Spanien

Gustav Klimt: Kopie nach dem Bildnis der Infantin Maria Theresia von Velázquez, um 1883, Leopold Museum
© Leopold Museum, Wien

Gustav Klimt: Porträt Fritza Riedler, 1906, Österreichische Galerie Belvedere
© Belvedere, Wien

Gartentheater der Kunstschau Wien 1908, Szene aus »Der Geburtstag der Infantin«, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 23 (1908/09).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Madrid an Emilie Flöge in Wien, 27.10.1909, Leopold Privatsammlung
© Leopold Museum, Wien

Gustav Klimt: Ansichtskarte von Gustav Klimt in Toledo an Emilie Flöge in Wien, 28.10.1909, Leopold Privatsammlung
© Leopold Museum, Wien

Im Herbst 1909 begab sich Gustav Klimt gemeinsam mit Carl Moll nach Paris. Verbunden wurde dieser Aufenthalt mit einer mehrtägigen Studienreise nach Spanien. Neben Diego Velázquez, den Klimt bereits in Wien studieren konnte, war die dortige Auseinandersetzung mit der Kunst El Grecos für den Jugendstilmeister besonders einprägsam.

Klimt und die spanische Malerei
Erste Berührungspunkte mit der Kunst Spaniens gab es bereits gegen Ende seiner Ausbildung an der k. k. Kunstgewerbeschule. Die zwei vermutlich um 1883 zu datierenden Blätter, Kopie nach dem Bildnis Infantin Maria Teresa (Leopold Museum, Wien, S 1989: 3270) und Kopie nach dem Bildnis Infant Baltasar Carlos (Archiv der Universität für angewandte Kunst, Wien, S 1989: 3272), die wahrscheinlich einem Skizzenbuch entstammten, belegen Klimts Studium jener Kunstwerke von Diego Velázquez, die sich ursprünglich im Besitz des österreichischen Kaiserhauses befanden und in das Kunsthistorische Museum integriert wurden. Zehn Jahre später erfolgte eine abermalige Beschäftigung mit Velázquez. Die hyperrealistische Darstellung der Schmuckstücke im Gemälde Frauenbildnis (um 1893/94, Privatbesitz) erinnert an die eindrückliche Materialsichtigkeit in den Werken des spanischen Meisters.

Zu Beginn des Jahres 1903 bot sich für Klimt in der Ausstellung »Die Entwicklung des Impressionismus in Malerei und Plastik« in der Wiener Secession die Gelegenheit, Werke der spanischen Künstler El Greco, Diego Velázquez und Francisco de Goya zu studieren. 1906 kam der Jugendstilmeister erneut mit der Kunst von Velázquez während seines England-Aufenthaltes in der National Gallery in London in Berührung. Der Maler des spanischen Siglo de Oro dürfte auf Klimt eine gewisse Faszination ausgeübt haben, so postulierte er einer Überlieferung Erich Lederers nach: »Es gibt nur zwei Maler: Velázquez und mich!« In jenem Jahr entstand auch das Gemälde Porträt Fritza Riedler (1906, Österreichische Galerie Belvedere, Wien), das abermals das Bildnis der spanischen Infantin Maria Teresa als Inspirationsquelle sichtbar macht.

Schließlich organisierte Carl Moll als Leiter der Galerie Miethke im Frühjahr 1908 eine Ausstellung über Francisco de Goya. Im Vorwort des Ausstellungskataloges prophezeite er die für ihn und Klimt bevorstehende Reise des Folgejahres:

»Wer über die moderne Malerei urteilen will, muß [!] die reichen Sammlungen von Paris kennen, muß [!] weiter wandern bis Spanien, um manche Wurzeln dieser modernen Malerei […] bloßzulegen […].«

Dass spanische Stilmerkmale auch auf der im gleichen Jahr veranstalteten »Kunstschau Wien« präsent waren, belegt das Stück Der Geburtstag der Infantin, das im Gartentheater zur Aufführung kam. Die Kostümierung und Darstellung selbst lassen in Anlehnung an ein Tableau vivant eindeutige Reminiszenzen an die Porträts der spanischen Königsfamilie von Velázquez erkennen. Einen Kontrast dazu bildet schließlich die Gewandung jener Tänzerin, die Klimt in der Kreidezeichnung Tänzerin im Flamenco-Kostüm, links unten: Wiederholung des Motivs. Studie zu Judith II (Salome) (1908, Leopold Museum, Wien, S 1982: 1694) visualisierte. Die Orientierung an der titelgebenden spanischen Tracht ist unverkennbar.

»Spanien ein sonderbares Land!«
Am 24. Oktober 1909 trat Gustav Klimt die 26stündige Fahrt von Paris nach Madrid an. Bis zum letzten Oktobertag verweilte er mit Carl Moll in der spanischen Hauptstadt und in Toledo. Klimt schilderte vor allem Emilie Flöge auf mehreren Ansichtskarten seine ambivalente Haltung zu Spanien und dessen Kunst. Er nahm es wahr als »ein sonderbares Land«, das einerseits »trostlos – verödet eintönig einfarbig« und andererseits »[…] interessant – hart – herb in seiner Schönheit!« sei.

