Im Fokus von Klimt-Werk stehen sämtliche Aspekte des Œuvres des Jugendstilmeisters. Visualisiert durch eine Timeline, werden hier Klimts Schaffensperioden aufgerollt, beginnend von seiner Ausbildung, über seine Zusammenarbeit mit Franz Matsch und seinem Bruder Ernst in der »Künstler-Compagnie«, die Affäre um die Fakultätsbilder bis hin zu seinem Nachruhm und Mythos, der diesen Ausnahmekünstler noch heute umgibt.

1914 – 1918

Letzte Schaf­fens­jah­re

In den letzten drei Lebensjahren wandte sich Gustav Klimt vermehrt dem Frauenporträt zu. Bekannte Persönlichkeiten aber auch anonyme Modelle zelebrierte er mit malerischer Finesse und asiatischen Motiven. Das Landschaftsbild ist bis 1916 von Aufenthalten am Attersee geprägt, während die Allegorien weiterhin Eros und Thanatos thematisieren.

9 Kapitel


Gustav Klimt: Die Braut, 1917/18, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien

Auf­trags­por­träts

Ab Sommer 1914 schmälerte der Erste Weltkrieg und die damit verbundene Geldentwertung Klimts Einkommen deutlich. Vermutlich wandte er sich deshalb verstärkt Porträtaufträgen zu. Stilistisch sind diese geprägt durch bunte, knallige Farben, moderne Gewänder sowie asiatische Motive.

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Gustav Klimt: Porträt Friederike Maria Beer, 1916, Tel Aviv Museum of Art, The Mizne-Blumental Collection
© Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv, Foto: Elad Sarig

Bild­nis­se un­be­kann­ter Damen

In seinen letzten vier Lebensjahren schuf Gustav Klimt eine Reihe von anonymen Damenbildnissen. Diese sind geprägt von modischen Accessoires, asiatischen Hintergründen und der leuchtenden Farbigkeit, die für seinen Spätstil typisch ist. In nur knapp vier Jahren schuf Klimt über zehn Gemälde mondäner, anonymer Frauen und griff so den Typ der »schönen Wienerin« wieder auf, der den »Maler der Frauen« bereits in frühen Jahren beschäftigt hatte.

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Gustav Klimt: Dame mit Muff, 1916/17, Privatbesitz
© Galerie Welz

Späte Al­le­go­ri­en

Im September 1917 präsentierte Gustav Klimt auf der »Österreichischen Kunstausstellung« in Stockholm 13 Ölgemälde, darunter auch zwei seiner neuesten Allegorien: Leda und Baby. Gemeinsam mit den unvollendeten Werken Die Braut sowie Adam und Eva bilden sie das künstlerische Vermächtnis des Jahrhundertkünstlers.

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Gustav Klimt: Adam und Eva, 1916-1918, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien , Foto: Johannes Stoll

Bad Gastein als In­spi­ra­ti­ons­quel­le

Seit 1912 verbrachten Gustav Klimt und Emilie Flöge meist im Juli Kuraufenthalte in Bad Gastein. Die 70 x 70 Zentimeter große Ölskizze sowie eine Kompositionsstudie und kleinere Detailskizzen im letzten Skizzenbuch des Malers weisen auf die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Erholungsort hin. Die Ölskizze befand sich im Erstbesitz von August und Serena Lederer. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Moriz Nähr sowie ein Lichtdruck in Max Eislers Mappe Gustav Klimt. Eine Nachlese dokumentieren das heute als verschollen geltende Werk.

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Gustav Klimt: Gastein, 1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen
© Klimt-Foundation, Wien

Letzte Auf­ent­hal­te am Attersee

Von 1914 bis 1916 verbrachte Gustav Klimt seine letzten drei Sommeraufenthalte am Südufer des Attersees. Er mietete sich im abgelegenen Forsthaus in Weißenbach ein, das er in zwei Ansichten malte. Darüber hinaus verewigte er, neben pittoresken Gartenlandschaften, das am südwestlichen Ufer gelegene Unterach drei Mal und Litzlberg, im Norden des Sees, zwei Mal in Öl auf Leinwand.

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Gustav Klimt: Litzlberg am Attersee, um 1915, Privatbesitz
© Sotheby's

Das Werk von Gustav Klimt. Die Heller-Mappe

Das Werk von Gustav Klimt, die Heller-Mappe, 1918 im Kunstverlag Hugo Heller erschienen, war die Fortführung der sogenannten Miethke-Mappe. Nach Klimts Tod rief sie sein Werk erneut auf einem hohen reproduktionstechnischen Niveau in Erinnerung und gilt heute als begehrtes Sammlerstück.

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Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Aus­stel­lungs­be­tei­li­gun­gen

Während des Ersten Weltkriegs folgte Klimt den Einladungen diverser ausländischer Künstlervereinigungen. Neben Ausstellungen des Deutsch-Böhmischen Künstlerbundes, der Secession Rom, des Deutschen Werkbundes und der Berliner Secession beteiligte er sich 1917/18 an zwei großen österreichischen Kunstausstellungen in Skandinavien. Jene in Stockholm sollte die letzte große Schau von neuen Kunstwerken des Meisters vor dessen Tod Anfang 1918 sein.

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Peter Behrens: Plakat der Deutschen Werkbundausstellung Köln, 1914
© ALBERTINA, Wien

Zeich­nun­gen

In seinen späten Zeichnungen widmete sich Klimt neben Studien für Auftragsporträts erneut dem erotischen Frauenakt. Vor allem für das Monumentalwerk Die Braut (1917/18 (unvollendet), Klimt-Foundation, Wien) kreierte er eine Vielzahl von Aktzeichnungen, in denen der freie malerische Stil seines Spätwerks ebenso bemerkbar wird wie die zunehmende Tendenz zur Expression.

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Gustav Klimt: Brustbild eines Mädchens mit herabfallenden Zöpfen, den Kopf nach links geneigt, um 1917, The Metropolitan Museum of Art, Gift of Sir John Pope-Hennessy, 1982
© The Metropolitan Museum of Art, New York

Tod eines Jahr­hun­dert­künst­lers

Am 6. Februar 1918 verstarb Gustav Klimt mit nur 55 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus in Wien an den Folgen eines Schlaganfalls. Die Begräbnisfeierlichkeiten, denen zahlreiche Freunde und bedeutende Persönlichkeiten aus der Wiener Kunst, Kultur- und Politikszene beiwohnten, fanden drei Tage später am Hietzinger Friedhof statt.

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Totenmaske von Gustav Klimt
© Wien Museum

Letzte Schaffensjahre

Auftragsporträts

Anton Trčka: Gustav Klimt, 1914, Privatbesitz
© Courtesy Galerie Johannes Faber, Wien

Neuigkeits-Welt-Blatt, 28.07.1914.
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Porträt Elisabeth Lederer, 1916, Privatbesitz
© Klimt-Foundation, Wien

Ab Sommer 1914 schmälerte der Erste Weltkrieg und die damit verbundene Geldentwertung Klimts Einkommen deutlich. Vermutlich wandte er sich deshalb verstärkt Porträtaufträgen zu. Stilistisch sind diese geprägt durch bunte, knallige Farben, moderne Gewänder sowie asiatische Motive.

Gustav Klimt erfuhr von der Kriegserklärung Österreich-Ungarns am 28. Juli 1914 während seiner Sommerfrische am Attersee. In den folgenden Jahren gestaltete es sich sogar für den international berühmten Künstler immer schwieriger mit seinem Schaffen ausreichend Geld für sich und seine Familie zu verdienen. Aus diesem Grund wandte er sich verstärkt lukrativen Porträtaufträgen zu. Ein Brief an Serena Lederer, in dem er um einen Vorschuss für das Porträt ihrer Mutter Charlotte Pulitzer bat, zeigt die finanzielle Notlage:

»Das Bild wird Dienstag oder Mittwoch fertig – der ›schäbige Rest‹ des Honorar's wird dann fällig – ich warte darauf wie der Teufel – auf eine arme Seel‘! Um es gleich wieder zu verpulfern [!] [Anm.: auszugeben] [...] Es ist schäbig! – mit der Kriegsnot ist‘s ein schlechter Trost! [...] Ich muß sonst meinen ganz kleinen ›Goldgeldschatz‹ angreifen – welcher für die allergrösste [!] Not aufbewart [!] ist.«

Klimts späte Auftragsporträts können in zwei Gruppen unterteilt werden. Einerseits malte er zumeist stehende Damen, in bunte Stoffe der Wiener Werkstätte oder exotische Gewänder gehüllt. Der Hintergrund wird hier von vorwiegend asiatischen Bildmotiven beherrscht, die sich Klimt von Vasen und Skulpturen in seinem Besitz oder aus der Literatur lieh.
Andererseits schuf Klimt Darstellungen von sitzenden Frauen, die von großen, zumeist einheitlichen Farbflächen dominiert werden. Raumnegierende, monochrome, grüne Hintergründe sind hier an der Tagesordnung.

In den beiden Porträts Adele Bloch-Bauer II (1912, Privatbesitz) und Eugenia (Mäda) Primavesi (1913/14, Toyota Municipal Museum of Art) bereitete Klimt bereits in den Vorjahren den Typus seiner späten Damenbildnisse vor. Von 1915 bis 1918 entstehen zwei Auftragswerke, die beherrscht sind von asiatischen Wesen und Figuren sowie einem wilden Musterteppich an leuchtenden Farben. 

Serena Lederer
1914 erhielt Klimt vom befreundeten Ehepaar August und Serena Lederer, die zu  seinen wichtigsten Mäzenen und Sammlern gehörten, den Auftrag, ein Gemälde ihrer Tochter zu malen. Über zwei Jahre arbeitete Klimt an dem Porträt Elisabeth Lederer (1914–1916, Privatbesitz). Das Verhältnis zwischen dem Maler und der knapp über 20-Jährigen – die Klimt seit ihrer Kindheit kannte – war so eng, dass Elisabeth Klimt »Onkel« nannte.

Das Gemälde entspricht dem bereits besprochenen asiatisierenden Typus. Elisabeth Lederer ist der zentrale Bildinhalt. Stehend dominiert sie bildfüllend das schmale Hochformat. Wie bereits in Adele Bloch Bauer II trennt eine horizontale Linie den knalligen, kontrastfarbenen Boden vom Hintergrund und verortet die Darstellung so im Raum. Klimt benutzt dekorative Elemente, um die Komposition in geometrische Figuren zu gliedern. Während das Muster des Bodens die Dargestellte in ein Rechteck stellt, schreibt sie der Ornamentteppich im Hintergrund in eine Dreiecksform ein. Ein solches Vorgehen war bereits im Porträt Eugenia (Mäda) Primavesi zu beobachten, in dem Klimt die Dargestellte mit Hilfe eines vom Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) inspirierten Rosenbusches in ein Oval einfasst. Die asiatischen Figurengruppen im Hintergrund rahmen die obere Partie des Dreiecks, halten jedoch noch geordnet Abstand und betonen so das Gesicht der Porträtierten durch den entstandenen Leerraum. Dieser geordnete Rhythmus von flächigem Farbgrund und asiatischen Figurengruppen sollte sich bald zu einem regelrechten Figurengedränge entwickeln.

Das weiße Kleid mit dem nach unten verjüngenden Rock sowie einer durchsichtigen Chiffonstola erinnert, trotzdem es sich um ein modernes Gewand handelt, an das 1899 entstandene Porträt der ebenfalls in pures Weiß gehüllten Mutter. Auch die schwarzen Haare, dunklen Augen und Augenbrauen, die sich stark vom blassen Teint abheben, weisen die Dargestellte eindeutig als Tochter von Serena Lederer aus. Ein Umstand, dem der niemals zufriedene Klimt anscheinend nicht zustimmte. Als er das Porträt vollendet in der Wohnung Lederer sah konstatierte er: »Jetzt ist sie‘s erst recht nicht!« Elisabeth Lederer erinnerte sich an den langen Malprozess, der durch zahlreiche Umarbeitungen geprägt war:

»Monate vergingen mit der Anfertigung von Zeichnungen in verschiedenen Stellungen. Onkel [Anm.: Klimt] schimpfte und fluchte, dass es nur so ein Vergnügen war, ihm zuzuhören. Wiederholt warf er den Bleistift weg und äußerte sich dahin, dass man überhaupt niemals Leute malen soll, die zu nahe stehen. Dann kam Mama und es entbrannte ein Streit über Stellung, Toilette etc. Manchmal nahmen die Differenzen ganz ernste Formen an und er schrie in seinem tiefen, herrlichen Bass: ›Ich mal mir mein Mädel, wie sie mir gefällt und damit Schluss‹.«

Gustav Klimt: Porträt Friederike Maria Beer, 1916, Tel Aviv Museum of Art, The Mizne-Blumental Collection
© Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv, Foto: Elad Sarig

Friederike Maria Beer
Hatte sich Klimt beim Porträt Elisabeth Lederer noch einer Formensprache bedient, die er bereits in den Vorjahren entwickelt hatte, so verschmolz er nun seine bereits erprobten Bildelemente zu einer neuen Darstellungsweise, die vom Rhythmus der Farbe und der Auflösung der Körperlichkeit im Ornament beherrscht wurde.

Das Porträt Friederike Maria Beer (1916, Museum of Art, Tel Aviv, Mizne-Blumenthal Collection) war vom Maler Hans Böhler – einem Freund Gustav Klimts – in Auftrag gegeben worden. Dieser war mit der wohlhabenden Tochter der Besitzerin der Kaiserbar (Krugerstraße 3, 1010 Wien) romantisch liiert. Die vergleichsweise kurze Entstehungszeit von nur knapp vier Monaten zwischen November 1915 und Februar 1916 könnte einerseits darauf zurückgehen, dass Klimt die Anlage des Gemäldes bereits am Porträt Elisabeth Lederer erprobt hatte. Andererseits dürften sowohl der Auftraggeber als auch das Modell von Klimts Unwillen zur Fertigstellung von Gemälden gewusst und ihm dieses einfach entzogen haben.

Klimt entschied sich, Friederike Maria Beer in einem Seidenkleid aus Stoff der Wiener Werkstätte abzubilden. Der Entwurf für das bunte Muster nannte sich Marina und war von Dagobert Peche entworfen worden. Ursprünglich trug die Porträtierte darüber eine vermutlich einfarbige Pelzjacke. Es ist überliefert, dass Klimt sich aber gegen dieses monochrome, bildberuhigende Element entschloss. Durch das Wenden der Jacke wurde der bunt gemusterte Futterstoff von Leo Blonder sichtbar. Wo sich das Fräulein Lederer in ihrem weißen Kleid noch stark vom Rest der Komposition abhob, scheint es nun unmöglich, Frau Beers Silhouette in ihrer bunt gemusterten Toilette klar zu erfassen.

Zusätzlich dazu modifiziert Klimt auch die Darstellung des Hintergrundes. Während auf diesem bisher Einzelfiguren eine einfarbige Farbfläche bewohnten, vergrößerte Klimt nun die asiatischen Randfiguren und verarbeitete sie so zu einem großen Teppich an Muster und Ornament. Gleich einer Kreuzigung mit Gedränge verschwimmen die individuellen Gestalten zu einer ornamentalen Masse an rhythmischer Abfolge von Farbe und Form. Das einem Patchwork-Teppich gleichende Werk scheint jede Erfassung von Körperlichkeit und Umrisslinien sofort negieren zu wollen. Kaum denkt man eine Form verstanden zu haben, fangen die Farben an zu flirren und die Körper lösen sich in einzelne Farbflächen auf.

Der Kopf der Porträtierten hebt sich zwar durch die schwarzen Haare von der bunten Ornamentmasse ab, dessen Verortung ist jedoch nur ambivalent möglich. Wie durch ein Kaleidoskop gesehen, schwimmt er einmal in den Vordergrund und befindet sich auf den Schultern des Körpers, einmal rückt er in den Hintergrund und reiht sich in die asiatischen Köpfe ein, die einen Kreis um die Dargestellte bilden. Fast wie ein Mandala greifen die Formen des Hintergrundes, die asiatischen Figuren und Friederike Maria Beer überschneidend ineinander über. Alleine der türkise Boden verankert die Darstellung im Raum und schafft es den Betrachterblick zu fokussieren.

Klimts Stilentwicklung zeigt sich also deutlich in einer zunehmenden vollflächigen Ornamentalisierung seiner Gemälde und einer zunehmenden Abstraktion der Komposition zugunsten aneinandergereihter Farbflächen.

