Camillo Sitte

Camillo Sitte, um 1883, Österreichische Nationalbibliothek, Wien
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Camillo Sitte: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, 1922
© Getty Research Institute, Los Angeles (870300)

Der Architekt und Pädagoge Camillo Sitte war ein Wegbereiter des modernen Städtebaus. Er galt als Befürworter des Gesamtkunstwerkes und Kritiker der Moderne und damit auch der Wiener Secession.

Camillo Sitte wurde 1843 in Wien als Sohn eines Baumeisters geboren. Er besuchte von 1864 bis 1869 das Polytechnische Institut und die Universität Wien, wo er Architektur, Kunstgeschichte und Archäologie studierte. Seine Dozenten waren unter anderem der Architekt Heinrich Ferstel und der Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger. Letzterer wurde für ihn ein wichtiger Mentor.

Pädagoge und Stadtbautheoretiker
Nach Beendigung seines Studiums assistierte Sitte für einige Jahre seinem Vater. 1875 übernahm Sitte die Leitung der neu gegründeten Staatsgewerbeschule in Salzburg; zuvor empfahl Rudolf Eitelberger ihn für diese Stelle. Acht Jahre später kehrte er nach Wien zurück und lehrte an der dortigen Staatsgewerbeschule, wo Sitte später zum Direktor berufen werden sollte. Seinen Architektenberuf übte er sowohl in Salzburg als auch in Wien zu dieser Zeit nur beschränkt aus.

Neben seiner Lehrtätigkeit in Salzburg und Wien engagierte sich Sitte für den Denkmalschutz und beschäftigte sich mit der Theorie des Städtebaus. Er erstellte zu diesem Thema zahlreiche Aufsätze und Vorträge. 1883 publizierte er schließlich seine bedeutendste theoretische Schrift: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Diese fand vor allem international Beachtung. Der Architekt avancierte in weiterer Folge zum führenden Stadtplanungsexperten und wurde für die Planung und Entwicklung mehrerer europäischer Klein- und Mittelstädte herangezogen. Darüber hinaus gründete Sitte 1903 gemeinsam mit dem deutschen Architekten Theodor Goecke die Fachzeitschrift Der Städtebau. Die erste Ausgabe erschien 1904. Camillo Sitte verstarb jedoch kurz davor im November 1903.

Sezession und Monumentalkunst (1903)
Camillo Sitte, der im gleichen Jahr wie Gustav Klimt der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens beitrat, war ein Kritiker der Moderne und damit der Wiener Secession. Im Mai 1903 veröffentlichte die Zeitung Neues Wiener Tagblatt einen mehrteiligen Artikel des Theoretikers mit dem Titel Sezession und Monumentalkunst. Darin stellte Sitte die Ideen und Grundsätze des Secessionismus in Frage. Die Secession selbst sei laut Sitte ein »Sammelsurium« und habe sich zu sehr in den Vordergrund gedrängt:  

»Jedermann weiß es ja, wie unter diesem gemeinsamen Schlagworte >Sezession< Wahres und Falsches, Schönes und geradezu sinnlich Abstoßendes, Gesundes und geradezu Wahnwitziges auf einem Haufen zusammengetragen ist […].«

Besonders kritisch kommentierte er in diesem Zusammenhang die architektonischen Arbeiten Otto Wagners. Ebenso verwies Sitte im Text auf den Maler Gustav Klimt. Seine Werke seien »herrlich«, aber der Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien), der 1902 in der »XIV. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession« erstmals präsentiert wurde, war »wahrlich moralisch und ästhetisch schlechtweg scheußlich.«

Literatur und Quellen

  • Architektenlexikon. Wien 1770–1945. Camillo Sitte. www.architektenlexikon.at/de/603.htm (21.04.2020).
  • Neues Wiener Tagblatt, 05.05.1903, S. 1-4.
  • Neues Wiener Tagblatt, 06.05.1903, S. 1-3.
  • Felix Czeike (Hg.): Historisches Lexikon Wien, Band 5, Wien 1997, S. 236.
  • Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Band 12, Wien 2005.
  • Hans Vollmer (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker, Band XXXI, Leipzig 1937, S. 106.
  • Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hg.): Allgemeines Künstler-Lexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Band CIV, Berlin - New York 2019, S. 138.
  • Architekten- und Baumeister-Zeitung, 22.11.1903, S. 1-2.
  • Architekten- und Baumeister-Zeitung, 27.03.1904, S. 2.
  • Österreichische Kunst-Chronik, Nummer 25 (1891), S. 675.