Teresa Feodorowna Ries

Teresa Feodorowna Ries fotografiert von G. Contarini um 1906, in: G. Ricordi & C. (Hg.): Ars et Labro. Musica & Musicisti Rivisita Mensile Illustrata, 62. Jg., Nummer 7 (1906).
© Ricordi & C. S.r.l. Milano

Als Bildhauerin und Malerin konnte sich Ries als Frau in der männlich dominierten Kunstwelt um 1900 einen Namen schaffen. Ihr künstlerisches Werk wurde sowohl in Kollegenkreisen als auch von der Öffentlichkeit hoch geschätzt. Als eine der ersten Bildhauerinnen wurde sie mit einem staatlichen Auftrag betraut.

Teresa Feodorowna Ries wurde am 30. Jänner 1866 in Prag geboren und wuchs als Kind einer wohlhabenden, jüdischen Familie in Moskau auf. Ihr Vater war Gutmann Ries; ihre Mutter Bertha, geb. Stern.

Ausbildung zur Bildhauerin
Schon früh entdeckte Ries ihr Interesse für die bildende Kunst. Nach dem Besuch eines Mädchenpensionats ging sie mit 16 Jahren an die Moskauer Akademie, wo sie Plastik und Malerei studierte. Im Gegensatz zu anderen Akademien in Europa waren Frauen in Moskau zum Kunststudium zugelassen. Schon damals wurden ihre Arbeiten mit Preisen honoriert; sie musste die Akademie jedoch aus disziplinären Gründen verlassen.  

1894 emigrierte die Familie Ries nach Wien, wo Teresa ihre Ausbildung zur Bildhauerin weiterverfolgte. Als Frau war ihr der Zugang zur Akademie der bildenden Künste in Wien verwehrt. Besonders die Bildhauerei galt als unschickliche Beschäftigung für Frauen. Mit Hilfe ihrer Statue Somnambule (1894, Wien Museum) konnte Ries den Akademie Professor Edmund Hellmer sowie den Ringstraßenplastiker Rudolf Wey davon überzeugen ihr Privatunterricht zu geben. Diese erkannten das Talent der jungen Frau, förderten und führten sie in die österreichische Kunstszene ein.

Debut im Künstlerhaus
1896 bekam Ries die Möglichkeit erstmals ein Werk im Rahmen einer Ausstellung zu präsentieren. Mit ihrer Skulptur Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht (Wien Museum, Wien) wurde die junge Künstlerin schlagartig berühmt. Der Kunstkritiker Xaver von Gayrsperg rezensierte:

»[...] so reizt die interessante Russin [...] durch die raffinierte Absonderlichkeit des Vorwurfes. Eine Hexe von verblüffender Toilettlosigkeit und befremdender Häßlichkeit beschneidet die Nägel ihrer Zehen. Das Marmorblid zieht an und stoßt ab; wahrhaftig ein rechtes Kind modernen Wollen [!].«

Auch Kaiser Franz Joseph I. fand Gefallen an der Skulptur der jungen Künstlerin. Ries wurde daher dem Kaiser im Zuge der Ausstellungseröffnung persönlich vorgestellt.

1897 erhielt sie auf der »Jahresausstellung des Künstlerhauses« die Karl Ludwig-Medaille für ihre Plastik Luzifer (1897, im Zweiten Weltkrieg zerstört); die einzige Skulptur mit männlichem Sujet, die in diesem Jahr dort zu sehen war.

Galerie

Erste künstlerische Erfolge

  • Teresa Feodorowna Ries: Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht, 1895, in: Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 13. Jg. (1897/98).
    © Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Teresa Feodorowna Ries: Luzifer, um 1897, in: Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 13. Jg. (1897/98).
    © Universitätsbibliothek Heidelberg

Teresa Feodorowna Ries an der Büste für Mark Twain arbeitend, um 1898 , in: Studio. International art, Nummer 17 (1899).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Teresa Feodorowna Ries: Die Unbesiegbaren, 1900, in: Die Kunst für Alle. Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 19. Jg. (1903/04).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Teresa Feodorowna Ries: Büste Edmund Hellmer, 1899, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 5 (1899).
© Universitätsbibliothek Heidelberg

Ries und die Secession
Diese ersten Erfolge führten zu einem immer weiter wachsenden Interesse an der Künstlerin in lokalen Kunstkreisen. Auch die Secessionisten rund um Gustav Klimt erkannten das Potential der jungen, modernen Bildhauerin. Daher wurde sie 1899 eingeladen ihre Werke auf der »IV. Secessionsausstellung« zu zeigen. Ihre Plastiken standen dort in direktem Vergleich zu internationalen Bildhauergrößen wie Auguste Rodin, Joseph Maria Olbrich, Otto Wagner und Franz Stuck. Sie präsentierte insgesamt sechs Werke – vorwiegend Porträtbüsten – darunter auch ein Abbild ihres Lehrers und Gründungsmitgliedes der Secession Edmund Hellmer. Die Kritik fand lobende Worte ob der naturalistischen Wiedergabe der Dargestellten:

»[...] die brillant gemachten Porträtbüsten der zu immer größerem Ansehen emporwachsenden Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries [welche] durch packende Lebendigkeit die Aufmerksamkeit fesseln.«

Immer mehr bekannte Persönlichkeiten ließen sich von Ries porträtieren. Eine ihrer berühmtesten Büsten ist die des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain (1898, Verbleib unbekannt).

