Otto Wagner

Otto Wagner, 1915, Wien Museum
© Wien Museum

Villa Wagner in Hütteldorf geplant von Otto Wagner, 1899, Wien Museum
© Wien Museum

Das Schweigen, 1898-1945, Wien Museum
© Wien Museum

Gustav Klimt: Widmung Gustav Klimts auf der Menükarte eines Diners anlässlich des 70. Geburtstages von Otto Wagner, mitunterschrieben von Josef Tautenhayn, Emil Orlik, Fritz Waerndorfer, Emil Hoppe u.a., 13.07.1911, Verbleib unbekannt
© Dorotheum Wie, Auktionskatalog 20.06.2007

Otto Wagner war einer der wichtigsten Architekten und Stadtplaner um 1900. Seine Bauten prägen das Aussehen von Wien bis heute. Als Mitglied der Wiener Secession revolutionierte er das Verständnis von Architektur grundlegend. Mit seiner Forderung nach einer funktionalen Bauweise legte er den Grundstein für moderne Gestaltungsprinzipien.

Otto Koloman Wagner wurde am 13. Juli 1841 in eine wohlhabende Wiener Familie hineingeboren. 1857 besuchte er das Polytechnische Institut in Wien. Zwei Jahre später ging er auf Anraten Theophil Hansens nach Berlin und besuchte dort die königliche Bauakademie. 1861 kam Wagner nach Wien zurück und wurde Student an der Akademie der Bildenden Künste Wien, wo August von Sicardsburg und Eduard van der Nüll seine Lehrer waren. Seine ersten Aufträge als Bauführer übernahm er 1864 unter Ludwig Förster und Theophil Hansen. 1867 heiratete Wagner Josefine Domhart, die Tochter eines Wiener Juweliers von der er sich scheiden ließ, um seine zweite Frau heiraten zu können. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor: Susanna und Margarete, die noch im Kindesalter verstarb. Außerdem hatte Wagner zwei uneheliche Söhne: Otto Emmerich und Robert Koloman. 1884 heiratete er die ehemalige Gouvernante seiner Tochter Susanna, Louise Stiffel, mit der er drei weitere Kinder bekam: Stefan, Aloisia »Louise« und Christine.

Der Durchbruch und die Suche nach dem Stil seiner Zeit
Die ersten Bauten Wagners waren noch ganz dem historistischen Stil verschrieben. Erst mit der Errichtung der Länderbank (1882–1884, Wien) und dem Bau der Wagner Villa I (1886–1888, Wien) wurden erste Abweichungen vom akademischen Kanon sichtbar. Auf der Suche nach einem Stil seiner Zeit – ein durch Gottfried Semper angeregtes Konzept – entwickelte Otto Wagner einen Stil, den er »freie Renaissance« nannte. Dieses System bediente sich zwar immer noch historischer Formen, setzte diese aber frei und auf neue Weise zusammen.

Der Durchbruch kam für Wagner 1892/93. In diesen beiden Jahren gewann er einerseits den 1. Preis für seinen Entwurf zu Grenzregulierung des Donaukanals (der aber nie ausgeführt wurde). Andererseits erhielt er den Zuspruch für die Umsetzung seines Projekts für das Wiener Stadtbahnnetz. Von da an stellte er eine Schlüsselfigur in Sachen Wiener Städtebau dar.

Ab 1894 unterrichtete er an der Akademie der bildenden Künste Wien. Unter seinen Schülern befanden sich viele spätere Mitglieder der Wiener Secession und Freunde Gustav Klimts wie Joseph Maria Olbrich, Josef Hoffmann und Koloman Moser. Ende der 1890er Jahre entfernte sich Wagner endgültig von seinen akademischen Wurzeln. In seinem Manifest Moderne Architektur von 1896 erläuterte er seine Auffassung von Ästhetik und Zweckmäßigkeit und kam zu dem Schluss:

