Fritz Waerndorfer

Lili und Fritz Waerndorfer, um 1895
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Gustav Klimt im Garten der Villa von Fritz Waerndorfer, vermutlich um 1903, Verbleib unbekannt
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Einblick in die Villa Waerndorfer, 1903/04, MAK - Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte
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Der österreichische Unternehmer, Kunstmäzen und Mitbegründer der Wiener Werkstätte prägte durch seine gesellschaftlichen Verbindungen und sein Engagement maßgeblich die Kunstszene in Wien um 1900. Er sammelte Gemälde von Gustav Klimt sowie Werke internationaler Avantgardekünstler und förderte Josef Hoffmann und Kolo Moser.

Fritz Waerndorfer (ursprünglich Wärndorfer) wurde am 5. Mai 1868 in Wien als Sohn des Textilfabrikanten Samuel und Berta Wärndorfer, geb. Neumann, geboren und entstammte einer wohlhabenden jüdischen Industriellenfamilie. Seine Tanten mütterlicherseits – Marianne und Jenny Neumann – waren mit Moriz Benedict und Isidor Mautner verheiratet, die drei Schwager führten die Baumwollspinnerei Wärndorfer-Benedict-Mautner, einen der größten Textilkonzerne der Monarchie mit Hauptsitz in Nachod (heute Tschechien).

Nach Absolvierung des Akademischen Gymnasiums in Wien leistete Fritz Waerndorfer bis 1889 Militärdienst und hielt sich danach zu Studienzwecken in England auf, wo er in der Kunstszene verkehrte und zu sammeln begann. 1895 folgte eine Anstellung im Familienbetrieb, zu dessen Gesellschafter er später aufstieg. 1896 heiratete er die Autorin und Übersetzerin Lili Jeanette Hellmann und sie bekamen drei Kinder.

Bereits um die Jahrhundertwende pflegte er engen Kontakt mit Hermann Bahr und war Gast im Salon von Berta Zuckerkandl. Über diese Verbindung traf er vermutlich auch die Gründer der Wiener Secession Gustav Klimt, Josef Hoffmann, Carl Moll und Kolo Moser. Waerndorfer förderte und beauftragte die befreundeten Künstler der jungen Vereinigung und baute eine Sammlung auf mit Werken von Richard Luksch, Marcus Behmer, Aubrey Beardsley, George Minne sowie Klimts Gemälden Pallas Athene (1898, Wien Museum), Obstgarten am Abend (1899, Privatbesitz), Ein Morgen am Teiche (1899, Leopold Museum, Wien), Bauernhaus mit Birken (1900, Privatbesitz), Aus dem Reich des Todes (Zug der Toten) (1903, Verbleib unbekannt, seit Kriegsende 1945 verschollen) und Die Hoffnung I (1903/04, National Gallery of Canada, Ottawa).

Da Waerndorfer fließend Englisch sprach und mit den neuesten britischen Designtrends vertraut war, bat Hoffmann ihn im Frühjahr 1900 nach Glasgow zu reisen, um Charles Rennie Mackintosh für eine Beteiligung an der »VIII. Ausstellung« der Secession zu gewinnen. Im November stellte Mackintosh mit der richtungsweisenden Künstlergruppe des schottischen Modern Style namens The Four in Wien neben Charles Robert Ashbee, Henry van de Velde, George Minne u.a. aus. Die bahnbrechende, von Moll als Präsident und Hoffmann als Vizepräsident der Secession organisierte Schau führte zur programmatischen Aufwertung des Kunstgewerbes. Dabei wohnte das Künstler- und Ehepaar Mackintosh während der Ausstellung in Waerndorfers Villa in der Carl-Ludwig-Straße 45 (heute: Weimarer Straße 59) im Währinger Cottage-Viertel und er beauftragte sie spätestens 1902 mit der Einrichtung seines Musiksalons. Margaret MacDonald Mackintosh entwarf dafür einen dreiflügeligen Fries mit dem Motiv Die sieben Prinzessinnen (1906, MAK) aus dem gleichnamigen Theaterstück von Maurice Maeterlinck, der allerdings erst 1907 in den Salon Einzug fand.

Weiters gründete er 1903 mit Hoffmann und Moser die Wiener Werkstätte nach dem Vorbild des englischen Arts-and-Crafts-Movement. Ziel war die Erneuerung des Kunstbegriffes im Bereich des Kunstgewerbes und die Herstellung von Möbeln, Alltagsgegenständen und Schmuck. Dabei initiierte er auch die Einrichtung von Klimts Atelier in der Josefstädter Straße. Klimt schrieb im Sommer 1903 an Mizzi Zimmermann:

»Der Herr aus dem Cottage Viertel wollte in meiner Abwesenheit das Atelier auf seine Kosten herrichten lassen, als Überraschung – ich sollte davon nichts wissen – die Hausbesorgerin ließ es nicht zu – sonder[n] fragte bei mir an – ich hatte alle Mühe die sonst ganz löbliche Absicht zu nichte zu machen […].«

Klimt verweigerte die komplette Umgestaltung der Räume und lediglich einige von Hoffmann entworfene und der Wiener Werkstätte ausgeführte Möbel kamen Ende des Jahres in das Atelier.