Gustav Klimt: Porträt Charlotte Pulitzer, 1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Porträt Barbara Flöge, 1917/18, Privatbesitz
© Galerie Welz

Ältere Damen und monochrome Hintergründe
Der andere Porträttypus, welchen Klimt in seinen späten Jahren vermehrt nützen sollte, scheint der Darstellung älterer Damen vorbehalten zu sein. 1917 bis 1918 entstanden zwei Gemälde von älteren sitzenden Damen vor monochromem Hintergrund. Während das Porträt Charlotte Pulitzer (1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen) – der Mutter von Serena und Großmutter von Elisabeth Lederer – bestimmt als bezahltes Auftragswerk entstand, könnte das zeitgleich begonnene Porträt Barbara Flöge (1917/18. Privatbesitz) eventuell ein Geschenk an die Familie Flöge gewesen sein. Barbara Flöge, von Klimt auch liebevoll »Mutter« genannt, war die leibliche Mutter seiner Schwägerin Helene und deren Schwestern Emilie und Pauline Flöge.

Beide Frauenporträts sind in Frontalansicht und sitzend wiedergegeben. Die Gewänder der Dargestellten lassen die bunte Musterung der jüngeren Damen vermissen. Vielmehr handelt es sich um traditionelle, schwarz-braune, lange Kleider, Pelzkrägen und helle Blusen. Der Hintergrund bleibt unbelebt, fleckig monochrom. Im Falle von Barbara Flöge erblickt man ein von Klimt in dieser Zeit öfter verwendetes Grün, das man auch bei Baby (1917/18 (unvollendet), National Gallery of Art, Washington D.C.) und dem überarbeiteten Werk Bildnis einer Frau (Backfisch) (1910, überarbeitet: vor 1916/17, Galleria d'arte moderna Ricci Oddi, Piacenza) finden kann. Das nur in einer Schwarz-Weiß-Reproduktion erhaltene Porträt Charlotte Pulitzer soll laut ihrem Enkel Erich Lederer einen ebensolchen bläulich-grünen Hintergrund gehabt haben. Die Dargestellten werden im sonst eindimensionalen Raum durch einen Sessel verortet. Hände und Gesichter sind, wie für Klimt üblich, naturalistisch formuliert. Die traditionellere, beruhigtere Wiedergabe der Dargestellten scheint logisch ob der Tatsache, dass Klimt stets bemüht war das Wesen seiner Modelle einfühlsam in seinen Kompositionen festzuhalten.

Dass sein Fokus hierbei vor allem auf der Wiedergabe des Gesichtes und der vom Leben gezeichneten Mimik lag, wird deutlich durch die nachweisbaren Veränderungen, die er am Gemälde von Barbara Flöge vornahm. Am 10. August 1917 schrieb er noch an Emilie Flöge über die Genese des Werkes:

 »Das Bild der Mutter werde ich müssen mitgeben wie es ist – oder gar nicht – es läßt sich so nichts machen.«

Das Porträt wurde folglich in unvollendetem Zustand auf der Kunstaustellung in Stockholm präsentiert. Ein Vergleich von Fotografien der Ausstellung mit dem vollendeten Werk zeigt, dass die wesentlichen Veränderungen vor allem im Gesicht, den Augen und den Lippen der Dargestellten vorgenommen wurden. Auch das Porträt Charlotte Pulitzer fokussiert sich stark auf die Gesichtspartie. Durch die gedämpften Farben des Hintergrundes und des Körpers, ist es vor allem das charaktervolle Gesicht, das den Betrachter in seinen Bann zieht.

Einblick in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, September 1917, Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
© Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden

Gustav Klimt: Porträt Fräulein Lieser, 1917, Privatbesitz
© Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien

Gustav Klimt: Porträt Johanna Staude, 1917/18, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Gustav Klimt: Porträt Amalie Zuckerkandl, 1917/18, Österreichische Galerie Belvedere, 1988 Widmung Vita und Gustav Künstler
© Belvedere, Wien , Foto: Johannes Stoll

Unvollendete Aufträge
Am Ende von Klimts Lebenszeit steht eine Reihe von Werken, die der Meister durch seinen unvorhergesehenen Tod nicht mehr fertigstellen konnte. So blieben auch zahlreiche Porträtaufträge unvollendet zurück. Diese sind im Spätwerk stilistisch schwer einzuordnen.

Während die meisten davon dem Typus der Frauenbilder mit monochromem Hintergrund zu entsprechen scheinen, ist es dennoch nicht auszuschließen, dass Klimt noch plante, sie mit asiatischen Figuren zu füllen. Zumal diverse Untersuchungen zeigen, dass der Künstler seine Hintergründe zumeist ohne Vorstudien direkt auf der Leinwand entwickelte.

Das durch das Wiener Auktionshaus im Kinsky wiederentdeckte und im Jänner 2024 der Öffentlichkeit präsentierte Gemälde Porträt Fräulein Lieser (1917 (unvollendet), Privatbesitz), sowie das Porträt Johanna Staude (1917/18 (unvollendet), Belvedere, Wien) zeigen ausformulierte Gesichter und stark gemusterte, ornamentale Gewänder, wie sie bereits von den Gemälden von Elisabeth Lederer und Friederike Maria Beer bekannt sind. Besonders im Fall der Johanna Staude scheinen die bunte Wiener-Werkstätte-Bluse mit einem Muster von Martha Alber sowie der grellorange Hintergrund darauf hinzudeuten, dass Klimt hier eventuell noch geplant hatte, Asiatika einzufügen.

Die junge Dame aus dem Hause Lieser saß Klimt zwischen April und Mai 1917 mindestens neun Mal Modell. Zweimal erhielt der Maler für diese Arbeiten insgesamt 10.000 Kronen (ca. 8.117 Euro) von ihrer Familie, womit vermutlich nur die Vorarbeit abgegolten war. Nach dem Tod des Meisters ging das unvollendete Werk in familiären Besitz (Adolf oder Henriette Lieser) über. Ob es sich bei der Porträtierten um Margarethe Constance oder aber um Helene oder Annie Lieser handelt, ist Gegenstand der aktuellen Forschung.

Ebenso mit Fragen behaftet, ist die Auftragslage in Bezug auf das Porträt Johanna Staude. Sie arbeitete 1917 als Sprachlehrerin und führte später Peter Altenbergs Haushalt, war also keine wohlhabende Dame der Gesellschaft. Ein Brief an Anton Hanak von 1930 gibt Aufschluss über ihre Beziehung zu Klimt. Darin bezeichnet sie den verstorbenen Maler als ihren »herrlichen Freund, Versteher und Erzieher«. Eventuell handelte es sich bei dem Werk also nicht um einen klassischen Auftrag, sondern um ein persönliches Geschenk.

Ein weiteres stilistisches Rätsel bildet das weitgehend unvollendete Porträt Amalie Zuckerkandl (1917/18 (unvollendet), Belvedere, Wien), welches als Auftragswerk für die befreundete Sammler- und Mäzenenfamilie entstand. Das bis auf den Hintergrund und den naturalistischen Kopf nur als Unterskizze angelegte Werk ist noch schwerer im Schaffen Klimts zu verorten als die weitgehend fertiggestellten Gemälde für Staude und Lieser. Erhaltenen Vorstudien dokumentieren zwar, dass Klimt bereits in den Jahren 1913/14 an dem Gemälde gearbeitet hatte, der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte jedoch dessen Ausführung. Amalie Zuckerkandl arbeitete nämlich 1915/16 im Spital ihres Ehemanns Otto in Lemberg als Krankenschwester. Die Vorzeichnung und der erste Farbauftrag auf Leinwand muss jedoch spätestens Ende 1917 großteils abgeschlossen gewesen sein, da Klimt im November und Dezember insgesamt 4.000 Kronen (3.247 Euro) dafür überwiesen bekam.

Der blau-grüne Hintergrund erinnert zwar an den Typus der Porträts um Barbara Flöge und Charlotte Pulitzer, die ausgesparten Flecken könnten jedoch auf geplante Köpfe von asiatischen Hintergrundfiguren hindeuten. Erste Farbproben am Kleid lassen ein Blumenmuster der Stola, ähnlich dem im Porträt Fräulein Lieser erahnen.

Ein weiteres Werk aus dem familiären Umfeld Klimts ist das Porträt Pauline Flöge auf dem Totenbett (1917, vermutlich 1945 verbrannt). Die Schwester von Emilie Flöge war am 3. Juli 1917 verstorben. Laut Aussage ihrer Nichte Helene Donner fertigte Klimt das Gemälde in nur wenigen Stunden für die hinterbliebene Familie an. Über Farbe, Komposition und Bildaufbau des vermutlich 1945 verbrannten Werkes ist leider nichts Näheres bekannt.

Literatur und Quellen

  • Alessandra Comini: Gustav Klimt, New York 1975.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012.
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band III, 1912–1918, Salzburg 1984.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Toni Stoos, Christoph Doswald (Hg.): Gustav Klimt, Ausst.-Kat., Kunsthaus Zürich (Zürich), 11.09.1992–13.12.1992, Stuttgart 1992.
  • Fritz Novotny, Johannes Dobai (Hg.): Gustav Klimt, Salzburg 1975.
  • Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
  • Tobias Natter: Bildnis Baronin Elisabeth Bachofen-Echt, in: Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000, S. 133-134.
  • Hansjörg Krug: Gustav Klimt’s Last Notebook, in: Renée Price (Hg.): Gustav Klimt. The Ronald S. Lauder and Serge Sabarsky Collections, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 18.10.2007–30.06.2008, München 2007, S. 213-231.
  • Emily Braun: Empire of Ornament. Klimt’s Portrait of Elisabeth Lederer, in: Tobias G. Natter (Hg.): Klimt and the Women of Vienna’s Golden Age. 1900–1918, Ausst.-Kat., Neue Galerie New York (New York), 22.09.2016–16.01.2017, London - New York 2016, S. 56-79.
  • Max Eisler: Gustav Klimt, Wien 1920.
  • Edith Krebs: Bildnis Johanna Staude, in: Toni Stoos, Christoph Doswald (Hg.): Gustav Klimt, Ausst.-Kat., Kunsthaus Zürich (Zürich), 11.09.1992–13.12.1992, Stuttgart 1992.
  • im Kinsky GmbH (Hg.): The Gustav Klimt Sale 24.04.2024, Aukt.-Kat., Wien 2024.

Bildnisse unbekannter Damen

Gustav Klimt: Der Iltispelz, 1916/17, Privatbesitz
© Klimt-Foundation, Wien, mit freundlicher Genehmigung des Kunsthaus Zürich

Gustav Klimt: Dame mit Muff, 1916/17, Privatbesitz
© Galerie Welz

Gustav Klimt: Der Pelzkragen, 1916, vermutlich 1945 verbrannt, in: Max Eisler: Gustav Klimt, Wien 1920.
© Klimt-Foundation, Wien

In seinen letzten vier Lebensjahren schuf Gustav Klimt eine Reihe von anonymen Damenbildnissen. Diese sind geprägt von modischen Accessoires, asiatischen Hintergründen und der leuchtenden Farbigkeit, die für seinen Spätstil typisch ist. In nur knapp vier Jahren schuf Klimt über zehn Gemälde mondäner, anonymer Frauen und griff so den Typ der »schönen Wienerin« wieder auf, der den »Maler der Frauen« bereits in frühen Jahren beschäftigt hatte.

Bilder schöner Wiener Damen als Einkommensquelle
Die Zeit des Ersten Weltkriegs ist durch ein regelrechtes Fließbandschaffen Klimts geprägt. Vor allem bei seinen Frauenbildnissen ist zu beobachten, dass diese in kurzer Zeit und oft seriell entstanden. Arbeiten nach einem Schema und Wiederverwertung von Bildmotiven ermöglichten es dem Künstler so eine große Reihe an Gemälden zum Verkauf zu produzieren. Die Ästhetik seiner späten Schaffensjahre konzentriert sich auf künstlich gelängte Formen sowie asiatische Formensprache und schließt damit an die Stile des Manierismus, Primitivismus, Orientalismus und Japonismus an.

Es ist durchaus kein Zufall, dass sich der als Frauenmaler bekannte Künstler während der wirtschaftlich und menschlich zehrenden Zeit des Ersten Weltkriegs vermehrt dem unverfänglichen Motiv der »Schönen Wienerin« zuwandte. Das gefällige Motiv brachte Ablenkung vom Schrecken des Kriegs und erfreute sich deshalb sicherlich großer Beliebtheit. Da Klimt sich in einer prekären finanziellen Situation befand, war es zudem in seinem Interesse gut verkäufliche Gemälde in schneller Abfolge herzustellen. Neben seinen Auftragsporträts bildeten anonyme Damenbildnisse einen gewollten Nebenverdienst. Vor allem Sammler erwarben diese auch ohne konkreten Auftrag, im Rahmen von Atelierbesuchen.

Damen mit modischen Accessoires
Die meisten Frauendarstellungen der letzten Schaffensjahre Klimts, die nicht im Kontext eines Porträtauftrages entstanden, zeigen Brustbildnisse schöner Wiener Damen im quadratischen Format. Grob können diese in zwei Gruppen unterteilt werden. Einerseits konzentriert sich Klimt in Darstellungen auf die Verhüllung seiner Modelle. Der Iltispelz (1916/17 (unvollendet), Privatbesitz), Dame mit Muff (1916/17, Privatbesitz) und Der Pelzkragen (um 1916, vermutlich 1945 verbrannt) präsentieren Frauen deren Körper durch ihre schwere Kleidung und Schals verdeckt werden. Ähnliches ist auch für das unbekannte Werk »Der Schleier« anzunehmen. Dessen Existenz ist jedoch nur durch Überlieferungen aus Zeitgenossenberichten bekannt. Über Aussehen oder Bildgegenstand erfahren wir jedoch bis auf das titelgebende Kleidungsstück nichts. Der Reiz für den Künstler dürfte bei diesem Bildtypus im mystischen Verborgenen der Frauen liegen. So urteilte ein Kritiker über Klimts Damen:

»Es sind Frauen von mystischem Wesen und doch von sinnlicher Urkraft. Rätsel schlummern in ihren Seelen und dämonische Mächte.«

Die großen, zumeist dunklen Stoffe verdecken nicht nur Haut und Gesichtszüge, sondern negieren auch die Körperlichkeit der Frauen. Das Ergebnis ist ein realistischer Porträtkopf, der auf einer locker gemalten Farbfläche ruht, die mehr abstrakter Bildraum als Kleidungsstück ist. Max Eisler kommentierte in der 1920 erschienen, ersten Monografie über Gustav Klimt treffend die Entwicklung der Frauenbilder in Klimts Schaffen:

»Oder ein reifes Mädchen, eine junge Frau erscheinen im Hochformat der Ausschnitte. Der Schleier, der Muff, der Pelzkragen geben diesen Studien den Namen und das jeweilige bestimmende Motiv. Das ist auch im Frühwerk schon häufig dagewesen. Aber wie hat es seither die Haltung verändert! Wie leicht, wie frei, wie malerisch ist es geworden!«

Die Hintergründe sind belebt durch asiatische Figuren, die sich zu einem dichten Musterteppich zusammendrängen. Ähnliches konnte man auch bereits bei Klimts Auftragsporträts um 1916/17 beobachten. So findet man im Porträt Elisabeth Lederer (1914–1916, Privatbesitz) und Porträt Friederike Maria Beer (1916, Tel Aviv Museum of Art) dieselben von chinesischen und koreanischen Kunstgegenständen inspirierten Figürchen. Aus stilistischen Gründen werden die unbekannten Damenporträts daher in die Jahre 1916 und 1917 datiert. Über die Genese dieser Porträts ist leider wenig bekannt. Alle drei Werke Der Iltispelz, Dame mit Muff und Der Pelzkragen waren Teil der Nachlassausstellung bei Gustav Nebehay 1919 und dürften sich daher zu Klimts Tod noch im Atelier des Künstlers befunden haben.

Das Schicksal der unbekannten Damen
Das Gemälde Dame mit Muff gibt jedoch einige Rätsel auf. Die Leihgeberkorrespondenz einer Klimt-Ausstellung der neuen Galerie Wien 1926 weist als den Besitzer des Gemäldes Herrn Dr. Richard Aschner aus. Obwohl es im Bereich des Möglichen liegt, dass dieser das Werk im Zuge der Nachlassausstellung erworben hatte, scheint einiges darauf hinzudeuten, dass das Werk eventuell keine Unbekannte darstellt, sondern tatsächlich als Auftragsporträt zu sehen ist.

