 14.03.2012–10.06.2012; Getty Center (Los Angeles), 03.07.2012–23.09.2012, München 2012, S. 166-181.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien (05/19/1905).
  • N. N.: Eröffnung der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes. Telegramme der "Neuen freien Presse", in: Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 20.05.1905, S. 9.

Fakultätsbilder. Klimt-Affäre

Moriz Nähr: Einblick in die XVIII. Secessionsausstellung, November 1903 - Januar 1904, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Die Philosophie, 1900-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Die Medizin, 1900-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Die Jurisprudenz, 1903-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Josef Hoffmann: Raumentwurf für die Secession auf der Weltausstellung in St. Louis, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 6. Jg., Sonderband 3 (1903).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Klimt entwickelte sich mit den Fakultätsbildern Die Philosophie, Die Medizin und Die Jurisprudenz nicht nur zu einem radikalen Vertreter der Moderne, sondern definierte und verteidigte im Zuge der fortwährenden Kritik und Ablehnung seine persönliche Freiheit als Künstler. Klimt setzte der Affäre um die Fakultätsbilder 1905 ein Ende, indem er den Staatsauftrag zurückzog und das bereits erhaltene Honorar mithilfe der Lederers zurückzahlte.

Der Entstehungsprozess von Klimts Fakultätsbildern für die Aula der k. k. Universität Wien begann mit der Auftragserteilung 1894 und erstreckte sich mit zahlreichen Vorstudien, Änderungen und Ergänzungen über viele Jahre bis zur Fertigstellung um 1907. Hierbei manifestierte sich sein künstlerischer Wandel vom historistischen Ausstattungskünstler zum international anerkannten Symbolisten. Damit entfernte sich Klimt zunehmend von den 1898 genehmigten Entwurfsskizzen sowie vom Kunst- und Moralverständnis der Auftraggeber. Die Gemälde sorgten im Zuge der Erstpräsentationen für regelrechte Skandale.

Das erste öffentlich präsentierte Werk war Die Philosophie (1900-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), die im März 1900 in der »VII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession« gezeigt wurde. Die Kritik kulminierte in einer Petition der Universitätsprofessoren, die sich gegen die Anbringung der Fakultätsbilder von Klimt aussprachen. Hauptkritikpunkte waren die von der klassischen Ikonographie abweichende Motivwahl, die unpassende Komposition sowie die unverständliche Formen- und Bildsprache. Er stellte Die Philosophie als das Entstehen, das fruchtbare Sein, das Vergehen, das Welträtsel und das Wissen dar. Als Inspirationsquellen dienten ihm für das symbolistische Gemälde vermutlich Richard Wagners Der Ring der Nibelungen sowie theosophisches Gedankengut.

1901 folgte Die Medizin (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), die erstmalig in der »X. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession« präsentiert wurde. Hier verkörperten die Figur der Hygieia und ein Strom der leidenden Menschheit, Krankheit, Schmerz und Tod. Dabei setzte Klimt den »Menschenstrom« von Die Philosophie fort.

Im Vergleich zum Vorjahr traten diesmal mehr als 20 Abgeordnete im Parlament mit einer Interpellation an den k. k. Minister für Cultus und Unterricht heran, die das progressive Gemälde kritisierten. Zudem wurde das 6. Heft des Ver Sacrum beschlagnahmt, da die darin publizierten Abbildungen einer nackten, schwangeren Frau – Aktstudien und eine Reproduktion der Medizin – gegen die öffentliche Sittlichkeit verstießen.

Die Jurisprudenz (1903‒1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) bildete den Höhepunkt der Fakultätsbilder. Sie wurde erstmalig und gemeinsam mit Die Medizin und Die Philosophie im November 1903 in der »XVIII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession Wien. Kollektiv-Ausstellung Gustav Klimt« ausgestellt. Klimt führte die Symbolik noch progressiver weiter, indem er Wahrheit, Gerechtigkeit und Gesetz über einen Verurteilten in der Gewalt dreier Furien und einer Krake walten ließ.

