Adolf Loos

Adolf Loos fotografiert von Otto Mayer, 1904
© Bildarchiv und Grafiksammlung, Österreichische Nationalbibliothek

Adolf und Lina Loos in der Kaminnische ihrer Wohnung in der Bösendorferstraße 3, 1903
© ALBERTINA, Wien

Gustav Klimt: Die Jurisprudenz, 1903-1907, 1945 in Schloss Immendorf verbrannt, in: Kunstverlag Hugo Heller (Hg.): Das Werk von Gustav Klimt, Wien - Leipzig 1918.
© Klimt-Foundation, Wien

Plakat "Das Wiener Weh" (Wiener Werkstätte) Eine Abrechnung!", 20.04.1927
© Klimt-Foundation, Wien

Das Haus am Michaelerplatz von Adolf Loos, fotografiert von Bruno Reiffenstein, um 1920
© Wien Museum

Der Architekt und Schriftsteller Adolf Loos bezog um die Jahrhundertwende vehement Stellung gegen die vorherrschende Ästhetik der Wiener Secession. Beeinflusst durch die baulichen Tendenzen der USA, die Wohnkultur des Biedermeier und des Chippendale-Stils, kreierte er durch Praktikabilität und Materialsichtigkeit geprägte Bauten und Innenausstattungen. Trotz allem war Gustav Klimt für ihn ein Revolutionär.

Adolf Loos – der Globetrotter
Adolf Loos wurde am 10. Dezember 1870 in Brünn (heute: Brno, Tschechien) geboren. Die Profession des Vaters – ein Bildhauer und Steinmetzmeister – war prägend für den Werdegang des Sohnes. Zu seiner Mutter hatte Loos ein angespanntes Verhältnis, vor allem nach dem frühen Tod des Vaters.

Die Schulausbildung absolvierte er in Brünn, Iglau (heute: Jihlava, Tschechien) und Melk. In Iglau lernte er den gleichaltrigen Josef Hoffmann kennen. Nach dem Schulabschluss besuchte Loos die k. k. Staatsgewerbeschule Reichenberg, und anschließend war er wie Hoffmann Student der k. k. Staatsgewerbeschule Brünn. Ab 1892 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule in Dresden. Ohne Abschluss begab er sich 1893 auf eine mehrjährige USA-Reise. Die in Chicago, wo er auch die Weltausstellung besuchte, New York, St. Louis und Philadelphia gesammelten Eindrücke wirkten auf Loos maßgeblich stilbildend. Im Mai 1896 kehrte er nach Europa zurück und ließ sich in Wien nieder. Kurzfristig war er Mitarbeiter im Atelier von Karl Mayreder, schlug jedoch bald eine vorrangig publizistische Laufbahn ein. Peter Altenberg, Karl Kraus und Arnold Schönberg wurden zu wichtigen Wegbegleitern. Er schrieb für die Neue Freie Presse und publizierte in der Fachzeitschrift Der Architekt den für einen Wettbewerb verfassten Aufsatz Die alte und die neue Richtung in der Baukunst als Reaktion auf Otto Wagners Schrift Moderne Architektur. Adolf Loos erhielt dafür den zweiten Preis.

Loos' Aufbegehren gegen die Wiener Moderne
Im Juli 1898 fanden die Ansichten von Loos auch in Ver Sacrum Niederschlag. In dem polemisierenden Aufsatz Die Potemkinsche Stadt vertrat er die Meinung, dass ein Architekt umfassende künstlerische Gestaltungsversuche zu unterlassen habe. Dies und Hoffmanns Weigerung, von Loos den Ver-Sacrum-Raum der Secession gestalten zu lassen, führten zum Bruch. Loos versuchte daraufhin als selbstständiger Innenarchitekt Fuß zu fassen und gestaltete zu Beginn vor allem die Einrichtungen unterschiedlicher Wohnungen und öffentlich zugänglicher Lokalitäten. Er entwickelte eine purifizierte Moderne, die sich vehement gegen das von Hoffmann, der Secession und der Wiener Werkstätte propagierte Konzept des Gesamtkunstwerkes richtete. Loos selbst definierte sich als

»ein gegner jener richtung, die etwas besonders vorzügliches darin erblickt, daß ein gebäude bis zur kohlenschaufel aus der hand eines architekten hervorgehe [!].«

Gleichwohl bezog er auch Position gegen die Stilblüten des Historismus.