Zur Entstehungszeit des Gemäldes 1917 hatte sich der Fabrikant Richard Aschner gerade mit Alice Zimbler verlobt und heiratete diese im März des Folgejahres. Das Porträt könnte also ein Verlobungsgeschenk für Alice gewesen sein, ähnlich wie es auch beim Porträt Margarethe Stonborough-Wittgenstein (1905, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, München) der Fall gewesen war. Gleichzeitig verlobte sich Richard Aschners Bruder Emil um 1916/17 mit Alice »Lilly« Fenichel. Im Vergleich von Fotografien von Alice »Lilly« Aschner mit der Dame mit Muff wird eine Ähnlichkeit in den Gesichtszügen deutlich. Auch hier könnte es sich um ein Verlobungsgeschenk gehandelt haben. Nachdem Lilly Aschner bereits vor 1926 bei einem Unfall in Prag verstorben war, wäre folglich das Gemälde in den Besitz der restlichen Familie übergegangen, darunter auch Richard Aschner. Ein Porträtauftrag würde außerdem erklären, warum die Familie Aschner auch Skizzen zu dem Werk besaß.

Ob die Dame mit Muff tatsächlich eine der beiden Alice Aschners ist und ob es sich daher um ein Auftragsporträt oder doch nur um einen Kauf aus dem Nachlass des Künstlers handelte, kann nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Fest steht jedoch, dass die jüdische Familie Aschner im Besitz des Gemäldes war. Vermutlich auch noch in den 1940er Jahren als sie gezwungen waren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach Prag zu fliehen, wo sie ins KZ deportiert und ermordet wurden. Zuletzt wurde das lange als verschollen gegoltene Werk in der National Galerie Prag gezeigt.

Der Pelzkragen, dessen Verbleib bisher ebenfalls nicht näher bekannt war, dürfte wohl im Café seines letzten Besitzers, des Hoteliers und Kaffeehausbesitzers Josef Sillers verbrannt sein. Siller hatte das Gemälde wahrscheinlich 1931 bei der Galerie Neumann erworben. Ab 1935 befand es sich jedenfalls nachweislich in seinem Besitz. Das Hotel und Café Siller am Franz-Josefs-Kai wurde am 11. April 1945 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt und Sillers gesamte dort eingelagerte Kunstsammlung dabei vernichtet. Vermutlich hatte sich auch Der Pelzkragen zu diesem Zeitpunkt dort befunden. Das Gemälde ist daher nur noch in Schwarz-Weiß bekannt. Allein ein Ausstellungstitel auf Schwedisch aus dem Katalog der Stockholmer Ausstellung 1917 verrät etwas über die Farbigkeit. Dort wird das Werk als »Blondin« also als Blondine bezeichnet. Es dürfte sich bei der Dame also um eine der seltenen Darstellungen von blonden Frauen im Schaffen Klimts gehandelt haben. Der Künstler bevorzugte sonst dunkel- und rothaarige Damen.

Gustav Klimt: Dame mit Fächer, 1917/18, Privatbesitz
© Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll

Moriz Nähr: Gustav Klimts Werkstattraum in der Feldmühlgasse, vermutlich 1917, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Schwanenhälse und Kimonos
In starkem Kontrast zu den mystisch verdeckten Frauendarstellungen stehen jene Damenbildnisse Klimts, die Frauen mit bloßen Schultern, elegant gelängten Hälsen und meist in einem seitlichen Dreiviertelporträt zeigen. In dieser Reihe von Darstellungen kombiniert Klimt den Typus der schönen Wienerin mit der exotischen Schönheit. Seine Modelle tragen hochgesteckte Frisuren, Turbane, Kimonos und andere Stoffe mit orientalischen Mustern. Hier reiht sich Klimt in die Phase des Japonismus und Orientalismus ein, wie sie auch schon die Impressionisten und Fauvisten in Frankreich praktiziert hatten. Das Gemälde Dame mit Fächer (1917/18 (unvollendet), Privatbesitz) bildet einen Übergang zwischen den verhüllten Damen, die modische Accessoires als Attribute tragen und den Wiener Damen, die als exotische Schönheiten dargestellt werden. Der lange Hals – der an zeitgleich entstandenen Frauendarstellungen von Amedeo Modigliani erinnert – und der extrem tief sitzende Kimono erlauben es Klimt eine große Partie nackte Haut zu zeigen. Das wild gemusterte Gewand löst wiederum jede Körperlichkeit in Fläche auf. Trotzdem die Dargestellte bis zur Hüfte abgebildet ist, ist man daher beinahe versucht die Darstellung als ein Brustbild zu bezeichnen. Der Fächer dient, wie schon bei den Gemälden mit den Pelzen und Schleiern, als Bewahrer der Illusion und als Element der versteckten Erotik. Strategisch platziert Klimt den rosa Fächer dort, wo die nackte Brust der Dame zu sehen wäre. Der Hintergrund hat wiederum eine leuchtende, monochrome Farbe, im Gegensatz zu Der Pelzkragen, Dame mit Muff oder den Auftragsporträts dieser Zeit. Allerdings wird dieser nicht von kleinformatigen Figuren bevölkert. Die Bildsprache bleibt zwar asiatisch, Klimt greift jedoch auf Motive aus Flora und Fauna zurück. Hatten in den vorigen Bildern die asiatischen Figuren sich noch eng zu einem Farb- und Musterpulk gedrängt, so verteilt der Künstler nun Phönix, Kronenkranich, Goldfasan und Lotusblüten zu einem beruhigten, tapetengleichen Muster auf der Fläche. Die langgestreckten Vogelhälse betonen den unnatürlich gelängten Hals der Protagonistin zusätzlich.

Obwohl es sich bei dem Werk nicht um ein Auftragsporträt handelt, wird aus Autografen bekannt, dass Klimt es für einen dezidierten Auftraggeber malte. Am 10. Juli 1917 bat er den Käufer Erwin Böhler um Geduld:

»Voll Armseligkeit ist, was jetzt kommt! Wollte mit dem Bilde am 15. Juli fertig sein. – Habe die Arbeit unterschätzt [...] Das Bild ist zur größeren Hälfte gemalt – vielleicht interessiert Sie's das Bild anzusehen – es wird sicher im September fertig«

Er ersuchte Erwin Böhler außerdem um einen Vorschuss von 10.000 Kronen (ca. 8.370 Euro). Aufgrund des Ersten Weltkrieges befand sich Klimt in einer finanziellen Notlage. Vorauszahlungen dieser Art waren daher keine Seltenheit. Das Gemälde konnte Böhler jedoch vor Klimts Tod nicht mehr abholen. Eine Fotografie von Moriz Nähr belegt, dass es 1918 noch gemeinsam mit Der Braut auf der Staffelei im Atelier des Künstlers stand.

Gustav Klimt: Bildnis Wally, 1916, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt
© Klimt-Foundation, Wien

Martin Gerlach: Einblick in die Wohnung Serena und August Lederer, 1920er - 1930er, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Freundinnen II, 1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Max Eisler (Hg.): Gustav Klimt. Eine Nachlese, Wien 1931.
© Klimt-Foundation, Wien

Noch zwei weitere Damenbildnisse folgen dem soeben beschriebenen Typus von schönen Frauen in orientalischen Gewändern. Das Bildnis Wally (1916, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) zeigt einen ähnlichen Bildaufbau wie bereits Dame mit Fächer. Die Frisur ist hochgesteckt, der Hals gelängt, die kimonoartige Bekleidung fällt über die Schulter herab. Ohne einen Fächer, um sich zu bedecken, ist Wallys bloße Brust frei sichtbar. Da das Werk nur in einer Schwarz-Weiß-Abbildung überliefert ist, gibt es nur wenige Hinweise auf dessen Farbigkeit. Eine Beschreibung aus dem Jahr 1943 erwähnt ein »Terracottarot mit dunklen Figürchen«. Obwohl Klimt hier wieder auf asiatische Figuren und Kunstgegenstände zurückgreift statt auf florale Muster, bleibt das Gedränge im Hintergrund aus. Die spärlich eingesetzten Figuren sind in einigem Abstand rund um die Dame angeordnet. Durch den entstandenen Leerraum wirkt diese wie gerahmt. Formell entspricht diese Lösung dem Porträt Elisabeth Lederer. Der Titel des Werks verweist auf eine spezielle Person, ohne jedoch eine Identifikation der Dargestellten zu ermöglichen. Immer wieder wurde vermutet, dass es sich um das Modell und die Geliebte Egon Schieles Wally Neuzil handelte, Beweise hierfür gibt es jedoch keine.

Das Gemälde wurde zu Lebzeiten des Künstlers nicht ausgestellt, dennoch erfreute es sich unter den Klimt-Sammlern reger Beliebtheit. Anscheinend hatte Serena Lederer nach einem Atelierbesuch bereits zu Lebzeiten des Künstlers Interesse an dem Bildnis bekundet und dieses mehr oder weniger vorreserviert. Laut der Erzählung von Serenas Sohn Erich Lederer wollte auch der Kunsthistoriker Othmar Fritsch das Gemälde erwerben. Er hatte es bei einem Besuch im Atelier gesehen, als er die Schönbrunner Landschaft (1916, Privatbesitz) ankaufte. Als Klimt es ihm nicht verkaufen konnte, soll er ihn mit der Anfertigung eines ähnlichen Gemäldes beauftragt haben. Das Ergebnis dessen dürfte vermutlich Freundinnen II (1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) gewesen sein. Nach Klimts Tod versuchte auch Eugenia Primavesi das Bildnis Wally in ihren Besitz zu bringen. Wie die beiden anderen Käufer hatte sie es bei einem Besuch im Atelier des Künstlers kennengelernt. An Klimts Todestag, dem 6. Februar 1918, schrieb sie deswegen an Anton Hanak:

»Auf Frau Lederer [Anm.: Serena Lederer] braucht man ja doch nicht Rücksicht zu nehmen, denn thatsächlich [!] ihr hat ja das weibliche Bildnis noch nicht gehört.«

Schließlich waren es dennoch August und Serena Lederer, die sich durchsetzen konnten und das Werk aus dem Nachlass Klimts erwarben. Unglücklicherweise verbrannte es mit dem Rest der Sammlung Lederer 1945 auf Schloss Immendorf.

Die Freundinnen II waren wie bereits Dame mit Fächer zwar kein Porträtauftrag, sie entstanden jedoch im dezidierten Auftrag eines Käufers. Obwohl der Wunsch Othmar Fritschs ein Gemälde war, das dem Bildnis Wally glich, unterscheidet sich die Komposition der Freundinnen II in einigen wesentlichen Gesichtspunkten von der des Einzelbildnisses. 

Mit dem Gemälde nahm Gustav Klimt ein Motiv auf, das ihn bereits seit der Goldenen Periode beschäftigte: die intime, homoerotisch aufgeladene Stimmung zwischen zwei Frauen. Hatte er sonst vorwiegend Einzeldarstellungen von jungen Damen gemalt, so bediente sich Klimt nun erstmals in der Spätphase des Typus eines Doppelporträts für seine anonymen Frauen. Er nutzt die beiden Figuren, um Kontraste herauszuarbeiten. Während die eine einen Turban und ein weit ausschwingendes, orangerotes Reformkleid oder Kimono trägt, ist ihre Freundin komplett unbekleidet bis auf ein wild gemustertes Tuch über ihrer Schulter. Wiederum Besonders auffallend ist der lange, schwanengleich geschwungene Hals der Dame in Orange, dem im starken Gegensatz der verhüllte, kurze Nacken der Nackten gegenübergestellt ist. Die linke Freundin ist ein Motiv, das Klimt auch in Tod und Leben (Tod und Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13 und 1916/17, Leopold Museum, Wien) verwendet. Vermutlich greifen die beiden Figuren auf dieselbe Skizze, respektive serielle Studien zurück. Wie bei den anderen beiden Bildnissen ist der Hintergrund mit ostasiatischen Motiven angereichert. Es handelt sich dabei um Vögel und Blumenmotive, die locker über den grellen rosa Hintergrund verteilt wurden. Damit schließt die Komposition mehr an Dame mit Fächer als an Bildnis Wally an.

Gustav Klimt: Die Tänzerin (Ria Munk II), um 1916/17, Privatbesitz
© Fine Art Images / Heritage Images

Damenbildnis oder Auftragsporträt
Neben den quadratischen Bildnissen, die Brust oder Hüftstücke darstellen, gibt es in Klimts Œevre um 1916/17 auch zwei Bildnisse im schmalen Hochformat, die ganzfigurige Damen wiedergeben. Sowohl Die Tänzerin (Ria Munk) (um 1916/17, Privatbesitz) als auch Damenbildnis (Ria Munk) (1917 (unvollendet), The Lewis Collection) folgen in ihrem Bildaufbau eher Klimts Auftragsporträts als seinen anonymen Damenbildnissen. Die Stehenden sind in bunt gemusterte Gewänder gehüllt. In ihrer aufrechten Haltung wirken sie beinahe säulenhaft. Sie werden eingebettet in ein Hintergrundmuster an wilden Farben und Formen, die sich zu einem regelrechten flächigen Ornamentteppich verbinden.

Diese Ähnlichkeit zu Auftragsporträts veranlasste die Forschung immer wieder dazu, in den Gemälden Arbeiten für den Auftrag eines Porträts der verstorbenen Ria Munk zu sehen. Laut Erich Lederer hatte Klimt jahrelang vergeblich an einem posthumen Porträt seiner verstorbenen Cousine gearbeitet. Während angenommen wird, dass die fertiggestellte Tänzerin eine Überarbeitung eines Porträts von Ria Munk sein könnte, konkrete forensische Untersuchung stehen jedoch noch aus, gilt das unvollendete Damenbildnis (Ria Munk) als dritte Version dieses Sujets. Es dürfte sich dabei also nicht um ein Bildnis einer unbekannten Dame handeln, sondern um ein unvollendetes Auftragsporträt, das Ria Munk zeigt.

Damenbildnis (Ria Munk) reiht sich perfekt in die Auftragsporträts der Spätzeit ein. Sowohl die aufrechte Position, das Auflösen der Körperlichkeit der Dargestellten durch gerade geschnittene, gemusterte Kleidung, als auch der grelle Hintergrund mit asiatischen Ornamenten erinnern an Werke wie Porträt Margarethe Constance Lieser (1917 (unvollendet), Verbleib unbekannt) und Porträt Friederike Maria Beer. Bei der Tänzerin hingegen bedient sich Klimt einer für ihn neuen kompositorischen Lösung. Der Hintergrund ist erstmals seit dem in den frühen 1890er Jahren entstandenen Frauenbildnis (um 1893/94, Privatbesitz) keine abstrakte Farbfläche oder ornamentaler Musterteppich, sondern ein Interieur. Während der Raum im Frauenbildnis noch naturalistisch wiedergegeben wurde, stellt Klimt nun die Perspektive bewusst in Frage. In einem komplexen Raumgefüge klappen Bildelemente von der Horizontalen in die Vertikale und umgekehrt. Gegenstände wie der Blumenstrauß kippen optisch vom Vorder- in den Hintergrund und fordern so das Betrachterauge heraus. Ein ähnliches Changieren der Raumebenen hatte Klimt auch schon im Porträt Friederike Maria Beer genutzt. Die perspektivisch ambivalente Raumlösung lässt an Werke von Henri Matisse denken.

Gustav Klimt: Damenbildnis en face, 1917/18, Lentos Kunstmuseum Linz
© LENTOS Kunstmuseum Linz

Unvollendete Damenbildnisse
Zwei unvollendete Damenbildnisse aus dem Nachlass des Künstlers schließen die Gruppe der Frauendarstellungen 1917 ab: Dame in Weiß (1917/18 (unvollendet), Belvedere, Wien) und Damenbildnis en face (1917/18 (unvollendet), Lentos Kunstmuseum Linz). Beide Werke befanden sich nach dem Ableben Klimts im Februar 1918 in dessen Atelier und tragen deshalb auf ihrer Rückseite einen Nachlasstempel. Die Erhaltung der Werke in skizzenhaftem Zustand erschwert ihre Einordnung. Formal erinnern die beiden Gemälde jedoch an Porträt Charlotte Pulitzer (1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen) und Porträt Barbara Flöge (1917/18, Privatbesitz). Beide dieser Auftragsporträts zeigen Damen in relativer Nahsicht vor einem neutralen, fleckig-monochromen Hintergrund. Während bei Dame in Weiß angenommen werden kann, dass Klimt nicht beabsichtigte, Asiatika in den Hintergrund einzufügen, ist dies ob der skizzenhaften Ausführung des Damenbildnis en face nicht auszuschließen. Bemerkenswert ist das helle, beinahe weiß-blaue Inkarnat der beiden Frauen, eventuell ist dieses jedoch nur eine erste Fassung, die Klimt weiter überarbeitet hätte. Das impressionistisch verschwommene Gewand der Dame in Weiß mit seinen punktartigen Mustern erinnert stilistisch an die Übermalungen des Bildnis einer Frau (Backfisch) (1910, überarbeitet: vor 1916/17, Galleria d'arte moderna Ricci Oddi, Piacenza). Auch hier hatte Klimt die Dargestellte in ein kimonoartiges, gepunktetes, lockeres Gewand gehüllt. Der Hintergrund zeigt eine monochrome, dunkelgrüne Farbfläche. So hatte Klimt das fast ein Jahrzehnt zuvor entstandene Gemälde auf seinen aktuellsten Malstil angeglichen.