Während seines Aufenthaltes in Madrid besichtigte er die nahe der Hauptstadt gelegene Palast- und Klosteranlage El Escorial sowie einige Privatsammlungen wie etwa die Kunstsammlung der Herzöge von Alba. Auch das Museo del Prado war Teil dieser obligatorischen Visiten. Das Museum per se faszinierte Klimt, die Werke von Velázquez lösten jedoch dieses Mal Ernüchterung aus. Auch Madrid selbst war »eine gewaltige Enttäuschung« und überzeugte ihn »weder baulich noch an Bevölkerung«. Die »schöne Spanierin« suchten Klimt und Moll vergebens und sogar das spanische Nachtleben war für das Malergenie nicht herausragend. In einer von Moll an Josef Hoffmann verfassten Ansichtskarte ergänzte Klimt schlicht: »Spanien und Moll für ›nächtliches‹ völlig ungeeignet. Gustav.« Erst der Besuch in Toledo stimmte Klimt Spanien gegenüber positiv.

Der Mäzen, Kunstsammler und Gründer des Museo del Greco, Don Benigno de la Vega-Inclán y Flaquer, begleitete die österreichischen Reisenden durch diese mittelalterlich geprägte Stadt. Er führte sie durch das als Wohnhaus El Grecos bezeichnete kleine Anwesen samt Garten und präsentierte ihnen seine umfangreiche El Greco Sammlung. »Toledo ist herrlich!« – »Auch Greco ist prachtvoll!« schrieb Klimt begeistert an seinen Lebensmenschen Emilie Flöge. Klimt sagte mit dieser Begeisterung für die Kunst des spanischen Meisters eine regelrechte El Greco Manie voraus, die ab dem Folgejahr im deutschsprachigen Raum ausbrach. Ausschlaggebend dafür war vor allem die Publikation Spanische Reise des Kunsthistorikers Julius Meier-Graefe, der in El Greco einen der bedeutendsten und wegweisendsten Künstler sah.

Anfang November begaben sich Klimt und Moll wieder auf die Rückreise nach Frankreich. Erleichtert teilte er zum Abschluss seines Spanien-Aufenthaltes Emilie mit: »7 Uhr Abends [!] Abschied von Spanien – bin froh!«

Literatur und Quellen

  • Ausstellungskatalog »Francisco José de Goya y Lucientes 1746 - 1828«. digitale-bibliothek.belvedere.at/viewer/image/1433945592734/1/ (08.04.2020), S. 5.
  • Ausstellungskatalog »Die Entwicklung des Impressionismus in Malerei und Plastik«. www.secession.nyarc.org/items/show/46 (06.04.2020).
  • Alice Strobl (Hg.): Gustav Klimt. Die Zeichnungen, Band IV, 1878–1918, Salzburg 1989, S. 30-32.
  • Franz Smola: Das Erlebnis Toledo, 1909, in: Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 241-245.
  • Christian M. Nebehay: Gustav Klimt. Sein Leben nach zeitgenössischen Berichten und Quellen, Wien 1969, S. 298.
  • Ansichtskarte von Carl Moll und Gustav Klimt in Toledo an Josef Hoffmann in Wien (presumably 10/23/1909).
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt auf der Fahrt von Paris nach Madrid an Emilie Flöge in Wien, 6. Karte (Nachts) (10/24/1909). RL 2778, Leopold Privatsammlung.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Spanien an Emilie Flöge in Wien, 1. Karte (10/25/1909). RL 2779, Leopold Privatsammlung.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Toledo an Emilie Flöge in Wien, 2. Karte (10/28/1909). RL 2792, Leopold Privatsammlung.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Toledo an Emilie Flöge in Wien, 3. Karte (10/28/1909). RL 2793, Leopold Privatsammlung.
  • Ansichtskarte von Gustav Klimt in Madrid an Emilie Flöge in Wien, 1. Karte (10/30/1909). RL 2797, Leopold Privatsammlung.
  • Brief mit Kuvert von Gustav Klimt in Paris an Emilie Flöge in Wien (11/01/1909). RL 2805, Leopold Privatsammlung.
  • Christian M. Nebehay (Hg.): Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969, S. 507.
  • Wolfgang Georg Fischer: Liebe Emilie! Klimt schreibt an Emilie Flöge, in: Tobias G. Natter, Franz Smola, Peter Weinhäupl (Hg.): Klimt persönlich. Bilder – Briefe – Einblicke, Ausst.-Kat., Leopold Museum (Museums Quartier, Wien), 24.02.2012–27.08.2012, Wien 2012, S. 47-50.
  • Helena Pereña: »Greco-Manie« in Wien um 1910? Antworten von Oppenheimer, Kokoschka und Schiele, in: Johann Thomas Ambrózy, Carla Carmona Escalera, Sandra Tretter, Eva Werth (Hg.): Egon Schiele Jahrbuch, Band II/III, Wien 2012.