Klimts Werke provozierten erneut zahlreiche Kritiken, satirische Karikaturen und Verspottungen, wobei besonders die schonungslose Darstellung von Nacktheit und Hässlichkeit als pervers und schockierend aufgefasst wurde. Auf die Seite der Kritiker stellte sich Karl Kraus; unter den Befürworter:innen waren hingegen die Secessionisten und prominente Persönlichkeiten wie Hermann Bahr, Ludwig Hevesi und Berta Zuckerkandl. Zusammen mit Matschs Beiträgen für die Aula der Universität fielen Klimts Fakultätsbilder nun endgültig stilistisch aus dem Gesamtkonzept.

1904 wollte die Secession auf der Weltausstellung im amerikanischen St. Louis u.a. Klimts Die Philosophie und Die Jurisprudenz präsentieren. Das Ministerium lehnte das Vorhaben jedoch mit der Begründung ab, dass nicht genug Mitglieder der Secession vertreten gewesen wären um die Vereinigung ausreichend zu repräsentieren. Wahrscheinlich sollte lediglich die Ausstellung der umstrittenen Fakultätsbilder verhindert werden. Die Secession zog ihre Teilnahme an der Weltausstellung St. Louis komplett zurück und publizierte kurz darauf ein Sonderheft des Ver Sacrum mit dem Titel Die Wiener Secession und die Ausstellung in St. Louis. Darin war auch ihr offizieller Antwortbrief an das Ministerium enthalten:

»Der Wert einer Kunstausstellung wird nach unserer Ansicht nicht durch die Anzahl der Objekte, sondern durch die Qualität derselben und die Art ihrer Aufstellung bestimmt. […] Die Vereinigung bedauert, daß [!] ihre künstlerische Anschauung im hohen k. k. Unterrichts-Ministerium keine Anerkennung gefunden hat […]«.

1905 wurde die probeweise Anbringung der Bilder an ihrem Bestimmungsort in der Universität abgelehnt und aus Kostengründen jene der Werke von Matsch genehmigt. Klimt wollte daraufhin von dem gesamten Auftrag zurücktreten und auf sein Honorar verzichten. In einem Schreiben erläuterte er seine Beweggründe und übte Kritik an der staatlichen Kunstförderung und Einflussnahme auf die künstlerische Freiheit:

»Genug der Zensur. Ich greife zur Selbsthilfe. Ich will loskommen. Ich will aus allen diesen unerquicklichen, meine Arbeit aufhaltenden Lächerlichkeiten zur Freiheit zurück. Ich lehne jede staatliche Hilfe ab, ich verzichte auf alles.«

Im Mai 1905 kaufte Klimt schließlich mithilfe der Unterstützung des Wiener Industriellen- und Sammlerpaares August und Serena Lederer die Fakultätsbilder zurück und retournierte alle bereits erhaltenen Honorare in Höhe von 30.000 Kronen (ca. 237.102 Euro) an das Ministerium. Matschs Mittelbild sowie die Zwickelbilder wurden im Festsaal angebracht, die restlichen Felder blieben frei.

Nach dem Skandal um die Fakultätsbilder 1905, der in der Presse umfangreich thematisiert wurde, zog sich Gustav Klimt zusehends aus der Öffentlichkeit zurück. Zudem trat er gemeinsam mit der sogenannten Klimt-Gruppe aus der Secession aus. Vermutlich aufgrund seines künstlerischen Umbruchs als auch des persönlichen Rückzugs stellte Klimt 1906 nur einmal aus. In der Galerie H. O. Miethke fand von Jänner bis März 1906 die »Ausstellung von Werken alter und moderner Meister« statt. Hier wurde das umstrittene Fakultätsbild Die Jurisprudenz erstmals seit der »Klimt-Kollektive« wieder dem Wiener Publikum präsentiert.

Die Endfassungen von Klimts Fakultätsbildern wurden 1907 wieder gemeinsam in der Galerie Miethke und in der Galerie Keller & Reiner in Berlin gezeigt. Besonders in Berlin riefen die überarbeiteten Werke durchwegs positive Resonanz hervor und verhalfen Klimt zu weiteren Ausstellungen in der deutschen Galerie Arnold und in der Kunsthandlung Paul Cassierer. Die einst so skandalösen Werke verbrannten 1945 auf Schloss Immendorf in Niederösterreich.