Literatur und Quellen

  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Sophie Lillie: Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003.
  • Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000.
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band IV, 1878–1918, Salzburg 1989.
  • Fritz Novotny, Johannes Dobai (Hg.): Gustav Klimt, Salzburg 1975.
  • Gerbert Frodl: Damenbildnis in Weiß, in: Gustav Klimt in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien, Salzburg 1992, S. 62.
  • Max Eisler: Gustav Klimt, Wien 1920.
  • Curt Glaser: Berliner Ausstellungen, in: Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, N.F., 27. Jg., Heft 19 (1915/16), Spalte 190.
  • Auktionshaus Albert Kende (Hg.): 110. Kunstauktion. Nachlässe: Jacques E. Strauss, Wien, Industrieller E. T., Wien, Dr. A. E., Wien, Fr. Sch., Wien und Wiener Patrizierbesit, Aukt.-Kat., Wien 1931.
  • Führungszeugnis Alice Aschnerová, 15.7.1939, Inv.-Nr.: A 522/38.
  • Führungszeugnis Emil Aschnera, 15.7.1939, Inv.-Nr.: A 522/39.
  • Führungszeugnis Emil Aschnera, 17.4.1939, Inv.-Nr.: A 577/8.
  • Empfangsbestätigung für Richard Aschner, 23. Ausstellung Gustav Klimt (Neue Galerie) (07/03/1926). Dokumentation 384/2, Österreichische Galerie Belvedere, Archiv.
  • Brief von Gustav Klimt in Wien an Erwin Böhler, DLSTPW11 (07/10/1917), Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien.
  • Brief von Eugenia „Mäda“ Primavesi sen. in Winkelsdorf an Anton Hanak (02/06/1918). Mappe 17.
  • Brief von Gustav Klimt an Dr. Othmar Fritsch (05/22/1917).
  • Neues Wiener Journal, 08.02.1919, S. 5.
  • Kunstchronik und Kunstmarkt. Wochenschrift für Kenner und Sammler, 54. Jg., Nummer 30 (1919), S. 19.
  • Neue Freie Presse, 10.10.1917, S. 8.
  • Neue Freie Presse, 24.03.1918, S. 11.
  • Neue Freie Presse, 20.10.1926, S. 14.
  • Wiener Zeitung, 21.09.1948, S. 3.
  • Wiener Woche. Sport und Salon, 1. Jg., Nummer 5 (1919), S. 4.
  • Alessandra Comini: Gustav Klimt, New York 1975.
  • N. N.: Die Kaiser-Franz-Josef-Ausstellung, in: Österreichische Kunst, 6. Jg., Heft 6 (1935), S. 11-13.
  • Marian Bisanz-Prakken: Ria Munk III von Gustav Klimt. Ein posthumes Bildnis neu betrachtet, in: Parnass, 29. Jg., Heft 3 (2009), S. 54-59.

Späte Allegorien

Gustav Klimt: Leda, 1917, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Kauernder Halbakt nach rechts, 1913/14, Leopold Museum
© Leopold Museum, Wien

Auguste Rodin: La Danaïde, 1889
© Finnish National Gallery

Im September 1917 präsentierte Gustav Klimt auf der »Österreichischen Kunstausstellung« in Stockholm 13 Ölgemälde, darunter auch zwei seiner neuesten Allegorien: Leda und Baby. Gemeinsam mit den unvollendeten Werken Die Braut sowie Adam und Eva bilden sie das künstlerische Vermächtnis des Jahrhundertkünstlers.

Klimts späte Allegorien knüpfen einerseits an seine fantastischen Kompositionen von Tod, Leben und weiblicher Sexualität an. Andererseits greift er erneut bereits etablierte mythologische und biblische Themen auf, wie er es zuletzt 1909 mit seiner Judith II (Salome) (1909, Ca‘Pesaro - Galleria Internazionale d‘Arte Moderna, Venedig) getan hatte. Bunte, wild gemusterte Stoffe sowie dunkle, fleckige, monochrome Hintergründe weisen diese stilistisch eindeutig als Spätwerk aus.

Christliche Schöpfungsgeschichte und Antike Mythologie
Knapp zehn Jahre, nachdem sich Gustav Klimt mit Danaë (1907/08, Privatbesitz) zum ersten Mal mit den erotischen Abenteuern des Göttervaters Zeus beschäftigt hatte, wandte er sich in einem weiteren Ölgemälde der Legende von Leda und dem Schwan zu. Die Geschichte der Leda, die vom Göttervater in Form eines Schwanes geschwängert wurde, wurde bereits seit der Hochrenaissance wiederholt als erotische Szene ausformuliert.

Wie bereits seine Danaë und auch Die Jungfrau (1913, Narodni Galerie, Prag) stellt Klimt seine Protagonistin schlafend da. Das Motiv des erotischen Traumes hatte den Künstler seit Jahren immer wieder beschäftigt. Die nackte schlafende Leda kauert auf ihrem Bett. Das suggestiv nach oben gestreckte Gesäß, die hervorblitzende Brust sowie die rechte Hand der Dargestellten, die sich wie verzückt in den Polster krallt sind die einzigen Hinweise darauf, dass es sich hier um eine sexuelle Szene handelt. Der phallusförmige Schwarzschwan sowie Ledas gelöster Gesichtsausdruck stärken darüber hinaus auf subtile Weise die erotische Komponente. Der Schwan, welcher Leda unverfänglich am Rücken berührt, wird als männliches Bildelement an den Bildrand verbannt.

Erstmals beschäftigte sich Klimt 1913/14 in Studien mit der Figur der Leda. 1917 griff er das Thema wieder auf. Während in der Literatur häufig die antiken Marmorskulpturen der Venus Kallipygos, der Liebesgöttin mit dem prächtigen Gesäß, als Vorbilder für die Frauenfigur zitiert werden, scheint es naheliegend, dass Leda von Rodins La Danaïde (1889, Musée Rodin, Paris) inspiriert wurde. Die ursprünglich als Figur des Höllentors konzipierte Figur gilt als eine der sinnlichsten Darstellungen in Rodins Werk.

Das heute leider nur noch in einer Schwarz-Weiß-Fotografie erhaltene Werk, zeichnet sich vor allem durch die wilde Musterung der Bettwäsche und der scheinbar fehlenden Räumlichkeit der Komposition als typisches Spätwerk aus. Da das Gemälde im Zuge des Zweiten Weltkriegs verbrannte, kann über dessen Farbigkeit leider keine Aussage mehr gemacht werden. In einem Artikel über die Nachlassausstellung bei Gustav Nebehay 1919 ist jedoch von einer »schillernden« Leda die Rede. Naheliegend ist also eine ähnlich grelle Palette wie die der Freundinnen II (1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) oder Dame mit Fächer (1917/18 (unvollendet), Privatbesitz).

Gustav Klimt: Adam und Eva, 1916-1918, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien , Foto: Johannes Stoll

Adam und Eva
Vor seinem Tod 1918 sollte sich Klimt noch ein letztes Mal einer althergebrachten Ikonographie bedienen, um seinen Vorstellungen von Mann und Frau, Sexualität und verborgener Erotik Ausdruck zu verleihen.

Adam und Eva (1916–1918 (unvollendet), Belvedere, Wien) zählt zu den seltenen Werken Klimts, in denen er sich mit Figuren aus dem Alten Testament beschäftigte. Hatten sich seine beiden Judith-Darstellungen noch mit der Rolle der Femme Fatale befasst, so schloss das Gemälde Adam und Eva an Klimts Allegorien über die Beziehung von Mann und Frau an. Bereits in Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Belvedere, Wien) und der Umarmung aus Der Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) hatte sich Klimt mit den Geschlechterrollen, den Unterschieden zwischen Mann und Frau sowie deren unweigerliche Verschmelzung im Liebesakt beschäftigt. Während Adam und Eva nun formal die Darstellungsgewohnheiten der goldenen Periode aufnimmt – der Mann kontrastiert durch dunkle Haut und Haare sowie wildem animalischen Lendenschurz die nackte, hellhäutige, beinahe strahlend blonde Frau die in sanften, rosa-rotfarbenen Blumen steht – so scheint er deren Rollen nun zu vertauschen. Während der Mann in den Umarmungssujets stets die dominante, schützende Rolle eingenommen hatte, wird er nun als passive Figur dargestellt. Mit geschlossenen Augen steht er hinter der Eva. Diese blickt den Betrachter wissend und völlig entblößt an. Wie die Nuda Veritas (1899, Theatermuseum, Wien) kennt sie die Wahrheit über ihre Natur als Frau und hat den Schleier der Unwissenheit abgelegt. Wiederrum nutzte Klimt den Deckmantel der biblischen Ikonographie um explizite, weibliche Nacktheit ungestraft abzubilden. Die Scham, die sie laut literarischem Vorbild jedoch empfinden sollte und den Versuch sich zu bedecken, lässt Klimt außen vor. Eva hat also bereits vom Baum der Erkenntnis gegessen, während Adam noch blind und unwissend ist ob seiner Sexualität. Die bereits in Unterzeichnungen angelegten Hände, von denen der linke vermutlich den Apfel halten sollte – deuten darauf hin, dass Eva dabei ist Adam an der Hand zu nehmen und ihn ins Geheimnis der Sinnlichkeit und Erotik einzuführen. Diese Partie konnte der Maler jedoch vor seinem Tod nicht mehr ausführen.

Am Ende seines Lebens zelebrierte Gustav Klimt einmal mehr die Macht der Frau, die Macht der Liebe und deren verhängnisvolles Ende. An diesem Punkt schließt sich der Kreis von Klimts Idee einer verführerischen Femme Fatale, die er im Zuge seiner Judith bereits Anfang des Jahrhunderts entwickelt hatte. Klimts Protagonistinnen stürzten dabei den Mann durch ihre rohe, sexuelle Energie ins Verderben.

Klimts Adam und Eva schilderte aber auch eine Verbindung von Mann und Frau, die von Liebe und Vertrauen zeugt. Die Frau lehnt sich stützend an den Mann, während sich dieser zufrieden und geborgen an sie lehnt. Die beiden nicht ausgeführten Hände könnten als in einer intimen Geste gefasst geplant gewesen sein. So ist die Darstellung ein aufgeladenes Wechselspiel zwischen Liebe und Vertrauen sowie Sexualität und Verrat.

Das Gemälde gehört zu jenen Werken, die nach dem Tod des Künstlers unvollendet in seinem Atelier zurückblieben. In einer von Gustav Nebehay veranstalteten Klimt-Nachlass-Ausstellung wurde es erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und umgehend von Sonja Knips erworben.

Einblick in die Villa Knips, 1920er
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Baby, 1917/18, National Gallery of Art, Schenkung von Otto und Franciska Kallir mit Hilfe des Carol und Edwin Gaines Fullinwider Fund 1978
© Courtesy National Gallery of Art, Washington

Von der Wiege zum Traualtar
Neben etablierten ikonographischen Themen, beschäftigte sich Klimt auch mit seinem selbstentwickelten Themenkreis von Geburt, Tod und allen dazwischenliegenden Stadien des Lebenszyklus.

Das auch unter dem Titel »Wiege« oder »Kind« bekannte Werk Baby (1917/18 (unvollendet), National Gallery of Art, Washington D.C.) ist eines der wenigen Kinderbildnisse des Künstlers. Im Komplex seiner Lebenszyklusbilder zu verorten, bildet es – nach den Schwangeren-Darstellungen der Hoffnungsbilder – den Beginn des Lebens, das erste Daseinsstadium. Inspiration für die Beschäftigung mit dem jungen Leben könnte die Geburt von Klimts zweiten Sohn mit Consuela Huber 1915 sowie der Tod der gemeinsamen Tochter im selben Jahr gewesen sein.

Kompositionell schließt das Gemälde an Klimts Auftragsporträts der Jahre 1914 bis 1918 an. Der grünliche, fleckige Hintergrund, die bunten Stoffberge und die Anordnung der Bildornamente zu einer Dreieckskomposition, sind allesamt Elemente die unter anderem auch in Porträt Amalie Zuckerkandl (1917/18 (unvollendet) Belvedere, Wien) und Porträt Elisabeth Lederer (1914–1916, Privatbesitz) zu finden sind. Wie im Porträt Friederike Maria Beer (1916, Tel Aviv Museum of Art, The Mizne-Blumenthal Collection) sticht das perlmuttfarbene Gesicht des Kindes aus der bunt gemusterten Umgebung stark heraus, wird so betont. Allerdings scheint es zugleich beinahe in der Stoffmasse unterzugehen. Klimts vermehrte Konzentration auf das Spiel mit Farben, Formen und Mustern beherrschte sein gesamtes Spätwerk.

Das Gemälde dürfte in einer relativ kurzen Zeitspanne zwischen August und September entstanden sein. Am 11. August berichtete er an Emilie Flöge er wolle »mit dem Kinderbild anfangen«. Schon am nächsten Tag erfolgte der erste Farbauftrag. Am 13. August war Baby laut Klimts eigener Aussage schon halb fertig:

»das Kinderbild halb fertig – heute soll‘s damit Schluss sein – wenn‘s wahr ist – äußerst gemischte Gefühle darüber«

Im September 1917 war das Gemälde auf einer Ausstellung in Stockholm zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Ausstellungsfotografien belegen, dass Klimt nach der Schau nochmals vereinzelte Veränderungen an dem Werk vorgenommen hatte. Von einer Vollendung des Werks kann also erst gegen 1918 gesprochen werden.

Galerie

Ansichtskarten von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 1917

  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 11.08.1917, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken
    © Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 11.08.1917, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken
    © Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 12.08.1917, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken
    © Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 12.08.1917, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken
    © Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 13.08.1917, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken
    © Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge in Tirol, 13.08.1917, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken
    © Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Österreichische Nationalbibliothek

Gustav Klimt: Die Braut, 1917/18, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz Nähr: Gustav Klimts Werkstattraum in der Feldmühlgasse, vermutlich 1917, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Moriz Nähr: Die Braut, 1917/18, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, aus dem Nachlass von Moriz Nähr
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Ebenfalls zu Klimts Lebenszyklusbildern gehört sein letztes, unvollendetes Monumentalwerk Die Braut (1917/18, unvollendet, Klimt-Foundation, Wien). Gemeinsam mit Die Jungfrau (1913, Národní Galerie, Prag) sowie Tod und Leben (Tod und Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13 und 1916/17, Leopold Museum, Wien) bildet es ein Dreigespann in Klimts schaffen. Die großformatigen Werke der Spätphase sind fantastische Allegorien, die durch Farbe, Ornament und eine ganz eigene Bildsprache dem Mysterium der menschlichen Psyche auf den Grund gehen.

Bei der Braut handelt es sich um das letzte, großformatige Werk an dem Klimt vor seinem Schlaganfall im Jänner 1918 noch arbeitete. Eine Fotografie von Moriz Nähr – die wahrscheinlich kurz vor dem Tod des Künstlers entstand – zeigt das unvollendete Gemälde auf einer Staffelei in der Werkstatt des Meisters. Der niedrige Schemel und der Teppich vor dem Bild deuten darauf hin, dass kurz zuvor noch an der Leinwand gemalt worden war. Während teile der Komposition bereits als fertig erscheinen, sieht man in gut einem Drittel noch die nackte Leinwand, auf der die Vorzeichnungen aus Bleistift gut erkennbar sind.

Bereits seit 1915/16 setzte sich Klimt in Entwurfszeichnungen mit der Komposition auseinander, die er bis 1917 in über 140 Skizzen vorbereitete. Hatte er bei Tod und Leben (Tod und Liebe) und Die Jungfrau seine Figurengruppen noch in geometrisch geordnete Formen eingeschrieben, so nehmen diese nun bei Die Braut beinahe bildfüllend den gesamten Raum ein. Das Gemälde zeigt die titelgebende Braut mit blauem Kleid im Zentrum. Diese wird umringt von einer dichten Figurengruppe von acht Frauen, einem Baby und einem mönchsartigen Mann. Bei dieser männlichen Figur dürfte es sich wohl um den Bräutigam handeln. Während die meisten der weiblichen Figuren schlafend dargestellt sind, blickt der Mann wachsam auf seine, an ihn gelehnte, schlafende Braut.