Mit der Modernisierung seines Hauses, seiner Sammlungstätigkeit und der Förderung internationaler Künstler positionierte sich Waerndorfer als prägende Persönlichkeit der Wiener Gesellschaft, Kunst- und Kulturszene sowie als Gastgeber zahlreicher Treffen. Ludwig Hevesi schilderte einen Besuch in der Villa am 25. November 1905:

»Über einem großen Bilde sind zwei Flügeltüren hermetisch geschlossen, um jedes profane Auge abzuhalten. Das Bild ist die berühmte, sagen wir berüchtigte ›Hoffnung‹ von Klimt. Nämlich jenes junge Weib in hochinteressanten Umständen, das [!] der Künstler hüllenlos zu malen wagte. Eines seiner Meisterwerke.«

Waerndorfer reiste 1906 mit Klimt, Hoffmann und Carl Otto Czeschka nach London, um anlässlich der Präsentation des österreichischen Kunstgewerbes die »Imperial-Royal Austrian Exhibition« in Earls Court zu besuchen. Die Rückreise führte über Brüssel, wo sie den Bauplatz des Palais Stoclet besichtigten, einem der umfassendsten Projekte der Wiener Werkstätte im Sinne eines Gesamtkunstwerks.

Im 1907 gegründeten Etablissement Kabarett Fledermaus übernahmen Hoffmann und die Wiener Werkstätte die künstlerische Gestaltung. Der ambitionierte Mäzen Waerndorfer bemühte sich um das avantgardistische Programm mit Aufführungen von Egon Friedell, Peter Altenberg und Alfred Polgar, modernen Tanzchoreografien der Wiesenthal-Schwestern sowie Schattenspielen von Oskar Kokoschka. Letzteren beschäftigte Waerndorfer auch als Kunstlehrer seiner Kinder und ermutigte ihn, sein Kinderbuch Die träumenden Knaben (1908) zu gestalten.

Um einen fälligen Bankkredit der Wiener Werkstätte aus seinem Privatvermögen zu bezahlen, veräußerte er 1909 seine Familienanteile an der Baumwollspinnerei. 1911 verkaufte er das Cabaret Fledermaus. Da die Schulden der Wiener Werkstätte weiter angestiegen, wurde 1913 die Produktion eingestellt und Konkurs angemeldet.

Ein Jahr später verließ Waerndorfer schließlich auf Drängen seiner Familie und Hoffmann das Unternehmen und übersiedelte in die USA. Hier nannte er sich Frederick bzw. Fred Warndof, betätigte sich als Farmer in Florida und beantragte 1919 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Zudem lebte er in Savannah (Georgia), wo ihm sein Onkel Isidor Mautner eine Stelle als Koordinator für Baumwolllieferungen verschaffte. Mitte der 1920erJahre zog er nach New York und pflegte Kontakte mit Friedrich Kiesler sowie Vally Wieselthier. Mit dem Künstlernamen Warndof arbeitete er als Textilentwerfer und Maler. Seine Ehe mit Lili wurde 1930 geschieden, 1931 heiratete er die junge, englisch-stämmige Pianistin und Komponistin Fiona McCleary, die er bereits 1928 kennengelernt hatte. Am 9. August 1939 starb Fritz Waerndorfer im Bundesstaat Pennsylvania in Bryn Mawr.

Literatur und Quellen

  • MAK Blog. blog.mak.at/der-waerndorfer-fries-im-mak/ (31.03.2020).
  • Österreichisches Biographisches Lexikon. Fritz Waerndorfer. biographien.ac.at/oebl/oebl_W/Waerndorfer_Fritz_1868_1939.xml (25.08.2020).
  • Peter Vergo: Fritz Waerndorfer as Collector, in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur, 26. Jg., Heft 177 (1981), S. 33-38.
  • Elana Shapira: Modernism and Jewish Identity in Early Twentieth-Century Vienna: Fritz Waerndorfer and His House for an Art Lover, in: Studies in the Decorative Arts, Band 13 (2006), S. 52-92.
  • Heinz Spielmann, Hella Häussler, Rüdiger Joppien: Carl Otto Czeschka. Ein Wiener Künstler in Hamburg. Mit unveröffentlichten Briefen, Göttingen 2019, S. 446-448.
  • Peter Noever (Hg.): Ein moderner Nachmittag. Margaret MacDonald Mackintosh und der Salon Waerndorfer in Wien, Wien 2000.
  • Peter Vergo: Fritz Waerndorfer and Josef Hoffmann, in: The Burlington Magazine, 125. Jg., Heft 964 (1983), S. 402-410.
  • Siegfried Geyer: Der Leidensweg der Wiener Werkstätte, in: Die Bühne. Wochenschrift für Theater, Film, Mode, Kunst, Gesellschaft, Sport, 3. Jg., Heft 81 (1926), S. 6-9.
  • Ludwig Hevesi: Ein moderner Nachmittag, in: Flagranti und andere Heiterkeiten, Stuttgart 1909, S. 166-167.
  • Ludwig Hevesi: Haus Wärndorfer, in: Altkunst – Neukunst, Wien 1909, S. 221–227.
  • Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Kammer am Attersee an Maria Zimmermann in Villach (08/28/1903). S64/24.
  • Brief von Fritz Waerndorfer in Wien an die Vereinigung bildender Künstler Österreichs (04/03/1901). 43.4.6.10787, Secession Wien (Archiv).
  • N. N.: Charles Rennie Mackintosh Glasgow, in: Innendekoration, 13. Jg. (1902), S. 133-136.
  • Heidi Brunnbauer: Im Cottage von Währing/Döbling .... Interessante Häuser - interessante Menschen, Band 2, Gösing 2006, S. 126-132.