Literatur und Quellen

  • Markus Fellinger, Michaela Seiser, Alfred Weidinger, Eva Winkler: Gustav Klimt im Belvedere. Vergangenheit und Gegenwart, in: Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt 150 Jahre, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 13.07.2012–27.01.2013, Wien 2012, S. 31-281.
  • Peter Weinhäupl: Baustelle Fakultätsbilder. Klimts streitbare Moderne, die ungewollte Anerkennung und der Untergang, in: Sandra Tretter, Hans-Peter Wipplinger (Hg.): Gustav Klimt. Jahrhundertkünstler, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 22.06.2018–04.11.2018, Wien 2018, S. 49-76.
  • Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 6. Jg., Sonderband 3 (1903), S. 5.
  • N. N.: Die „Philosophie“ von Klimt und der Protest der Professoren, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 3. Jg., Heft 10 (1900), S. 151-166.
  • N. N.: Die Secession und die Weltausstellung in St. Louis, in: Neue Freie Presse, 04.02.1904, S. 6.
  • Galerie H. O. Miethke (Hg.): Old and modern pictures. Tableaux anciens et modernes, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 00.07.1906–00.00.1906, Wien 1906.
  • Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
  • Christian M. Nebehay: Skandale um die Fakultätsbilder, 1900-1905, in: Gustav Klimt. Sein Leben nach zeitgenössischen Berichten und Quellen, Wien 1969, S. 144-177.
  • Gustav Klimt und der Staatsauftrag Archivalien des Monats. Österreichisches Staatsarchiv. geschichte.univie.ac.at/de/biblio/gustav-klimt-und-der-staatsauftrag (19.09.2022).
  • Die Fakultätsbilder von Gustav Klimt im Festsaal der Universität Wien. Universität Wien. geschichte.univie.ac.at/de/artikel/die-fakultaetsbilder-von-gustav-klimt-im-festsaal-der-universitaet-wien (19.09.2022).
  • Berta Zuckerkandl: Gustav Klimt's Decken-Gemälde, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 22 (1908), S. 68-73.
  • Horst-Herbert Kossatz: Der Austritt der Klimt-Gruppe. Eine Pressenachschau, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 20. Jg., Heft 141 (1975), S. 23-26.

Ausstellungsbeteiligungen

Josef Hoffmann: Raumentwurf für die Secession auf der Weltausstellung in St. Louis, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 6. Jg., Sonderband 3 (1903).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

1904 wollte die Wiener Secession auf der Weltausstellung im amerikanischen St. Louis mehrere Gemälde von Gustav Klimt präsentieren. Nachdem dies vom k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht abgelehnt wurde, zog die Vereinigung ihre Teilnahme zurück. Stattdessen stellte Klimt 1904/05 in Dresden, München und Berlin aus.

1904 sollte die Wiener Secession auf der Weltausstellung in St. Louis ausstellen. Im Ausstellungsraum, welcher der Vereinigung zur Verfügung gestellt wurde, sollten neben sechs Werken von Gustav Klimt auch einige Plastiken von Franz Metzner und Ferdinand Andri gezeigt werden. Die Ausgestaltung des Raumes wurde von Josef Hoffmann konzipiert. Das Unterrichtsministerium lehnte das Vorhaben jedoch ab. Die Begründung dafür war laut Ministerium, dass nicht genug Mitglieder der Secession auf der Weltausstellung vertreten gewesen wären, um die Vereinigung ausreichend zu repräsentieren. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Ausstellung der umstrittenen Fakultätsbilder Die Jurisprudenz (1903–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) und Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) verhindert werden sollte.