Die für das Spätwerk charakteristischen bunten, großgemusterten Tücher haben im Werk Klimts eine ambivalente Funktion: Zum einen überdeckt Klimt mit ihnen die Nacktheit seiner Protagonisten, andererseits lenkt er durch den Kontrast von farbigem Gewand und heller Haut die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die entblößten Körperstellen. Besonders gesteigert wird dieser Rhythmus von Bekleidung und Nacktheit in der rechten, gelängten Figur unter deren gemustertem, halb durchsichtigen Rock noch deutlich die Scham auszumachen ist. Ob Klimt beabsichtigte diese noch komplett zu überdecken oder diese transparente Wirkung gewünscht war, muss ob des plötzlichen Abbruchs der Arbeiten am Gemälde offen bleiben.

Die vielfältigen Deutungen der Komposition reichen von einer »Vision« über die »Traumvorstellungen der Braut« bis hin zu einer Allegorie des Todes. Jüngst wurde auf Arthur Schnitzlers gleichnamige Novelle Die Braut (1891) und die Bekanntschaft der beiden Künstler verwiesen. Eine solche Interpretation würde auf eine, der Buchvorlage entsprechenden Thematik vom Schwanken der Frau zwischen ehelichen Pflichten und sexuellen Neigungen hindeuten. Das keusche Anschmiegen der, wie bei Schnitzler in nachtblau gekleideten Protagonistin an den Bräutigam und das Baby stünden hierbei für die tiefe Ergebenheit der Gattin an ihre Pflicht als Ehefrau und Mutter, während die weiblichen, sexuell aufgeladenen Figuren die ungezügelten, erotischen Fantasien der Braut darstellen könnten.

Literatur und Quellen

  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band III, 1912–1918, Salzburg 1984.
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band IV, 1878–1918, Salzburg 1989.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012.
  • Fritz Novotny, Johannes Dobai (Hg.): Gustav Klimt, Salzburg 1975.
  • Emil Pirchan: Gustav Klimt. Ein Künstler aus Wien, Wien - Leipzig 1942.
  • Bertha Zuckerkandl: Gedächtnis=Ausstellung, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 06.02.1919, S. 2-3.
  • Jane Kallir: Egon Schiele. The Complete Works, New York 1990.
  • Sandra Tretter: „Phantasien, vollendete und unvollendete“. Gustav Klimts Allegorie Die Braut im Kontext seines Spätwerks und Arthur Schnitzlers gleichnamiger Novelle, in: Sandra Tretter, Hans-Peter Wipplinger (Hg.): Gustav Klimt. Jahrhundertkünstler, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 22.06.2018–04.11.2018, Wien 2018, S. 167-177.
  • Die bildenden Künste. Wiener Monatshefte, 2. Jg. (1919).
  • Elizabeth Clegg: War and Peace at the 1917 Stockholm ›Austrian Art Exhibition‹, in: The Burlington Magazine, 154. Jg., Heft 1315 (2012), S. 676-688.
  • Jane Kallir (Hg.): Gustav Klimt. Auf der Suche nach dem Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat., Hangaram Arts Center Museum (Seoul Arts Center, Seoul), 01.02.2009–15.05.2009, München 2009.
  • Kunstchronik und Kunstmarkt. Wochenschrift für Kenner und Sammler, 54. Jg., Nummer 30 (1919), S. 19.
  • Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 14.03.2012–10.06.2012; Getty Center (Los Angeles), 03.07.2012–23.09.2012, München 2012.

Bad Gastein als Inspirationsquelle

Gustav Klimt: Gastein, 1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen
© Klimt-Foundation, Wien

Seit 1912 verbrachten Gustav Klimt und Emilie Flöge meist im Juli Kuraufenthalte in Bad Gastein. Die 70 x 70 Zentimeter große Ölskizze sowie eine Kompositionsstudie und kleinere Detailskizzen im letzten Skizzenbuch des Malers weisen auf die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Erholungsort hin. Die Ölskizze befand sich im Erstbesitz von August und Serena Lederer. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Moriz Nähr sowie ein Lichtdruck in Max Eislers Mappe Gustav Klimt. Eine Nachlese dokumentieren das heute als verschollen geltende Werk.

Obwohl Klimt die Zeit mit Emilie Flöge im Kurort in erster Linie zur Erholung nutzte, inspirierten ihn die einzigartige Topografie und das mondäne Flair zum Landschaftsgemälde Gastein (1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen). Dieses Werk im quadratischen Format, das sich in der ehemaligen Sammlung Lederer befand, zeigt die Hotels am Nordwesthang des Ortes. Heinrich Zimburg, späterer Gasteiner Kurdirektor und Herausgeber des Badgasteiner Badeblattes, beschrieb die dargestellte Ansicht des Alpenkurortes folgendermaßen:

»Gustav Klimt wählte sich als besonders reizvollen Bildstoff gerade die krippenartig übereinander gebauten Hotels am Nordwesthange Gasteins – im Gasteiner Volksmunde das italienische Viertel genannt –.«

Galerie

Ansichtskarten von Gustav Klimt in Bad Gastein an Familienmitglieder und Bekannte

  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Julius Zimpel sen. in Wien, 11.07.1912, Albertina
    © ALBERTINA, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Julius Zimpel sen. in Wien, 11.07.1912, Albertina
    © ALBERTINA, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Friedrich Hetzer in Wien, 10.07.1913, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Friedrich Hetzer in Wien, 10.07.1913, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Emma Bacher-Teschner in Hamburg, mitunterschrieben von Emilie und Barbara Flöge, 19.07.1913, Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Emma Bacher-Teschner in Hamburg, mitunterschrieben von Emilie und Barbara Flöge, 19.07.1913, Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Hermann Flöge jun. in Venedig, mitunterschrieben von Emilie Flöge, 27.06.1914, Sammlung Villa Paulick, courtesy Klimt-Foundation, Wien
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Bad Gastein an Hermann Flöge jun. in Venedig, mitunterschrieben von Emilie Flöge, 27.06.1914, Sammlung Villa Paulick, courtesy Klimt-Foundation, Wien
    © Klimt-Foundation, Wien

Bad Gastein, um 1910
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Gustav Klimt: Kirche in Cassone am Gardasee, 1913, Privatbesitz
© Sotheby's

Gustav Klimt: Skizzenbuch von Gustav Klimt, 1917/18, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien

Die geografisch bedingte Anordnung der Hotelbauten, die in dieser gedrungenen Form auch Einzug in Klimts Gemälde hielt, erinnert durchaus an Klimts rund drei Jahre zuvor geschaffene Darstellungen der architektonischen Gegebenheiten von Cassone und Malcesine am Gardasee. Der damals in Italien entwickelte Bildaufbau erfuhr demnach auch Verwendung in Klimts Darstellung des Gasteiner italienischen Viertels. Zurückzuführen ist diese Bezeichnung auf den aus dem Friaul stammenden Baumeister Angelo Comini. Im Falle von Klimt könnte somit den italienischen Reminiszenzen doppelte Bedeutung zugeschrieben werden.

Nur durch eine Beschreibung Max Eislers kann man sich heute von der außergewöhnlichen Wirkung der Farbstimmung eine Vorstellung machen. Er betonte Klimts Neigung zum Malerischen im Spätwerk und erwähnte die »auf Weiß und Schwarzgrün, auf poliertes Elfenbein« gestellte Gasteiner Ansicht. Der Kontrast der hellen Farbe der Gebäudefassaden, die zwischen dem Grün der Nadelbäume aufleuchtet, erschien ihm charakteristisch für die Atmosphäre des Ortes.

Nach einem Bericht von Erich Lederer erwog Klimt die Wirkung von Farbakzenten im Bild anhand von aufgeklebten Buntpapierstreifen, welche sich auf die Beflaggung zum Geburtstag von Kaiser Karl I. am 17. August bezogen. Die Ölskizze, die Klimt mit einiger Wahrscheinlichkeit vor Ort malte, beschrieb die einzigartige Atmosphäre des Alpenkurortes in einer Farbkomposition von ausgesuchten, hochwertigen Tönen einer begrenzten Farbskala, daher verzichtete er in weiterer Folge auf die Variante mit den Fahnen.

Für die Wahl des Bildausschnittes nutzte Klimt wohl sein persönliches optisches Hilfsmittel, den »Motivsucher«. Vermutlich fungierte die Anhöhe des ehemaligen Kurhotels Mirabell an der Bismarckstraße als Standort, von dem aus Klimt gemalt hatte.

Zum Motiv Gastein findet sich eine Skizze im letzten Skizzenbuch (1917/18, Klimt-Foundation, Wien). Weitere Studien darin zeigen dunkle Nadelbäume. Aufgrund seines kleinen Formats wird vermutet, dass Gastein als Ölskizze diente, die Klimt im Wiener Atelier in ein großformatiges Gemälde umsetzen wollte.

Literatur und Quellen

  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Emil Pirchan: Gustav Klimt, Wien 1956.
  • Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich, Wolfgang Büche (Hg.): Gustav Klimt und Hugo Henneberg. Zwei Künstler der Wiener Secession, Ausst.-Kat., Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) (Halle (Saale)), 14.10.2018–06.01.2019, Köln 2019.
  • Badgasteiner Badeblatt, 16. Jg., Nummer 36 (1956), S. 453ff..
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band III, 1912–1918, Salzburg 1984, S. 246.

Letzte Aufenthalte am Attersee

Forsthaus in Weissenbach am Attersee
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt und Friederike Maria Beer bei einem Spaziergang in Weissenbach, Sommer 1916, Klimt-Foundation
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Forsthaus in Weissenbach am Attersee I, 1914, Privatbesitz, Leihgabe im Belvedere, Wien
© Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll

Gustav Klimt: Forsthaus in Weissenbach am Attersee II, 1914, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Litzlberg am Attersee, um 1915, Privatbesitz
© Sotheby's

Von 1914 bis 1916 verbrachte Gustav Klimt seine letzten drei Sommeraufenthalte am Südufer des Attersees. Er mietete sich im abgelegenen Forsthaus in Weißenbach ein, das er in zwei Ansichten malte. Darüber hinaus verewigte er, neben pittoresken Gartenlandschaften, das am südwestlichen Ufer gelegene Unterach drei Mal und Litzlberg, im Norden des Sees, zwei Mal in Öl auf Leinwand.

Ab 1914 fand Familie Flöge im Haus Donner in Steinbach am Attersee eine neue Bleibe. Zuvor hatte sie in der Villa Oleander in Kammerl gewohnt, was aber in jenem Sommer durch die Vermietung an andere Sommergäste nicht möglich war. Vermutlich empfahl Friedrich Paulick junior Klimt das Forsthaus am Beginn des Weißenbachtales. Zwischen 1914 und 1916 fand Klimt hier die gewünschte Ruhe und Abgeschiedenheit. Freunde des Malers berichteten von einer »Entrückung«, nach der er sich sehnte, einem Rückzug in eine private, von äußeren Einflüssen ungestörte Welt. Herta Schrey, die ehemalige Besitzerin der nahe gelegenen Villa Sans Souci in Weißenbach, erinnerte sich, dass Emilie Flöge und Klimt einander jeden Tag besuchten und die meiste Zeit miteinander verbrachten:

»Als Kind sah ich ihn öfters in seinem kaftanartigen Mantel mit Staffelei und Malutensilien in unserem Garten oder unterwegs, auch mit dem Fahrrad. […] Im Jahr 1914, zu Kriegsbeginn, war er bestimmt in Weißenbach, weil man sich erzählte: Am Tag des Kriegsausbruches [am 28. Juli 1914] waren im Zeitungs-Kiosk des Hotels alle Zeitungen vergriffen und Klimt sich aufregte, weil er keine Zeitung mehr bekam.«

Forsthaus in Weißenbach und Unterach
Klimt hielt den an einer abschüssigen, einsamen Wiese am Waldrand gelegenen Gebäudekomplex in zwei Gemälden fest: Forsthaus in Weissenbach am Attersee I (1914, Privatbesitz) und Forsthaus in Weissenbach am Attersee II (1914, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection). Die Darstellung Baumlandschaft im Weissenbachtal am Attersee (1916, Privatbesitz), gemalt während des letzten Sommers am Attersee, zeigt noch einmal Klimts Interesse an der harmonischen Verbindung von bäuerlicher Architektur und der Natur des Salzkammerguts. Charakteristisch für die späten Landschaften Klimts ist die enge Verbindung von Architektur und Natur.

In Forsthaus in Weissenbach am Attersee I lässt Klimt den Blick über eine üppige, blühende Blumenwiese schweifen, der von der aufsteigenden Flanke des Schobersteins hinter dem Gebäude aufgefangen wird. Während die Fassade zur Gänze von wildem Wein überwuchert ist, bieten die Holzschindeln des Daches ein reichhaltiges, kleinteiliges Muster der Lichtreflexe, deren Töne in der sanften Hügellandschaft wiederkehren. Wie schon in den Landschaftsbildern der vorangehenden eineinhalb Jahrzehnte veränderte auch hier Gustav Klimt das Gesehene in ein idyllisches, technologiefernes Paradies. So findet die schmale Landstraße, die unmittelbar am Forsthaus vorbei in das Weißenbachtal und nach Bad Ischl führt, keine Aufmerksamkeit. Zugunsten grüner Opulenz reduziert Klimt alle Spuren menschlichen Agierens in seinen inszenierten Naturstücken.

Das landschaftliche Ideal ist sowohl im Gesamtbild als auch im Detail aussagekräftig. Dementsprechend wählte Klimt im Gemälde Forsthaus in Weissenbach am Attersee II einen Ausschnitt der Fassade. Ihr außergewöhnlicher, einzigartige Charakter äußerte sich in den verschiedenfarbigen Fenstern, entweder offen oder geschlossen, mit einfachen Vorhängen, Geranientöpfen oder einem Durchblick auf die dahinterliegende Wiese. Das Gebäude und die davor situierte Sitzgruppe mit Gartenmöbeln laden zum Verweilen ein.

Litzlberg und Unterach
1915 kehrte Klimt, wenn auch im südlichen Weißenbach wohnhaft, noch zweimal motivisch an seinen ersten Aufenthaltsort, Litzlberg, zurück. Er widmete sich der durch Fernsicht und der Hügellandschaft im Hintergrund dominierten Darstellung Litzlberg am Attersee (um 1915, Privatbesitz) und begann etwa zeitgleich von einer Anhöhe eine Ansicht des Litzlberger Keller am Attersee (1915/16, Privatbesitz) zu malen. Der Keller entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer beliebten Jausenstation, in die auch Klimt immer wieder einkehren sollte. Das Gebäude ist im Gemälde zweidimensional in die Bildmitte gesetzt und versinkt im nuancenreichen Grün der umgebenden Vegetation. Vergleiche zwischen der im Gemälde dargestellten Architektur und historischen Fotografien der Stätte offenbaren auch, wie sehr Klimt die Motive veränderte, um sie stärker zusammenzufassen und formal seinen Vorstellungen anzupassen. So entfernte er etwa eine Stiege zum See im Gemälde Litzlberger Keller am Attersee und rückte damit das Haus ganz in die Natur. 1916 wurde dieses Werk, das sich im Erstbesitz von Otto und Eugenia Primavesi befand, im Hietzinger Atelier fertiggestellt. Klimt berichtete am 3. Mai 1916 brieflich an Otto Primavesi von der Finalisierung.

Der von Klimt dargestellte Litzlberger Keller ist in seiner Substanz heute noch erhalten und wurde lediglich durch einen südseitigen Anbau ergänzt.

Litzlberger Keller
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Häuser in Unterach am Attersee, 1915/16, Privatbesitz
© 2006 Christie’s Images Limited

Neben Litzlberg erregte auch die Ortschaft Unterach Klimts schöpferische Aufmerksamkeit. In Kirche in Unterach am Attersee (1915/16, Heidi Horten Collection) und Häuser in Unterach am Attersee, (1915/16 Privatbesitz) behielt Klimt die in den Gardasee-Landschaften bereits wirksame orthogonale Flächenkomposition bei. Dadurch und durch eine expressive Farbgestaltung einzelner Elemente erhalten die unterschiedlichen Gebäude einen individuellen Charakter. In der abstrakten Spiegelung im Wasser verleiht er dieser wie ein fernes Echo einen visuellen Resonanzraum.