»Etwas unpraktisches [!] kann nicht schön sein.«

Otto Wagner und die Wiener Secession
1899 trat Otto Wagner aus dem Künstlerhaus aus und wurde Mitglied der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession, der er bis 1905 angehörte. Das Motto der Vereinigung: »Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit« entsprach Wagners Verständnis von einem stets voranschreitenden, modernen Kunstschaffen. Auf die Frage, was von Klimts innovativem Fakultätsbild Die Philosophie (1900–1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt) zu halten sei, soll Wagner beispielsweise geantwortet haben:

»Alles! Das Größte! – Hiazt [jetzt] kann der Michelangelo zuaspirrn [zusperren].«

Im Zuge von regelmäßigen Treffen im Café Museum tauschte sich der Architekt mit Künstlern und Intellektuellen seiner Zeit über die neuesten Ideen und philosophischen Konzepte aus.

Die Mitglieder der Secession schätzten die moderne Architektur Wagners und unterstützten dessen bauliche Unterfangen. Wagner arbeitete an etlichen Bauten mit seinen ehemaligen Schülern und Secessionskollegen Olbrich, Hoffmann und Moser zusammen. Das Secessionsgebäude das 1898 von Joseph Maria Olbrich geplant worden war, orientierte sich dabei eindeutig an Wagners Hofpavillon der Stadtbahn (1898, Wien), bei dessen Errichtung Olbrich als Mitarbeiter beteiligt gewesen war.

Gustav Klimt und Otto Wagner verband ein freundschaftliches Verhältnis. Wagner besaß sogar ein Gemälde des Künstlers. Die Korrespondenz zu seinem Nachlass im Wien Museum zeigt, dass sich Klimts Gemälde Das Schweigen (um 1898, Verbleib unbekannt) bis mindestens 1945 im Besitz von Wagners Tochter Christine befand, die es von ihrem Vater geerbt hatte. Dieser könnte es womöglich 1898 auf der »II. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs« angekauft haben. Eine Fotografie soll das leider nur sehr dunkel abgelichtete und daher nicht näher erkennbare Gemälde im Wohnzimmer von Christine Wagners 1945 beschlagnahmter Wohnung zeigen. Seitdem gilt Das Schweigen als verschollen.

1905 trat Wagner zusammen mit der sogenannten Klimt-Gruppe aus der Secession aus. Wie sehr Wagner von den jungen Künstlern geschätzt wurde, zeigen die Feierlichkeiten anlässlich seines 70. Geburtstages 1911. Die Klimt-Gruppe überreichte Wagner als Geschenk ein von Alfred Lichtwark gezeichnetes und von Klimt mit Miniaturen bemaltes Diplom sowie eine Mappe mit erotischen Zeichnungen, darunter auch eine Zeichnung Klimts. Der Verbleib der Mappe ist leider unbekannt. In seinem Tagebuch schreibt Wagner im Dezember 1917:

»Heute Morgen, im Bette, kam ich [...] auf den Gedanken, das halb-erotische Künstleralbum, das ich zu meinem 70. Geburtstage erhielt, zu verkaufen.«

Ob er dies tatsächlich tat kann nicht weiter nachverfolgt werden. Auf der Menükarte des Diners hinterließ Klimt eine Widmung: »Nichts liebes [!]? Kann ich das?« und drückte damit, mit einem Augenzwinkern, seine Wertschätzung für den befreundeten Architekten aus.

Otto Wagner: Entwurf Kirche in St. Leopold am Steinhof, 1902/03, Wien Museum
© Wien Museum

Otto Wagner: Entwurf Ausstellungshalle des Bundes Österreichischer Künstler, Museumsprojekt am Karlsplatz, 1914–1916, Wien Museum
© Wien Museum

Das Spätwerk
Das Spätwerk Wagners war durch das ästhetische Prinzip der Zweckmäßigkeit geprägt, welches er durch den Verzicht auf Dekor sowie den Einsatz der Werkstoffe Glas, Eisen und Aluminium realisierte. Herausragende Beispiele Wagners Konzept einer modernen Architektur sind die Postsparkasse (1904–1906/1910–1912, Wien) und die Kirche am Steinhof (1902–1907, Wien). Aufgrund der verwendeten Materialien von Beton und Glas im Kirchenbau wurde Wagner heftig kritisiert. Die Kirche entstand in Zusammenarbeit mit Kolo Moser, der Entwürfe für die Glasfenster bereitstellte; Mosers Entwurf für das Altarbild wurde hingegen abgelehnt. 

