Friedrich Viktor Spitzer

Friedrich Viktor Spitzer fotografiert von Heinrich Kühn, 1907
© Museum Folkwang Essen - ARTOTHEK

Friedrich Viktor Spitzer war eigentlich Chemiker und Industrieller, wandelte sich jedoch vom Amateur- zu einem der renommiertesten Kunst- und Porträtfotografen im Wien um 1900. Er wurde vor allem durch seine Porträtaufnahmen von Künstlern der Wiener Moderne wie Kolo Moser, Gustav Klimt und Gustav Mahler bekannt.

Friedrich Viktor Spitzer, der Sohn des Zuckerfabrikanten David Spitzer (1812–1895), wurde am 4. Februar 1854 in eine jüdische Familie im mährischen Butschowitz (heute: Bučovice, Tschechien) geboren. Er wuchs in Zürich auf, studierte ab 1869 in Zürich, Leipzig, Bonn und Göttingen Chemie und promovierte 1875. Danach arbeitete er in Wien als Assistent im Chemischen Universitätslaboratorium. 1899 trat er aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft aus. In den Jahren 1895–1898 und 1904/05 besuchte er Kurse an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt und konnte sich aufgrund seiner finanziellen Unabhängigkeit als Großgrundbesitzer und Zuckerindustrieller intensiv seinem Hobby als Amateurfotograf widmen.

Sein Atelier betrieb Spitzer zunächst in seiner Wohnung in der Schleifmühlgasse 4 und arbeitete hauptsächlich in der Technik des Gummidrucks, später auch mit experimentelleren Verfahren wie dem Bromöldruck. Spitzer etablierte sich zunehmend und war Mitglied in zahlreichen in- und ausländischen Fotografenvereinigungen. Bereits um 1892 wurde er im renommierten Londoner Linked Ring, 1897 im Wiener Camera-Club sowie 1904 als Ehrenmitglied im Wiener Photo-Club aufgenommen und nahm an Ausstellungen teil.

Spitzers anfangs traditionelle Bildsprache gewann ab der Jahrhundertwende zunehmend an Ausdrucksstärke und er entwickelte sich neben dem »Trifolium« – Hugo Henneberg, Heinrich Kühn und Hans Watzek – zu einem der bedeutendsten Kunstfotografen in Wien. Mit Henneberg teilte er nicht nur die Fotoästhetik, sondern auch die Nachbarschaft in der sogenannten Künstlerkolonie »Auf der Hohen Warte«. Beide zählten zu wichtigen Mäzenen der Secession und Förderern der modernen Kunstbewegung. Da Joseph Maria Olbrich seine Idee einer Künstlersiedlung in Wien aufgrund seiner Berufung nach Darmstadt nicht selbst verwirklichen konnte, stand er diesbezüglich weiter mit Carl Moll in Austausch. Moll trieb das Projekt auf der Hohen Warte mit den Bauherren – Henneberg, Kolo Moser, Carl von Reininghaus und Spitzer – sowie mit Josef Hoffman als ausführendem Architekten voran. Um 1901 ließ Spitzer seine Villa in der Steinfeldgasse 4 nach Hoffmanns Plänen erbauen, der dabei die von Olbrich gestaltete Einrichtung seiner Stadtwohnung integrierte. Im ersten Stock fand ein »Photographisches Atelier« Platz und am Dachboden richtete er zwei Gästezimmer ein. Direkt nebenan, in der Steinfeldgasse 6-8, teilten sich Moll und Moser ein Doppelhaus.

Bereits vor dem Bau der Künstlerkolonie gehörte der musikalische Spitzer, der auch selbst sang, zum engen Freundeskreis von Moll und verkehrte im Salon von Berta Zuckerkandl. Er fotografierte Persönlichkeiten der Wiener Gesellschaft wie Emil Zuckerkandl, Sonja Knips und Adele Bloch-Bauer. Seine Nachbarn und Künstlerfreunde Moser, Moll, Hoffmann sowie Gustav Mahler und die Literaten Arthur Schnitzler, Hermann Bahr und Felix Salten porträtierte er ebenfalls.

Spitzer pflegte nicht nur persönlichen Kontakt zu den Secessionisten, sondern präsentierte auch Gummidrucke in der »XIII. Secessionsausstellung« 1902, die neben jenen von Henneberg, Kühn und Watzek gezeigt wurden. Als sich Ferdinand Hodler 1904 anlässlich seiner Beteiligung an der »XIX. Secessionsausstellung« in Wien aufhielt, logierte er bei Spitzer und ließ sich porträtieren. Bereits um 1899 fotografierte er Gustav Klimt in traditioneller Porträtfotomanier. 1905 entstand eine zum Piktorialismus tendierende Fotoserie in der Technik des Bromöldrucks, die Klimt im Malerkittel zeigte. Spitzer fotografierte Klimt 1907 ein weiteres Mal im Malerkittel, diesmal auf einem Fauteuil sitzend. Das Foto wurde gemeinsam mit Porträts von Bahr, Knips und Adele Bloch-Bauer in der Photographischen Rundschau 1908 publiziert.