Klimts letzte Gemälde: Gartenlandschaften und Unterach
Das für Klimt sinnbildhafte Motiv des Apfelbaumes beschäftigte ihn auch im Spätwerk. Die ornamentale Stilisierung der früheren Werke wie Der goldene Apfelbaum (1903, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) ist zu Gunsten einer atmosphärischen Interpretation im Bild Apfelbaum II (Grüner Apfelbaum) (1916, Privatbesitz) verschwunden. Obschon Der Apfelbaum II pralle Früchte zeigt, wirkt das Kolorit im Vergleich zu den zeitgleichen Werken gedämpft. Eine symbolistische Auffassung bleibt hingegen in der fast monumentalen Baumkrone weiterhin gültig. Impressionistisch ist seine Einbindung des sich lichtenden Himmels, wobei das Blau durch die früchtereiche Baumkrone hindurchblitzt und dem Baumkörper monumentale Ausmaße verleiht. Der offene, dynamische Duktus verweist auf seine Auseinandersetzung mit Vincent van Gogh.

Galerie

  • Gustav Klimt: Apfelbaum I (Kleiner Apfelbaum), um 1912, Privatbesitz
    © APA-PictureDesk
  • Gustav Klimt: Apfelbaum II (Grüner Apfelbaum), 1916, Privatbesitz
    © Bridgeman Images
  • Gustav Klimt: Gartenweg mit Hühnern, 1916, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Unterach am Attersee, 1916, Privatbesitz
    © Scala Florence
  • Gustav Klimt: Gartenlandschaft mit Bergkuppe (Pfarrgarten), 1916, Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm
    © Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm

Unterach am Attersee
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Auf beinahe humoristische Weise gestaltete Klimt Gartenweg mit Hühnern (1916, 1945 verbrannt auf Schloss Immendorf). Von säulenartigen Stockrosen und weiterer Blütenpracht gesäumt, führt ein Weg mit zwei Hühnern in die Bildtiefe zu einer Gartenlaube, ein Rückzugsort, der dem Forsthaus in Weißenbach nicht unähnlich ist. Die für die Spätphase typische dunkle Konturierung rhythmisiert die Buntfarben anhand einer dekorativen grafischen Struktur, welche den Bildraum ambivalent in die Fläche klappt.

Unterach am Attersee (1916, Privatbesitz) lässt Reminiszenzen an die Uferdarstellung von Litzlberg erkennen, wohingegen sich die unvollendete Gartenlandschaft mit Bergkuppe (Pfarrgarten) (1916, Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm) erheblich von seinen anderen Attersee-Landschaften aus der Spätphase unterscheidet. Während der Ort Unterach sich als schmale, buntfarbige Zone im weitläufigen, hauptsächlich durch Wald dominierten, universalen Aufbau der Seenlandschaft manifestiert, scheint sich der Bildraum im zweiten Bild in einem formalen Prozess der Auflösung in einem kleinteiligen Blütenmeer zu befinden.

Nichts deutet in diesen letzten Werken auf den tobenden Krieg hin. Vielleicht empfand Gustav Klimt ähnlich wie Claude Monet in Giverny, der dem Grauen der Zeit seine immergrünen und meditativen Seerosenbilder entgegenhalten wollte.

Literatur und Quellen

  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt 150 Jahre, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 13.07.2012–27.01.2013, Wien 2012.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012.
  • Alexandra Matzner: Auch der Garten ist über Erwarten schön, auch die neue junge Anlage, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Florale Welten, Wien 2019, S. 103-115.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl: Forsthaus Weissenbach (1914–1916), in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Sommerfrische am Attersee 1900-1916, Wien 2015, S. 83-95.
  • Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München - Berlin - London - New York 2007.
  • Sandra Tretter: »In meinem Lusthaus im Garten ein herrlichster Tag – betörende Luft – ein schöner Platz – bin wie am Lande«. Gustav Klimts Naturvision im Atelier und auf Sommerfrische, in: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl (Hg.): Gustav Klimt. Florale Welten, Wien 2019, S. 9-43.
  • Anselm Wagner: Der Teleskop-Effekt: Von wo aus malte Klimt seine Landschaften?, in: Stephan Koja (Hg.): Gustav Klimt. Landschaften, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 23.10.2002–23.02.2003, München 2002, S. 161-171.
  • Anselm Wagner: Aspekte der Landschaft bei Gustav Klimt, in: Alfred Weidinger (Hg.): Inselräume. Teschner, Klimt & Flöge am Attersee, Seewalchen 1989.

Das Werk von Gustav Klimt. Die Heller-Mappe

Hugo Othmar Miethke (Hg.): Das Werk Gustav Klimts, Wien 1908/14.
© Dorotheum, Wien

Anzeige für die 3. Lieferung der »Miethke-Mappe«, in: Oesterreichisch-ungarische Buchhändler-Correspondenz, 53. Jg., Nummer 23 (1912).
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Das Werk von Gustav Klimt, die Heller-Mappe, 1918 im Kunstverlag Hugo Heller erschienen, war die Fortführung der sogenannten Miethke-Mappe. Nach Klimts Tod rief sie sein Werk erneut auf einem hohen reproduktionstechnischen Niveau in Erinnerung und gilt heute als begehrtes Sammlerstück.

Der Ausgangspunkt bei Miethke
Nach dem Austritt der Klimt-Gruppe aus der Wiener Secession im Jahr 1905 übernahm die Galerie Miethke unter der Leitung von Carl Moll die Alleinvertretung von Klimt. Da seine künstlerische Leistung nach der aufsehenerregenden »Kunstschau Wien« im Jahr 1908 auch über die Grenzen Österreichs hinaus durch Publikationen nachwirken sollte, beschloss der Verlag H. O. Miethke in den Jahren 1908 bis 1914 ein hochwertiges Mappenwerk zu publizieren. Das Werk Gustav Klimts sollte in fünf Lieferungen zu jeweils zehn Tafeln erscheinen, wobei die letzte Lieferung vorerst nicht zur Ausführung kam. Für den Druck zeichnete die k. k. Hof- und Staatsdruckerei verantwortlich, in deren von der Wiener Werkstätte gestalteten Räumlichkeiten die Reproduktionen regelmäßig ausgestellt waren. Gedruckt wurde vornehmlich auf Chinapapier, das auf die Büttenkartons aufgewalzt wurde. Der Künstler selbst war an der Auswahl beteiligt, die auch »durch den malerischen Charakter der Originale« bestimmt wurde. Darüber hinaus überprüfte Klimt die Qualität der ausgeführten Reproduktionen. Insgesamt betrug die Auflage 230 Stück, wobei 70 der ohnehin hochwertigen Reproduktionen durch die Beilage einer Originalzeichnung von Klimt eine besondere Aufwertung erfuhren.

Unterschiedliche Druckverfahren, durch welche die Authentizität garantiert werden sollte, kamen zur Anwendung. Neben Lichtdruck und Heliogravüre war die Drucktechnik der Autotypie entscheidend. Die zehn in Farbe ausgeführten Tafeln erhielten Goldauflagen, die durch ein lithografisches Verfahren appliziert wurden, womit nicht nur Klimts Goldene Periode, sondern auch die Kostbarkeit dieses Mappenwerkes reflektiert wurde. Die Neue Freie Presse pries das Druckwerk als »einen Meilenstein in der österreichischen Reproduktionstechnik«. Ergänzend schmückte Klimt jede Bildtafel durch ein eigens entworfenes Jugendstilsignet, das das Thema des jeweiligen Werkes symbolisiert. Auf den inhaltlichen Überblicksseiten wurden diese Signets sowie die Besitzer:innen und Maße der Gemälde angeführt.

Die Übernahme durch Hugo Heller
1917 erwarb der Kunstverleger Hugo Heller die Verlagsrechte aus dem Nachlass und übernahm die Restexemplare von der Galerie Miethke. Ergänzt um ein Vorwort von Hermann Bahr und einen Faksimiletext von Peter Altenberg, brachte er die Edition erneut heraus. Anlässlich der Neuauflage berichtete das Neue Wiener Tagblatt am 8. Februar 1918:

»60 Kunstblätter […] unter Aufsicht des Künstlers in Heliogravüre und Faksimilelichtdruck ausgeführt […] gelangt in den nächsten Tagen […] zur Ausgabe.«

Das Werk von Gustav Klimt. Einleitende Worte: Hermann Bahr, Peter Altenberg, erschien in einer Auflage von 300 Exemplaren. Die Ausgabe A umfasste die nummerierten Exemplare I–XXXV. Sowohl das Titelblatt als auch die zehn farbigen Reproduktionen wurden mit Klimts Faksimilesignatur versehen. Darüber hinaus wurde eine Originalhandzeichnung beigelegt. Die Ausgabe B umfasste die Exemplare XXXVI–LXX. Hier war das Titelblatt durch die Faksimilesignatur gekennzeichnet. Die Ausgabe C – nummeriert mit 1 bis 230 – war zum Verkaufszeitpunkt die einzige noch verfügbare Variante und wurde zu einem Subskriptionspreis von 500 Kronen angeboten. Originalhandzeichnung und Faksimilesignatur waren darin nicht enthalten. Ergänzend zu den inhaltlichen Besonderheiten der jeweiligen Ausgabe waren auch die Kassetten in unterschiedlich hochwertigen Materialien ausgeführt. Die Ornamentik der Einbandmappen stammte von Klimt selbst.

Galerie

Verzeichnisse der enthaltenen Lieferungen in der »Heller-Mappe«

  • Lieferung 1, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Lieferung 2, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Lieferung 3, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Lieferung 4, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Lieferung 5, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
    © Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Freundinnen, 1907, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Verzeichnisse der enthaltenen Lieferungen in der Heller-Mappe

Einen Hochgesang auf das richtungsweisende und zugleich zeitlose Werk des Jugendstilmeisters ließ Hermann Bahr in seinem Vorwort erklingen und verdeutlichte damit die Besonderheit dieses Konvolutes:

»Märchen sind’s, aber Märchen mit Augen in die Zukunft. Es sind Märchen von unserer ewigen österreichischen Art«.

Auch Peter Altenberg pflichtete Bahr bei. So verfasste er am 12. September 1917 eine Ansprache an Gustav Klimt, die als Faksimile in der Handschrift des Autors der Heller-Mappe beigelegt wurde. Der mit ihm persönlich befreundete Altenberg sah in Klimt einen modernen Philosophen und Dichter. Malend verwandle sich Klimt »urplötzlich, ja fast märchenhaft in den modernsten Menschen«. Klimts Seelandschaften verglich Altenberg mit Romanen von Victor Hugo. Aus dem subjektiven Blickwinkel seines impressionistischen Schreibstils deklarierte Altenberg als sein Lieblingswerk von Klimt: »Der einzige riesige einsame und dennoch überprächtige Apfelbaum«. Gemeint war damit Der goldene Apfelbaum (1903, 1945 auf Schloss Immendorf verbrannt), der als Reproduktion ebenfalls Bestandteil des Mappenwerkes war und dadurch der Nachwelt als Heliogravüre erhalten ist.

Nach dem frühen Tod des Verlagsgründers im November 1923 verursachte die Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren das Ende der Tätigkeit der Buch- und Kunsthandlung Hugo Heller & Cie. 1931 führte Max Eisler die Tradition der Mappenwerke zum Œuvre Klimts in modifizierter Form fort.

Literatur und Quellen

  • Empfangsbestätigung von Gustav Klimt in Wien an die Galerie H. O. Miethke in Wien (04/24/1917). H.I.N. 15.9215_2, Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung.
  • Hugo Othmar Miethke (Hg.): Das Werk Gustav Klimts, Wien 1908/14.
  • Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Einleitende Worte: Hermann Bahr, Peter Altenberg, Leipzig - Wien 1918.
  • Johannes Dobai: Gustav Klimt. Die Landschaften, Salzburg 1981.
  • Sabine Fuchs: Hugo Heller (1870–1923). Buchhändler und Verleger in Wien. Eine Monographie. Diplomarbeit, Wien 2004, S. 65f..
  • Leo A. Lensing: Der Mädchensammler. Peter Altenbergs Ansichtskartenalben, in: Georges Felten, Barbara Naumann, Caroline Torra-Mattenklott, Sophie Witt (Hg.): Figurationen, Heft 2, Köln 2001, S. 71-91.
  • N. N.: Das Werk von Gustav Klimt, in: Neues Wiener Tagblatt, 08.02.1918, S. 10.
  • N. N.: Ein Meisterwerk österreichischer Reproduktionskunst, in: Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 27.02.1909, S. 10.

Ausstellungsbeteiligungen

Künstlerhaus Rudolfinum, um 1900
© Klimt-Foundation, Wien

Gustav Klimt: Die Jungfrau, 1913, Národní Galerie
© Národní galerie Praha

Während des Ersten Weltkriegs folgte Klimt den Einladungen diverser ausländischer Künstlervereinigungen. Neben Ausstellungen des Deutsch-Böhmischen Künstlerbundes, der Secession Rom, des Deutschen Werkbundes und der Berliner Secession beteiligte er sich 1917/18 an zwei großen österreichischen Kunstausstellungen in Skandinavien. Jene in Stockholm sollte die letzte große Schau von neuen Kunstwerken des Meisters vor dessen Tod Anfang 1918 sein.

Schau des Deutsch-Böhmischen Künstlerbundes
1914 fand im Künstlerhaus Rudolfinum in Prag eine »Schau des Deutsch-Böhmischen Künstlerbundes« statt. Klimt, der böhmische Wurzeln besaß, nahm an dieser Schau mit zehn Werken teil. Seine Gemälde fanden im achteckigen Mittelsaal des Gebäudes Platz und bildeten das Herzstück der Ausstellung. Jedes der Werke war damals nachweislich verkäuflich. Hervorzuheben sind hierbei besonders die beiden allegorischen Gemälde Die Jungfrau (1913, Národní Galerie, Prag) sowie Tod und Leben (Tod und Liebe) (1910/11, überarbeitet: 1912/13 und 1916/17, Leopold Museum, Wien), die jeweils mit 26.000 Kronen (ca. 150.500 Euro) ausgepreist waren. Die Jungfrau wurde trotz des stolzen Preises von der Modernen Galerie Prag (heute: Národní Galerie, Prag) angekauft. Diese hatte sich in den Vorjahren bereits um einen Erwerb des Gemäldes Der Kuss (Liebespaar) (1908/09, Österreichische Galerie Belvedere, Wien) bemüht, das aber im Zuge der »Kunstschau Wien 1908« an die Moderne Galerie (heute: Österreichische Galerie Belvedere) ging. Das einzige neue Bild Klimts war die Italienische Gartenlandschaft (1913, Kunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm), die im Katalog als Oleandr a růže [Oleander und Rosen] bezeichnet wurde. Es entstand vermutlich im Zuge einer Italienreise mit der Familie Flöge im Herbst 1913. Generell wurde das Oeuvre des Künstlers in Prag gut aufgenommen. Zeitungsberichte lobten vor allem seine Landschaftsbilder und seinen virtuosen Einsatz von Farbe.

Internationale Kunstausstellung Rom 1914
Im Februar 1914 nahm Gustav Klimt als Präsident des erst 1912 gegründeten Bundes Österreichischer Künstler (welcher sich aus dem Ausstellungskomitee der Kunstschau heraus entwickelt hatte) an der II. Esposizione internationale d'arte della Secessione [II. Internationalen Kunstausstellung der Secession] in Rom teil. Die Vereinigung bekam gleich zwei Räume zur Verfügung gestellt, die von Dagobert Peche gestaltet wurden. Klimt war dort allerdings mit nur einem Werk vertreten. Die Katalognummer 12 mit dem Titel Ritratto di faniculla [Bildnis eines Mädchens] kann dank einer Abbildung im Katalog und durch zwei Fotografien des Ausstellungsraums zweifelsfrei als das Porträt Mäda Primavesi (1913, The Metropolitan Museum of Art, New York) identifiziert werden.

Einblick in die II. Internationale Kunstausstellung der Secession in Rom, Februar 1914 - Juni 1914
© ANNO | Österreichische Nationalbibliothek

Peter Behrens: Plakat der Deutschen Werkbundausstellung Köln, 1914
© ALBERTINA, Wien

Zedlitzhalle, Ausstellungsgebäude des Hagenbundes in der Zedlitzgasse 6, nach 1902
© Wien Museum

Julius Klinger: Plakat der Wiener Kunstschau in der Berliner Secession, 1916,
© Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin

Werkbundausstellung
Dass Klimt auch auf der »Werkbundausstellung Köln« vertreten war, belegt eine Fotografie der Ausstellung. Sie zeigt den Eingangsraum des vom Österreichischen Werkbund gestalteten Pavillons, wo der Entwurf für den Stocletfries, Die Erwartung (Tänzerin) (1911, MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien), zentral über einem Kamin von Robert Obsieger hing. Mehrere Ansichtskarten an Emilie Flöge beweisen, dass sich Klimt Anfang 1914 in Brüssel aufhielt, um den fertiggestellten Stocletfries (1905–1911, Privatbesitz) zu besichtigen und vermutlich auch, um Skizzen für ein nicht ausgeführtes Porträt von Suzanne Stoclet anzufertigen. Mehrmals erwähnte Klimt, dass Josef Hoffmann wolle, dass er die Ausstellung in Köln besuche. Klimt jedoch schien nicht sonderlich motiviert. Den Plan zur Eröffnung am 16. Mai zu fahren, sagte er aufgrund von Schlechtwetter kurzfristig ab:

»Wäre ich ein fescher Kerl so führe ich heute nach Köln – aber es ist weit, das Wetter schlecht und es geht doch nicht gut. Die Eröffnung [in] Köln dürfte für mich in's Wasser fallen.«

Aus den darauffolgenden Autografen, ist herauszulesen, dass Klimt der Ausstellung nie persönlich beiwohnte, bevor diese mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs vorzeitig beendet wurde.