1900–1908 entwarf Wagner zahlreiche moderne Entwürfe für die Neugestaltung des Karlsplatzes. Klimt schrieb 1909 an Emilie Flöge:

»Wagner baut höchstwahrscheinlich am Karlsplatz d.[as] Museum«.

Als Wagners Skizzen jedoch allesamt abgelehnt wurden, beriefen Klimt, Hoffmann, Deininger und andere am 4. Mai 1910 eine Künstlerversammlung im Festsaal des Niederösterreichischen Gewerbevereins ein. Der Zweck der Versammlung war laut Einladung:

»[…] unsere Vaterstadt vor dem Verluste eines ausgezeichneten geplanten Kunstwerkes zu bewahren [...]«

Trotz dieser Interventionen wurde Wagners Bauprojekt nie umgesetzt. Im Juni 1913 wählte der neu gegründete Bund Österreichischer Künstler unter Gustav Klimts Präsidentschaft Wagner zum Ehrenmitglied.

Otto Wagner verstarb am 11. April 1918, im selben Jahr wie Klimt, Moser und Schiele.

Literatur und Quellen

  • Rolf Toman (Hg.): Wien. Kunst und Architektur, Wien 2008, S. 280-297.
  • Andreas Nierhaus, Eva-Maria Orosz (Hg.): Otto Wagner, Ausst.-Kat., Wien Museum (Wien), 15.03.2018–07.10.2018, Wien 2018.
  • Andreas Nierhaus, Alfred Pfoser (Hg.): Meine angebetete Louise! Otto Wagner. Das Tagebuch des Architekten 1915-1918, Salzburg - Wien 2019, S. 215.
  • Ursula Storch: Die Klimt-Sammlung des Wien Museums. Fakten und Schlüsse, in: Ursula Storch (Hg.): Klimt. Die Sammlung des Wien Museums, Ausst.-Kat., Wien Museum (Wien), 16.05.2012–07.10.2012, Wien 2012, S. 15-16.
  • Joseph August Lux: Wanderung zu Gott, Paderborn 1926, S. 61.
  • Elana Shapira: Style & Seduction. Jewish Patrons, Architecture and Design in Fin de Siècle Vienna, Waltham 2016.
  • N. N.: Das Museumsprojekt auf dem Karlsplatze. Eine Künstlerversammlung, in: Neues Wiener Tagblatt, 05.01.1910, S. 6.
  • Max Fabiani: Wagner-Schule, in: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau- und Raumkunst, 1. Jg. (1895), S. 53-54, S. 53.
  • Wien Geschichte Wiki. Otto Wagner. www.geschichtewiki.wien.gv.at/Otto_Wagner (24.04.2019).
  • Architektenlexikon. Wien 1770–1945. Otto Wagner. architektenlexikon.at/de/670.htm (24.04.2019).
  • Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung (Abend-Ausgabe) (06.07.1911). www.univie.ac.at/bahr/sites/all/txt/berliner-tageblatt/1911_wagner.pdf (13.01.2022).
  • Reichspost, 14.07.1911, S. 7.
  • Widmung Gustav Klimts auf der Menükarte eines Diners anlässlich des 70. Geburtstages von Otto Wagner, mitunterschrieben von Josef Tautenhayn, Emil Orlik, Fritz Waerndorfer, Emil Hoppe u.a. (07/13/1911).
  • Wiener Zeitung, 14.07.1912, S. 2.
  • N. N.: Eine Künstlerversammlung, in: Arbeiter-Zeitung, 03.01.1910, S. 5.