An ihren ersten Ausstellungserfolg in der Secession konnte Ries im darauffolgenden Jahr anknüpfen. Auf der »VII. Secessionsausstellung« wurde ihre Monumentalstatue Die Unbesiegbaren (1900, Kongresspark, Wien Ottakring) gezeigt. Da die Skulptur nicht rechtzeitig zu Eröffnungsbeginn fertiggestellt werden konnte, wurde sie später nachgereicht. Die Unbesiegbaren nahm den Platz von Gustav Klimts Fakultätsbild Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) ein, welches frühzeitig abgenommen werden musste, um die Reise zur Weltausstellung Paris (1900) anzutreten. Klimts Werk hatte einen enormen Skandal ausgelöst und gehörte somit zu den bedeutendsten und meist besprochenen Posten der Ausstellung. Die Tatsache, dass man Ries Plastik als geeignet sah, den Platz dieses zentralen Gemäldes in der Ausstellung einzunehmen, zeigt die enorme Wertschätzung für das Werk der Künstlerin seitens der Secession. Auch das Wiener Publikum begegnete der Skulptur mit Interesse. In den Ausstellungskritiken wurde sie ausführlichst besprochen und ihr wurden sogar eigene Artikel gewidmet.

Nationale und internationale Erfolge
Vermutlich war es diesem Erfolg geschuldet, dass die Skulptur im Juli nach Ende der Ausstellung doch noch auf die Weltausstellung geschickt wurde. Die Französische Zeitung La Fronde berichtet, dass im Grand Palais unerwartet, nicht regelkonform und nicht im Katalog verzeichnet eine neue Gruppe »Les Invincibles« aufgestellt worden war. Außerdem war Ries in der Österreichischen Abteilung mit ihrer Hellmer Porträtbüste zu sehen. Die ungewöhnliche Nachreichung sei jedoch ob der künstlerischen Besonderheit durchaus gerechtfertigt. Ries wurde in Frankreich auf der Weltausstellung mit einer Bronze Medaille und 1902 mit dem Ehrentitel Officier d'académie francais ausgezeichnet. 

Durch ihren Erfolg auf internationaler Ebene boten sich für die Künstlerin auch in Wien vermehrt neue Möglichkeiten. Einerseits gründete sie 1901 gemeinsam mit sieben weiteren Künstlerinnen wie Marie Egner und Olga Wisinger-Florian die Vereinigung Acht Künstlerinnen, mit der sie regelmäßig von 1901 bis 1909 im Kunstsalon Pisko Ausstellungen veranstaltete. 

Außerdem brachte der Erfolg Ries als einer der ersten Frauen einen Staatsauftrag ein. 1901 beauftragte sie der Unterrichtsminister Wilhelm von Hartel mit der Anfertigung einer Skulptur der Heiligen Barbara an der Marine Kirche in Pula. Zudem erhielt sie den Auftrag für ein Monument, Grabdenkmal für einen Jüngling (1902), das zur Aufstellung am Zentralfriedhof bestimmt war. Dieses wurde nach seiner Vollendung 1903 in der Secession ausgestellt.

Neben klassischen Ausstellungsbeteiligungen in der Secession und im Salon Pisko veranstaltete Ries auch vermehrt Besichtigungen und Feste in ihrem eigenen Atelier. Dieses befand sich zunächst in der Salmgasse 8. 1906 bekam sie von ihrem Mäzen, dem Fürsten von Liechtenstein, ein neues Atelier im Park seines Palais in der Liechtensteinstraße 48 zur Verfügung gestellt. Dort setzte Ries die Tradition der Atelierausstellungen fort und veranstaltete noch im selben Jahr eine Retrospektive ihrer Arbeit anlässlich ihrer zehnjährigen Tätigkeit in Wien.

1911 nahm sie ein zweites Mal sehr erfolgreich an einer Weltausstellung, diesmal in Turin, teil. Es hatten sie sowohl die Delegationen ihrer Heimat Russland als auch ihrer Wahlheimat Österreich-Ungarn eingeladen.