Auf diese Ablehnung hin zog die Secession ihre Teilnahme an der Weltausstellung in St. Louis komplett zurück. Die Vereinigung publizierte kurz darauf ein Sonderheft des Ver Sacrum mit dem Titel Die Wiener Secession und die Ausstellung in St. Louis. Darin war auch ihr offizieller Antwortbrief an das Ministerium enthalten. Die Ablehnung des Ministeriums kommentierte die Secession unter anderem wie folgt:

Josef Groller: Plakat der Großen Kunstausstellung Dresden, 1904, Albertina, Wien
© ALBERTINA, Wien

Leopold Stolba: Plakat der XX. Secessionsausstellung, 1904, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
© Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

»Der Wert einer Kunstausstellung wird nach unserer Ansicht nicht durch die Anzahl der Objekte, sondern durch die Qualität derselben und die Art ihrer Aufstellung bestimmt. […] Die Vereinigung bedauert, daß [!] ihre künstlerische Anschauung im hohen k.k. Unterrichts-Ministerium keine Anerkennung gefunden hat […]«.

Das Sonderheft enthielt neben der schriftlichen Stellungnahme auch Abbildungen der Werke Klimts und der anderen Künstler, die auf der Weltausstellung gezeigt hätten werden sollen sowie die Entwürfe für die Raumgestaltung von Josef Hoffmann.

Ausstellungen in Deutschland
Gustav Klimt nahm 1904 stattdessen an der »Großen Kunstausstellung Dresden« und an der »X. Ausstellung der Münchner Sezession: Der Deutsche Künstlerbund« teil. In Dresden waren acht Gemälde des Künstlers zu sehen, darunter vier Werke, die ursprünglich für St. Louis vorgesehen gewesen waren. Dresden könnte daher als eine Art Ersatz oder Gegenveranstaltung zur Weltausstellung in den USA gedeutet werden. Die zeitgleich stattfindende »X. Ausstellung der Münchner Sezession« wurde nur mit zwei Bildern Klimts beliefert – Aus dem Reich des Todes (Zug der Toten) (1903, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen) und Porträt Marie Henneberg (1901/02, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt – Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)).

Erstpräsentation Wasserschlangen II
Nachdem Gustav Klimt seine neuesten Werke bereits 1903 im Rahmen der »Klimt-Kollektive« der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, zeigte er 1904 nur ein einziges, noch nie ausgestelltes Gemälde: Wasserschlangen II (1904, überarbeitet: vor 1908, Privatbesitz). Es war auf der »XX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession« von März bis Juni im Saal VI zu sehen. Diese Secessionsausstellung sollte die letzte sein, an der Klimt als Mitglied der Vereinigung teilnahm. Die Wasserschlangen II waren laut diversen Zeitungsberichten zu Beginn der Ausstellung allerdings noch unvollendet. Das Gemälde wurde erst vier Tage nach Ausstellungseröffnung am 28. März nachgereicht. Eine Fotografie Moriz Nährs gibt einen Einblick in den Ausstellungssaal VI, an dessen Wänden die erste Version des Werkes hing. Es handelt sich dabei um die einzige bisher bekannte Abbildung des ersten Zustandes des noch unvollendeten Werkes, das später durch Klimt großflächig überarbeitet werden sollte. Die Kritiker äußerten sich eher ambivalent, aber nicht unbedingt negativ über die Wasserschlangen II: »[A]ber so sehr man sich auch dagegen wehrt und sträubt, schließlich siegt der rätselvolle Zauber all dieser welken und kranken, unmöglichen Schönheit.« Zum Jahreswechsel 1904/05 war das Gemälde noch einmal in der »Ausstellung der Wiener Kunstvereinigung Secession« im Volksgarten in Linz zu sehen. Die Reaktion der Kritiker fiel auch hier durchaus positiv aus:

»Hätte die ›Sezession‹ [!] nur dieses Bild von Klimt hierhergeschickt, der Besuch der Ausstellung würde sich bereits lohnend gestalten.«