Neben der Photographischen Rundschau wurden viele von Friedrich Viktor Spitzers modernen Aufnahmen auch in Zeitschriften wie den Wiener Photographischen Blättern und der Photographischen Korrespondenz veröffentlicht. Er stellte mehrfach in der renommierten Galerie Miethke, in der Secession und im Hagenbund in Wien sowie im Kunstsalon C. Schulte in Berlin und in zahlreichen weiteren Ausstellungen aus. Die Kritik fiel meist positiv aus. Hugo Erfurth verglich Spitzers Werk in einem Vortrag 1913 mit jenem Heinrich Kühns und betonte besonders die »[…] lebendige[n] Verteilung heller und dunkler Flächen mit geistreich motivierter Herausarbeitung alles Wesentlichen durch den Kontrast, einer intelligenten Behandlung des Persönlichen, einer Bemeisterung der Eigensinnigkeiten des technischen Verfahrens.«.

Friedrich Viktor Spitzer blieb ledig und starb am 18. Februar 1922. Er wurde im Familiengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Literatur und Quellen

  • Wiener Camera-Club (Hg.): Wiener Photographische Blätter, 4. Jg., Nummer 3 (1897), S. 88.
  • Wiener Camera-Club (Hg.): Internationale Ausstellung ausgewählter künstlerischer Photographien, Ausst.-Kat., Galerie H. O. Miethke (Palais Nákó, Wien), 15.02.1905–15.03.1905, Wien 1905, Nr. 160-165.
  • Franz Schiffner: Zwanzig Jahre Camera-Klub, in: Wiener Camera-Club (Hg.): Jahrbuch des Camera-Clubs in Wien 1907, Wien 1907, S. 3-15, S. 12-13.
  • Hugo Erfurth: Die Entwicklung der Bildnisphotographie. Gekürzt; nach einem mit 110 Lichtbildern illustrierten Vortrage, gehalten in der Plenarversammlung der k. k. Photographischen Gesellschaft in Wien am 11. März 1913, in: Photographische Correspondenz, 50. Jg., Nummer 631 (1913), S. 189.
  • N. N.: Mitgliederverzeichnis. Geschlossen am 15. Juni 1914, in: Wiener Camera-Club (Hg.): Jahrbuch des Camera-Clubs in Wien, Wien 1914, S. 9-18.
  • Österreichisches Biographisches Lexikon. Friedrich Viktor Spitzer. www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Spitzer_Friedrich-Viktor_1854_1922.xml (11.09.2020).
  • Agnes Husslein-Arco, Alfred Weidinger (Hg.): Klimt & Emilie Flöge. Fotografien, Wien 2012, S. 233.
  • Schüler-Verzeichnis. Schuljahr 1889/90, k. k. Graphische Lehr und Versuchsanstalt in Wien.
  • Anthony Beaumont (Hg.): Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten. 1898–1902, Frankfurt am Main 1997.
  • Grabstätte Dr. Friedrich Viktor Spitzer. de.findagrave.com/memorial/101069930/friedrich-viktor-spitzer (09.02.2022).
  • Astrid Mahler: Liebhaberei der Millionäre. Der Wiener Camera-Club um 1900. Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich. Band 18, Wien 2019.
  • Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III, Wien 2010, S. 100.
  • N. N.: Sterbeanzeige David Spitzer, in: Neue Freie Presse, 13.11.1895, S. 15.
  • N. N.: Die Villenkolonie auf der Hohen Warte, in: Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bau- und Raumkunst, 9. Jg. (1903), Tafel 85-88.
  • N. N.: Villenkolonie Hohe Warte. Erbaut von Josef Hoffmann, in: Das Interieur. Wiener Monatshefte für angewandte Kunst, 4. Jg. (1903), S. 153-184.
  • Amelia Sarah Levetus: Professor Hoffmann’s Artist Colony, Vienna, in: The International Studio. An Illustrated Magazine of Fine and Applied Art, Band 32 (1904), S. 125-132.
  • F. Matthies-Masuren: Zu den Bildern von Friedr. Spitzer, in: Photographische Rundschau und photographisches Centralblatt. Zeitschrift für Freunde der Photographie, Nummer 18 (1904), S. 135-150.
  • Brief mit Kuvert von Gustav Klimt an Carl Moll (05/19/1899).