Familie Gallia

Gustav Klimt: Porträt Hermine Gallia, 1903/04, The National Gallery
© The National Gallery, London

Einblick in die Wohnung von Hermine und Moriz Gallia, um 1915
© Klimt-Foundation, Wien

Moriz und Hermine Gallia waren um die Jahrhundertwende bedeutende Förderer der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte. Ihre Privatsammlung – darunter befand sich Mobiliar von Josef Hoffmann und zwei Klimt-Gemälde – war eine der wenigen, die während der Zeit des Nationalsozialismus größtenteils ins Ausland gerettet werden konnte.

Die vermögenden Eheleute Moriz und Hermine Gallia stammten ursprünglich aus Mähren und Schlesien (heute: Tschechien). In Wien, wo Moriz Gallia unter anderem für den Chemiker und Unternehmer Carl Auer von Welsbach arbeitete, gelang der Familie der soziale und gesellschaftliche Aufstieg. Um die Jahrhundertwende trat das Ehepaar vermehrt als Mäzene in Erscheinung, wobei ihr Förder- und Sammelinteresse vor allem den Secessionisten, wie Gustav Klimt, Ferdinand Andri und Carl Moll, sowie später den Künstlern der Wiener Werkstätte galt.

Wohllebengasse
Die Familie lebte zunächst für mehrere Jahre in der Schleifmühlgasse im 4. Wiener Gemeindebezirk. Mitte der 1910er Jahre übersiedelte das Ehepaar schließlich mit seinen vier Kindern, die zwischen 1895 und 1899 geboren worden waren, einige Straßen weiter in ein von ihnen eigens beauftragtes Wohnhaus in der Wohllebengasse 4. Die Realität hatten sie bereits 1912 offiziell erworben. Die Einrichtung mehrerer Räume ihrer über 700 Quadratmeter großen, neuen Wohnung übernahmen Architekt Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte. Mehrere Fotografien, die unter anderem 1915/16 in einer Ausgabe der Deutsche Kunst und Dekoration veröffentlicht wurden, zeigen uns heute wie Hoffmann gekonnt die zwei von der Familie Gallia erworbenen Gemälde Klimts in jenen Wohnräumen prominent inszenierte: Buchenwald II (Buche) (1903, Verbleib unbekannt) im großen Salon, in unmittelbarer Nähe des Klaviers und das großformatige Porträt Hermine Gallia (1903/04, National Gallery, London) im Frauensalon. Letzteres wurde 1903 zum ersten Mal – in unvollendetem Zustand – in der »XVIII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession«, der Klimt-Kollektive, präsentiert.

Emigration der Kinder 
Moriz Gallia verstarb im Sommer 1918. Seine Ehefrau und Haupterbin übernahm daraufhin laut einem Bericht der Wiener Zeitung im September 1918 zwischenzeitlich seine Firmengeschäfte. Bei ihrem Ableben im Jahr 1936 ging die Kunstsammlung des Ehepaars schließlich an die verbliebenen drei Kinder. Diese emigrierten während der Zeit des Nationalsozialismus nach Australien. Zahlreiche Gegenstände aus der elterlichen Kunstsammlung, die unter anderem auch Werke von Michael Powolny und Emil Orlik umfasste, konnten sie ins Exil retten; ebenso das Klimt-Gemälde ihrer Mutter. Dieses verkaufte die Familie im Jahr 1971 über das Auktionshaus Christie’s. Heute befindet sich das Porträt in der National Gallery in London.

Literatur und Quellen

  • Marion Krammer, Niko Wahl: Klimt Lost, Wien 2018, S. 124-141.
  • Tim Bonyhady: Wohllebengasse. Die Geschichte meiner Wiener Familie, Wien 2013.
  • Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938, Band 1, Wien 2011, S. 835-837.
  • Rohrpost-Kartenbrief von Gustav Klimt in Wien an Moriz Gallia in Wien (12/06/1910). EXHI013119.
  • Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Wien an Emilie Flöge (undated). Autogr. 959/55-1, Österreichische Nationalbibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
  • Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 5, Wien 1997, S. 671.
  • Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 57. Jg., Band 2 (1915), S. 340.
  • Adolph Lehmann's allgemeiner Wohnungs-Anzeiger. Nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k. k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 56. Jg., Band 2 (1914), S. 341.
  • Tobias G. Natter (Hg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde, Wien 2012, S. 531-532.
  • Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hg.): Klimt und die Frauen, Ausst.-Kat., Oberes Belvedere (Wien), 20.09.2000–07.01.2001, Köln 2000, S. 104-107.
  • Wiener Zeitung, 27.09.1918, S. 644.
  • Deutsche Kunst und Dekoration, Band 37 (1915/16), S. 400, S. 407.
  • Wiener Zeitung, 21.08.1918, S. 2.
  • Neue Freie Presse, 07.02.1936, S. 16.
  • Neues Wiener Tagblatt, 12.03.1912, S. 6.