Moriz Nähr: Einblick in die XX. Secessionsausstellung, April 1904 - Juni 1904, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Thomas Theodor Heine: Plakat der II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Berlin, 1905, Museum für Kunst und Gewerbe
© Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Berlin
Im Mai 1905 folgte die »II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes« in den Räumlichkeiten der Berliner Secession. Auf der ersten »Klimt-Kollektive« Berlins erhielt der Maler einen eigenen Saal. Neben Ferdinand Hodler war er damit einer von zwei Künstlern, die einen eigenen Raum auf der Ausstellung zur Verfügung gestellt bekamen. Es waren insgesamt dreizehn Gemälde von Klimt zu sehen. Wie eine Lieferbestätigung zeigt, wurde ein Großteil der Arbeiten von der Galerie Miethke bereitgestellt, die zu diesem Zeitpunkt den Verkauf der meisten Klimt-Werke abwickelte. Unter den Gemälden befanden sich unter anderem die im Vorjahr entstandenen Wasserschlangen II sowie zwei neue Bilder: Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d'Arte Moderna e Contemporanea, Rom) und das Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein (1905, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München). Letzteres wurde laut Eigenaussage des Künstlers unvollendet ausgestellt. Jener unvollendete Zustand ist im 3. Jahrgang der Zeitschrift Kunst und Künstler dokumentiert.

Da das Œuvre des Malers den Status einer Kollektivschau einnahm, sollte dem Klimt-Saal eine Sonderstellung zukommen. Im Gegensatz zu den übrigen, schlichten Ausstellungsräumen wurde der Saal für Klimt aufwendig dekoriert. Diese Dekorationsarbeiten dauerten jedoch länger als erwartet. Obendrein schildert Klimt auf einer Ansichtskarte aus Berlin an Emilie Flöge, dass es einige Zollprobleme bei der Anlieferung seiner Gemälde gegeben hatte. Der Saal war also am 18. Mai bei der Vorbesichtigung der Ausstellungsräume durch die Presse noch nicht zugänglich. Er konnte jedoch noch rechtzeitig zur offiziellen Eröffnung am 19. Mai fertiggestellt werden. Die neuen Gemälde Die drei Lebensalter und Porträt Margaret Stonborough-Wittgenstein standen im Fokus der Kritiken:

»Wohl haben seine Seltsamheiten manches Kopfschütteln verursacht, vor allem das Bild ›Die Lebensalter‹, das gleichsam in herausfordernder Absicht an die Hauptwand gehängt ist. [...] Insbesondere das Bildnis einer schlanken, jungen Frau wurde bewundert, und erregte umso größeres Interesse, als das Original, eine Wienerin, die an einen Engländer verheiratet ist, sich häufig in dem Saale aufhielt.«

Galerie

Ansichtskarten von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien

  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien, 17.05.1905, Privatbesitz
    © Leopold Museum, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien, 17.05.1905, Privatbesitz
    © Leopold Museum, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien, 19.05.1905, Privatbesitz
    © Leopold Museum, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien, 19.05.1905, Privatbesitz
    © Leopold Museum, Wien

Klimt erhielt im Zuge der Ausstellung in Berlin von der Jury eine Auszeichnung. Als Preis sollte ihm für ein Jahr ein Atelier in der Villa Romana in Florenz – welche der Deutsche Künstlerbund angekauft hatte ­­– zur Verfügung gestellt werden. Klimt lehnte jedoch dankend ab und schlug stattdessen Maximilian Kurzweil für das Atelier vor.

1906 – Ein ausstellungsarmes Jahr
Nach dem Skandal um die Fakultätsbilder 1905 (Klimt hatte sich nach wiederholter Kritik an seinen Werken aus dem Vertrag mit dem Unterrichtsministerium freigekauft), der in der Presse vielfach thematisiert wurde, zog sich Gustav Klimt zusehends aus der Öffentlichkeit zurück. Zudem trat er gemeinsam mit der sogenannten Klimt-Gruppe aus der Secession aus. Sowohl der künstlerische Umbruch als auch der persönliche Rückzug könnten Gründe dafür gewesen sein, dass in diesem Jahr nur eine einzige Ausstellung von Klimt Werken nachgewiesen werden kann. In der Galerie H. O. Miethke fand von Jänner bis März 1906 die »Ausstellung von Werken alter und moderner Meister« statt. Dort wurde das umstrittene Fakultätsbild Die Jurisprudenz erstmals seit der »Klimt-Kollektive« 1903/04 wieder dem Wiener Publikum präsentiert.