Weltkriege und Exil
Während des ersten Weltkrieges flaute Ries künstlerische Tätigkeit stark ab. Einerseits hatte sie privat mit dem Ende einer kurzen Ehe zu kämpfen, andererseits fehlte es nach Kriegsende an adeligen Auftraggebern. Ries glich dies durch vermehrte Ausstellungen und Feste in ihrem Atelier aus. 1913 veranstaltete sie Beispielsweise eine Kollektivausstellung ihrer Werke. 1921 bemühte sie sich darum alle ihre Werke dem jüdischen Nationalmuseum in Palästina zu schenken, scheiterte jedoch an den Kosten für die Ausfuhr der Arbeiten.

Als 1928 ihre Plastik Die Unbesiegbaren von der Stadt Wien angekauft und im Wiener Kongresspark aufgestellt wurde, veranstaltete Ries ein eigenes G'schnasfest in ihren Atelierräumlichkeiten. Noch im selben Jahr verfasste Ries außerdem ihre Autobiografie mit dem Titel Die Sprache des Steines.

Nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde das Atelier der jüdischen Teresa Ries, samt aller darin befindlicher Kunstwerke beschlagnahmt. Ein Großteil ihrer Werke wurde als »entartete« Kunst zerstört und Ries das Berufsverbot erteilt. 1941 floh sie in die Schweiz. Dort nahm sie den Namen ihres ersten Ehemanns Loevitowa an. Nach Kriegsende bemühte sich die Künstlerin aktiv um den Rückerhalt ihrer Werke. Die in der Zeit des Austrofaschismus demontierte Skulptur Die Unbesiegbaren wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an ihrem Ursprungsort aufgestellt.

Teresa Feodorowna Ries verstarb am 16. Juli 1956 im Exil in Lugano. Obwohl sie um 1900 zu den erfolgreichsten Künstlerinnen in Wien zählte, geriet ihr Werk nach dem Zweiten Weltkrieg beinahe vollkommen in Vergessenheit.

Ries hatte sich als Frau in einer Männer dominierten Berufswelt erfolgreich behauptet. Als eine der wenigen künstlerisch tätigen Frauen konnte sie sich mit ihren Arbeiten ihren Lebensunterhalt, unabhängig von ihrem Ehemann verdienen. In einer Gesellschaft, die der Frau jegliches künstlerische Genie absprach, überzeugte sie durch zahlreiche Auszeichnungen vom Gegenteil. Gerade im Bereich der Bildhauerei, von der man annahm das Frauen ob ihres angeblich fehlenden plastischen Denkens dafür nicht geeignet wären, konnte sich Ries durchsetzen und erlangte internationale Bekanntheit. 

Literatur und Quellen

  • Artblog. www.theartblog.org/2012/06/the-forgotten-women-artists-of-vienna-1900/ (23.04.2020).
  • Artblog. www.theartblog.org/2012/06/the-forgotten-women-artists-of-vienna-1900/ (23.04.2020).
  • Art in Words. artinwords.de/kuenstlerinnen-in-wien-von-1900-bis-1938-stadt-der-frauen/ (23.04.2020).
  • Jüdisches Museum Wien. www.jmw.at/de/blog/eine-hexe (23.04.2020).
  • ÖNB. Frauen in Bewegung. fraueninbewegung.onb.ac.at/node/1085 (23.04.2020).
  • Wien Geschichte Wiki. Teresa Feodorowna-Ries. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Teresa_Feodorowna_Ries (23.04.2020).
  • Stella Rollig, Sabine Fellner (Hg.): Stadt der Frauen / City of Women. Künstlerinnen in Wien 1900–1938 / Female Artists in Vienna 1900–1938, Ausst.-Kat., Unteres Belvedere (Wien), 25.01.2019–19.05.2019, München - New York - Wien 2019.
  • Anthony Beaumont (Hg.): Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten. 1898–1902, Frankfurt am Main 1997.
  • Anka Leśniak: Teresa Feodorowna Ries and The Witch. journal.doc.art.pl/pdf21/art_and_documentation_21_teresa_ries_studies_lesniak.pdf (14.09.2021).
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  • Stefan Zweig: Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens. Gesammelte Essays, Frank­furt am Main 1984, S. 18.
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  • Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession (Hg.): Katalog der VII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession, Ausst.-Kat., Secession (Wien), 09.03.1900–06.06.1900, 2. Auflage, Wien 1900.
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  • N. N.: Bei Theresa Feodorowna Ries, in: Neue Freie Presse, 03.03.1902, S. 5.
  • Wiener Allgemeine Zeitung, 08.04.1913, S. 4.
  • N. N.: Zusammenfassende Darstellung betreffend die Widmung von Kunstobjekten aus dem Atelier der Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries an die Städtischen Sammlungen, in: Restitutionsbericht 2019. 20. Bericht der Amtsführenden Stadträtin für Kultur und Wissenschaft von Wien über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 in der Fassung vom 29. April 2011 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien, der Wienbibliothek im Rathaus sowie dem Jüdischen Museum der Stadt Wien, Wien 2019, S. 111-142.
  • Neues Wiener Tagblatt (Tagesausgabe), 22.03.1896, S. 5.