Gemeinsame Ausstellung der Wiener Künstlervereinigungen
Die finanzielle Situation während des Ersten Weltkriegs brachte es mit sich, dass die einzelnen Wiener Künstlergemeinschaften zusammenarbeiteten um Ausstellungen zu organisieren. Unter dem Namen Wirtschaftsverband bildender Künstler Österreichs schlossen sich jene Gruppen, die einst im Streit auseinandergegangen waren (Secession, Hagenbund, Künstlerhaus und Bund Österreichischer Künstler), zu einem Schutzbündnis zusammen. Mit Unterstützung des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht und der Gemeinde Wien gelang es im Mai 1915 die »Kunstausstellung des Wirtschaftsverbands bildender Künstler Österreichs« auf die Beine zu stellen. Als Räumlichkeit nutzte die neue Vereinigung das eigens dafür adaptierte Ausstellungsgebäude des Hagenbundes: die Zedlitzhalle im 1. Wiener Gemeindebezirk. Jede der Künstlergruppen bekam ihren eigenen Raum zur Verfügung gestellt. Klimt war im Saal des Bundes Österreichischer Künstler (Raum 5) mit einem nicht näher identifizierbaren Blumengarten und einem Forsthaus, vermutlich dem Forsthaus in Weissenbach am Attersee I (1914, Privatbesitz), vertreten.

Wiener Kunstschau in Berlin
Im Folgejahr organisierte Gustav Klimt als Präsident des Bundes Österreichischer Künstler auf Einladung der Berliner Secession eine Ausstellung mit dem Titel: »Wiener Kunstschau in der Berliner Secession«. Die Vereinigung bekam dort drei Räume zur Verfügung gestellt.
Laut Katalog war Klimt selbst mit vier Gemälden vertreten. Diverse Zeitungsartikel belegen jedoch, dass er auf der Ausstellung fünf Werke präsentierte. Die Beschreibung eines Mädchenbildnisses in der Neuen Freien Presse am 9. Jänner 1916, nur einen Tag nach der Ausstellungseröffnung, beschreibt das »Porträt eines etwa zehnjährigen Mädchens im weißen Kleide«. Auch Franz Servaes schwärmt in der Deutschen Kunst und Dekoration von einem Mädchenbildnis Klimts, auf welchem das Mädchen »farbenblühende Stickereien« auf seinem Kleid trägt. Die dazugehörige Schwarz-Weiß-Abbildung bestätigt, dass es sich hierbei eindeutig um das Porträt Mäda Primavesi handelt. Dennoch findet sich im Katalog keinerlei Erwähnung eines Kinderporträts. Eventuell kam das Gemälde kurzfristig und ungeplant zur Ausstellung hinzu. Das würde auch die ungünstige Hängung erklären, die der Artikel der Neuen Freien Presse erwähnt:

»Aber dieses vielleicht beste Bild der Ausstellung ist irgendwo im Winkel aufgehängt.«

Interessanterweise loben beide oben erwähnten Artikel dieses nicht geplante Bild als das Beste der Ausstellung. Die »Wiener Kunstschau in der Berliner Secession« war auch jene Ausstellung, auf der Klimt zum ersten Mal seine fertig überarbeitete Version des 1910 entstandenen Werkes Tod und Leben (Tod und Liebe) zeigte. Egon Schiele schrieb im Dezember 1915 über die Vorbereitungen der Ausstellung an Anton Peschka:

»Mit mir stellen aus: Klimt, vier Bilder, unter diesen befindet sich das ›Tod und Leben‹, welches ganz umgemalt ist.«

Die Abbildung von Tod und Leben (Tod und Liebe) im Ausstellungskatalog 1916 zeigt eine Zwischenversion des Werkes, in der bereits zahlreiche Figuren am rechten Bildrand ergänzt und die Figur des Todes überarbeitet wurde. Der Zustand des Gemäldes entsprach jedoch noch immer nicht dem finalen Zustand der Allegorie.

Galerie

Werke in der »Wiener Kunstschau« in Berlin

  • Gustav Klimt: Tod und Leben (Tod und Liebe), 1910/11 (überarbeitet: 1912/13, 1916/17), Leopold Museum, Patron: Klimt-Foundation, Wien, in: Berliner Secession (Hg.): Wiener Kunstschau in der Berliner Secession Kurfürstendamm 232, Ausst.-Kat., Ausstellungshaus am Kurfürstendamm (Berlin), 08.01.1916–20.02.1916, Berlin 1916.
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Porträt Adele Bloch-Bauer II, 1912, Privatbesitz, courtesy of HomeArt
    © APA-PictureDesk
  • Gustav Klimt: Forsthaus in Weissenbach am Attersee II, 1914, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Porträt Mäda Primavesi, 1913, The Metropolitan Museum of Art, Gift of André and Clara Mertens, in memory of her mother, Jenny Pulitzer Steiner, 1964
    © The Metropolitan Museum of Art, New York
  • Gustav Klimt: Kirche in Unterach am Attersee, 1915/16, Heidi Horten Collection
    © Photoarchiv Heidi Horten Collection

Liljevalchs konsthall, um 1916
© Okänd / ArkDes

Einblick in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, September 1917, MAK – Museum für angewandte Kunst
© MAK

Österreichische Kunstausstellung in Stockholm
Die letzte Schau an der Klimt noch aktiv mitarbeitete, war die »Österrikiska Konstutställningen« [Österreichische Kunstausstellung] in Stockholm im September 1917. Klimt dürfte es nicht leicht gefallen sein seine neuesten Arbeiten für diese Ausstellung noch rechtzeitig zu vollenden. In zahlreichen Ansichtskarten an Emilie Flöge vom August 1917 beklagte er sich darüber, dass die Gemälde nicht fertig werden würden und wenn, dann nicht gut. Vom Porträt Barbara Flöge (1917/18, Privatbesitz) behauptete er gar:

»Das Bild der Mutter werde ich müssen mitgeben wie es ist oder gar nicht.«

Sein größter Albtraum war der Sammelwagen, der am 14. August kommen sollte, um die Bilder abzuholen. Er sprach von »gehenkt« werden und spielte damit darauf an, dass die Hängung der Ausstellung für ihn einer Hinrichtung glich. Eine Misere ähnlichen Ausmaßes hatte er zuletzt im Zuge der »Klimt-Kollektive« 1903 durchlebt. Klimt hatte auch Schwierigkeiten Leihgaben aus Privatbesitz zu bekommen. Darüber hinaus gab es zahlreiche organisatorische Probleme, die Vorbereitungen für die Ausstellung waren allgemein zu knapp anberaumt worden. Am 12. August 1917 schrieb er an Emilie Flöge:

»Moll ist wütend über die Ausstellung (ich auch!) er verweigert die Herausgabe seiner Kokoschka's [!] die Ausstellung ist i[h]m zu gehetzt die Schweden seien das Beste gewöhnt – wir werden uns ›blamieren‹.«

Trotz aller Strapazen schaffte es Klimt dennoch die Ausstellung mit 13 Gemälden und 18 Zeichnungen zu beschicken. Beinahe alle seine Ölgemälde waren noch nie zuvor gezeigt worden. Da die Ausstellung durch mehrere Fotografien gut dokumentiert ist, lassen sich alle Katalogeinträge zweifelsfrei identifizieren. Die bereits 1916 entstandenen Werke Porträt Friederike Maria Beer (1916, Tel Aviv Museum of Art, The Mizne-Blumenthal Collection), Der Iltispelz (1916/17, unvollendet, Privatbesitz) und Der Pelzkragen (um 1916, vermutlich 1945 verbrannt) wurden auf der Ausstellung in Stockholm der Öffentlichkeit zum ersten Mal präsentiert. Außerdem zeigen die Ausstellungsfotografien die finale Version des so oft überarbeiteten Gemäldes Tod und Leben (Tod und Liebe), welches in Stockholm erstmals im vollendeten Zustand präsentiert wurde.

Galerie

Einblicke in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, 1917

  • Einblick in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, September 1917, Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
    © Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
  • Einblick in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, September 1917, Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
    © Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
  • Einblick in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, September 1917, Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
    © Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
  • Einblick in die Österreichische Kunstausstellung in Stockholm, September 1917, Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden
    © Archive of Liljevalchs konsthall in The Stockholm City Archive, Sweden

Den Frie Udstilling (Hg.): Østrigsk Kunstudstilling. Malen. Plastik. Kunstgenstande, December–Januar 1917 1918. Den Frie Udstilling, Ausst.-Kat., Den Frie Udstilling (Kopenhagen), 20.12.1917–24.01.1918, Kopenhagen 1917.
© Dansmark Kunstbibliotek, Udstillingsrelateret materiale

Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession (Hg.): LII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler-Secession Wien, Ausst.-Kat., Secession (Wien), 12.12.1918–02.02.1919, Wien 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Die Befürchtung keine Leihgaben mehr zu erhalten, scheint sich nicht erfüllt zu haben. Es waren sowohl Gemälde aus dem Besitz der Familie Primavesi als auch der Familie Lederer zu sehen. Zu jenen Werken, die Klimt noch knapp vor der Ausstellung vollendet hatte, gehörten Porträt Barbara Flöge, Baby (1917/18, unvollendet, National Gallery of Art, Washington, D.C.) und Leda (1917, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt).

Jene Unzufriedenheit, die Klimt im Vorfeld über die Gemälde geäußert hatte, bewegte den Künstler anscheinend dazu, diese nach Ende der Ausstellung im Oktober noch einmal zu überarbeiten. Sowohl in der finalen Version von Baby als auch im Porträt Barbara Flöge kann man kleine Veränderungen gegenüber den Fotografien der Stockholmer Ausstellung bemerken. Letzteres schien Klimt noch vor seinem Tod vollendet zu haben, da es im Gegensatz zur Stockholmer Version, signiert ist. Vermutlich hätte es an den anderen Bildern ebenfalls noch stärkere Veränderungen gegeben, wäre Klimt nicht Anfang Februar 1918 verstorben.

Kopenhagen
Während der um den Jahreswechsel 1917/18 stattfindenden Ausstellung »Ostrigsk Kunstudstilling. Malen. Plastik. Kunstgenstandein Koppenhagen« [Österreichische Kunstausstellung. Malerei. Plastik. Kunsthandwerk. Kopenhagen] verweilte Klimt in Winkelsdorf, wo er im Kreis der Familie Primavesi ein letztes Mal Silvester feierte. Kopenhagen war in Bezug auf die Beteiligung Klimts lediglich eine kleinere Version der Ausstellung in Stockholm. Es wurden fünf Gemälde gezeigt: Leda, Der Iltispelz, Tod und Leben (Tod und Liebe) sowie zwei nicht näher identifizierbare Landschaften. Eventuell könnte es sich hierbei um Forsthaus in Weissenbach am Attersee II (1914, Neue Galerie New York, Estée Lauder Collection) und Kirche in Unterach am Attersee (1915/16, Heidi Horten Collection, Wien) gehandelt haben.

Posthume Ausstellungen im Jahr 1918
Mitte Jänner erlitt Gustav Klimt einen Schlaganfall infolgedessen er am 6. Februar verstarb. Nach seinem Tod bemühten sich vor allem sein langjähriger Freund Carl Moll und der Kunsthändler Gustav Nebehay darum, sein Andenken gebührend zu bewahren.

Im Mai 1918 wurde im Zuge der Ausstellung »Ein Jahrhundert Wiener Malerei« in Zürich ein eigener Klimt-Raum für den verstorbenen Künstler eingerichtet. Mit 15 Werken war er der bestrepräsentierte Maler auf der Schau, dicht gefolgt von Rudolf von Alt und Ferdinand Georg Waldmüller. Alle gezeigten Werke stammten ausschließlich aus Privatbesitz.

Auch die Secession stellte Ende des Jahres noch einmal Werke ihres ehemaligen Präsidenten Gustav Klimt aus. In der »LII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Secession« – die eine reine Porträtausstellung war – präsentierte die Vereinigung das Porträt Hermine Gallia (1903, The National Gallery, London) und ein nicht identifizierbares »Bildnis eines jungen Mädchens« (Katalognummer 39).

Literatur und Quellen

  • Prager Tagblatt, 18.01.1914, S. 6.
  • Prager Abendblatt, 06.02.1914, S. 4.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2017.
  • Secessione romana (Hg.): Seconda Esposizione Internazionale d'Arte "della Secessione". Catalogo Illustrato, Ausst.-Kat., Palazzo delle Esposizioni di Belle Arti (Rom), 21.03.1914–00.06.1914, 2. Auflage, Rom 1914.
  • Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst, 13. Jg. (1914), S. 390.
  • Rainald Franz: Präsentation und Rezeption der Entwurfszeichnungen von Gustav Klimt für den Mosaikfries im Palais Stoclet nach dessen Fertigstellung, in: Christoph Thun-Hohenstein, Beate Murr (Hg.): Gustav Klimt. Erwartung und Erfüllung. Entwürfe zum Mosaikfries im Palais Stoclet, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 21.03.2012–15.07.2012, Wien 2012, S. 89-97.
  • Fremden-Blatt, 13.05.1918, S. 4.
  • Korrespondenzkarte von Gustav Klimt, verfasst von fremder Hand an Maria Cyrenius (11/16/1915).
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Malcesine am Gardasee an Anna Klimt in Wien (09/10/1913). GKA40.
  • Deutsches Volksblatt, 06.05.1915, S. 20.
  • Sport und Salon. Illustrirte Zeitschrift für die vornehme Welt, 12.06.1915, S. 11.
  • Neue Freie Presse (Morgenausgabe), 09.01.1916, S. 18.
  • Akt betreffend den Ankauf von Kunstwerken für die Moderne Galerie durch das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht (07/16/1908). AT-OeStA/AVA Unterricht UM allg. Akten 3446, Zl.32.554/1908 fol. 1+2, Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungs-, Finanz- und Hofkammerarchiv (AVA).
  • Franz Servaes: Wiener Kunstschau in Berlin, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 38 (1916), S. 41-54.

Zeichnungen

Gustav Klimt: Sitzende Frau, 1917/18, Wien Museum
© Wien Museum

In seinen späten Zeichnungen widmete sich Klimt neben Studien für Auftragsporträts erneut dem erotischen Frauenakt. Vor allem für das Monumentalwerk Die Braut (1917/18 (unvollendet), Klimt-Foundation, Wien) kreierte er eine Vielzahl von Aktzeichnungen, in denen der freie malerische Stil seines Spätwerks ebenso bemerkbar wird wie die zunehmende Tendenz zur Expression.

Schwerpunkte der Spätzeit
Wichtigste Quelle für die Analyse des Werkprozesses der Spätphase ist Klimts letztes Skizzenbuch (1917/18, Klimt-Foundation, Wien, S:1984: 3039-3040, 3084-3174), das er zwischen dem 22. Juni 1917 und dem 2. Januar 1918 verwendete und das über 120 Skizzen enthält. Neben Entwürfen für monumentale Hauptwerke finden sich hier auch Studien für das verschollene Gemälde Gastein (1917, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen) oder auch von für Klimt untypische religiöse Szenen. Abgesehen von diesem Skizzenbuch erlauben die Porträtaufträge und die dafür vorbereiteten Studien eine zeitliche Zuordnung. Amalie Zuckerkandl, Elisabeth Lederer (verh. Bachofen-Echt), Friederike Maria Beer, Ria Munk wie auch Margarethe Constance Lieser standen in der letzten Schaffensperiode Klimt Modell. Ebenso bildeten erotische Aktstudien oder vorbereitende Zeichnungen, die in reduzierter Form ihren Niederschlag in Werken wie Freundinnen II (1916/17, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt), Dame mit Fächer (1917/18 (unvollendet), Privatbesitz) und Adam und Eva (1916–1918 (unvollendet), Belvedere, Wien) fanden, einen wesentlichen Schwerpunkt. Einflussgebend waren neben der Linienführung der asiatischen Kunstauffassung und expressionistischen Tendenzen Hodler, Rodin und auch El Grecos gelängter, flackender Stil, wie in den Studien (1917/18, S: 1984: 2802-2812) für das Werk Freundinnen II zu erkennen ist.