Literatur und Quellen

  • Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): XX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs Secession Wien. März April Mai 1904, Ausst.-Kat., Secession (Wien), 26.03.1904–12.06.1904, Wien 1904.
  • Städtischer Ausstellungspalast (Hg.): Offizieller Katalog der Grossen Kunstausstellung Dresden 1904, Ausst.-Kat., Städtischer Ausstellungspalast (Dresden), 01.05.1904–31.10.1904, 4. Auflage, Dresden 1904.
  • Verein Bildender Künstler Münchens. Münchener Secession (Hg.): Offizieller Katalog der X. Ausstellung der Münchener Sezession. Der Deutsche Künstlerbund (in Verbindung mit einer Ausstellung erlesener Erzeugnisse der Kunst im Handwerk) im kgl. Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz gegenüber der Glyptothek, Ausst.-Kat., Königliches Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz (München), 01.06.1904–31.10.1904, 1. Auflage, München 1904.
  • Galerie H. O. Miethke (Hg.): Old and modern pictures. Tableaux anciens et modernes, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 00.07.1906–00.00.1906, Wien 1906.
  • Deutscher Künstlerbund (Hg.): 2. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, Ausst.-Kat., Ausstellungshaus am Kurfürstendamm (Berlin), 19.05.1905–06.10.1905, Berlin 1905.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Berlin an Emilie Flöge in Wien (05/19/1905).
  • Brief der Galerie H. O. Miethke in Wien an die Vereinigung bildender Künstler Österreichs (05/06/1905). 27.2.1.6547, Secession Wien (Archiv).
  • Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969, S. 339-341, S. 345-350.
  • Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): Ver Sacrum. Mitteilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 6. Jg., Sonderband 3 (1903).
  • Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe, 3. Jg. (1905), S. 398.
  • Neue Freie Presse, 21.02.1904, S. 2.
  • Neue Freie Presse, 29.03.1904, S. 8.
  • Neue Freie Presse, 19.05.1905, S. 9.
  • Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 20.05.1905, S. 9.
  • Wiener Zeitung, 08.04.1904, S. 17.
  • Ostdeutsche Rundschau, 26.03.1904, S. 4.
  • Wiener Caricaturen, 14.02.1904.

Zeichnungen

Gustav Klimt: Zwei weibliche Akte in Umarmung, 1903-1907, Wien Museum
© Wien Museum

Gustav Klimt wechselte 1903/04 zu einem harten, spitzen Bleistift auf Japanpapier. Da er das Thema der Unterwasserwelt weiterführte, wandte er sich verstärkt der erotischen Darstellung liegender Frauen zu. Die Studien für Damenbildnisse inszenieren Rüschen und Kleider, während er die Allegorie mit naturalistischen Aktstudien vorbereitete.

In den Jahren 1903/04 entschied sich Gustav Klimt seine Zeichentechnik und sein Medium zu wechseln: Anstelle von schwarzer Kreide auf Packpapier griff er zu Bleistift und Japanpapier. Der spitze Bleistift hinterlässt eine dünne, metallisch funkelnde, aber auch kaum sichtbare Spur auf dem Papier. Dies hatte zur Folge, dass Klimts Zeichnungen ab 1904 immer ätherischer und präziser wurden. Die Neuorientierung ging einher mit der immer stärkeren Stilisierung in Klimts malerischem Werk. Die feine Linie und die zunehmende Flächigkeit des Bildraums lassen sich als Äquivalent zum Einsatz von Gold interpretieren.

