Berta Zuckerkandl

Berta Zuckerkandl fotografiert von Madame d'Ora, 1908
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Carl Moll: Weißes Interieur, 1905, Ansicht des Speisezimmers der Villa Zuckerkandl in der Nußwaldgasse, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 23 (1908/09).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Anton Kolig: Porträt Berta Zuckerkandl, 1925
© Wien Museum

Wohnung und Salon Berta Zuckerkandl im Palais Lieben, Oppolzergasse, um 1900
© Wien Museum

Berta Zuckerkandl: Brief von Berta Zuckerkandl an Anton Hanak, vermutlich nach dem 06.02.1918, LANGENZERSDORF MUSEUM, Hanak-Archiv
© Klimt-Foundation, Wien

Als Schriftstellerin, Literatin und Journalistin förderte Berta Zuckerkandl über ein halbes Jahrhundert lang die moderne Kunst. Ihr Salon war Treffpunkt für zahlreiche Künstler, Literaten und Wissenschaftler. Zu ihrem Freundeskreis zählten viele Secessonisten, so auch Gustav Klimt.

Berta Zuckerkandl wurde am 13. April 1864 in eine jüdische Familie geboren. Sie war die Tochter des Herausgebers der Zeitung Neues Wiener Tagblatt, Moriz Szeps und dessen Frau Amalie, geb. Schlesinger. Gemeinsam mit ihrer Schwester Sophie erhielt sie eine umfassende Bildung. Im Hause Szeps verkehrten außerdem zahlreiche Schriftsteller, Musiker und Schauspieler. Schon in jungen Jahren begleitete sie ihren Vater als Sekretärin zu französischen und englischen Politikern. Da der Vater mit Kronprinz Rudolf befreundet war, fiel es den beiden Töchtern leicht in der gehobenen Gesellschaft Fuß zu fassen. Berta heiratete 1886 den Arzt Emil Zuckerkandl, der später an der Universität Wien auf dem Gebiet der Anatomie lehrte. Sie hatte ihn 1883 über den Schriftsteller Berthold Frischauer kennengelernt. Emil war ebenfalls sehr kunstinteressiert und ein bedeutender Sammler. Die gesamte Familie ihres Ehemanns avancierte, vermutlich auch durch die Hilfe der kunstsinnigen Berta, zu einer der wichtigsten Sammlerfamilien für Klimt Werke. 

Mit der Verehelichung ihrer Schwester Sophie mit Paul Clemenceau, dem Bruder des späteren Ministerpräsidenten Frankreichs, wurde Paris zur zweiten Heimat für Berta, wo sie unter anderem mit Rodin und den Impressionismus Bekanntschaft machte.

Berta Zuckerkandl, die Secession und Gustav Klimt
Unermüdlich setzte sich Berta Zuckerkandl in ihren Kolumnen für die Secession, die Wiener Werkstätte, aber vor allem für Gustav Klimt ein. Ihre kunst- und kulturkritischen Artikel wurden in der Wiener Allgemeinen Zeitung, dem Neuen Wiener Journal sowie in den Zeitschriften Ver SacrumDeutsche Kunst und Dekoration und Die Kunst für Alle veröffentlicht.

Nach dem Vorbild ihrer Eltern unterhielt sie ab 1888 in der Günthergasse im 9. Wiener Gemeindebezirk einen Salon, in dem sich die künstlerische Elite und das zukünftige Mäzenatentum traf. Klimt, Mahler, Moser und Moll zählten ebenso zu den Gästen wie Hermann Bahr, Arthur Schnitzler und Egon Friedell sowie die Familien Hellmann, Löw, Berl und Waerndorfer. Einige Jahre nach der Geburt des Sohnes Fritz 1895 übersiedelte die Familie und mit ihr der Salon in die Alserbachstraße. Laut Ludwig Hevesi war in einem der beiden Salons die Idee zur Gründung der Secession entstanden. Später verlagerte sich der illustre Zirkel in die Nusswaldgasse im 19. Wiener Gemeindebezirk, wo Berta und ihr Mann eine Villa in der Nähe der Künstlerkolonie auf der Hohen Warte kauften. Das kunstaffine Paar ließ seinen Wohnsitz von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte ausstatten. Danke des regelmäßigen Hausgastes Carl Moll wurden die Innenräume des Wohnhauses samt Asiatika-Sammlung des Ehepaares gleich zweimal malerisch dokumentiert.

Engagiert verhalf Berta Zuckerkandl Klimt zudem zu privaten Aufträgen durch ihre Gästen, die allesamt zu den bedeutendsten Sammlern des Künstlers werden sollten. 

Seit der Gründung der Secession 1898 und der Wiener Werkstätte im Jahr 1903 publizierte Berta Zuckerkandl zahlreiche Abhandlungen, in denen sie die moderne Kunst verteidigte und für deren Verbreitung eintrat. Über ihre Schwester in Paris vermittelte sie Auguste Rodin und Eugène Carrière als außerordentliche Mitglieder an die Secession. Ersteren holte Berta 1902 im Zuge einer Ausstellung seiner Werke sogar nach Wien. Zudem verteidigten sie und ihr Mann Gustav Klimt vehement im Streit um die Fakultätsbilder. Zugunsten Klimts unterschrieb Emil Zuckerkandl als einer von zwölf Universitätsprofessoren eine Petition, die sich für die Anbringung der Klimt-Gemälde in der Aula aussprach. In Klimt sah Berta eine »Galionsfigur der revolutionären Kunstbewegung«, einen »Anführer, [...] Wegweiser, das von allen anerkannte Genie«. Ihr 1908 erschienenes Buch Zeitkunst hatte sie dem befreundeten Künstler mit der Widmung »Gustav Klimt als Ersten und Größten dies kleine Zeichen eines guten Wollens. In Treue B. Z.« überreicht.