Galerie

Einzelseiten aus dem letzten Skizzenbuch Gustav Klimts

  • Gustav Klimt: Skizzenbuch von Gustav Klimt, 1917/18, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Skizzenbuch von Gustav Klimt, 1917/18, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Skizzenbuch von Gustav Klimt, 1917/18, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Skizzenbuch von Gustav Klimt, 1917/18, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Skizzenbuch von Gustav Klimt, 1917/18, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien

Erotik im Œuvre Klimts
Mit dem Thema Erotik, das vor allem in der Spätphase eine besondere Gewichtung erhielt, verband sich bei Klimt das vitale Interesse am Zyklus des Lebens, dem Werden und Vergehen. Klimt vermochte es, sexuelle Energie im Liniengebilde auszudrücken und erreichte dabei eine neue Qualität des Ausdrucks. In seinen Aktzeichnungen behandelte er auch gesellschaftliche Tabuthemen wie masturbierende oder lesbische Frauen. Viele seiner Aktstudien stellen autonome Kunstwerke dar, wohingegen er die erotische Energie in seinem Gemälde Die Braut (1917/18, unvollendet, Klimt-Foundation, Wien) einem symbolischen Narrativ einband.

Gustav Klimt: Liegender weiblicher Akt, 1914/15, Wien Museum
© Wien Museum

»Hier gab es ein Schicksal zu entdecken.« Klimt und seine Braut
Klimt bereitete das bedeutende Spätwerk Die Braut mit mehr als 140 Bleistiftzeichnungen und auf rund 40 Seiten in seinem letzten Skizzenbuch akribisch vor. Die hohe Anzahl an erhaltenen Studien ist nicht nur dem Umstand geschuldet, dass sie die letzten Zeugnisse des am 6. Februar 1918 verstorbenen Malers waren, sondern wohl seinem eigenen Anspruch, in der komplexen Bilderzählung das neue Ausdrucksstreben und die malerische Qualität mit dem symbolistischen Aspekt früherer Schaffensperioden auf neuartige Weise zu verbinden.

Jene Blätter aus dem Skizzenbuch, die diesem Monumentalwerk zugeordnet werden können, zeigen, dass Klimt an den beiden Hälften der Komposition getrennt voneinander arbeitete. Vor allem für den Halbakt mit gespreizten Beinen fertigte Klimt zahlreiche Skizzen (1917/18, S: 1984: 3095-3108) an. Er fokussierte dabei auf die tänzerisch anmutende Pose per se, behandelte aber auch die ornamentale Gewandgestaltung des gerafften Unterrocks.

Galerie

Studien für »Die Braut«

  • Gustav Klimt: Weiblicher Rückenakt mit hochgeschobenem Kleid. Studie für den linken Rückenakt, 1917, Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Kniender Halbakt mit erhobenen Armen in hochgerafftem Kleid. Studie für die rechte Figur im Gemälde »Die Braut«, 1917, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Gustav Klimt: Liegender weiblicher Halbakt mit abgewinkeltem rechtem Arm. Studie zu »Die Braut«, um 1917, Leopold Museum
    © Leopold Museum, Wien
  • Gustav Klimt: Brustbild eines Mädchens mit herabfallenden Zöpfen, den Kopf nach links geneigt, um 1917, The Metropolitan Museum of Art, Gift of Sir John Pope-Hennessy, 1982
    © The Metropolitan Museum of Art, New York

In der Zeichnung Weiblicher Rückenakt mit hochgeschobenem Kleid. Studie für den linken Rückenakt im Gemälde Die Braut (1917, Klimt-Foundation, Wien, S: -) bearbeitete Klimt explizit die Pose der markant im Gemälde positionierten Rückenfigur. Während in der Skizze eine scheinbar kokette Präsentation des Hinterteils im Vordergrund steht, betonte Klimt im Gemälde die harmonisch geschwungene Rückenform, welche aus der in sich verschlungenen Masse aus Personen und ornamental gestalteten Gewändern hervorsticht.

Eros und Tod, Unschuld und Verlangen werden in der Figurenkomposition von Die Braut mit dem Fokus auf das Weibliche auf einer symbolischen Ebene zum Bildthema. Impulsgebend für dieses Monumentalwerk war möglicherweise Arthur Schnitzlers Novelle Die Braut. Deutlich wird dadurch abermals, dass Klimt im literarischen Umfeld Inspirationsquellen fand, die er gekonnt in seinen Studien vorbereitend verflocht und schließlich in seiner Malerei umsetzte.

Literatur und Quellen

  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band III, 1912–1918, Salzburg 1984, S. 7f..
  • Sandra Tretter: „Phantasien, vollendete und unvollendete“. Gustav Klimts Allegorie Die Braut im Kontext seines Spätwerks und Arthur Schnitzlers gleichnamiger Novelle, in: Sandra Tretter, Hans-Peter Wipplinger (Hg.): Gustav Klimt. Jahrhundertkünstler, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 22.06.2018–04.11.2018, Wien 2018, S. 167-177.
  • Arthur Schnitzler: Die Braut. Studie, 1891, in: Arthur Schnitzler. Gesammelte Werke. Die erzählenden Schriften, Band 1, Frank­furt am Main 1961, S. 84-98.
  • Marian Bisanz-Prakken (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Ausst.-Kat., Albertina (Wien), 14.03.2012–10.06.2012; Getty Center (Los Angeles), 03.07.2012–23.09.2012, München 2012.
  • Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, Felizitas Schreier, Georg Becker (Hg.): Gustav Klimt. Atelier Feldmühlgasse 1911–1918, Wien 2014.
  • Alice Strobl: Das Skizzenbuch von 1917, in: Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band III, 1912–1918, Salzburg 1984, S. 239-253.

Tod eines Jahrhundertkünstlers

Moriz Nähr: Gustav Klimt vor seinem Atelier in der Feldmühlgasse, Mai 1917, Privatbesitz, courtesy Klimt-Foundation, Wien
© Klimt-Foundation, Wien

Am 6. Februar 1918 verstarb Gustav Klimt mit nur 55 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus in Wien an den Folgen eines Schlaganfalls. Die Begräbnisfeierlichkeiten, denen zahlreiche Freunde und bedeutende Persönlichkeiten aus der Wiener Kunst, Kultur- und Politikszene beiwohnten, fanden drei Tage später am Hietzinger Friedhof statt.

»Klimt hat vor ca. 14 Tagen der Schlag getroffen, […] die Ärzte halten seinen Zustand für hoffnungslos«, notierte Architekt Otto Wagner am 24. Jänner 1918 in einem Tagebucheintrag. Gustav Klimt war in Wien gänzlich unerwartet erkrankt. Noch wenige Tage zuvor hatte der Ausnahmekünstler den Jahreswechsel 1917/18 zusammen mit Familie Primavesi in deren Landhaus in Winkelsdorf (heute: Kouty nad Desnou, Tschechien) verbracht. Laut diversen Zeitungsberichten erfolgte die ärztliche Behandlung des Schlaganfalls und der einhergehenden Lähmungserscheinungen umgehend in einem Wiener Sanatorium – vermutlich handelte es sich dabei um das Sanatorium Fürth. Die Verfassung Klimts wurde dort zunächst angeblich als kritisch, aber stabil eingestuft. Laut Egon Schiele hatte Klimts klinischer Aufenthalt aber unter anderem zur Folge, dass bei ihm im Atelier in der Feldmühlgasse eingebrochen wurde. So schrieb Schiele an seinen Schwager, den österreichischen Maler Anton Peschka, am 30. Jänner 1918:

»Klimt geht es leider nicht besser, er tut mir ungeheuer leid, nebstbei wo man gleich am 2ten Tag nach dem Schlag bei ihm im Atelier eingebrochen hat. Das ist der Dank der Welt und solange wartete man bei uns mit großen Aufträgen für ihn bis er unfähig war!«

Ende Jänner vermeldeten die Wiener Zeitung und das Fremden-Blatt, dass sich der Zustand Klimts weiter verschlechtert habe, wobei medial versichert wurde, »daß [!] keine Gefahr für das Leben des Künstlers besteht.« Am 2. Februar 1918 erfolgte jedoch eine Verlegung ins Allgemeine Krankenhaus (heute: Campus der Universität Wien), da weitere gesundheitliche Komplikationen in Erscheinung getreten waren. In den frühen Morgenstunden des 6. Februar 1918 verstarb der Künstler schließlich mit nur 55 Jahren. Als offizielle Todesursache wurden in der Sterbematrikel »Hirnschlag« und »Lungenentzündung« vermerkt.

Galerie

Partezettel und Beileidsschreiben

  • Parte für Gustav Klimt, verfasst von seiner Familie, 07.02.1918, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Parte für Gustav Klimt, verfasst vom Bund Österreichischer Künstler, 07.02.1918, Klimt-Foundation
    © Klimt-Foundation, Wien
  • Brief der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession in Wien an Georg Klimt in Wien, unterschrieben von Richard Harlfinger, 07.02.1918, Albertina
    © ALBERTINA, Wien
  • k. k. Akademie der bildenden Künste (1772-1918), heute Akademie der bildenden Künste Wien: Brief der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien an Georg Klimt in Wien, unterschrieben von Edmund Hellmer, 07.02.1918, Albertina
    © ALBERTINA, Wien

Egon Schiele: Gustav Klimt auf dem Totenbett (Detail), 07.02.1918
© Wien Museum

Totenmaske von Gustav Klimt
© Wien Museum

Letzte Porträts eines Toten
Einen Tag nach Ableben Gustav Klimts schuf sein Künstlerfreund Egon Schiele noch in der Totenkammer des Krankenhauses drei Zeichnungen des Malers. Schiele äußerte sich speziell zu dieser Begebenheit in einem Gespräch mit der Journalistin Ida Foges, welches im Neuen Wiener Journal am 4. März 1918 publiziert wurde: »Ich fand ihn sehr verändert […] man hatte ihn glatt rasiert, ich habe ihn auf der Bahre kaum wieder erkannt.« In jenem Zeitraum wurden zudem die Totenmaske sowie ein Abguss der rechten Hand des Künstlers angefertigt. Diese Objekte befanden sich zuletzt im Besitz von Josef Hoffmann. 1923 spendete er diese an die städtischen Sammlungen (heute: Wien Museum), wo sie bis heute verwahrt werden.

Begräbnis
Am Nachmittag des 9. Februar 1918 wurde Gustav Klimt, dessen Sarg laut Fremden-Blatt mit Tannenreisig und Schneerosen opulent geschmückt war, am Hietzinger Friedhof – entgegen der damaligen Berichterstattung nicht an der Seite seiner Mutter – feierlich beerdigt. Diversen Medienberichten zufolge fanden sich an jenem Samstag neben der Familie und engen Freunden vor allem auch zahlreiche bedeutende Kunst- und Kulturschaffende sowie Politiker zur Trauerfeier am interkonfessionellen Gemeindefriedhof im 13. Wiener Gemeindebezirk ein. Nachzuvollziehen ist dies anhand der einzigen vier bekannten Fotografien der Begräbnisfeierlichkeit am Grab Klimts.

Begräbnis von Gustav Klimt auf dem Hietzinger Friedhof, 09.02.1918, Verbleib unbekannt
© APA-PictureDesk

Gustav Klimts Grab auf dem Hietzinger Friedhof, vermutlich vor 1967, Verbleib unbekannt
© APA-PictureDesk

Josef Hoffmann: Grabentwurf für Gustav Klimt
© Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien

Nachrufe
Die unmittelbare mediale Würdigung des verstorbenen Jahrhundertkünstlers war im deutschsprachigen Raum sehr weitreichend. Einige Zeitungen und Fachzeitschriften veröffentlichten sogar mehrseitige Nachrufe, die unter anderem von Arthur Roessler, Josef August Lux und Franz Serveas verfasst wurden. Letztgenannter widmete Klimt folgende Worte:

»Wer ihn näher kennen lernte, mußte [!] ihn lieben. Etwas Keusches, Gerades, ungemein Verläßliches [!] lag in seiner Natur. Und er war Künstler durch und durch, sein ganzes Leben lang, ein opfervoller, fast ängstlich bedachtsamer Diener seiner Kunst.«

Einen besonderen Stellenwert nimmt in gewisser Weise auch der von Berta Zuckerkandl verfasste Nekrolog ein, der an Klimts Begräbnistag in der Wiener Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde. In diesem zelebriert sie sehr würdevoll das Leben und Werk Klimts. Die Schriftstellerin sollte auch in Zukunft eine der wenigen sein, die ihres verstorbenen Freundes noch über Jahre hinweg mit journalistischen Beiträgen gedachte.

Grabstätte
Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Ablebens von Gustav Klimt gab die Stadt Wien bekannt, dass dem Künstler ein Ehrengrab gewidmet werden sollte. Am 8. Februar 1918 wurde jedoch durch Vizebürgermeister Heinrich Hierhammer in der Stadtratssitzung verlautbart: »Der Bund österreichischer Künstler lehnt vorläufig namens der Familie Klimt dankend die Widmung eines Ehrengrabes für den verstorbenen Maler Gustav Klimt ab.«

Aus dem Stadtratsprotokoll vom 7. Mai 1918 geht schlussendlich hervor, dass die Familie Klimt gänzlich auf ein Ehrengrab verzichtete. Erst 1923 erfolgte eine Umwidmung. Auf Antrag von Stadtrat Julius Tandler, der ebenso im Februar 1918 am Begräbnis teilgenommen hatte, war im Gemeinderat einstimmig beschlossen worden, dass die Stadt Wien die Kosten der Grabausschmückung des Künstlers dauerhaft übernehmen würde.

Das Grab selbst schmückte lange Zeit eine einfache Marmorplatte, die nur mit Gustav Klimts Namen versehen war. Eine von Josef Hoffmann geplante, sehr persönliche Grabgestaltung, die eine Art »Blumensarkophag« vorsah, kam nie zur Ausführung. Heute ziert ein schlichter, solider Grabstein Gustav Klimts letzte Ruhestätte.

Literatur und Quellen

  • Andreas Nierhaus, Alfred Pfoser (Hg.): Meine angebetete Louise! Otto Wagner. Das Tagebuch des Architekten 1915-1918, Salzburg - Wien 2019, S. 220-225.
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt – Josef Hoffmann. Pioniere der Moderne, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien) - Unteres Belvedere (Wien), 25.10.2011–04.03.2012, München 2011, S. 34-35.
  • Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 400.
  • Emil Pirchan: Gustav Klimt. Ein Künstler aus Wien, Wien - Leipzig 1942, S. 88-90.
  • Arbeiter-Zeitung, 27.09.1923, S. 6.
  • Neues Wiener Journal, 18.05.1923, S. 7.
  • Neues Wiener Tagblatt, 22.01.1918, S. 9.
  • Neues Wiener Tagblatt, 23.01.1918, S. 10.
  • Neues Wiener Tagblatt, 05.02.1918, S. 6.
  • Fremden-Blatt, 29.01.1918, S. 5.
  • Fremden-Blatt, 10.02.1918, S. 7.
  • Arbeiter-Zeitung, 10.02.1918, S. 2-3.
  • Neues Wiener Journal, 03.03.1918, S. 3.
  • N. N.: Februar, in: Stadt Wien - Presse- und Informationsdienst (Hg.): Amtsblatt der Stadt Wien, Jg. XXVII, Wien 1918, S. 339.
  • N. N.: Mai, in: Stadt Wien - Presse- und Informationsdienst (Hg.): Amtsblatt der Stadt Wien, Jg. XXVII, Wien 1918, S. 912.
  • Velhagen & Klasings Monatshefte, 32. Jg., Heft 9 (1918), S. 32.
  • Deutsche Kunst und Dekoration, Band 41 (1917/18), S. 390.
  • Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, 07.02.1918, S. 1-3.
  • Wiener Allgemeine Zeitung, 09.02.1918, S. 4-5.
  • Sterbebuch 1918 (Tomus 195), Alservorstadtkrankenhaus, Wien, fol. 21.
  • Brief von Egon Schiele an Anton Peschka (01/30/1918). S249.
  • Neue Freie Presse (Abendausgabe), 06.02.1918, S. 3.
  • Neues Wiener Tagblatt (Abendausgabe), 06.02.1918, S. 3.