Im Frühjahr 1899 erhielt er erstmals umfangreiche Aufmerksamkeit für das puristische und zweckmäßige Design des »Café Museum«, »das erste moderne im sezessionistisch werdenden Wien«, wie Ludwig Hevesi anmerkte. Regelmäßig wurde es von Gustav Klimt und weiteren Secessionisten besucht.

»Und doch glaube ich an den Genius Klimt«
Auch wenn Loos grundsätzlich zur Kunst der Jahrhundertwende diametral Position bezog, zeigte er sich dennoch in dem undatierten und unveröffentlichten Typoskript Ein Kapitel aus der Geschichte der Malerei im XX. Jahrhundert. Klimt dem Ausnahmekünstler gegenüber anerkennend und vor allem solidarisch mit dessen skandalumwitterten Fakultätsbildern:

»Alles, was wir Großes in den letzten Jahren geleistet haben, ist diesem Meister zu verdanken: Gustav Klimt.«

Darüber hinaus schlussfolgerte er nach seiner analytischen Besprechung der Deckengemälde:

»Bisher haben wir nur über das äußerlich Revolutionäre gesprochen. […] Dadurch würde sich die Größe Klimts nicht erklären lassen. Denn es ist der Geist, der sich den Körper baut. Klimt ist auch der größte innere Revolutionär unter den Malern.«

Ob zwischen Klimt und Loos jemals eine direkte Interaktion stattfand, konnte bisher nicht restlos geklärt werden.

»Fundamentales über scheinbar Funktionales«
In den Jahren nach der Jahrhundertwende verstärkte sich Loos‘ architektonische Tätigkeit, und er zeichnete für den Bau und die Ausstattung einer Vielzahl von Wiener Geschäftslokalen, Privatvillen, Wohnhausanlagen und Bürohäusern verantwortlich. 1902/03 richtete er in der Bösendorferstraße 3 (Wien, Innere Stadt, ehemals: Giselastraße) seine eigene Wohnung ein und bezog sie mit seiner jungen Ehefrau Lina Loos. Bereits 1905 folgte die Scheidung. Loos betätigte sich in diesem Jahr als Designer für eine nicht mehr erhaltene Wohnung von Carl Reininghaus in Wien-Wieden, der, abgesehen von seiner Rolle als Kunstmäzen, Klimts berühmte Wandausstattung für die Wiener Secession, den Beethovenfries (1901/02, Belvedere, Wien), durch Ankauf vor der Zerstörung bewahrte.

1908 lernte Loos das Enfant terrible Oskar Kokoschka im Zuge der »Kunstschau Wien« kennen, dessen Mentor er werden sollte. Klimt hatte den jungen Künstler zur Teilnahme aufgefordert. Am 21. Januar 1910 hielt Loos auf Einladung des Akademischen Verbands für Literatur und Musik in Wien erstmals den skandalträchtigen Vortrag »Ornament und Verbrechen« und beeindruckte damit die junge Generation der Expressionisten. Eine frühere Fassung unter einem anderen Titel hatte Loos bereits im November 1909 in Berlin in der Galerie Paul Cassirer, organisiert von Herwarth Walden, vorgetragen. Loos bezog als Verfechter von Materialqualität und Praktikabilität entschieden gegen den dekorativen Jugendstil und die Wiener Werkstätte – von ihm auch »Wiener Weh« genannt – Stellung. Im Zuge dieses Vortrags betonte er, dass die Zweckmäßigkeit eines Baus und seiner Einrichtung über jedes moderne Ornamentsystem erhaben sei. Durch darauffolgende öffentliche Vorträge befeuerte er diese Ansichten. Sein größtes und zugleich provokativstes innerstädtisches Bauprojekt – das Haus am Michaelerplatz – setzte er nahezu zeitgleich zwischen 1909 und 1911 um. Auftraggeber war der exklusive Herrenausstatter Goldman & Salatsch. Die schmucklose und auf Materialsichtigkeit bedachte Architektur rief einen Skandal hervor, der einen temporären Baustopp bedingte. Zusätzlich war er in diesen Jahren auch mit der Innenraumgestaltung des Wiener Herrenmodegeschäfts Kniže & Comp. beschäftigt.