Nach dem Tod ihres Mannes 1910 und ihrer Mutter 1912 arbeitete sie als Übersetzerin und Journalistin. In diesem Zusammenhang ergab sich auch eine enge Zusammenarbeit mit Arthur Schnitzler, dem sie zeitlebens freundschaftlich verbunden war.

Nach einer schweren Erkrankung, im Zuge derer sie das Sanatorium der befreundeten Familie Löw aufgesucht hatte, zog die Witwe 1916 in die Oppolzergasse beim Burgtheater, wo sie ihren Salon fortführte. Besonders eine von Josef Hoffmann entworfene und aus der Nußwaldgasse übersiedelte Sitzecke zeigt die lange Tradition dieses Treffpunkts für Kunst und Kultur auf:

»Diese Diwanecke ist ein Hauptbestandteil meines geselligen Lebens. Seit vielen Jahren treffe ich hier mit meinen Freunden zusammen.«

Der Tod von Gustav Klimt 1918 hatte Berta Zuckerkandl hart getroffen. In einem Brief an Anton Hanak drückte sie ihren Schmerz ob des Verlustes aus:

»Ich muss mit Ihnen weinen! Wer hat Ihn so geliebt wie wir? Wer ihn so verstanden ? – Er lässt uns arm zurück. – Oh elende, dum[m]e, verbrecherische Natur! – Diesen Grossen - Gütigen - Einzigen schlägt sie nieder. Ich verzweifle! Ihre B. Z.«

In den folgenden Jahren sollte sie unermüdlich immer wieder über Klimt schreiben um seine Kunst und Errungenschaften für die Nachwelt zu bewahren. Sie war eine der wenigen, die auch noch Jahre nach dem Tod des befreundeten Malers über ihn berichtete. Außerdem fungierte sie 1928 als Mitglied des Ausstellungskomitees der »Klimt-Gedächtnis-Ausstellung« in der Secession.

1920 unterstützte sie Max Reinhardt und Hugo Hofmannsthal journalistisch in ihrem Bestreben, die österreichische Kultur in Form der Salzburger Festspiele zu retten. 

Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sich die pazifistische Journalistin auch Abseits des Kulturgeschehens als Sprachrohr für internationales Wirken und setzte sich für Frieden und Völkerverständigung ein. Für das Neue Wiener Journal schrieb sie über die Außenpolitik Österreichs.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 war sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung gezwungen mit ihrem Enkel Emile zu ihrer Schwester nach Paris zu fliehen. Von dort aus reiste sie weiter nach Algier, wo sie während der Kriegsjahre journalistisch tätig blieb, jedoch zusehends verarmte. 1945 kehrte sie, schwer krank, nach Paris zurück, wo sie am 16. Oktober verstarb.

Literatur und Quellen

  • Reinhard Federmann (Hg.): Berta Zuckerkandl: Österreich intim, Erinnerungen 1892- 1942, Wien 2013.
  • De Gruyter. Bibliothek Forschung und Praxis. Band 42: Heft 1. Berta Zuckerkandl – Netzwerkerin der Wiener Moderne: Über die Sammlungen Emile Zuckerkandl an der Österreichischen Nationalbibliothek. www.degruyter.com/view/journals/bfup/42/1/article-p128.xml (06.04.2020).
  • Der Standard. Nationalbibliothek erwirbt Zuckerkandl-Archiv (26.11.2012). www.derstandard.at/story/1353207349685/nationalbibliothek-erwirbt-zuckerkandl-archiv (06.04.2020).
  • FemBio. Frauen. Biografieforschung. Berta Zuckerkandl. www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/berta-zuckerkandl/ (06.04.2020).
  • Ö1. Das Porträt der Amalie Zuckerkandl. oe1.orf.at/artikel/641943/Das-Portraet-der-Amalie-Zuckerkandl (06.04.2020).
  • Wien Geschichte Wiki. Berta Zuckerkandl. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Berta_Zuckerkandl (06.04.2020).
  • Berta Zuckerkandl-Szeps: Erinnerung an Gustav Klimt, in: Die Bühne. Wochenschrift für Theater, Film, Mode, Kunst, Gesellschaft, Sport, 11. Jg., Heft 386 (1934), S. 3-7.
  • Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969.
  • Berta Zuckerkandl (Hg.): Zeitkunst. Wien 1901–1907, Wien 1908, S. 163-166.
  • Franz Eder, Ruth Pleyer: Berta Zuckerkandls Salon – Adressen und Gäste, Versuch einer Verortung, in: Bernhard Fetz (Hg.): Berg, Wittgenstein, Zuckerkandl. Zentralfiguren der Wiener Moderne, Wien 2018, S. 212-233.