Dazu kommt die Hinwendung zum erotischen Schildern von Frauenkörpern, was der Künstler in einer großen Zahl von Zeichnungen halb oder kaum bekleideter Damen auslebte. Klimt-Kennern war bekannt, dass er Bilder von masturbierenden Frauen oder lesbischen Liebespaaren zeichnete, die er als Studien für Freundinnen I (Schwestern) (1907, Klimt-Foundation, Wien) und Wasserschlangen II (1904, überarbeitet: vor 1908, Privatbesitz) heranzog. Unabhängig davon fanden einige Zeichnungen aus den Jahren 1904 bis 1906 als Illustrationen in die Publikation Die Hetärengespräche einen Weg in die Öffentlichkeit.

Gustav Klimt: Liegender Halbakt, 1904, Wien Museum
© Wien Museum

Gustav Klimt: Schlafender Knabe nach links, um 1906, Detroit Institute of Arts, Founders Society Purchase, John S. Newberry Fund
© Detroit Institute of Arts

Studien für die drei Lebensalter
Klimts bedeutendstes allegorisches Werk in dieser Phase – Die drei Lebensalter (1905, Galleria Nazionale d´Arte Moderna e Contemporanea, Rom) – bereitete der Maler mit einfühlsamen Studien von in Arm gehaltenen Kleinkindern vor. Mehrere Ansichten von Mutter und Kind auf einem Blatt sowie die Strichführung vermitteln das Gefühl eines schnellen Arbeitens. Da er in dieser Zeit mehrere Studien seiner sitzenden, hochbetagten Mutter anfertigte, wird davon ausgegangen, dass sie das Modell des Gemäldes gewesen sein könnte. Die in einer Privatsammlung erhaltene Übertragungsskizze für Die drei Lebensalter (1904, Privatbesitz) vermittelt intensiver noch als die ausgeführte Malerei die Nähe zwischen den drei weiblichen Figuren. Da die Mutter-Kind-Gruppe nach links gedreht ist, neigt sie ihren Kopf der alten Frau zu. Diese steht in der Übertragungsskizze vor der jungen, etwas größeren Mutter und überschneidet ihre Hand. Mithilfe von Pauspapier dürfte Klimt seine Planänderung, nämlich im Gemälde Mutter und Kind spiegelverkehrt wiederzugeben, realisiert haben.

Bildnisstudien
Wie auch schon in den Jahren zuvor beschäftigte sich Gustav Klimt im Rahmen seiner Porträtaufträge zeichnend mit den Haltungen und vor allem Kostümen der dargestellten Damen. Die reich mit Volants besetzten Kleider unter anderem von Porträt Margarethe Stonborough-Wittgenstein (1905, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München) und Porträt Fritza Riedler (1906, Belvedere, Wien), bilden einen Kontrast zu dem streng linear und flächig aufgefassten Raum.

Klimt erprobte in Studien mannigfaltige Posen, um Schnitt und Fall der Kleider sowie die Haltungen der Porträtierten effektvoll aufeinander abzustimmen. Dabei fällt auf, dass er sich nur mit den Figuren und den Sitzmöbeln beschäftigte. Die Zeichnungen von sitzenden und stehenden Frauen lassen demnach den Schluss zu, dass Gustav Klimt den Umraum der Dargestellten erst an der Leinwand entwickelte. Im Gegensatz zu den erotischen Zeichnungen arbeitete Klimt hierbei auch mit Buntstiften in Grün und Rot auf Japanpapier.

Literatur und Quellen

  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt 150 Jahre, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 13.07.2012–27.01.2013, Wien 2012.
  • Colin B. Bailey (Hg.): Gustav Klimt. Modernism in the Making, Ausst.-Kat., National Gallery of Canada (Ottawa), 15.06.2001–16.09.2001, Ottawa 2001.
  • Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 14.03.2012–10.06.2012; Getty Center (Los Angeles), 03.07.2012–23.09.2012, München 2012, S. 166-173.
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band II, 1904–1912, Salzburg 1982, S. 50-57.
  • Alfred Weidinger: Die Ursucht oder die Lust am eigenen Körper. Feminine Sexualität im Werk von Gustav Klimt, in: Agnes Husslein-Arco, Jane Kallir, Alfred Weidinger (Hg.): Klimt, Schiele, Kokoschka und die Frauen, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 22.10.2015–28.02.2016, München 2015, S. 30-47.