Im Jahr 1912 wurde Loos gebeten, sich um die Nachfolge Otto Wagners an der Akademie der bildenden Künste Wien zu bewerben, was er jedoch ablehnte. Er gründete stattdessen eine private Bauschule, deren Vortragstätigkeit aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen wurde. Ornament und Verbrechen wurde schließlich im Jahr 1913 in französischer Sprache erstmals publiziert.

Nach Kriegsende heiratete Loos die 30 Jahre jüngere Elsie Altmann. Er engagierte sich in den Folgejahren vor allem für den gemeinnützigen Wohnbau und war Leiter des Wiener Siedlungsamtes. Aufgrund von Unstimmigkeiten legte er seine Funktion jedoch zurück und hielt sich ab 1922 vorrangig in Frankreich auf, wo er in Paris die Häuser von Tristan Tzara und Josephine Baker baute. Loos konnte von seinen Aufträgen kaum leben, sodass Altmann für ihn aufkommen musste. 1926 folgte die Scheidung. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich im Jahr 1928 war Adolf Loos in Wien mit einer schwerwiegenden Sittlichkeitsklage konfrontiert. Das tatsächliche Ausmaß der vorgefallenen Straftaten wurde erst Jahrzehnte nach seinem Ableben bekannt. In diesem Jahr lernte er auch seine dritte Ehefrau, Claire Beck, kennen.

Am 23. August 1933 verstarb Adolf Loos an den Folgen eines ein Jahr zuvor erlittenen Schlaganfalls als verarmter Architekt in Kalksburg bei Wien. Der Schriftsteller, Wegbegleiter und langjährige Freund Karl Kraus hielt die Grabrede. Ein nach Loos‘ Skizzen angefertigter Grabstein schmückt seine letzte Ruhestätte am Wiener Zentralfriedhof.

Literatur und Quellen

  • Architektenlexikon. Wien 1770–1945. Adolf Loos. www.architektenlexikon.at/de/362.htm (15.04.2020).
  • Eva B. Ottillinger: Was sind moderne Möbel? Antworten von Wagner, Hoffmann und Loos, in: Eva B. Ottillinger (Hg.): Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne. Künstler, Auftraggeber, Produzenten, Ausst.-Kat., Hofmobiliendepot - Möbel Museum Wien (Wien), 21.03.2018–07.10.2018, Wien - Köln - Weimar 2018, S. 109-121.
  • Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Christina Witt-Dörring (Hg.): Wege der Moderne / Ways to Modernism. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen / and Their Impact, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 17.12.2014–19.04.2015, Wien 2015.
  • Adolf Loos: Die Interieurs in der Rotunde, in: Adolf Loos (Hg.): Ins Leere gesprochen, Wien 1898, S. 81.
  • Christopher Long: Vermächtnis einer Kampfdekade.»Ornament und Verbrechen ab 1909«, in: Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Christina Witt-Dörring (Hg.): Wege der Moderne / Ways to Modernism. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen / and Their Impact, Ausst.-Kat., MAK – Museum für angewandte Kunst (Wien), 17.12.2014–19.04.2015, Wien 2015, S. 184-193.
  • Ludwig Hevesi: Adolf Loos, in: Altkunst – Neukunst, Wien 1909, S. 284-288.
  • Burkhardt Rukschcio, Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk, Wien - Salzburg 1982.
  • Eva B. Ottillinger: Adolf Loos. Wohnkonzepte und Möbelentwürfe, Salzburg - Wien 1994.
  • Eva B. Ottillinger (Hg.): Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne. Künstler, Auftraggeber, Produzenten, Ausst.-Kat., Hofmobiliendepot - Möbel Museum Wien (Wien), 21.03.2018–07.10.2018, Wien - Köln - Weimar 2018.
  • Adolf Loos: Ein Kapitel aus der Geschichte der Malerei im XX: Jahrhundert. Klimt, o.D., in: Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus, Wien 2018, S. 34-36.
  • Tobias G. Natter: »Klimt hat uns den Himmel genommen, Klimt hat uns den Himmel gegeben.«, in: Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus, Wien 2018, S. 37-41.
  • Beatriz Colomina: Sex, Lies and Decoration: Adolf Loos and Gustav Klimt, in: Jehuda E. Safran (Hg.): Adolf Loos Our Contemporary, New York 2012.
  • Ein Kapitel aus der Geschichte der Malerei im XX. Jahrhundert. Klimt, Wien, o.D.. Unveröffentlichtes Typoskript.